- Naboo - Dee'ja Peak - Landgut - Gästewohnung -
Es hatte die ganze Nacht geregnet. Grauer Mist zog durch die Berge Dee'ja Peaks und umschmeichelte die saftig grünen Hügellandschaften, die die Stadt einrahmten. Der Blick aus dem Fenster zeigte einen bedeckten, tristen Himmel. Akemi rollte sich vom Rücken auf die Seite. Sie war gestern Abend erst spät in Theed gelandet und obwohl sie auch in der Hauptstadt hätte übernachten können, war sie noch nach Dee'ja Peak gefahren und erst kurz vor Mitternacht hier angekommen. Sie hatte Richard unbedingt noch sehen wollen, selbst wenn es nur ein paar Stunden gewesen wären, die sie noch getrennt hätten, wäre sie erst am Morgen zu ihm gefahren. Sie hatten sich zu lange nicht gesehen. Akemis Drehplan war stressig gewesen. Der Auftakt der Dreharbeiten zum ersten Deirdre-Teil hatte auf Mon Calamari statt gefunden, danach waren sie für mehrere Wochen auf Munto Codru gewesen und anschließend nach Iego weiter gereist. Bevor es zuletzt nach Taris weiter gegangen war hatte Akemi die Gelegenheit gehabt, ein paar Tage frei zu machen und nach Naboo zu fliegen, doch der Aufenthalt Zuhause war kurz gewesen und lag inzwischen schon wieder viel zu lange zurück. Sie hatte Richard vermisst. Tagsüber war sie so beschäftigt gewesen, dass sie nicht immer Gelegenheit gehabt hatte an ihn zu denken - und sie war froh für die Ablenkung gewesen - doch nachts hatte sie seinen warmen Körper neben sich vermisst, speziell auf Munto Codru, wo sie in mobilen Wohnblöcken geschlafen hatten, die zugig und unkomfortabel gewesen waren. Akemi hatte sich oft zu Richard gewünscht und sich in ihr neues gemeinsames Haus geträumt, das in diesen Tagen auf Naboo gebaut wurde. Sie war gespannt, endlich selbst sehen zu können, wie weit die Arbeiten voran geschritten waren. Richard hatte ihr Updates geschickt, Bilder und Beschreibungen, doch es war natürlich nicht das selbe wie vor Ort zu sein. Akemi streckte sich. Das Bett war klein, wenn man zu zweit darin lag - Richard hatte die Gästewohnung ursprünglich nur für sich angemietet - jetzt aber lag Akemi alleine darin. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es nicht ganz so früh war, wie sie gedacht hatte. Das graue Wetter draußen spielte mit den Lichtverhältnissen, die noch nach frühem Morgengrauen aussahen, obwohl die Sonne hinter den Wolken bereits vor rund drei Stunden aufgegangen sein musste. Vielleicht würde sie später heraus kommen, wenn sich die Nebelfelder verzogen hatten, dachte Akemi hoffnungsvoll, als sie die Bettdecke von sich schob und aufstand. Richard wollte mit ihr nach Kaadara fahren und das Haus ansehen und vielleicht konnten sie bei schönem Wetter sogar noch am Meer spazieren gehen. Akemi ging ins Bad, stülpte ihr Nachthemd über den Kopf und stahl sich auf blanken Füßen nackt in die Nasszelle. Vor ihr lagen etliche Tage Urlaub, Freizeit so viel sie wollte. Sie hatte die Erholung dringend nötig. Im Spiegel betrachtete sie den dunklen Bluterguß auf ihrer linken Gesäßhälfte. Ein ähnlicher Fleck prangte auf ihrer rechten Wade. Actionfilme waren harte Arbeit, es war nicht das erste Mal, das sie das am eigenen Leib erfahren hatte, doch der Deirdre-Film hatte ihr ohne Zweifel mehr abverlangt als jede andere Rolle zuvor.
Mit nassen Haaren und in eines von Richards Hemden gekleidet, machte sich Akemi auf die Suche nach ihm. Sie erwartete, ihn im Salon anzutreffen, fand diesen aber leer vor und auch im Schreibzimmer, einem gemütlichen Büro mit Blick auf den Garten, war er nicht. Vor dem Fenster pflückte die Haushälterin welke Blüten aus den Blumenkästen. Akemi verließ das Schreibzimmer und dann das Haus durch die Vordertür und umrundete das Gebäude.
"Guten Morgen, Mrs. Barson."
Grüßte sie freundlich. Die ältere Frau hob ihren silbernen Lockenkopf.
"Miss Akanato, wie schön! Wir haben Sie lange nicht gesehen!"
Jedes Mal, wenn sie Akemi sah, bekam sie ganz rote Bäckchen. Ihr Gesicht sah dann ein bisschen aus wie ein überreifer Apfel.
"Sie waren viel beschäftigt mit Ihrem Film, nicht wahr? Ich habe davon in der Zeitung gelesen und Mr. Cohn hat mir alles darüber erzählt."
Akemi lächelte höflich. Sie bezweifelte, dass Richard der Haushälterin mehr erzählt hatte als dass sie unterwegs war um einen Film zu drehen. Er war nicht bekannt dafür, besonders mitteilsam zu sein, schon gar nicht geschwätzigen Angestellten gegenüber. Masao hatte Akemi gegenüber einmal bemerkt, er habe kaum Gesprächsthemen mit Richard, doch das war lediglich, weil sie so verschieden waren - und vielleicht auch, weil Richard Akemis Bruder ein kleines bisschen für unreif und selbstverliebt hielt. Sie musste schmunzeln, noch während sie vor der Haushälterin stand. Was letzteres anging hatte Richard nicht ganz Unrecht.
"Wissen Sie, wo Richard ist?"
Fragte Akemi, ohne näher auf die Frage der Frau einzugehen. Sie schien ja ohnehin schon alles zu wissen, wie sie selbst angemerkt hatte. Mrs. Barson warf eine handvoll welker Blüten in einen Eimer.
"Oh, Mr. Cohn ist schon früh aufgebrochen. Er sagte, ich solle Ihnen ein schönes Frühstück machen. Worauf haben Sie Lust? Einen frischen Obstsalat? Süße Pfannkuchen?"
Verwirrt schüttelte Akemi den Kopf. Richard war weg gefahren? Aber sie war gerade erst nach Hause gekommen!
"Wissen Sie, wo er hin ist?"
Fragte sie wider besseren Wissens. Wie erwartet schüttelte die Haushälterin den Kopf.
"Nein, meine Liebe. Aber ich werde Ihnen jetzt eine süße Leckerei zubereiten."
Mit ihrem Eimer in der Hand watschelte die pummelige Mrs. Barson davon. Akemi fror in ihrem dünnen Hemd. In Richards Hemd. Sie sah an sich hinunter. Ihre Beine waren mit prickelnder Gänsehaut überzogen. Heute würde die Sonne ganz bestimmt nicht mehr scheinen. Übel gelaunt kehrte sie in den Salon zurück und von dort aus ins Schlafzimmer. Richard hatte nirgendwo eine Notiz hinterlassen. Bäuchlings warf sie sich auf ihr Bett, streckte ihre Arme nach ihrer Tasche aus und fischte ihr Komlink heraus. Dort blinkte eine Nachricht auf. Er war also nicht ganz wortlos verschwunden. Gut für ihn. Zehn Minuten später war sie zurück im Salon. Es duftete nach Pfannkuchen mit Sirup. Mrs. Barson hatte Akemi eine große Portion serviert und frischen Gemüsesaft dazu. Sie bedankte sich und aß alleine, schweigend. Mit wem hätte sie auch sprechen sollen? Richard war zu einem dringenden Termin nach Moenia gefahren. Sein Agent flog überraschend schon heute Abend statt morgen von Naboo aus nach Corellia, um dort wichtige Verhandlungen mit der Produktionsfirma zu führen, die die Deirdre Holofilme produzierte, und dazu benötigte er noch einige Dokumente von Richard im Original unterzeichnet. Akemi ärgerte sich über die Vorverlegung des Fluges. Richard und sie hatten heute ihren ersten gemeinsamen Tag seit einer gefühlten Ewigkeit miteinander verbringen wollen. Sie wusste, dass er nichts dafür konnte, und er hatte ihr sogar geschrieben, dass es ihm Leid tat, doch sie ärgerte sich trotzdem ein bisschen über ihn. Wäre es allerdings andersherum gewesen, und auch das war Akemi bewusst, ihr Job hätte ihr genau so einen Strich durch die Rechnung machen können. Streng genommen hatte es sogar an ihr gelegen, dass sie sich so lange nicht gesehen hatten, nicht an ihm. Frustriert schob sich Akemi den Mund voller Pfannkuchen. Sie wollte mehr Zeit mit Richard verbringen, weniger arbeiten. Dass sich ihr Komlink just in diesem Moment mit einer eingehenden Verbindung meldete, war ihr eine willkommene Abwechslung. Es war Farlone.
"Ich habe gehört, du bist wieder im Lande."
Erklärte sie ihren Anruf.
"Wann hast du Zeit, dich um deine alte Freundin zu kümmern?"
Akemi schluckte und leerte ihren Mund.
"Ich bin erst gestern Abend gelandet. Woher weisst du das schon wieder?"
"Hab' deinen Bruder gestern in Theed getroffen. Er meinte, er würde dich gegen Abend zurück erwarten. Also, Miss Vielbeschäftigt, wie sieht's aus?"
Wollte Farlone in ihrer typisch aufsässigen Art wissen. Sie klang gut gelaunt, eigentlich genau das was Akemi brauchte.
"Offen gesagt sind meine Pläne für den Tag gerade geplatzt."
Gestand sie und klang dabei genau so wie sie sich fühlte.
"Dann nichts wie los. Wo bist du?"
"Dee'ja Peak."
"Ah, bei ihm."
Das klang irgendwie anzüglich und es heiterte Akemi auf.
"Komm nach Theed. Ein Tag unter Mädels."
Sie ließ sich nicht lange bitten.
"Ich bin gegen Mittag da."
Akemi schob ihren Teller von sich. Mrs. Barson hatte sich alle Mühe gegeben, doch Akemi war fertig mit Frustessen. Als sie bereit zur Abfahrt war, wartete Darren, ihr Pilot, bereits draußen im Gleiter. Sie hatte sich etwas leichtes angezogen, einen langen Rock von der Farbe reifer Limetten mit verspieltem Blumenmuster und eine Bluse aus weissem Musselin mit herrlich langen Glockenärmeln und silbernen Broschen an den Schultern. In Theed war es in der Regel wärmer als hier oben in den Bergen. Akemi kletterte auf die Rückbank des Gleiters. Manchmal, wenn sie in die Stadt hinein fuhr oder sie verließ, dachte sie an das erste Mal, als sie hierher gekommen war. Dee'ja Peak war abgelegen und unscheinbar, was der Grund dafür war, dass sie zu Farlone fuhr und nicht anders herum. Farlone war Akemis engste Freundin hier auf Naboo. Sie kannten sich inzwischen seit Jahren, seit Akemi als kleines, naives Ding nach Naboo gekommen war, und obwohl sie so völlig unterschiedlich waren, harmonierten sie prima, vielleicht gerade weil sie sich so gesund ausglichen. Akemi war die Vernünftige von ihnen beiden, die die Farlone ins Gewissen redete, wenn diese es mit ihren Partys mal wieder übertrieb, oder einen netten Jungen unfair behandelte, und Farlone zwang Akemi in regelmäßigen Abständen, Spaß zu haben und die Dinge zu tun, die junge Mädchen in ihrem Alter nun mal so taten. "Du gehst noch früh genug in Rente.", sagte Farlone zum Beispiel, wenn Akemi keine Lust hatte einen Club zu besuchen, oder "Lass mich nicht hängen, ich brauche heute meine Tagesration Akemi." Sie feierte gerne, Farlone, aber man konnte auch stundenlang mit ihr Wellnessbäder besuchen und sich von Kopf bis Fuß verwöhnen lassen, den ganzen Tag shoppen gehen oder aber ganz altmodisch Zuhause bleiben, eine Backparty in ihrer teuren Hightech-Küche veranstalten und dabei Karaoke singen. Lediglich in den Gallo Bergen wandern, oder gemütlich vor einem Kamin sitzen, Dinge wie Akemi sie gerne mit Richard unternahm, waren nichts für sie. Farlone brauchte Spaß und Luxus, den ganzen Tag. So gerne Akemi Dee'ja Peak auch mochte, für ihre Freundin bedeutete das idyllische Städtchen lediglich Langeweile.
Sie verließen den Ort in Richtung der großen Brücke, wo der Gleiter an den steilen Berghängen, die das Bett des Wasserfalls bildeten, vorbei zog und sich dann immer weiter von der Stadt entfernte, bis sie nur noch ein schemenhaft zu erkennendes Bild im Rückspiegel war. Akemi hatte die Augen geschlossen. Sie war daran gewöhnt, während der Fahrt zu schlafen. Bei einem stressigen Terminkalender wie dem ihren waren Reisezeiten oft die einzige Ruhephase, die man bekam. Da sie heute ausgeruht war, döste sie jedoch lediglich vor sich hin und die Landschaft hatte sich noch nicht viel verändert, als sie das nächste Mal aus dem Fenster schaute. Sie sah Wälder, majestätische Bäume mit langen, gefächerten Blättern und nach oben hin weit ausschweifenden Baumkronen, und Berge. Zu viele Berge, wenn sie es recht betrachtete.
“Fahren wir heute eine andere Route?“
Wollte sie wissen. Normalerweise ließen sie die Berglandschaft recht schnell hinter sich und passierten einige Hügeldörfer auf dem Weg hinunter in die breiteren Täler, bevor sie schließlich die Ausläufe des Seenlandes schnitten und schließlich über ebenes Gelände in Richtung Theed flogen.
„Der Weg ist geringfügig anders, ja. Möglicherweise gewinnen wir dadurch einen Zeitvorteil.“
Darren war der Pilot der „Broken Mirror“, Akemis Schiff aus republikanischem Fund, das ihr für ihre Reisen zur Verfügung stand. Abseits des Raumschiffes fungierte er zusätzlich als ihr planetarer Chauffeur. Sie glaubte, dass Venecia und er eine Schwäche füreinander hatten. Der Mirialan warf Venecia manchmal heimliche Blicke zu, wenn er sich unbeobachtet fühlte und die Theelin suchte auffällig oft nach Vorwänden, um sich mit ihm zu unterhalten. Akemi lehnte sich zurück in die Polster. Nichts davon ging sie etwas an, aber trotzdem würde sie Venecia bei Gelegenheit auf den Zahn fühlen. Um es nicht zu tun, dafür war Akemi schlicht zu neugierig. Minuten später bog Darren in dicht bewaldetes Gelände ein und ließ den Gleiter durch Armeen von Bäumen hindurch zischen. Akemi kam die neue Route, die er ausprobierte, inzwischen merkwürdig vor, hielt sich aber zurück etwas zu sagen, weil sie ihn nicht kritisieren wollte - so lange bis der Gleiter in einer verlassenen Parkbucht mitten im Wald hielt.
"Was ist los? Haben wir uns verfahren?"
Akemi beobachtete, wie Darren wortlos ausstieg und auch ihre Tür auf der Rückseite öffnete.
"Nein, alles gut."
Der Mirialan grinste.
"Aber für dich ist hier Endstation."
Für einen winzigen, kurzen Moment bekam Akemi Angst. Es war ein irrationales, erschreckendes Gefühl, das so schnell verschwand wie es gekommen war. Sie kannte Darren, vertraute ihm. Folgsam stieg sie aus dem Gleiter.
"Du gehst den Waldweg dort drüben entlang, bis zum Ende. Es ist nicht weit, keine Sorge."
Akemi verstand kein Wort.
"Was? Warum? Ich bin mit Farlone verabredet. In Theed."
Sie machte Anstalten, wieder in den Gleiter zu steigen.
"Ich weiss, und das hier ist Teil deiner Verabredung."
Akemi sah ihn lange an.
"Du weisst etwas, das ich nicht weiss."
"Nicht viel mehr."
Widersprach Darren, und bestätigte ihre Vermutung damit trotz allem.
"Ich bin nur der Pilot."
Akemi grinste zurück. Sie hatte zwar nicht die leiseste Ahnung, was hier vor sich ging, aber sie liebte Überraschungen.
"Und du bist sicher, dass ich nicht entführt werde, wenn ich alleine durch den Wald gehe?"
Fragte sie scherzhaft. Darren schloss die hintere Gleitertür.
"Davon hat sie nichts gesagt."
Sie. Farlone. Akemi folgte den Anweisungen des Piloten. Von der Parkbucht aus führte nur ein einziger Pfad tiefer in den Wald hinein. Ein handbemaltes Schild kündigte in liebevoll gezeichneten Lettern ein Gästehaus an, oder vielleicht ein Restaurant mitten im Wald. Es war ein aufregendes Abenteuer, dachte sie, sie wusste nicht, was sie erwartete und auch nicht, wohin sie unterwegs war. Unter ihren Füßen war die Erde feucht und aufgewühlt, keine besonders gute Behandlung ihrer hellen, leichten Sommerschuhe, doch daraus machte sich Akemi nichts. Sie hatte in diesem Moment wieder etwas von dem Mädchen von Bothawui in sich, das auf Bäume geklettert war und ihre Sachen schmutzig gemacht hatte. Bereits nach ein paar Minuten Fußmarsch hörte sie den Ruf eines Tieres, eine Art Wiehern. Der Fülle der Stimme nach musste es sich um ein größeres Tier handeln. Ihre innere Spannung stieg. Was hatte sich Farlone hier ausgedacht? Als sie die Stallungen sah, blieb Akemi stehen. Der Wald lichtete sich hinter der Ansammlung von Gebäuden. Es waren einfache Bauten, kastenförmige Unterkünfte aus Ziegeln und Holz und dahinter, dort wo die Reihen der Bäume endeten, erstreckte sich eine sanfte, grüne Hügellandschaft. Was Akemis Blick jedoch besonders fest hielt waren die drei Gualamas, große majestätische Reittiere, die angebunden an einem Pflock standen und Ihr die Blicke entgegen gehoben hatten. Sie sahen sie nur an, mit klugen, freundlichen Augen, so lange bis eines von ihnen schnaubte und sich abwandte und die anderen beiden seinem Beispiel folgten.
"Schöne Tiere, nicht wahr?"
Akemi hatte die Frau nicht kommen sehen. Sie war in dem Alter ihrer Mutter, jedoch von robuster Statur und von rauem Äußeren.
"Willkommen in Dalai's Hope. Ich bin Mareen. Wir haben schon auf Sie gewartet. Kommen Sie, unsere Heikki wartet schon auf Sie."
Die Frau verfiel in einen zügigen Schritt und Akemi konnte nicht viel tun als ihr eilig hinterher zu laufen. Von hinten wirkte Mareen fast wie ein Mann. Unfrisiertes Haar hing ihr lose bis auf die Schultern und ihre einfache, praktische Kleidung war ihr eine Nummer zu groß und verbarg die Formen ihrer Figur. Sie gingen einmal um das größte der Gebäude herum und im Vorbeigehen konnte Akemi durch das geöffnete Haupttor in den geräumigen, aber leeren Stall blicken.
"Was genau tun Sie hier?"
Wollte sie wissen. Die Frau, Mareen, lachte selbstbewusst.
"Dalai's Hope ist eine Farm, Schätzchen. Wir züchten und verkaufen Gualamas. Wir trainieren sie, bilden sie aus. Sie finden keine bessere Adresse als uns auf ganz Naboo."
Sie winkte einem jungen Mann zu, der zwei schwere Eimer trug, diese jedoch auf der Stelle fallen ließ, sobald er Akemi sah. Wasser floss aus beiden Eimern auf den Boden, während er davon lieg. Nur Sekunden später tauchte er wieder auf. An einem Strick führte er eines der prächtigen Tiere.
"Und wir vermieten, an Leute wie Sie. - Beeil dich, Burt!"
Der junge Mann beschleunigte seine Schritte und das Gualama neben ihn verfiel in einen eleganten Trab. Nur Centimeter vor ihnen kamen sie zum Stehen. Voller Respekt vor dem hochgewachsenen Tier wich Akemi zwei Schritte zurück. Mareen grinste zufrieden.
"Und hier hätten wir unsere Heikki. Sie gehört Ihnen für den Tag."
"Heikki?"
Akemis Gesicht verriet schiere Panik. Heikki war schneeweiss, wie alle ihre Artgenossen, und gefühlte zwei Meter groß. Sie hatte einen länglichen Kopf, ein weiches Maul und imponierte mit zwei scharf nach vorne gebogenen Hörnern auf ihrer Stirn.
"Sie ist eine Sie, 16 Jahre alt und die treueste und freundlichste Seele die Sie hier finden werden. Wollen Sie gleich aufsitzen?"
Akemi schüttelte den Kopf. Inzwischen war sie fast sicher, dass es sich um ein Missverständnis handeln musste. Sie hatte noch nie auf dem Rücken eines Tieres gesessen! Sie hatte davon geträumt, ja, aber das war früher gewesen und in ihrer Vorstellung waren die Tiere nie so riesig gewesen.
"Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob nicht eine Verwechslung vorliegt."
Sagte sie langsam. Mareen stemmte eine Hand in die Hüfte.
"Miss Akanato, wir leben zwar zurück gezogen, aber nicht fernab der Zivilisation und ich habe klare Anweisungen, Sie auf den Rücken meines friedlichsten Reittieres zu setzen. Sie können nicht reiten? Kein Problem, Heikki hat Erfahrung mit Prinzessinnen wie Ihnen. Sie ist geduldig, ruhig und kennt ihren Weg. Also, worauf warten Sie noch? Rauf mit Ihnen. Burt, gib' unserem Gast Hilfestellung."
Noch immer unsicher schaute Akemi an dem Gualama hinauf. Sie war sowieso schon klein, doch verglichen mit diesem Tier fühlte sie sich winzig. Ohne zu wissen was sie tat, stützte sie sich auf den jungen Mann und ließ sich von ihm in den Sattel helfen. Er hatte einen hochroten Kopf bekommen und wagte kaum, sie anzusehen. Mareen nickte zufrieden.
"Na also, geht doch."
Dann aber fiel ihr noch etwas ein.
"Burt, die Jacke!"
Für einen Moment schaute der Junge sie verständnislos an.
"Im Haupthaus! Mensch, beeil dich!"
Burt düste los, nicht jedoch ohne dabei fast über seine eigenen Füße zu stolpern. Unruhig rutschte Akemi in dem großen Ledersattel herum. Das Material war weich und sie saß bequem, beide Beine auf einer Seite, wie es im Damensattel üblich war, doch sie war nervös. Sie hatte keine Erfahrung mit Tieren, nicht einmal mit kleineren und schon gar nicht mit solchen großen. Gualamas hatte sie bisher nur aus dem Holo-TV gekannt. Sie waren selten und kosteten vermutlich ein Vermögen. Burt kehrte zurück, ein Kleidungsstück in der Hand.
"Hier, das sollten Sie nehmen."
Sagte Mareen. Burt reichte Akemi ein marine-blaues Kleidungsstück und nahm stattdessen wieder den Strick, um Heikki zu halten. Akemi erkannte ihr Cape sofort.
"Das ist meins! Woher haben Sie das?"
Verlangte sie zu wissen. Mareen schaute sie an, als hätte Akemi sie nicht mehr alle beisammen.
"Na, von Mr. Cohn natürlich. Für den Fall, dass Sie frieren."
Sie riss Burt förmlich den Strick aus der Hand und löste ihn von den Zügeln. Dann versetzte sie Heikki einen Hieb in die Flanke und schickte das Tier in einen langsamen Trott. Plötzlich auf sich allein gestellt, umklammerte Akemi die Zügel mit beiden Händen.
"Vergessen Sie nicht, Sie müssen nichts tun. Heikki kennt den Weg!"
Akemi konnte nichts antworten. Sie war wie betäubt, ein bisschen geschockt aber vor allem aufgeregt. Positiv aufgeregt. Ihr warmes Cape lag quer über ihrem Schoß, während Heikki die Stallungen und den Wald hinter sich ließ und auf die Wiesen zuhielt. Eingezäunte Weiden grenzten aneinander, eine nach der anderen. Die ersten Umzäunungen standen leer, doch dann sah Akemi sie: große Herden, weisse Flecken auf grün. Wie Schneeflocken im Sommer. Von irgendwo her wieherte eines der Tiere und Akemi winkte ihnen zu. So hoch oben fühlte sie sich plötzlich sehr königlich. Mareen hatte Recht behalten, sie musste gar nichts tun. Heikki lief von ganz alleine, einen für Akemi unsichtbaren Weg entlang, die Hügel hinauf, höher und höher, bis die Schneeflocken immer kleiner wurden und der Himmel näher zu rücken schien. Hoffentlich wusste die Stute auch, wann sie anhalten musste, dachte Akemi, obwohl sie begann, das sanfte Schaukeln im Sattel zu genießen. Und dann tauchte er auf. Er ritt hervor hinter einer Gruppe von Saffar-Bäumen, aufrecht und sicher im Sattel seines Gualamas, als hätte er sein ganzes Leben lang nichts anderes getan. Akemi musste lächeln. Es war ein Lächeln, wie sie es nur für Richard reservierte.
"Du bist verrückt!"
Ließ sie ihn wissen, als sie nahe genug war, dass er sie verstehen konnte. Er kam ihr das letzte Stück entgegen geritten, streckte eine Hand aus und griff in ihre Zügel. Gemächlich kam Heikki zum Stehen.
"Und?"
Fragte er herausfordernd zurück.
"Ich dachte, du bist in Moenia!"
"Ja."
Richards Mundwinkel zuckten.
"Das war eine Notlüge. Verzeihst du mir?"
Wie konnte sie da Nein sagen? Es wäre das letzte gewesen, das Akemi in den Sinn gekommen wäre. Er sah ihr ihre Freude an und sie mussten beide lachen.
"Komm, wir haben noch ein gutes Stück vor uns."
Er trieb sein Gualama an und Heikki folgte ihm mechanisch.
"Wohin entführst du mich?"
Wollte Akemi wissen, doch er lächelte nur. Es war das Lächeln, das ihr allein gehörte.
- Naboo - Gallo Mountains - Grüne Grasebenen -