Balkanfeldzug
zusammenfassende Bezeichnung für die militär. Operationen zunächst der italien. und nach deren Scheitern der dt. Wehrmacht auf der Balkanhalbinsel 1940/41. Am 28.10.40 ließ Mussolini entgegen dt. Warnungen und ohne Unterrichtung des Bündnispartners vom kurz zuvor annektierten Albanien aus eine Armee in Griechenland einfallen. Eifersüchtig auf die dt. militär. Erfolge vom Sommer 40 hatte er nicht verwinden können, dass Hitler ihn über seine Absichten meist im unklaren gelassen hatte, und wollte seinerseits eigenmächtig handeln, wobei er die Möglichkeiten der italien. Armee weit überschätzte und sich über den Rat seiner Generale hinwegsetzte. Anzeichen über italien. Absichten gegen Griechenland waren Hitler nicht verborgen geblieben, doch sein Wink, den Balkan aus dem Krieg herauszuhalten, war von Mussolini ignoriert worden.
Dem um 6 Uhr des 28.10. beginnenden italien. Angriff ging ein unannehmbares Ultimatum an Athen voraus. Der italien. OB in Albanien, Korpsgeneral Sebastiano Visconti-Prasca, verfügte über 155 000 Soldaten (1 Panzerdivision mit leichten Kampfwagen, 1 Alpini-Division und 6 Infanteriedivisionen). Zur Luftunterstützung war ihm das 4. Fliegerkorps mit 107 Jägern, 55 Bombern und 25 Aufklärern zugeteilt worden. Das griech. Heer unter Armeegeneral Papagos besaß zu dieser Zeit nach Mobilmachung 1 Kavallerie-Division und 14 Infanteriedivisionen, insges. 430 000 Mann. Die Luftstreitkräfte bestanden nur aus 44 Jägern, 39 Bombern und 66 Aufklärern. Nach geringen Anfangserfolgen blieben die Italiener vor den Stellungen der sich entschlossen zur Wehr setzenden Griechen liegen. Ein Gegenstoß des griech. 11. Korps (Papadopulos) am 2. und 3.11. warf den am weitesten auf griech. Gebiet vorgedrungenen linken Flügel der italien. 11. Armee zurück. Am gleichen Tag gingen die ersten brit. Truppen in Piräus an Land. Angesichts der ihm äußerst unerwünschten Entwicklung entschloss sich Hitler am 4.11. zu einem Entlastungsangriff über Ungarn, Rumänien und Bulgarien. Seine Weisung Nr. 18 vom 12.11.40 befahl dem OKH, Vorbereitungen zu treffen, um "im Bedarfsfall aus Bulgarien heraus das griech. Festland nördl. des Ägäischen Meeres in Besitz zu nehmen und damit die Voraussetzungen für den Einsatz dt. Fliegerverbände gegen Ziele im ostwärtigen Mittelmeer zu schaffen, insbesondere gegen diejenigen engl. Luftstützpunkte, die das rumän. Erdölgebiet bedrohen".
Inzwischen war am 14.11. an der alban. Front der zweite Schlag gefallen: 3 griech. Korps traten mit Kavallerie-Divisionen, 8 Infanteriedivisionen und 3 Brigaden zum Angriff an und warfen die nunmehr zur Heeresgruppe Albanien (Soddu) erweiterten, aus den Armeen 9 (Vercellino) und 11 (Geloso) bestehenden italien. Invasionstruppen über die Grenze zurück. Dennoch prahlte Mussolini am 18.11. in einer Rede: "... wir werden Griechenland das Rückgrat brechen" und gab die italien. Verluste der ersten 10 Kampftage mit 372 Toten, 1081 Verwundeten und 650 Vermissten an. Am 13.12. unterzeichnete Hitler die Weisung Nr. 20, in der die Einzelheiten des dt. Aufmarsches gegen Griechenland - Unternehmen "Marita" - festgelegt wurden. Am Monatsende löste Armeegeneral Cavallero den erkrankten Soddu ab. In Albanien standen nun 16 italien. 13 griech. Divisionen gegenüber. Bei einem Treffen mit Mussolini am 19./20.1.41 teilte Hitler dem Duce seine Absicht mit, Griechenland anzugreifen und einen Sperrverband nach Libyen zu entsenden, wo sich die Lage der Italiener nach dem brit. Gegenangriff vom 9.12.40 ebenfalls katastrophal entwickelt hatte (Afrikafeldzug). Italiens "Parallelkrieg" fand damit sein Ende.
Nach dem Einrücken der dt. Truppen in Rumänien und Bulgarien begann am 4.3.41 die brit. Operation "Lustre", die Überführung von Empiretruppen nach Griechenland, die am 24.2. vom Kabinett gebilligt worden war. Bis zum 24.4. kamen rd. 58 000 Mann, in erster Linie das austral. I. AK (Blamey) mit der neuseeländ. 2. Division (Freyberg), der austral. 6. Division (Mackey) sowie der 1. Panzerbrigade (Charrington). OB wurde Generalleutnant Wilson, die Luftstreitkräfte standen unter dem Kommando von Vizeluftmarschall d'Abiac.
Hitlers Bemühungen, Jugoslawien in seinen Einflussbereich zu zwingen, führten am 25.3.41 zum Beitritt Belgrads zum Dreimächtepakt. Dem Vertragsabschluss waren dt. Zugeständnisse, darunter der Verzicht auf Truppentransporte für »Marita« durch Jugoslawien, vorausgegangen. Ein Staatsstreich antidt. Kräfte am 27.3. machte diesen Erfolg aber wieder zunichte und führte zum Entschluss Hitlers, "Jugoslawien militär. und als Staatsgebilde zu zerschlagen" (Weisung Nr. 25 vom gleichen Tage). Zunächst für den 1.4.41 geplant, begann der dt. Angriff am 6.4. um 5.15 Uhr. Zum Auftakt bombardierten 484 dt. Flugzeuge Belgrad, wobei 1500 Zivilisten ums Leben kamen. Gegen Griechenland kam die 12. Armee (List) mit 2 Panzerdivisionen, 2 Gebirgs- und 4 Infanteriedivisionen zum Einsatz, gegen Jugoslawien die 2. Armee (v. Weichs) und die Panzergruppe 1 (v. Kleist) mit 4 Panzer-, 3 mot. und 7 Infanteriedivisionen Die Luftflotte 4 (Löhr) übernahm mit 210 Jägern, 400 Bombern und Sturzbombern sowie 170 Aufklärern die Luftsicherung der Operationen. Die griech. Armee, deren Hauptkräfte in Albanien gebunden waren, vermochte den dt. Truppen nur 4 Divisionen und 2 Brigaden entgegenzustellen. Trotz tapferer Gegenwehr, vor allem in den Befestigungen der Metaxas-Linie, konnte die dt. 2. Panzerdivision schon am 9.4. in Saloniki einrücken. Nach Durchbruch durch den Befestigungsgürtel und Abschneiden der Verbindungen zu den griech. Hauptkräften kapitulierte die Ostmazedonien-Armee (Bakopulos) am gleichen Tag. Das dt. Vorrücken in Mazedonien und Süd-Jugoslawien bedrohte nach wenigen Tagen die griech. Albanienfront - hier hatten die Griechen bislang die Gefangennahme von 13 300 Italienern gemeldet -, sodass sie vom 14.4. an zurückgenommen werden musste. Inzwischen war auch das jugoslaw. Heer, das in 3 Armeegruppen mit insges. 7 Armeen (=Korps) 3 Kavallerie- und 27 Infanteriedivisionen sowie 6 Brigaden mobilisiert hatte, weitgehend zerschlagen oder hatte sich, besonders in den mit Kroaten durchsetzten Verbänden, einfach aufgelöst. Die jugoslaw. Luftwaffe konnte mit ihren 144 Jägern, 160 Bombern und 40 Aufklärern, darunter moderne dt. Me 109 und Do 17, nur wenig wirksam werden.
Als das dt. XVIII. Korps die brit. Riegelstellung am Olymp durchbrochen hatte, gab das brit. Oberkommando am 17.4. die Genehmigung zur Räumung Griechenlands durch die Royal Navy. Am gleichen Tag unterzeichnete der jugoslaw. OB Armeegeneral Kalafatovic in Belgrad die Kapitulation seiner Streitkräfte. Angesichts der hoffnungslosen Lage fand am 18.4. in Athen ein Kriegsrat statt, bei dem sich die Frontbefehlshaber gegen die Meinung von König Georg II. und General Papagos für eine baldige Kapitulation aussprachen. Ministerpräsident Alexander Koryzis beging nach der Sitzung Selbstmord. Am nächsten Tag übergingen die Kommandierenden Generäle der drei in Epirus kämpfenden Korps - I. AK (Panajotis), II. AK (Bakos) und III. AK (Tsolagoglu) - ihren OB, Generalleutnant Pitsikos, und schickten einen Parlamentär zum Gegner. Dies führte im Hauptquartier von Tsolagoglu zur Kapitulation vor dem Kommandeur der Brigade Leibstandarte-SS "Adolf Hitler", Sepp Dietrich, ein Akt, der am 21.4. in Larissa vor Generalfeldmarschall List wiederholt und ironischerweise nach Protesten Mussolinis zum dritten Mal am 23.4. in Saloniki vor General Ferrero vollzogen wurde.
Die brit. Räumung Griechenlands (Operation "Demon") begann am 24.4., verzögert durch dt. Luftangriffe auf Schiffe und Häfen. Die Einschiffungen mussten schließl. fast durchweg vom freien Strand aus erfolgen. Insges. konnten 50 732 Soldaten, darunter wenige Griechen und Jugoslawen, abtransportiert werden. In Kalamata musste Brigadegeneral Parrington mit 6652 Empiresoldaten und 904 Jugoslawen (darunter 4 Generale) vor der dt. 5. Panzerdivision kapitulieren. Insges. waren in Griechenland eingesetzt: 21 880 Briten, 17 125 Australier, 16 720 Neuseeländer und 4670 Palästinenser und Zyprioten = 60 395. Davon waren 903 gefallen, 1250 verwundet und 13 958 in dt. Gefangenschaft geraten (= 16 111). Die dt. 12. Armee meldete die Gefangennahme von 342 Offizieren und 10 340 brit. Soldaten. Die RAF hatte 209 Maschinen eingebüßt und 163 Mann, die dt. Luftwaffe 158 Flugzeuge. 344 000 Jugoslawen und 223 000 Griechen kamen in dt. Gefangenschaft. Am 27.4. rückte die Aufklärungsabteilung der dt. 5. Panzerdivision in Athen ein, und am 30.4. war mit der Besetzung des griech. Festlands einschließl. des Peloponnes der Balkanfeldzug beendet. Die dt. Verluste betrugen 2559 Tote, 3169 Vermisste und 5820 Verwundete. Die ungar. 3. Armee (Novák von Gorondy), die mit 10 Brigaden an den Operationen teilgenommen hatte, meldete 15 000 jugoslaw. Gefangene; sie selbst hatte 65 Gefallene, 242 Verwundete und 15 Vermisste zu verzeichnen. Ohne in größere Kampfhandlungen verwickelt zu werden, hatte die italien. 2. Armee (Ambrosio) die dalmatin. Küste besetzt.
Als letzte griech. Bastion blieb die Insel Kreta, die im Anschluss an den Balkanfeldzug beim Luftlandeunternehmen "Merkur" bis 1.6.41 erobert wurde. Insges. verzögerten die Kampfhandlungen im SO den längst geplanten Russlandfeldzug (Unternehmen "Barbarossa") um mehrere Wochen und schwächten die Wehrmacht durch erhebl. Menschen- und Materialverluste.