Naboo, auf dem Lande - Im Tänzelnden Shaak, Zimmer - Kestrel, Wes
Zuerst hatte Wes den Eindruck, Kestrel würde auf seine Worte anspringen, und vielleicht tat es auch, zumindest bis er auf die Verantwortung und den Fanatismus der Sith zu sprechen kam, aber es war schwer zu sagen. Danach wurde es ziemlich offensichtlich, dass sich etwas in ihr veränderte, als ob etwas in ihrem Kopf "klick" gemacht hätte. Ein Reizwort, was auch immer, der Jedi hatte keine Ahnung, was er denn falsches gesagt haben könnte. Die Sith nochmal zu erwähnen vielleicht? Er wusste es nicht, doch was er sehen konnte war, dass die Ritterin ganz plötzlich völlig austickte.
Auf einmal schrie sie ihn an, sie wollte, dass die Macht gar nicht existierte, weil es dann das alles, wovon er gesprochen hatte, ebenfalls nicht gäbe. Sie fand es unfair, dass Machtbenutzer "normalen Wesen" überlegen seien und behauptete, dass niemand die Jedi mochte, weil sie angeblich den Tod brächten, wegen den Sith, die ihnen folgten. Sie lehnte sich sogar soweit aus dem Fenster, zu behaupten, dass "Zivilisten" gar nicht zwischen Jedi und Sith unterschieden und einfach jeden verabscheuten, der die Macht benutzte. Wütend zerfetzte sie ihr Taschentuch und brüllte, dass die Jedi schon lange keine Hilfe für die Galaxis mehr waren, weil sie sich entweder versteckten oder von den Sith gejagt wurden.
Wes sah die junge Frau verdattert an. Er hatte befürchtet, dass es schwierig werden würde, aber nicht so schwierig. Ihre Ansichten offenbarten eine sonderbare Mischung aus Überheblichkeit, Selbstmitleid, Paranoia und Weltfremdheit, doch was das schlimmste war, er hatte ein starkes Gefühl der dunklen Seite. Es war nicht wirklich wie die Kestrel die er kannte. In Ansätzen ja, aber nicht derart. Er war zwar kein Psychologe, vermutete aber doch, dass es eine logische Folge der langen Gefangenschaft und Isolation sein konnte.
Vielleicht war es ganz gut, sie reden zu lassen. Sollte sie sich doch den ganzen Frust von der Seele schreien, es wäre wahrscheinlich besser, als es weiterhin in ihr drin gären zu lassen. Er war ja da, für den Fall, dass sie es auf die Spitze trieb. Tatsächlich wirkte es so, als würde alles wieder gut werden, und Wes entspannte sich ein wenig. Die Dunkelhaarige wurde viel ruhiger und entschuldigte sich dafür, sich nicht unter Kontrolle zu haben. Es sei, weil sie sich selbst hasste wie auch die Sith, und dies hatte sie mit nicht im Gleichgewicht mit der Macht gemeint. Sie sei auf einen Pfad, wo sie nicht hin wollte, was einer der Gründe für eine Pause sei, weil sie für alle eine Gefahr darstellte, und sie fragte, wann das endlich alles aufhörte.
Doch dann redete sie sich wieder immer mehr in Rage. Sie hätte ihre Gefühle schon lange nicht mehr unter Kontrolle und wäre im letzten Kampf mit Ranik fast der dunklen Seite verfallen, selbst Brianna als Padawan hätte es gespürt, so sehr hatte sie ihre Wut und Hass für den Kampf gebraucht. Selbst zuvor während den Foltern hatte sie immer wieder diese dunklen Gefühle gehabt, welche sich von Mal zu Mal bis zum Ende gesteigert hatten. Sie hatte das Gefühl, dass die dunkle Seite nur darauf wartete, dass sie einen Fehler machte, sie spürte sie immer wieder um sich herum. Sie wusste, dass sie diese Gefühle nicht haben durfte, schaffte es jedoch nicht. Sie fürchtete und hasste die Sith zugleich, für alles, was sie getan hatten.
Sie schrie schon wieder und fügte noch an, dass sie einen fast in den Wahnsinn gequält hatten, und momentan konnte man beinahe den Eindruck haben. Dann nämlich, in einem Aufblitzen der dunklen Seite, das mit Sicherheit jeder Machtbegabte im Haus gespürt hatte, selbst Tara, schleuderte sie einen Apfel mit lautem Krach gegen die Tür. Genau das war der Punkt. Wes wusste, er konnte nicht länger darauf hoffen, dass sie sich beruhigen würde, wenn sie alles aus sich herausschrie. Der Punkt war erreicht, wo er einschreiten musste. Im nächsten Moment wechselte ihre Stimmung jedoch wieder und sie wirkte todunglücklich, weil sie sich erkannte und meinte, so niemals eine gute Meisterin für ihre Padawan sein zu können. Sogleich wechselte sie erneut das Thema und eröffnete die eigentlich abgeschlossene Diskussion wieder, und behauptete, dass es ihr lieber gewesen wäre, sie hätte den Sith den Standort verraten, obwohl sie glaubte, dass dann die Familie genauso wie sie auch gestorben wären, doch zumindest hätten diese ihr nicht die Schuld dafür gegeben.
Schon wieder hob sich ihre Stimme, und Wes erwartete, dass sie gleich wieder der verbalen Rage hingab, was immer dann auch passieren würde, doch das wartete er nicht ab, diesmal nicht.
"STOP! Das hört jetzt sofort auf! Nimm einen tiefen Atemzug und sag das nochmal! Was du mit deinem Leben machst, ist deine Sache, aber dass du lieber die beiden Padawane geopfert und das Leben der meisten anderen Jedi gefährdet hättest, nur um dich nicht schuldig fühlen zu müssen für den Tod dieser armen Familie, obwohl auch du davon ausgehst, dass sich daran nichts geändert hätte! Sag das nochmal! Wie egoistisch ist das?"
Rief der Großmeister. Dies war eine der inzwischen seltenen Situationen, in denen er laut wurde, und ärgerlich. Die erschrockene Kestrel schwieg für einen Moment, und Wes nutzte die Gelegenheit, eine kurze Weile durch das Fenster das abendliche Naboo zu betrachten und sich wieder zu beruhigen. Er hatte das Gefühl, er konnte dies alles nicht handhaben, und er würde mit dem Problem der jungen Ritterin nicht fertig. Vielleicht brauchte es jemand weiseren Jedi als ihn, möglichst einen psychologisch bewanderten. Vielleicht war es aber auch einfach nur zu früh, und das Trauma der Gefangenschaft noch viel zu frisch, um wirklich etwas mit bloßen Worten ausrichten zu können, oder überhaupt. Er war gar nicht einmal sauer auf sie, oder enttäuscht, nicht wirklich. Dass all diese schlimmen Erlebnisse, von denen er sich teilweise gar nicht ausmalen konnte, wie schlimm, ihre Spuren hinterließen, war wenig erstaunlich. Noch, dass die junge Frau auf diese Weise reagierte. Er konnte sie verstehen, doch sie war in großer Gefahr und musste irgendetwas tun, um sie zu stoppen.
"Gelassenheit, Kestrel."
Meinte er schließlich so ruhig, als wäre nie etwas gewesen. Nach so langer Zeit bei den Jedi lernte man, seine Gefühle im Zaum zu halten.
"Und versprich mir, dass du so etwas nie wieder tust. Den Apfel, meine ich. Du kannst jederzeit gerne die Sith mit Schimpfnamen belegen und meinetwegen auch mich oder wen auch immer. Wenn du dich dann besser fühlst, gerne. Aber versprich mir, dass du nie wieder die Macht benutzt, um deine angestaute Wut und Aggression zu entladen! Mir scheint, dass du eine wichtige Sache noch nicht über die Sith und die dunkle Seite gelernt hast: es gibt keine solche dunkle Seite, die um dich herum schleicht und versucht, dich in den Abgrund zu ziehen. Nein, die wahre dunkle Seite ist in dir, in jedem von uns. Allzu gut gedeiht sie auf dem Boden unserer negativen Gefühle, und allzu leicht wächst sie zu einer Größe heran, ab der wir sie nicht mehr kontrollieren können, sondern sie uns. Wenn nicht mehr wir Herr über unsere Gefühle, unsere Furcht, unseren Hass, unsere Aggression sind, sondern sie über uns. Dieses Mal hast du einen Apfel zerschmettert, das nächste Mal wäre es vielleicht ein lebendes Wesen. Du solltest die Sith nicht fürchten oder hassen, du solltest sie bemitleiden, denn es ist leicht, so zu werden wie sie. Sie haben die Kontrolle über sich verloren, und du bist in Gefahr, sie zu verlieren. Du könntest genauso enden wie sie."
Wes seufzte; er fühlte sich gerade ein wenig hoffnungslos. Wenn er etwas erreichte, dann wahrscheinlich höchstens, dass die Ritterin sich jetzt gekränkt fühlte. Doch es waren bereits so viele gefallen, die dachten, sie würden niemals fallen.
"Weißt du, was ich gerade glaube, was dein eigentliches Problem ist? Ich kann mich auch irren, vielleicht geht es auch völlig an der Sache vorbei, aber das ist es, wie es für mich aussieht. Das Hauptproblem ist nicht etwa, dass dich diese Gefangenschaft, dieses Trauma völlig fertig macht und du diejenigen hasst und fürchtest, die dir das angetan haben. Ich kann das verstehen und ich schätze, dass das ziemlich normal ist, nach all dem ganz und gar nicht normalen, das dir zugestoßen ist. Niemand könnte das alles einfach so wegstecken, einfach von sich abperlen lassen. Das Problem ist, dass du eigentlich denkst, es kann dir nicht passieren, oder es sollte dir zumindest nicht passieren. Ich denke, deswegen hasst du dich selbst. Du bist wütend auf dich selbst, weil es von dir eben nicht abperlt, weil es dich genauso mitnimmt wie es jeden anderen auch mitnehmen würde. Du denkst, du müsstest was besseres sein als andere Leute. Zum einen, weil es dein Bild einer Jedi-Ritterin ist, dem du fürchtest, nicht gerecht zu werden, zum anderen wegen deiner Padawan. Weil du glaubst, ihr nicht den Eindruck vermitteln zu können, den du von deinen Meisterinnen hattest. Aber du scheinst dabei zu vergessen, in welch extremer Situation ihr euch befandet."
Ein tiefer Schnauer entfuhr Wes' Mund. Das Gespräch wurde langsam sehr anstrengend und er war sich nicht sicher, ob unter dem Strich etwas positives dabei rauskommen würde. Er ermahnte sie dennoch.
"Du solltest dringend von der Vorstellung loskommen, du wärst etwas besseres als alle anderen Leute, nur weil du ein paar Zaubertricks beherrschst. Die Begabung, die Macht zu benutzen macht einen nicht zu einem höheren Wesen. Schön, du bist vielleicht in der Lage, fast jeden da draußen in einem Lichtschwert zu töten, aber das ist eine sehr begrenzte Fähigkeit. Fast jeder da draußen ist dir zumindest in einer Kleinigkeit überlegen. Oder mir, oder jedem anderen Jedi oder Sith. Wir könnten nicht existieren ohne all die anderen. Glaubst du wirklich, dass Chesara von sich denkt, sie ist allen anderen prinzipiell überlegen, die die Macht nicht benutzen können. Oder Sarid? Komischerweise denken viele junge Ritter genau das von sich. Aber du bist auch nur ein Mensch! Jemand, der nicht mal eben Monate von Ungewissheit, Entbehrungen, Schmerzen und Todesangst überstehen kann, ohne dass das irgendwelche Spuren hinterlässt. Dementsprechend kann ich dir natürlich auch nicht verübeln, dass du jetzt wirklich mit deinen Nerven und deinen Gefühlen am Ende bist. Du bist stärker als die du denkst, da du das alles überstanden hast, und ohne der dunklen Seite oder dem Wahnsinn zu verfallen, da gehört schon was dazu."
Wes machte eine kurze Pause, um den letzten Satz kurz "einwirken" zu lassen, um dann das Verhältnis zwischen Jedi und Öffentlichkeit anzusprechen. Natürlich war es in letzter Zeit manchmal schwierig gewesen, aber eher, weil die Jedi sich der allgemeinen Meinung zufolge zuwenig engagierten, und nicht, weil sie auf irgendeine Weise Tod und Zerstörung brächten, wie Kestrel meinte.
"Übrigens, was die Jedi angeht, da haben die Monate der Isolation wohl auch ihre Spuren hinterlassen, den Eindruck, den du verständlicherweise durch deine Erlebnisse gewonnen hast, trügt dich da ein wenig. Die Jedi sind keineswegs auf der Flucht, noch werden sie von den Sith verfolgt. Wir haben eine allgemein bekannte Basis auf Lianna, und die Republik ist längst wieder in der Offensive gegen das Imperium, und die Jedi sind ein Teil von ihr, im Untergrund von Coruscant. Was die Meinung des Durchschnittsbürgers angeht: ich habe mich sehr positiv aufgenommen gefühlt als ich neulich in Theed war, um nach den Bombardements zu helfen. Der Rat hat außerdem anscheinend andere Jedi entsandt, um dort zu helfen, und offenbar dafür gesorgt, dass dies medienwirksamer erfolgt als mein Auftritt. Die Meinung der meisten Leute von den Jedi scheint recht gut zu sein, und mir wäre auch sonst nichts negatives zu Ohren gekommen, es sei denn, dass man uns gerne öfters sehen würde. Und glaube mir, die Leute können zwischen Jedi und Sith unterscheiden. Sie mögen vielleicht nicht mehr wissen, als in irgendwelchen Holovids vorkommt, aber sie sind nicht dumm, verlass dich drauf."
Wes seufzte.
"Mich überrascht ehrlich nicht, dass du noch sehr dazu tendierst, die Galaxis in schwarzen Farben zu malen, aber es ist nicht alles so schlecht, wie du denkst. Wie gesagt, niemand könnte das so schnell wegstecken, innerhalb von nur drei Tagen nach eurer geglückten Flucht. Ich werde alle Zeit, die wir noch haben, damit verbringen, dich auf den rechten Weg zurückzubringen. Außer du meinst, ich hätte mich völlig vergaloppiert und willst keine weitere Hilfe von mir. In diesem Fall nimm nur diese Worte von mir: es ist kein Verbrechen und du musst dich nicht dafür schämen, Angst oder Hass zu empfinden, auch ein Jedi tut das, es ist nur natürlich, und es wäre schlimm, wenn wir gar nichts fühlen würden. Was du auf alle Fälle verhindern musst ist allerdings, dass diese Gefühle dich kontrollieren."
Man hörte einen weiteren - längeren - Seufzer, und der Großmeister schüttelte dazu den Kopf.
"Ich hasse es wirklich, es zu sagen, aber in einem Punkt hast du leider völlig recht: du bist eine große Gefahr für dich selbst, und vielleicht noch mehr für deine Padawan. Ich möchte, dass du dir Hilfe suchst, wenn ich nicht mehr da bin. Du wärst bei Chesara bei vollem Einsatz besser aufgehoben als wenn du ganz allein hier bleibst. Sie könnte dir helfen. Du könntest auch nach Lianna gehen, deine Wahl. Dort gibt es auch erfahrene und einfühlsame Jedi, denen du dich anvertrauen kannst. Oder du suchst Sarid, deine alte Meisterin auf. Falls du sie finden kannst, wäre sie sicherlich die beste Wahl."
Naboo, auf dem Lande - Im Tänzelnden Shaak, Zimmer - Kestrel, Wes