Sein Enkel wuchs in einem miserablen Elternhaus auf, sein Großvater war ein Sklave der nur eine Mutter hatte, die aber immer für ihn da war.
Also das muss ich etwas relativieren.
Weder ist 1.) Kylos Elternhaus
miserabel, noch hatte Anakin 2.) eine Mutter die
immer für ihn da war.
ad 1) Es hat längere Zeit so ausgeschaut, als wäre Kylo in wahrhaftig suboptimalen Bedingungen aufgewachsen, vor allem durch Drivers Bemerkungen zur Persönlichkeit von Kylo Ren und der von Ben/Kylo gezeigten Verachtung von Han.
Allerdings muss man da schon differenzieren, vor allem im Licht der neueren Informationen. Driver bezeichnet Kylo nämlich auch als jemanden, der sich nicht als Bösewicht sieht. Allein dadurch relativiert sich die Aussage zur Familie und zeigt auf, dass all diese Dinge allein Kylos Wahrnehmung der Dinge sind. Wir als Zuseher wissen genau, dass Kylo Ren in TFA ein Bösewicht im Wortsinn ist, selbst wenn er sich gerade erst im Aufbau befindet. Er macht genug grausige und unmoralische Sachen, die ihm den Titel an die Brust heften. Da kann er sich noch so wenig als Bösewicht sehen.
In Bloodline gibt es eine Minisequenz die aber zeigt, dass Leia sehr wohl
das Gefühl hat, dass ihr Sohn über weite Strecken in ordentlichen Verhältnissen groß geworden ist (die Kinderspiel-Sache). Zudem reden sie und Han auch über den Verlust, als hätte jeder von ihnen mit der Frage zu kämpfen oder zu kämpfen gehabt, wie es dazu wohl gekommen ist. Das wiederum ist die Wahrnehmung von Han und Leia.
Nichts davon muss der Wahrheit entsprechen... oder wahrscheinlicher: alles zusammen können Aspekte der Wahrheit sein. Hier darf ich Obi Wan mit einer großen Weisheit zitieren:
Viele Wahrheiten an die wir uns klammern, sind in hohem Maß von unserem Standpunkt abhängig. Jeder sieht die Dinge mit seinen eigenen Augen und schafft sich so seine eigene Wahrheit. Die die betreffende Person als wahr erlebt - und für Außenstehende trotzdem nicht zutreffen muss.
Wann Ben zu Luke geschickt worden ist weiß man derzeit noch nicht, aber auch Luke würde ich jetzt einfach mal zugestehen, dass seine erzieherische Anwesenheit nicht den Ausdruck miserabel verdient.
Den Unterschied, auf den ich hinaus will, zeigt das Pärchen Obi Wan und Anakin sehr gut. Obi- Wan hat Anakin sicher gut begleitet und sein Bestes versucht. Sie waren vor dem Ende mehr Freunde als Meister und ehemaliger Schüler. Trotzdem hat das alles nichts genutzt, es hat Anakins Widerstandskraft gegen das Böse im Endeffekt nicht gesteigert. Sobald Sidious Anakins Knackpunkt gefunden hatte, hat er alles ausgehebelt.
Man könnte jetzt auch sagen: Ja, das war eine miserable Performance von Obi-Wan. In Wahrheit hat an genau dieser Stelle auch diese - noch-Hintergrund-Plotlinie- aus TFA schon einmal stattgefunden. Sidious hat im Hintergrund intrigiert und Anakins "Übernahme" vorbereitet.
Dass Snoke ähnlich vorgegangen sein dürfte, wissen wir nur von Leia und an der Stelle möchte ich anmerken: Nachher ist man immer schlauer. Oft sieht man erst im Rückblick genau, was im Moment ein Bauchgefühl war, dem man aus verschiedenen Gründen einfach nicht zugehört hat.
Jedenfalls, dass sich die Geschichte hier wiederholt ist keine lahme Plotline. Das ist buchstäblich das echte Leben, weil so etwas passiert in echten Familien auch immer und immer wieder. Da werden - oft ganz unterschwellige, kaum wahrnehmbare - Konflikte über Generationen vererbt. Ein ganzer Wissenschaftszweig beschäftigt sich mit solchen "unsichtbaren" Familientraditionen, die Familienpsychologie.
Das Beispiel der Familie Han/Leia/Ben zeigt auch, dass es nahezu immer ein großes Problem darstellt, wenn man sich nicht mit der eigenen Familiengeschichte auseinandersetzen möchte. Was in Leias Fall allerdings extrem verständlich ist. Nur hätte sie Snokes wasauchimmer vielleicht früher als das erkannt, was es war, wenn sie sich mit Anakins Laufbahn intensiv auseinandergesetzt hätte. Wenn sie das aber getan hat, dann war es ein großer Fehler es Han zu verheimlichen. Unsichtbare, tradierte Muster werden ganz häufig gut von außen erkannt. Vielleicht hätte er ihr Bauchgefühl bestärkt und sie wären aktiv geworden...
ad 2)
Shmi war mit Sicherheit das leuchtende Beispiel einer liebenden, aufopferungsvollen Mutter. Defacto konnte sie nur die ersten Jahre für Anakin da sein. Das hatte definitiv positive Folgen für Anakin, aber eben keine wirklich dauerhaften, siehe Vader.