- Naboo - Kaadara - Gated Community - Baugrundstück - Mit Masao -
Weil die Sonne hoch stand, musste Richard seine Augen mit der Hand abschirmen. Mit langen, gedehnten Schritten schritt Masao das bereits fertige Fundament ab. Er stand jetzt genau an der Ecke, in der sich in weniger als drei Monaten eine Küche befinden würde. Nicht irgendeine: es würde Akemis und Richards Küche sein. Direkt im Anschluss daran erstreckte sich das geräumige Esszimmer. Akemi hatte Platz für eine große Tafel gewollt, um Dinnerparties veranstalten zu können. Noch war es nicht mehr als grauer Betonboden, doch mit etwas Fantasie und Masaos detaillierten Plänen im Kopf konnte Richard bereits die deckenhohen Fenster sehen, die eine breite Glasfront bilden würden. An das Esszimmer schloss sich ein moderner Salon an und beide Räume würden Ausblick und Zugang zur Terrasse haben. An lauen Abenden konnten sie draußen sitzen. Platz für eine Sitzecke war reichlich vorhanden. Vielleicht sogar ein Swimmingpool, hatte Akemi überlegt, und ein von Kletterpflanzen umrankter Pavillion. Sie wollte, das alles perfekt war. Richard genoss die Aussicht am meisten. Ihr Grundstück lag auf einem grünen Hügel direkt oberhalb der Küste. Sie hatten das Meer zu ihren Füßen und nachts würde sie das Rauschen der Wellen in den Schlaf singen. Vielleicht würde ihn das auch nerven. Wenn das der Fall war, würde er sich Ohrstöppsel besorgen müssen. Das Beste an ihrem Haus aber würde sein, dass es ihnen gemeinsam gehörte, dass sie es zusammen erschaffen hatten. Jeder von ihnen hatte genau so viel Energie in die Baupläne gesteckt wie der andere. Vor Monaten noch hätte Richard niemals gedacht, dass er sich noch einmal irgendwo dauerhaft niederlassen könnte, dass er noch mal neu begann, doch mit Akemi war es möglich. Mit ihr konnte er sich alles vorstellen. Manchmal hatte er sich gefragt, ob es richtig war, sie so sehr an sich heran zu lassen. Er war fast 30 Jahre älter als sie, auch wenn es sich nie so anfühlte. Was würde geschehen, wenn er sein Alter eines Tages spürte? Wenn er Schwierigkeiten bekam zu laufen, seine Augen begangen ihn im Stich zu lassen oder er gar krank wurde? Sollte er sich von ihr pflegen lassen, während Akemi sich noch in der Blüte ihres Lebens befand? Sie verschwendete ihre besten Jahre an ihn. Er hatte sie damit konfrontiert. "Akemi,", hatte er von ihr wissen wollen, "willst du das wirklich?" Er war sich bewusst, dass sie selten über die Zukunft nachdachte. Wenn man noch so jung war, sorgte man sich nicht um die großen Probleme des Lebens oder um den Tod. "Ich werde nicht ewig da sein.", hörte er sich selbst wieder sagen, schonungslos offen. Es war spät gewesen, lange nach Mitternacht und im Zimmer war es dunkel, bis auf das kleine Nachtlicht auf Akemis Seite des Bettes. Zuerst antwortete sie nicht, was er als ein gutes Zeichen wertete. Er wollte, dass sie seine Bedenken ernst nahm. Dann hatte sie ihm das Gesicht zugewandt und sich auf ihren Ellbogen aufgestützt, nachdenklich. "Warum sollte ich es nicht wollen?", hatte sie zurück gefragt. "Ich könnte morgen sterben und dann wärest du auch allein." "Das ist nicht das selbe.", hatte er erwidert. "Ich werde vor dir alt sein, das ist keine Frage oder ein Vielleicht, sondern Fakt." Als sie sich kennen gelernt hatten, erinnerte er sich, hatte das alles keine Rolle gespielt. Weder sie noch er hatte ahnen können, wie ernst es zwischen ihnen werden würde. Am Anfang hatten sie sich heimlich getroffen und es war vor allem die körperliche Anziehung gewesen, die sie zusammen gebracht hatte. Wenn sie geredet hatten, hatte er sich verstanden gefühlt. Wenn sie lachte und er ihre Augen strahlen sah, war es wie ein Geschenk. Aus bloßen Berührungen wurde mehr. Er wollte sie immer öfter sehen, sie wollte bis zum Morgen bleiben. Ecile hatte einmal zu ihm gesagt, was er brauchte war eine Frau, die ihn zurück ins Leben brachte und er war zwar nicht der Meinung, dass er ein hoffnungsloser Eremit gewesen war, doch ganz unrecht hatte sie nicht gehabt. Als sie für eine Weile getrennt gewesen waren, hatte Richard geglaubt, den größten Fehler seines Lebens gemacht zu haben. Er wusste noch, wie es sich angefühlt hatte, als Mirande, seine erste Frau, ihn verlassen hatte. Damals war er dumm gewesen. Er hatte einen Fehler gemacht und mit dem Verlust seiner Familie dafür bezahlt. Akemi jedoch war seine zweite Chance und sie nicht fest zu halten war vergleichbar mit Selbstmord. Und dennoch hatte er mit sich selbst gehadert, sich gefragt ob es fair war, ihr gegenüber. Sie verdiente mehr. Zurück in der relativen Dunkelheit des Schlafzimmers hatte sich Akemi über ihn gebeugt. Weiche Locken streiften sein Gesicht, als sie ihn küsste. "Ich will mit dir zusammen sein. Jetzt und später und so lange es geht." Sie hatte gegrinst, tückisch wie eine Katze, die die Maus in der Falle sah. "Du willst es doch auch." Beinahe gequält hatte Richard aufgestöhnt. "Natürlich will ich es!" Ihr Grinsen war noch zufriedener geworden. "Siehst du,", hatte sie ihn belehrt, "dann gesteh mir das Recht zu, mir genau so sicher zu sein, wie du es bist." Er hatte er das Thema seitdem nie wieder angesprochen.
20 Meter von Richard entfernt machte sich Masao Notizen auf seinem Datapad. Als sie ihn zum ersten Mal mit der Idee konfrontiert hatten, ein Haus bauen zu wollen, hatte er ihnen spaßeshalber gedroht nie wieder ein Wort mit ihnen zu sprechen, sollten sie ihn nicht als Architekt engagieren. Natürlich hatten sie niemals etwas anderes vor gehabt. Akemis Bruder machte seine Sache gut. Während des Entstehungsprozesses der Pläne hatte er viele Ideen gehabt, Richards und Akemis Wünsche berücksichtigt und fast immer eine kreative Lösung präsentiert wenn etwas nicht machbar gewesen war. Das war allerdings nur selten der Fall gewesen. Der Vorteil daran, ganz neu zu bauen war, dass man alles genau so machen konnte wie man es haben wollte. Schwieriger war die Entscheidung gewesen, wo sie überhaupt leben wollten und dann dort ein passendes Baugrundstück zu finden. Akemi hätte nichts dagegen gehabt in Theed zu bleiben, doch Richard hatte raus aus der Hauptstadt gewollt. Es war schon komisch, dass gerade ihn der Tumult dort störte, wo er doch sein ganzes Leben auf Coruscant gelebt hatte, doch er hatte die Abgeschiedenheit Dee'ja Peaks zu schätzen gelernt. Dort oben in den Bergen war es ruhig und friedlich. Niemand behelligte ihn oder Akemi, niemand folgte ihnen bis dorthin. Er konnte natürlich verstehen, dass die abgelegene Stadt für Akemis Arbeit kontraproduktiv war. Sie konnte nicht von überall arbeiten, so wie er, also hatten sie sich für die Küstenstadt Kaadara entschieden. Die lag rein von der Entfernung zwar nur geringfügig näher an Theed als Dee'ja Peak, war jedoch besser zu erreichen, verfügte sogar über einen eigenen Raumhafen und auch hier waren viele Agenturen und Studios der kreativen Branche beheimatet. Kaadara galt als einer der Schwerpunkte der wohlhabenderen Bevölkerung Naboos und zog dank seiner direkten Nähe zum Meer viele Touristen an. Luxuriöse Pavillons standen am Strand zur Vermietung, teure Hotels lockten mit paradiesischen Garten- und Poolanlagen und hunderte Cafés bezauberten mit ihren beliebten Freiluftterrassen, ob mitten in der Stadt oder an einem der traumhaften Sandstrände. Auf den ersten Blick schien hier jeder immer Urlaub zu haben und das Wetter immer schön zu sein. In Kaadara, sagte man, lebten die Naboo einen unkomplizierten, leichten Lebensstil, irgendwo zwischen dem steifen Gebaren, das man der Hauptstadt nachsagte, und der extremen Unabhängigkeit der Exilstadt Dee'ja Peak. Was den Ort für Richard und Akemi besonders interessant machte, waren die geschlossenen Nachbarschaften, in die ihnen kein Paparazzi folgen konnte. Seit dem Erfolg seines Romans "Deirdre und die Jedi-Ritter von Coruscant" wurde Richard recht häufig erkannt und auf der Straße angesprochen, doch das war alles nichts gegen Akemis Popularität. Hier auf Naboo war sie der Star. Sie konnte nirgendwo unerkannt hin gehen, nicht zum Shoppen, nicht ins Restaurant. Fans und Reporter folgten ihr gleichermaßen. Dass dies für Richard nicht akzeptabel war, hatte sie eingesehen. Von Zeit zu Zeit wurde es ihr ja selbst zu viel. Also hatten sie sich umgehört und schließlich dieses wunderbare Grundstück in einer Gated Community in Kaadara aufgetan. Es war so etwas wie Liebe auf den ersten Blick gewesen.
"Sieht alles gut aus."
Masao kehrte von seinem Rundgang zurück, wirkte zufrieden.
"Das nächste Mal, wenn du her kommst, steht schon der ganze Rohbau."
"So lange wollte ich eigentlich nicht warten."
Antwortete Richard schmunzelnd. Er vermutete zwar, dass die Mauerarbeiten schnell gingen, doch es war ein großes Haus. Es war allerdings das erste, das er baute und Masao kannte sich da weitaus besser aus. Mit Akemis Bruder kam Richard im Großen und Ganzen gut zurecht. Zu Anfang hatte sich Masao etwas schwer getan, den deutlich älteren Mann an der Seite seiner Schwester zu akzeptieren, doch inzwischen hatte er sich damit arrangiert. Für Richards Geschmack war Masao manchmal zwar zu sehr von seiner eigenen Meinung überzeugt und ausserdem viel zu eitel, doch im Grunde war er ein netter Kerl.
"Wann kommt meine Schwester eigentlich wieder?"
Masao hatte sich sein Datapad unter den Arm geklemmt und seine Sonnenbrille abgenommen, deren Gläser er jetzt mit einem Zipfel seines Hemds putzte.
"Nächste Woche vielleicht, wenn es gut läuft. "
Erwiderte Richard. Bei Akemis stressigem Terminplan war das schwierig zu sagen. Sie befand sich mitten in den Dreharbeiten des erste "Deirdre" Teils, wollte jedoch versuchen für ein paar Tage nach Naboo zu kommen, um Richard zur Verleihung der Golden-Line-Awards in Moenia begleiten zu können. Jedes Jahr wurden dort die besten Dichter geehrt und Richard war als einer der Laudatoren geladen, um einen Preis zu überreichen. Er hoffte, dass sie es schaffen würde die Zeit frei zu bekommen. Auf solchen Events fühlte er sich wohler wenn sie dabei war, wenn alle Augen auf sie gerichtet waren und er in ihrem Schatten verschwinden konnte. Davon abgesehen waren sie schon wieder viel zu lange voneinander getrennt.
"Dann melde ich mich spontan wegen der offenen Fragen."
Kündigte Masao an. Ein Haus zu bauen, lernte Richard, bedeutete vor allem Kommunikation. Es gab immer etwas zu besprechen und immer etwas zu klären, selbst wenn alles nach Plan verlief. Ihre Schuhe waren schmutzig von der feuchten Erde, als sie dorthin zurück kehrten wo ihre Gleiter geparkt standen. Masao klopfte die gröbsten Dreckklumpen ab, bevor er einstieg und Richard sah ihm noch nach, bis die rot leuchtenden Rücklichter verschwunden waren. Manchmal vermisste er Coruscant und die Stadt, die so lange sein Zuhause gewesen war. Manchmal vermisste er Alderaan, wo seine Tochter lebte. Ein kräftiger Windstoß wehte den vollen Geschmack salziger Meeresluft in sein Gesicht, als er noch einmal über die Wiese lief und hoch über den Klippen stand. Naboo. Es war wahrhaftig ein Ort voller Wunder. Wenn er Akemi hier fragte, ob sie ihn heiraten wollte, würde sie Ja sagen? Es war längst keine Frage mehr, ob er ihr einen Antrag machen würde: Er liebte sie. Richard Cohn wandte sich um, den Blick gen' das Haus, das erst sein würde. Er konnte sie sehen, seine Zukunft mit ihr.
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