[Calamari-System | Mon Calamari | Orotoru G’am | Belenys und Fentens Wohnung] Beleny Phoss, Fenten
Beleny befand sich noch im Halbschlaf. Sie drehte sich zur Seite und tastete nach der anderen Betthälfte. Da sie nicht wie erhofft den vertrauten Körper ihres Lebensgefährten ertasten konnte, um ihn mit einer sanften Berührung aufzuwecken, öffnete sie blinzelnd die Augen. Es war dunkel in ihrem Schlafzimmer, aber das sagte nichts über die Tageszeit aus: Bedauerlicherweise gab es kein Fenster nach draußen, durch das Tageslicht hinein dringen konnte. Mit ihren großen Augen, die durch den Albinismus besonders lichtempfindlich waren, konnte sie aber genug erkennen: Ihre Sehkraft bestätigte den Eindruck ihres Tastsinns, dass die andere Betthälfte leer war. Es war nicht unüblich, dass sie nicht die ganze Nacht beieinander verbrachten. Ihre unterschiedlichen Bedürfnisse machten getrennte Betten nötig. Matratzen und Decken waren für den Mon Calamari ein ebenso ungeeigneter Schlafplatz wie sein meerwassergefülltes Bassin für die Kilmaulsi. Doch dies war die letzte gemeinsame Nacht, bevor Belenys Landurlaub endete und sie Mon Calamari wieder verlassen musste; sie hatte gehofft, heute neben ihm aufzuwachen. Sie richtete sich halb auf und ihr Blick wanderte nun hinüber zu seiner Schlafstatt, doch auch diese war leer. Offenbar war Fenten bereits auf den Beinen; das war eigentlich unüblich für ihn, denn an Tagen, an denen er nicht unterrichten musste, schlief er gerne lang. Beleny lauschte, ob sie ihn vielleicht in der Küche werkeln hörte. Alles war ruhig: Sie schien allein in der Wohnung zu sein. ›So habe ich mir diesen Morgen nicht vorgestellt‹, dachte sie. Mit einem Seufzen stand sie auf. Nackt wie sie war ging sie zur Dusche. Selbstverständlich hatten die beiden Liebenden die Nacht genutzt, so gut sie konnten; eine Erfrischung war nötig. Das brausende Wasser auf ihrer Haut und in ihrem Gefieder spülte auch die Müdigkeit von ihr ab. Während sie sich anzog, hörte sie, dass ihr Partner zurückkehrte. Als sie in die Küche trat, war er gerade dabei, eine Einkaufstasche auszuräumen.
»Guten Morgen!« sagte sie, ein wenig verschnupft darüber, dass er sie allein gelassen hatte. »Schon unterwegs um diese Zeit?«
»Ich war auf dem Markt, Frühstück besorgen«, antwortete er und wirkte dabei ertappt. »Eigentlich wollte ich es dir ans Bett bringen, aber da bin ich wohl zu spät.«
»Macht nichts.« Sie begann, den Tisch zu decken, während er die Speisen anrichtete. Er hatte einen schlangenähnlichen Fisch besorgt, den er nun fachgerecht filetierte. Das weiße Fleisch war absolut frisch und kam roh auf den Tisch, dazu Muscheln und Wasserpflanzen als Beilage, sowie ein Gebäck aus importiertem Getreidemehl; menschliche Kost, die aber schon vor der Verlegung des Senats nach Mon Calamari Bestandteil der hiesigen Küche geworden war. Er hatte nur Lebensmittel ausgesucht, die Beleny besonders mochte. Sie musste Fentens Mühe und gute Absicht anerkennen. Deshalb verzichtete sie auf eine Anmerkung darüber, dass sie sich noch mehr darüber gefreut hätte, wenn er bei ihr geblieben wäre und sie den Tag nicht allein hätte beginnen müssen. Der Geschmack des fangfrischen Fischs auf ihrer Zunge entschädigte sie für den entgangenen Moment des gemeinsamen Erwachens.
»Es ist köstlich«, sagte sie bei den ersten Bissen. »Das calamarische Essen vermisse ich wirklich auf Mirial.«
»Nur das Essen?« fragte Fenten mit einem verschmitzten Ausdruck in seinen riesenhaften Augen.
»Nein, auch andere Sachen«, antwortete sie. »Die Seeluft, das Geräusch der Wellen. Das warme Klima. Die Freizeitaktivitäten, die wir auf dem Stützpunkt so nicht haben. Und meine Eltern. Naja, und dich auch.«
Er lachte. Wie immer kam ihr Scherz sehr trocken rüber, auch weil ihr Schnabel ein Lächeln unmöglich machte, doch er gehörte zu den wenigen, die ihren ›besonderen‹ Humor verstanden und zu schätzen wussten. Das war vielleicht einer der wichtigsten Eckpfeiler ihrer Beziehung.
»Vor allem nachts.«
»Und ich dich erst!«
Zu Enthaltsamkeit verdammt zu sein, während sie sich auf unterschiedlichen Planeten befanden, war für beide eine Belastung. Trotz ihrer extrem unterschiedlichen Anatomien hatten sie Wege gefunden, ihre Liebe auch körperlich auszuleben - auf eine Weise, die für beide befriedigend war. Die wenigen Tage und vor allem Nächte des Landurlaubs hatten sie voll ausgekostet, aber jetzt kam auf beide wieder eine Durststrecke zu. Aber das war nicht das Schlimmste. Der Gedanke, ihn wochenlang nicht zu sehen und nur über Textnachrichten und vielleicht alle paar Tage eine kurze Holoverbindung mit ihm zu kommunizieren, war alles andere als verlockend. Beleny verspürte keine große Lust, Dac wieder zu verlassen. Fenten ging es wohl ähnlich.
»Dein Urlaub war viel zu kurz«, sagte er. »Ich will nicht schon wieder so lange von dir getrennt sein.«
»Ich auch nicht, aber es geht nicht anders.«
»Naja, theoretisch...«
Sie wusste, was jetzt kommen würde. Dieses Thema hatten sie schon oft erörtert, und selten war es gut ausgegangen. Vor ihrer Abreise nach Mirial hatten sie sich deswegen heftig gestritten und sich in Unfrieden getrennt; das hatte ihr viele schlaflose Nächte eingebracht und die Einlebung in Camp Hoar Planes nicht gerade begünstigt.
»Im Ernst, du willst wieder damit anfangen?« fragte sie in einem Tonfall, der ein paar Nuancen schärfer ausfiel, als sie beabsichtigt hatte.
»Nein, du hast Recht. Wir haben oft genug darüber gesprochen. Du weißt, dass ich stolz bin auf das was du tust und dich unterstütze! Daran hat sich nichts geändert! Es ist nur... es ist eben hart.«
»Für mich ist die Trennung mindestens so schwer wie für dich. Ich bin immerhin auf einem fremden Planeten, weit weg von zuhause.«
»Stimmt. Aber...«
»Noch ein Aber?« Nun bahnte sich doch eine weitere fruchtlose Diskussion an. Dieselbe wie schon so oft. Beide liebten einander, aber auch ihren jeweiligen Beruf. Beleny war mit Leib und Seele Pilotin und dachte nicht im Traum daran, ihren Dienst beim republikanischen Sternenjägercorps aufzugeben, auch wenn sie auf einer fernen Welt Dienst tun musste. Fenten hingegen wollte nicht seinen Beruf als Lehrer aufgeben, seine Schulklassen und sein ganzes soziales Umfeld hinter sich lassen, um mit ihr nach Mirial zu ziehen. Beide wünschten sich, dass es anders wäre, aber keiner war bereit, seine eigene Lebensplanung komplett zurückzustellen. Einen anderen Kompromiss als die mühsame Fernbeziehung gab es nicht.
Doch wenn Fenten einmal etwas auf der Zunge hatte, dann musste es auch heraus. Das ›Aber‹ war ausgesprochen, nun konnte er nicht anders, als den Rest des Satzes noch folgen zu lassen. Auch ein Bereich, in dem er schlecht zurückstecken konnte, und eine Eigenheit, die es nicht immer einfach machte, mit ihm auszukommen.
»Es ist so... ich habe Angst um dich«, sagte er. »Ich weiß, dass du auf dich aufpassen kannst. Aber du bist nunmal Soldatin. Es ist deine Aufgabe, dein Leben zu riskieren. Wenn ich mir vorstelle, dass du in deinem Y-Wing in einen Kampfeinsatz fliegst, werde ich verrückt vor Sorge.«
Es überraschte Beleny, das zu hören. So hatte er sich nie zuvor geäußert. Sie hatten schon oft über Sinn und Unsinn der langen Trennung gesprochen, hatten ihre Karrieremöglichkeiten mit den gemeinsamen Lebensplänen aufgewogen. Viele Argumente hatten auf der Pro- und Contraseite gelegen. Auch Eifersucht, zu der sie beide tendierten, spielte dabei eine Rolle. Die Gefahren, die ihr Beruf als Kampfpilotin mit sich brachte, waren aber immer unausgesprochen geblieben. Sie hatte angenommen, dass er damit zurecht kam, zumal sie wusste, dass er ein viel idealistischerer Verfechter der Neuen Republik war als sie und das Imperium inbrünstig hasste. Der Eindruck, dass er nicht nur ein Problem mit ihrer Abwesenheit, sondern auch mit ihrer Berufswahl an sich hatte, versetzte ihr einen Stich. Wie Unterstützung fühlte sich das nicht an. Doch sie wollte diese Diskussion nicht führen, nicht an diesem Tag, nur wenige Stunden vor ihrer Abreise. Das machte alles nur noch komplizierter.
»Die Galaxis war zu unseren Lebzeiten noch nie friedlicher als jetzt«, erwiderte sie beschwichtigend. »Seit dem Friedensvertrag gibt es kaum noch richtige Kampfeinsätze für Sternenjägerpiloten. Und Mirial ist strategisch unbedeutend. Wenn irgendwo ein Konflikt hochkocht, dann sicher nicht da. Wir kümmern uns um Verkehrssicherung und geben den Mirialanern das gute Gefühl, dass die Republik auf sie aufpasst, das ist alles.«
»Du glaubst doch selbst nicht, dass der Frieden lange hält! Mirial ist ganz in der Nähe von Ziost und Ord Rama. Und weit weg vom nächsten großen Flottenstützpunkt. Außerdem gibt's überall Piraten und Schmuggler und andere gefährliche Kriminelle...«
»Verdammt, Fenten, glaubst du ich wüsste das nicht? Glaubst du wir hocken da auf Mirial in 'ner Kneipe rum, drehen Däumchen und sitzen einfach unsere Dienstzeit ab? Wir rechnen immer mit dem Ernstfall. Natürlich kann es gefährliche Situationen geben. Dafür bin ich ausgebildet und dafür trainieren wir fast ununterbrochen! Dass es Risiken gibt, wusste ich auch schon, bevor ich mich zum Dienst gemeldet habe. Und du wusstest dass ich zum Militär gehe, von dem Tag an, an dem wir uns kennengelernt haben. Wir haben beide gewusst, worauf wir uns einlassen!«
›Und wenn du jetzt merkst, dass du doch nicht damit klarkommst, ist es vielleicht das Beste, wenn wir uns trennen!‹ - Dieser verhängnisvolle Satz lag ihr auf der Zunge, doch im letzten Moment wurde ihr voll Schrecken klar, was sie damit anrichten konnte. Sie schluckte die Bemerkung hinunter. Stattdessen sagte sie:
»Es ist auch für mich nicht leicht. Ich mache mir auch Sorgen. Ich freue mich nicht auf meinen ersten richtigen Kampfeinsatz, bei dem geschossen wird und vielleicht Leute sterben. Aber wenn es soweit ist, muss ich da draußen hundert Prozent bringen. Da kann ich mir Angst nicht leisten. Wenn ich immer daran denken muss, dass du dir Sorgen um mein Leben machst, hilft mir das nicht, verstehst du? Du sagst immer, du unterstützt mich. Das kannst du am besten machen, indem du mir und meinen Fähigkeiten vertraust, anstatt mit dem Schlimmsten zu rechnen.«
Fenten nickte.
»Ja, du hast Recht. Ich weiß, dass du gut bist, und dass du keine unnötigen Risiken eingehst. Was auch immer passiert, du kommst damit klar - viel besser als ich es je könnte. Du bist die stärkere von uns beiden. Immer schon. Es tut mir leid, dass ich damit angefangen habe.«
»Schon gut. Lass uns lieber überlegen, wie wir die letzten gemeinsamen Stunden verbringen wollen, ja? Mein Flug geht um Sechzehnhundert Ortszeit. Bis dahin bleibt uns noch ein wenig Zeit für irgendwas Schönes.«
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