Naboo

- Naboo - Theed - Wohngebiet - Haus der Trineers - Gästezimmer -

Sie erwachte durch das Zwitschern der Vögel, eine neue Erfahrung für Noa, das Mädchen aus der Großstadt. Das Konzert vor dem weit geöffneten Fenster weckte sie früh, noch bevor die ersten schüchternen Sonnenstrahlen ins Zimmer fielen, und für ein paar Minuten genoss Noa den unbeschwerten Gesang, ehe sie sich im Bett herum drehte und weiter schlief, bis spät in den Vormittag hinein. Als sie zum zweiten Mal aufwachte war ihre Blase Schuld und Noa tappte auf Strümpfen ins Badezimmer. Die Vögel unterhielten sich noch inmer, doch über den Tag verteilt waren sie nie wieder so laut wie in den frühen Morgenstunden. Der Raum, in dem Noa schlief, war im Laufe der Nacht vollständig ausgekühlt. Sie hatte sich lieber etwas warmes angezogen, als das Fenster zu schließen, eigentlich dämlich, wie Noa zugeben musste, doch die Stille draussen war einfach so friedlich gewesen. Geträumt hatte sie nicht, jedenfalls nichts, an das sie sich erinnern konnte. Dafür war die Erinnerung an den Abend zuvor umso deutlicher in Noas Gedächtnis eingebrannt: Aldridge, die harmlose Fummelei mit ihm (die zu mehr hätte führen können wenn er keinen Rückzieher gemacht hätte), das Essen und das Gespräch mit ihm und seine Falschaussage gegenüber der Polizei. Er hatte einen Teil der Wahrheit über das, was im Ferienhaus geschehen war, verschwiegen, um Noa zu schützen. So etwas hätte sie niemals von ihm verlangt. Damit waren sie wohl endgültig quitt. Bevor sie sich anzog, las Noa endlich ihre Nachrichten auf ihrem Komlink, etwas das sie bisher aufgeschoben hatte. Cloé hatte ihr geschrieben, und auch Pablo. Da war eine Nachricht von Visenc und eine von Robin (die Noa vorerst ignorierte) und eine von Detective Sanders. Die Polizistin bat sie um ihre schriftliche Aussage. Auch das noch. Warum musste sie überhaupt aussagen? Konnte sie sich nicht weigern? Möglich war es, doch klug war es nicht. Im Badezimmer überlegte Noa, was sie schreiben würde. Sie wollte nicht ins Detail gehen und dazu konnte sie auch niemand zwingen, aber sie würde die wichtigsten Punkte bestätigen müssen: dass Agathon sie entführt hatte, dass sie zuerst mit Aldridge Trineer alleine festgehalten worden war, dass Jules später die bewusstlose Deanna angeschleppt hatte, dass er den anderen Polizisten ermordet hatte. Er hatte auch Aldridge verwundet und Donnie hatte mehrfach auf ihn eingeschlagen und ihn zuvor lebendig begraben (und dann doch wieder raus geholt). All das würde Noa aussagen, zusammen mit den Geständnissen und den Plänen, die sie von Jules gehört hatte. Das war jetzt zwar alles längst nicht mehr wichtig, doch es würde dafür sorgen, dass er auch nach seinem Tod das Monster blieb, das er war. Um ihre Aussage zu verfassen setzte sich Noa an den Schreibtisch in ihrem Zimmer. Sie war Journalistin, sagte sie sich selbst. Sie würde sachlich bleiben, kurz und knapp die Fakten beschreiben. In ihrer Erinnerung war kein Platz für Emotionen. Was vorbei war, war vorbei.

Aldridge... wie schrieb man diesen Namen überhaupt? Noa hasste es, Korrektur zu lesen. Konnte es etwas langweiligeres geben? Aldridges Name war mindestens so verkorkst wie er selbst. Aldridge. Alllldridge. Al. Hm. Ob seine weiblichen Fans ihn so genannt hatten, als er noch erfolgreich gewesen war? Wahrscheinlich vermisste er diese Zeit, deswegen sah er sich auch heimliche alte Videos von sich an. Er hätte sich direkt nach seiner aktiven Karriere einen Job in der Branche suchen sollen, als Trainer oder
Manager, oder als Experte im Holo-TV. Da könnte er eine gute Figur machen, in coolen Designer Outfits und glattrasiert. Das müsste ihm doch gefallen. Sie drückte auf Senden. Ob Tionne Sanders zufrieden war oder nicht, das war alles, das Noa zu sagen hatte: die wichtigsten Fakten, die wichtigsten Wahrheiten... und eine Bestätigung von Al's Aussage, aus ihrer Sicht. Dreiviertel des Vormittags waren vorbei, als Noa sich aus ihrem Pyjama schälte und sich anzog: Hose, Top, Jacke. Kein Schnick-Schnack oder unnötiger Modekram. Ihre Haare fasste sie am Oberkopf zu einem Dutt zusammen. Sie hätte sie gerne gewaschen, doch sie konnte mit ihren Verbänden nicht unter die Dusche, weil sie niemanden hatte der ihr beim Wechseln geholfen hätte. Den an der Seite bekam sie zur Not selbst hin, das hatte sie schon gemacht, doch für den neuen Verband an ihrem Rücken brauchte sie Hilfe, also blieb alles wie es war. Draussen schien die Sonne bereits mild auf den Garten der Trineers. Ein schöner Tag, doch was sollte sie mit ihm anfangen? Noa hatte nichts zu tun, es sei denn sie arbeitete und widmete sich ihrer Kolumne. Die Idee stand so lange, bis Aldridge an ihre Tür klopfte.


"Besuch?"

Sie öffnete die Zimmertür und da stand er, Al der Profisportler, doch der sorgenvolle Blick, den sie fast in seinem Gesicht erwartet hatte, fehlte.

"Was für Besuch?"

Niemand wusste, dass sie hier war. Fast niemand. Wenn jemand etwas von ihr wollte, dann höchstens Cheetah, um sie abzuholen, oder die Polizei, um sie auszufragen. Noa schob sich an Aldridge vorbei. Das TPD konnte unmöglich so schnell sein. Sie hatte ihre Aussage gerade erst eingereicht. Mit langgestreckten, nervösen Schritten erreichte Noa den oberen Treppenabsatz und plötzlich wusste sie, warum Al so ganz unbesorgt ausgesehen hatte. Sie blieb stehen. Es hatte keinen Grund zur Sorge gegeben, zur Vorsicht oder zu einer Warnung, denn der Besucher, der unten im Wohnzimmer auf sie wartete, war kein geringerer als Cris Sheldon. Noa hatte sich gewünscht ihn zu sehen. Sie hatte sich viel vorgenommen für ihr nächstes Gespräch mit ihm. Entschuldigen wollte sie sich bei ihm, ihn bitten ihr noch eine Chance zu geben und ihm vielleicht sogar sagen, was er ihr bedeutete, sollte sie es jemals schaffen, ihre Gefühle in Worte zu fassen. Das waren ihre guten Vorsätze gewesen für ein Wiedersehen, von dem sie nicht wusste, wann es passieren würde, denn eigentlich sollte Cris längst nicht mehr hier sein. Sie hatte gedacht, er befinde sich auf dem Weg nach Lianna, dass er längst abgereist war noch bevor sie im Krankenhaus wieder zu Bewusstsein gekommen war! Sie starrte auf ihn hinunter. Er sah aus wie immer, besser sogar. Vielleicht lag es am Licht der warmen Morgensonne, die sich durch die Fenster hinein zu ihm gesellt hatte, oder aber daran, dass Noa glaubte sich noch nie so sehr gefreut zu haben, jemanden zu sehen. Ihre guten Vorsätze waren jedenfalls längst über Bord geworfen. Worte waren zu kompliziert, zu missverständlich und sie dauerten einfach viel zu lange. Noa eilte los, sie flog förmlich die Treppe hinunter. Alles was sie gestern Abend so dringend gebraucht und gewollt hatte, war hier, zum Greifen nahe. Sie zögerte keine Sekunde - nicht mehr - denn es gab nur noch diese allerletzte Karte, die sie ausspielen konnte. Ohne ein Wort zu sagen schlang Noa ihre Arme um Cris' Hals und küsste ihn.

- Naboo - Theed - Wohngebiet - Haus der Trineers - Wohnzimmer - mit Cris -
 
[Naboo, Theed, vor dem Haus der Trineers]- Aldridge, Cris

Je mehr er darüber nachdachte, desto alberner kam Cris sich dafür vor, dass er gegenüber Aldridge Trineer einen so schrecklich dienstlichen Auftritt hingelegt hatte. Der Mann war gerade erst aus den Fängen eines Serienmörders entkommen, seine Mutter lag schwer verletzt im Krankenhaus – wer brauchte da noch Besuch von einer ominösen Behörde wie dem republikanischen Geheimdienst, erst recht auf einem beschaulichen Planeten (ohne die Agathons) wie Naboo?

Doch gleichzeitig musste er feststellen, dass es funktionierte. Trineer dachte offenbar gar nicht daran, ihn wegzuschicken, sondern bat ihn herein und verhielt sich auch darüber hinaus äußerst kooperativ, da er sofort verschwand, um seinen „Besuch“ zu holen, während Cris im Wohnzimmer des Hauses wartete. Sein „Besuch“. Das konnte doch nur Noa sein, oder nicht? Kam jetzt der Moment, in dem eine wildfremde Person das Zimmer betrat, sie und Cris sich eine gefühlte Ewigkeit lang ausdruckslos anstarrten, bevor ihm irgendeine Ausrede dafür einfiel, dass er sofort verschwinden musste?

Eine Bewegung ließ ihn in Richtung der Treppe zum oberen Stockwerk blicken – und sein Herz blieb für einen Moment stehen. Da war sie. Noa. Lebendig und so wunderschön, wie in seinen wehmütigen Erinnerungen und seinen verzweifelten Trugbildern, wann immer er sich nach ihr gesehnt hatte. Schöner noch. Das war die wirkliche Noa, die atmende, lebende, pulsierende Noa, der Wirbelwind, der seine Gedanken in alle Richtungen verteilte, das Feuer, das die Flamme des Lebens in ihm entzündete. Noa.

Sein Mund öffnete sich halb, doch er brachte kein Wort über die Lippen. Er musste es auch nicht. Plötzlich bewegte sich Noa, hatte die Treppen binnen eines Wimpernschlags hinter sich gebracht. Sein Herz hämmerte wie außer Kontrolle, als sie dann bei ihm war, ihre Arme um ihn legte… und ihn küsste.

Er hatte gedacht, nie wieder ihre Wärme spüren zu dürfen. Doch er spürte sie. Er hatte gedacht, nie wieder ihre süßen Lippen kosten zu dürfen. Doch er kostete sie. Es dauerte keine Sekunde, ehe er ihren Kuss erwiderte, mit jeder Unze Leidenschaft, geboren aus dem Leiden, der Sorge um sie, die sein Körper in diesem Moment aufbringen konnte. Alles verschwamm um sie herum. Da war nur Noa, da war ihr Atem, das Kitzeln ihrer Haare, ihre filigranen Finger in seinem Nacken…

Er konnte nicht sagen, wie lange es dauerte, bis sie sich wieder – zumindest ein wenig – voneinander lösten, doch seine heftigen Atemzüge verrieten ihm, dass es eine Weile gewesen sein musste. Er sah in ihre funkelnden braunen Augen und fragte sich flüchtig, wann er wohl wieder in der Zelle der NRSF aufwachen würde, um festzustellen, dass das alles nur ein grausamer Traum gewesen war. Doch er wachte nicht auf. Noa war hier, bei ihm, in seinen Armen und fast vergessen waren die Worte, die sie vor der Dyson-Privatschule an ihn gerichtet hatte.

„Ich… ich dachte du bist tot…“, flüsterte Cris, immer noch ein wenig atemlos.

„Er hat mir gesagt, dass er dich umgebracht hat… er hat gelacht und…“

Anstatt fortzufahren zog er sie wieder an sich und küsste sie erneut. Es spielte keine Rolle mehr, was Agathon gesagt hatte. Agathon war tot und Noa lebte. Mehr zählte nicht. Mehr würde niemals zählen. Zärtlich küsste er ihre Stirn und ihre Nasenspitze.

„Der Gedanke dich für immer verloren zu haben war… ich…“

Doch er hatte sie nicht verloren. Und obwohl sie ihm gesagt hatte, dass nichts aus ihnen würde werden können, stand sie jetzt hier vor ihm, küsste ihn und stieß ihn nicht fort, wenn er sie küsste. Was hatte das zu bedeuten?

„Ich will dich nicht verlieren, Noa.“

Es hatte keinen Sinn, irgendwie herumzudrucksen. Wenn er um sie kämpfen wollte, wie Akemi ihm geraten hatten, dann half nur eines: die Wahrheit. Die Wahrheit, die seinem Herzen entsprang, das nie aufgehört hatte, ihr zu gehören.

„Ich liebe dich.“

[Naboo, Theed, Haus der Trineers, Wohnzimmer]- Noa, Cris
 
- Naboo - Theed - Wohngebiet - Haus der Trineers - Wohnzimmer - mit Cris -

Und dann war es plötzlich so einfach gewesen. Im Dunkel ihres Gefängnisses hatte Noa gefürchtet, dass sie zu spät war, dass sie ihre Beziehung zu Cris endgültig zerstört hatte und es keine Zukunft mehr für sie beide gab. Und warum hätte es auch eine weitere Chance für sie geben sollen? Sie hatte ja ihre Entscheidung getroffen, auf Lianna und war sich dabei nicht mal unsicher gewesen. Es war keine Frage, dass es ihr schwer gefallen war. Noa hatte nicht mit Cris Schluss machen wollen, sie hatte nur einfach keine andere Möglichkeit gesehen. Doch dann war Jules Agathon gekommen und hatte gedroht, ihr alles zu nehmen: alles was sie besaß, alles was sie war und alles, das sie vielleicht hätte sein können. Für Noa war das der entscheidende Punkt gewesen. Sie hatte sich vorgenommen, alles zu ändern, sollte sie Jules lebend entkommen. Sie wollte für Cris da sein, sich bei ihm entschuldigen und neu mit ihm anfangen, egal wie schwierig es werden würde. Nun, hier war sie und hier war er und auf ganz wundersame Weise war es bisher gar nicht schwierig gewesen. Und warum? Ganz einfach, weil Noa bisher kein Wort gesagt hatte.

"Ich lebe noch."

War das erste, das sie heraus brachte. Sie lächelte ihn an und eigentlich wollte sie ihn wieder küssen, doch sie wollte ihn auch ansehen und sich sicher sein, dass er keine Einbildung war, und beides gleichzeitig ging nicht.

"Hast du etwa geglaubt, dass Jules mich so leicht los wird? Du weisst doch, Unkraut vergeht nicht."

Noas Stimme wurde getragen von notwendigem Humor. Wenn es etwas schwieriges zu besprechen gab, machten Scherze jedes Gespräch erträglicher. Ausserdem steckte eine gewisse Wahrheit in ihren Worten. Sie war tough und Cris wusste es. Er hätte sich keine Sorgen um sie machen müssen. Noas Mundwinkel hoben sich zufrieden. Konnte es sein, dass ihr zum ersten Mal in ihrem Leben gefiel, dass er es trotzdem getan hatte? Nicht, dass das zur Regelmäßigkeit werden sollte! Noa Chanelle Cortina konnte auf sich selbst aufpassen, das tätowierte er sich besser hinter die Ohren. Und trotzdem...

"Cris..."

Sie wusste, sie war an der Reihe. Cris hatte alles gesagt, das er sagen musste, nun, vielleicht nicht alles, aber das wichtigste. Er liebte sie. Immer noch.

"Halt mich fest."

Bat sie ihn und lehnte sich an ihr, ihr Körper gegen seinen, ihr Kopf an seiner Schulter. Sie hörte seinen Herzschlag. Es war ein starkes, rhythmisches Schlagen, ein Klang, auf den immer Verlass sein würde. Deswegen bedeutete er ihr so viel, weil er für sie da war und weil sie spürte, nicht nur durch seine Worte, dass sie ihm wichtig war. Wirklich wichtig.

"Du hast mich nicht verloren. Ich weiss, ich habe vor ein paar Tagen was anderes gesagt."

Noa klammerte sich an ihn. Ihr Kopf lag noch immer auf Cris' Schulter. So musste sie ihm nicht in die Augen sehen.

"Möglicherweise war ich da etwas voreilig."

Reichte das, als Entschuldigung? Nein, er hatte mehr verdient. Sie holte tief Luft. Noch war sie nicht fertig, das war selbst ihr klar. Cris war nicht mehr einfach nur Cris, so wie sie ihn auf Coruscant kennen gelernt hatte. Doch das machte ihr jetzt nichts mehr aus.

"Ich möchte mit dir zusammen sein. Ab jetzt. So richtig. Wenn du noch willst. Und ich... ich möchte es versuchen."

Wenn überhaupt möglich, umarmte sie Cris Sheldon noch ein Stückchen fester.

"Mit dir und deiner Tochter."

Und, wollte Noa von sich selbst wissen, war das jetzt so schwer gewesen? Ja, in gewisser Weise schon. Im direkten Vergleich jedoch wäre nichts schwieriger gewesen als gar nichts zu sagen und ihre letzte große Chance für immer zu verspielen.

- Naboo - Theed - Wohngebiet - Haus der Trineers - Wohnzimmer - mit Cris -
 
- Naboo - Theed - Norden - Haus der Trineers - Küche - allein -

Aldridge hatte jedes Wort gehört, das nach dem (ersten) stürmischen Kuss gefallen war, und dankte sich innerlich selbst für zwei gute Entscheidungen. Die erste hatte er gefällt, als sie praktisch tot vor ihm gelegen hatte, und er einfach weiter gekämpft hatte. Die zweite, nunja die hätte nicht ihren Tod, aber das Glück in das sie eben regelrecht gehechtet war, getrübt, wenn nicht gar zerstört. Aldridge war am Wohnzimmer vorbei, in die Küche geschlichen, um Noa nicht auf dem Gipfel ihres Glückes zu stören. Cris Sheldon, dieser Mann dem das Herz einer der anspruchsvollsten Frauen die er kannte gehörte, hatte mit seinem Erscheinen alle Knöpfe in ihr gedrückt, und ihr gesagt das er sie liebte. In der Tat, Noa Chanelle Cortina war eine Waffe, und jener Cris, der zum Glück der passende Cris gewesen war, schien mit ihr umgehen zu können. Aldridge schmunzelte, und nahm einen Schluck kalten Kaff, den er bei Beginn seiner Putzaktion auf dem Tresen vergessen hatte. Er freute sich so sehr für Noa. Die geprügelte Frau, die niemals aufgegeben, und ihn dazu gerettet hatte, bekam gerade ihren Lohn für all den Schmerz, den sie erlitten hatte. Aldridge gönnte es ihr von Herzen, und freute sich aufrichtig für sie. Dennoch hinterließen die Bilder der Liebe und Freude Kälte in seinem Herzen. Nicht weil er es ihr missgönnte, ganz und gar nicht, Cris und Noa, diese beiden Liebenden, die sich nach dem großen Sturm wieder gefunden hatten, hatten ihm aufgezeigt, was ihm verwehrt war.


„Ich liebe dich.“ hatte ihr, ihr geliebter Cris gesagt. „Ich liebe dich“.. Worte die er Frauen schon gesagt, und sie so gemeint hatte. Keine von ihnen war jetzt hier bei ihm. Keine von ihnen schloss ihn in ihre Arme, erleichtert darüber das er noch lebte. Er würde kein „ich liebe dich“, oder eine Umarmung bekommen, nicht von diesen Frauen, und schon gar nicht von Nicky, der er so gern diesen bedeutenden Satz gesagt hätte. Ein Zirpen in seiner Hosentasche, lenkte ihn aus der heran rauschenden Litargie. Einen Blick auf das kleine Display seines Comlinks verriet ihm, das jetzt die Zeit für schlimmeres gekommen war. Er durfte jetzt ins Krankenhaus, sein Vater wollte ihn jetzt da haben.


Der Naboo beschloss, das er sofort los wollte, nicht nur, weil er seine Mutter sehen wollte, sondern auch, weil er Noa nicht stören wollte. In ihrer Welt fand er ohnehin nicht mehr statt, und das aus sehr sehr verständlichen Gründen. Das zweite Mal innerhalb weniger Stunden, nahm er einen Stift und Flimsi in die Hand, und hinterließ eine Nachricht für Noa.



„ Hey Noa,

ich bin in der Stadt, ich darf meine Mom besuchen, und meinen Vater endlich sprechen. Du hast ja einen Schlüssel, und kannst kommen und gehen wann du willst. Der Kühlschrank ist voll, falls ihr beide Hunger habt. Bis dann.

Aldridge“

Er hätte ihr gern noch aufgeschrieben, das er sich für sie freute, aber mittlerweile meinte er einschätzen zu können, das sie das schon wieder zu gefühlsduselig gefunden hätte. Zudem, sie hatte vermutlich viel zu bereden, mit ihrem Cris, und was war dafür besser, als ein leeres Haus? Der Naboo hinterlegte den Zettel auf dem Tresen, lies seinen kalten Kaff direkt daneben stehen, und ging in den Flur, um sich seine Jacke zu nehmen. Die Haustür schloss er ein paar Schritte später, so leise, das kaum ein Klacken zu hören war.

- Naboo - Theed - Norden - Haus der Trineers - Vorgarten- allein -
 
[Naboo, Theed, Haus der Trineers, Wohnzimmer]- Noa, Cris

Er glaubte nicht, dass Noa sich jemals so von ihm hatte halten lassen, sich an ihn gelehnt hatte wie in diesem Moment. Doch natürlich bedeutete das nicht, dass sie ihren unbeugsamen Stolz gänzlich aufgab. Cris, der sich an ihren Kopf geschmiegt hatte, musste schmunzeln, als sie verlauten ließ, dass ihre letzten Worte an ihn „womöglich“ etwas voreilig gewesen waren. Es machte ihm nichts aus – natürlich erwartete er von Noa nicht, dass sie sich bei ihm auf Knien entschuldigte, schließlich gab es auch nichts, wofür sie sich entschuldigen musste. Es war ihr gutes Recht gewesen, ihm zu sagen, dass es zwischen ihnen nicht funktionieren konnte – schließlich war das damals vermutlich auch ihre aufrichtige Überzeugung gewesen. Jetzt war er einfach nur froh darüber, dass ihr Herz offenbar doch noch den anderen Weg gesehen hatte – froh und glücklich. Sie hatte gesagt, dass sie es mit ihm versuchen wollte. Mit ihm – und mit Lorraine.

„Ob ich noch will?“, fragte er sie leise.

„Machst du Witze?“

Er musste sich beherrschen, sie nicht so sehr an sich zu drücken, dass es ihr womöglich Schmerzen bereitete oder sie zu sehr einengte.

„Ich habe noch nie etwas so sehr gewollt… in meinem ganzen Leben.“

Es tat gut, sie eine Weile einfach in seinen Armen zu halten, sie schützend zu umschlingen, auch wenn er wusste, dass sie jetzt keinen Schutz mehr brauchte – und auch in der Vergangenheit nicht auf seinen Schutz angewiesen war. „Unkraut vergeht nicht“, hatte sie gesagt und tatsächlich hatte Agathon sich an ihr die Zähne ausgebissen. Cris konnte nicht sagen, was sie durch ihn hatte erdulden müssen – und er wollte sie auch nicht fragen. Nicht jetzt. Jetzt hatten sie sich gerade erst wiedergefunden und er würde dem gefallenen Polizisten den Triumph nicht gönnen, diese Freude, dieses Glück durch böse Erinnerungen zu trüben.

„Ich muss mich schon bald auf Lianna melden…“, erwähnte er schließlich, auch wenn er es hasste, wieder auf die Ebene schnöder Notwendigkeiten, die von außen diktiert wurden, abschweifen zu müssen.

„Ich weiß nicht genau, was dort passieren wird.“

Er atmete tief durch. Er würde Noa nicht mit den Details seiner Probleme mit der NRSF und dem Geheimdienst belasten, wenn sie nicht explizit danach fragte – auf eine gewisse Weise spielten sie ohnehin keine Rolle. Egal, auf welchen Posten man ihn abschieben würde oder ob man ihn tatsächlich suspendierte – sein Pfad stand fest.

„Aber ich weiß, wohin ich danach will.“

Schweren Herzens löste er sich ein wenig von ihr, um ihr ins Gesicht schauen zu können. Wie sehr er diesen Anblick vermisst hatte… diese braunen Augen, die direkt in seine Seele zu blicken schienen…

Er fragte sie nicht, ob sie bereits von Coruscants Befreiung gehört hatte – zweifelsohne hatte man es ihr erzählt. Die Übergabe des Planeten an die Republik war das große Thema gewesen, das hatte Cris spätestens gemerkt, als er mit Akemi gesprochen und sich nach dem Geschenk umgesehen hatte.

„Ich will nach Coruscant. Ich will mit dir die Sonne über deiner befreiten Heimat aufgehen sehen.“

Ein liebevolles Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Ob ihr klar war, dass die Chancen nicht schlecht standen, dass es auch ihr Einsatz damals auf Mon Calamari gewesen war, der möglicherweise dafür gesorgt hatte, Coruscants Übergabe zu einer Bedingung des Friedensvertrags zwischen Republik und Imperium werden zu lassen? Dass sie es war, die ihren Heimatplaneten befreit hatte – zwar nicht mit Schüssen, aber mit Worten?

„Und wo wir gerade über Coruscant sprechen… ich hab etwas für dich… draußen im Gleiter…“

Er beugte sich näher an sie heran.

„Aber das kann auch noch warten.“

Wieder küsste er sie.

[Naboo, Theed, Haus der Trineers, Wohnzimmer]- Noa, Cris
 
- Naboo - Theed - Wohngebiet - Haus der Trineers - Wohnzimmer - mit Cris -

Irgendwie schaffte er es, dass sie sich gut fühlte. Gestern noch hatte Noa viel nachgedacht, ihre Gedanken gewälzt, und versucht, sich von bestimmten Erinnerungen zu lösen. Aldridge hatte während diesem Prozess ein bisschen was von ihr abbekommen (nicht dass er es nicht verdient hatte), doch jetzt mit Cris hatte Noa das Gefühl, dass alles gar nicht mehr so schwierig war. Ihre Beziehung zu ihm war ihr das Wichtigste. Alles andere rückte erst einmal in den Hintergrund. Mittlerweile fragte sie sich sogar, wie sie so dumm hatte sein können, ihn zu verlassen? Was hatte sie sich dabei nur gedacht? Sie war schlicht überfordert gewesen, das war die einzige Erklärung, die sie hatte. Ihre Flucht von Coruscant hatte ihr noch in den Knochen gesteckt, ihr Streit mit Cloé hatte ihr zugesetzt, ihre neue Arbeitsstelle sie begeistert und Cris' Neuigkeit von seiner Tochter hatte sie geschockt. Es waren zu viele Gefühle gewesen, zu vieles das sie hatte verarbeiten müssen. Und dann hatte auch noch Jesper sie im Stich gelassen, erinnerte sie sich. Eigentlich war es sogar vor allem seine Schuld! Wenn er ihr anständigen Rat gegeben hätte... na gut, es war ein bisschen unfair, ihn verantwortlich zu machen, aber eine Mitschuld trug er definitiv, mindestens 40%. Oder 50%.

"Du hast was für mich? Was denn?"

Interessiert lehnte sich Noa zurück, die Arme lang gestreckt aber noch immer um Cris' Hals gelegt. Es klang als hätte er ihr ein Geschenk mitgebracht und als hätte es mit Coruscant zu tun. Was um alles in der Galaxis konnte das sein? Etwa Flugtickets? Ein Kurztrip nach Hause! Es lag schließlich auf dem Weg! Noas Vorfreude wuchs. Es würden ihre ersten Schritte in ihrer Heimat sein, seit ihr Boden wieder republikanisch genannt wurde. In diesem Sinne hatte das Wort "Heimreise" sogar eine noch stärkere Bedeutung als sonst. Es wunderte Noa nur, wann Cris die Tickets gebucht haben sollte. Und überhaupt... ohne mit ihr zu sprechen, ohne zu wissen wie ihre Pläne waren? Er hatte allerdings gesagt, dass er mit ihr zurück nach Coruscant wollte. Er wollte den Sonnenaufgang dort mit ihr sehen!

"Was ist es für ein Geschenk?"

Platzte es aus ihr heraus. Es brachte ja doch nichts, sich den Kopf darüber zu zerbrechen! Raus mit der Sprache und fertig!

"Du hättest mir zwar nichts mitbringen müssen..."

Noa ließ den Satz unvollendet, sagte ihn möglichst beiläufig. Dabei war ihr unmissverständlich anzusehen, wie sehr sie sich freute. Sie glühte förmlich. Cris machte das mit ihr.

"Wann musst du denn wieder auf Lianna sein? Hast du da ein Zeitfenster?"

Wollte sie wissen. Dass er sich "bald" dort melden musste, konnte alles mögliche bedeuten. Noa würde zum Beispiel "bald" von Cheetah abgeholt werden, sie wusste nur leider nicht, wann. Dabei würde es natürlich Sinn machen, wenn sie alle zusammen flogen. Ein paar ungestörte Tage mit Cris im Hyperraum... Noa hatte den Kopf leicht schräg gelegt und in ihrer Fantasie malte sie sich bereits einige Dinge aus, die sie in dieser Zeit tun könnten. Ungestört. Und plötzlich realisierte sie etwas.

"Weisst du was?"

Fragte sie ihn, obwohl er es natürlich nicht wissen konnte, jedenfalls nicht das was sie meinte.

"Ich habe gar keine Bedenken mehr, dass wir es nicht schaffen könnten, wegen der Entfernung, oder deinem Job."

Als sie sich kennen gelernt hatten, war genau das das allergrößte Problem gewesen. Sie hatten nicht gewusst, wann sie sich wieder sehen würden, oder wo und Noa hatte nicht gewusst, ob sie überhaupt eine Fernbeziehung führen konnte oder wollte. Doch jetzt waren die Dinge anders. Sie war beruflich etwas flexibler (hoffte sie) und sie hatte sich ein Stück weit von Coruscant gelöst. Gleichzeitig waren sie beide auf Lianna stationiert, auch wenn sie, wie man aktuell sah, durchaus auch auf die eine oder andere Dienstreise geschickt werden konnten. Egal. Es war einfacher geworden, räumlich und organisatorisch aber vor allen Dingen in Noas Kopf, weil sie sich ihrer Sache endlich ganz sicher war.

"Wenn wir zusammen sein wollen, dann sind wir das auch, egal wo. Und es muss auch gar nicht unbedingt Coruscant sein. Obwohl das natürlich schön wäre."

Noa hob die Schultern.

"Aber so wie's aussieht sitzen wir zur Zeit sowieso beide auf Lianna. Zumindest so lange, bis du zu deinem nächsten Einsatz beordert wirst."

Sie angelte sich wieder langsam zu ihm heran, ein bestimmter Gedanke in ihrem Kopf.

"Mr. super sexy Special Agent..."

- Naboo - Theed - Wohngebiet - Haus der Trineers - Wohnzimmer - mit Cris -
 
- Naboo - Theed - Zentrum - Zentralkrankenhaus - mit Deanna -

Er hielt sie in seinen Armen, sachte und vorsichtig, weil sie jetzt so zerbrechlich war. Die Krankenschwester hatte es ihm erlaubt, solange sie die Wunde an ihrem Rücken mit neuem Verbandsmaterial versorgte. Alles in ihm wünschte sich, das ihre Hände auf einmal zum Leben erwachen, und seine Umarmung erwidern würden. Doch das würde nicht passieren, Graham schloss die Augen, und lauschte dem künstlichen Atem neben seinen Ohr. Er hatte die Stelle gesehen, an der sie im Grunde gestorben war. Holographische Tatort Marker, hatten ihm in der letzten Nacht den Weg gewiesen, über die schöne Wildwiese, mit ihren vielen Kräutern und Blumen. Deanna hatte hoch auf dem Felsen mit Jules gekämpft, und ihn mit sich gezogen um ihn aufzuhalten. Graham hätte nicht Aldridges Aussage, und die markierten Spuren sehen müssen, um zu diesen Ergebnis zu kommen. Er wusste das Deanna ohne zu zögern alles, auch sich, mit allem was sie hatte, in den Ring geworfen hätte, um Menschen zu retten. Was hieß denn hätte? Sie hatte es getan, und das nicht nur für irgendwelche Menschen. Sie hatte es unter anderem für Aldridge getan, ihren schon fast lächerlich geliebten Sohn. Graham biss sich auf die Zunge, um nicht vor Wut und Schmerz los zu brüllen. Wie hatte es soweit kommen können? Jules, Deannas liebster und bester Freund, war in Wahrheit ein Monster gewesen, das aus seinem eigenen Zorn ein Feuer entfacht hatte, das so viele arme Menschen verbannt hatte. Er hatte vor niemandem halt gemacht, weder vor unschuldigen Kindern, noch vor Deanna, die er in den dreissig Jahren, seit denen sie sich kannten, nicht selten aus Spaß als seine Schwester vorgestellt hatte.


„Das war es Sir.“

Die Schwester hatte ihre Arbeit beendet, und half ihm, seine Frau vorsichtig wieder auf das Bett zu legen. Der Boden am Fuß des Felsens, war brachial hart gewesen, und die Schöpfer waren einfach nur grausam gewesen, indem sie Jules Agathon ins rettende Wasser hatte stürzen lassen. Welchen Sinn hatte es, das DEANNA, auf den knochenharten Boden gefallen war? Keinen, all das hatte keinen Sinn.

„Ich bin gleich wieder da“.

Flüsterte er ihr kurz zu, küsste sie auf die blasse Wange, und verließ das Zimmer. Er hatte sich seine Schwiegereltern und Lusandra herbestellt, und auch Aldridge, den er so schmerzlich vermisst hatte. Graham wunderte sich, wie schnell und sicher seine Beine ihn trugen. Er hatte die halbe Nacht am Ufer des Solleu gesessen, an dieser einen Stelle. Er hatte geweint, gewütet, auf den Boden geschlagen, die Schöpfer verflucht, verhandelt und es dann doch verstanden. Jetzt gerade fühlte er gar nichts mehr, er war leer und erschöpft. In ihm, da war gerade nur noch die Warheit, gepaart mit einem festen Entschluss. Deanna kam nicht mehr zurück aus ihrem Zustand, sie hatte keine Aussichten mehr. Er würde es ihr ersparen, jahrelang vor sich hin zu vegetieren, in diesem unwürdigen hilflosen Zustand. Er wusste das sie das gleiche für ihn getan hätte, hätte er solch fürchterliche Verletzungen erlitten. Da gab es nur ein Problem, Deanna war von Haus aus immer schon sehr viel mutiger als er gewesen. Graham nahm den Aufzug in den fünzehnten Stock, in dem er einen Konferenzraum gemietet hatte, um einfach ungestört mit der Familie sprechen zu können. Gerade wegen seiner Schwiegereltern, war es von Nöten gewesen einen privaten Rückzugsraum zu organisieren. Nicht nur, weil Deanna ihre Tochter war, seitdem Gia deutlich gemacht hatte, das sie Mirandas Neigungen als abnormal empfand, hatte quasi Funkstille geherrscht. Deanna und er hatten keine Kompromisse gemacht, und nach vielen Gesprächen keinen Kontakt mehr gesucht. Gia war ihr sturer Kopf wichtiger gewesen, als der Kontakt zu ihrer eigenen Tochter. Und Elian Esparza, der alte Cop, war seiner Frau nicht von der Seite gewichen, und das obwohl Graham wusste, das er ihre Meinung nicht teilte.

„DAS IST DOCH NICHT DEIN ERNST!“

Die Worte klangen blechern durch den Fahrstuhlschacht an Grahams Ohren. Er kannte diese Stimme zu gut, und diesen Satz noch besser. Das erste mal hatte er ihn mit sechzehn gehört, als seine Tochter geschwängert hatte. Wem er diesen Satz entgegen geschmettert hatte, würde Graham in Sekunden erfahren...er hatte das vierzehnte Stockwerk gerade passiert..

„DONNIE AGATHON? DU KONNSTEST NICHT MIT DONNIE AGATHON FERTIG WERDEN ALDRIDGE?“

Die Türen des Lifts öffneten sich mit einem Zischen, und die Sicht auf eine Ungeheuerlichkeit wurde freigelegt. Elian, auch im hohen Alter noch eine eindrucksvolle physische Präsenz, stand nur in einigen Zentimetern vor Aldridge, der sich gegen die Flurwand presste, und versuchte dem Blick seines Großvaters auswich.

„Du bist ein Kerl wie ein Schrank, und wirst nicht mit diesem DÜRREN SCHWÄCHLING FERTIG?“

Grahams Blick verfinsterte sich, er wusste was hier los war, ohne mehr Kontext bekommen zu haben.

„Möchtest du das vielleicht auch die Sicherheitsleute von Senator Astor fragen Elian? Oder die toten Polizisten? Oder den Rest der vielen Toten ?“

- Naboo - Theed - Zentrum - Zentralkrankenhaus - Stockwerk 15 - mit Aldridge und Elian -
 
[Naboo, Theed, Haus der Trineers, Wohnzimmer]- Noa, Cris

Noas sichtliche Vorfreude auf sein Geschenk ließ Cris schmunzeln, auch wenn ein kleiner – der ewig pessimistische – Teil in ihm plötzlich befürchtete, dass er ihre Erwartungen bezüglich dessen, was er ihr mitgebracht hatte, womöglich zu sehr in die Höhe geschraubt hatte. Diese Gedanken verdrängte er jedoch schnell wieder – was zählte, waren sie beide, hier und jetzt. Materielle Dinge irgendeiner Art waren nicht von Bedeutung.

„Ich muss einen speziellen Flug nehmen, in ein paar Stunden“, informierte er sie über die Details seiner geplanten Abreise, ohne dabei zu erwähnen, dass es nicht wirklich seine Entscheidung gewesen war. Er wusste nicht, wie sie selbst nach Naboo gekommen war, doch da sie sich in Begleitung von Jedi Cheetah befunden hatte, war anzunehmen, dass sie die Reise an Bord eines Schiffes des Ordens absolviert hatte. Das bedeutete wiederum, dass sie für die Dauer des Rückflugs wieder voneinander getrennt sein würden – aber noch war es nicht soweit. Noch war Noa hier, bei ihm.

Die Dinge, die sie ihm sagte, ließen sein Lächeln breiter und breiter werden. Auch er wusste instinktiv, dass sie keine Schwierigkeiten haben würden wegen ihrer jeweiligen Lebensentwürfe, wenn auch vielleicht aus andere Gründen als sie, die er ihr noch mitteilen musste. Für den Moment jedoch errötete er leicht – super sexy war er also? Während Noa ihm wieder näher kam, legte er ihr seine Hände um die Taille und ließ sie dann betont langsam ein Stück an ihr hinabgleiten, um sie schließlich nachdrücklich dichter an sich zu pressen.

„Sexy, hm?“, raunte er ihr zu, bevor der der Verlockung nachgab, ihre Lippen für einen Moment mit den seinen zu versiegeln.

„Du bist auch gar nicht so übel, Miss Widerstandskämpferin“, flüsterte er dann und gab damit auf gewisse Weise die Worte wieder, die sie an ihn gerichtet hatte, damals, in ihrer Wohnung auf Coruscant, als sie sich zum ersten Mal so nahe gekommen waren, dass nichts mehr zwischen sie gepasst hätte. Seine Hände fuhren wieder an ihrem Körper hinauf und legten sich auf ihre Schultern, wo sie langsam damit begannen, ihre Jacke zurückzudrängen, während er ihren Hals mit erst zärtlichen, dann gierigen Küssen versah. Als die Jacke schließlich dem Gesetz der Schwerkraft folgte, nutzte er seine freigewordenen Hände, um ihr dehnbares Top so zurechtzuziehen, dass er seine Küsse auf ihre bloße Schulter und ihr Schlüsselbein ausweiten konnte. Jeder Kontakt ihrer samtweichen Haut mit seinen Lippen jagte einen angenehmen Schauer durch seinen Körper.

Ohne es wirklich bewusst gesteuert zu haben, hatte er sie währenddessen Stück für Stück in Richtung der einladenden Couch bugsiert, sodass es ihn selbst überraschte, als sie plötzlich darauf zum Liegen kamen, er über ihr, ihr aufregender Körper mit all seinen Rundungen an den seinen gepresst. Sein Atem ging schwer, doch sein Bedürfnis, ihr etwas zu sagen, zügelte sein loderndes Verlangen nach ihr.

„Ich habe auch keine Bedenken, dass wir es nicht schaffen könnten… wegen meines Jobs oder irgendeiner Entfernung.“

Seine Stimme war so leise, dass sie ihn wohl nur verstehen konnte, weil ihr so nahe war.

„Ich musste mich entscheiden, weißt du? Es war schnell klar, dass das Imperium nichts mit dem Fall zu tun hatte… mein Auftrag auf Naboo war erledigt und es war wohl meine Pflicht, sofort nach Lianna zurückzukehren.“

Wie konnte sie so perfekt sein? Wie hatte er es nur eine Sekunde aushalten können ohne ihre Wärme, ohne ihre Lebendigkeit?

„Aber du wurdest hier vermisst… und obwohl ich dich nicht habe retten können, habe ich mich entschieden…“

Er legte seine rechte Hand in die ihre und drückte sie.

„Für dich.“

[Naboo, Theed, Haus der Trineers, Wohnzimmer]- Noa, Cris
 
- Naboo - Theed - Wohngebiet - Haus der Trineers - Wohnzimmer - mit Cris -

Es war nicht geplant gewesen, aber es dauerte nicht lange bis Noa sich auf dem Rücken liegend auf der Wohnzimmercouch der Trineers wieder fand, durch Cris' Gewicht sanft in die weichen Kissen gedrückt. Sie konnte einfach schlecht widerstehen, wenn sie jemand verführte. Sie war eine verdammte Ja-Sagerin. Dabei war der Wohnraum ihrer Gastgeber kein wirklich guter Ort für... Wiedersehensfreude. Aldridge konnte jederzeit herein kommen. Wie peinlich! Der musste sie doch für ein absolutes Flittchen halten! Cris' verspielte Küsse wiederum waren so gut, dass Noa nicht die Kraft hatte, ihn zu unterbrechen. Es kribbelte ihren Hals hinunter, erst auf der einen Seite und dann auf der anderen und dann sah er sie an und sagte ihr, dass er sich für sie entschieden hatte, trotz Anweisungen, die anders gelautet haben mochten. Wenn das nicht romantisch war, was dann?

"Und ich bin froh, dass du noch hier bist."

Erwiderte Noa und blickte in das Gesicht über ihr.

"Ich dachte, du wärst schon wieder auf dem Rückweg nach Lianna. Im Krankenhaua hatte man mir das gesagt. Wahrscheinlich ein Missverständnis."

Es war jetzt auch egal. Sie wollte nicht mehr zurück blicken.

"Aber so weit wie ich das verstanden habe, warst du doch hier um die Jedi bei ihren Ermittlungen zu unterstützen, oder nicht?"

Cris hatte seine linke Hand mit ihrer rechten verwoben. Es war schön, ihm so ganz nah zu sein. Mit ihrer eigenen freien Hand, zupfte sie sanft an seinen Haaren. Er sollte sie ein wenig länger tragen. Das würde ihm stehen.

"War das nicht der ursprüngliche Gedanke der Zusammenarbeit, dass zum einen transparenter gearbeitet wird und zum anderen Ressourcen und Know-How geteilt werden, um bessere Ergebnisse zu erzielen? Welchen Sinn hätte es gemacht, Cheetah hier sich selbst zu überlassen? Nur auszuschließen, dass das Imperium nicht involviert war, hätte sie auch alleine gekonnt."

In Noas Buch klang ihre Argumentation verdammt logisch, auch wenn Cris zu vermuten schien, dass seine Vorgesetzten das anders sehen könnten. Tja, sollten sie doch. Na und? Dieses Schicksal teilten wohl Millionen von Angestellten: man arbeitete und arbeitete und tat alles nach bestem Wissen und Gewissen, aber es war nie genug. Von oben bekam man immer noch einen drauf. Cloé war es schon oft so gegangen, das wusste Noa aus erster Hand. Sie hatte oft länger gearbeitet als ihr Vertrag vorgesehen hatte, aber nie Dank dafür bekommen. Stattdessen hatte sie ihrer ätzenden Chefin jeden zweiten Tag einen Korb mit frischen Obst besorgen müssen und sogar auf ihre Kinder aufgepasst, wenn sie sonst niemanden gehabt hatte. Unentgeltlich! Selbst Schuld, hatte Noa da nicht selten gesagt. Cloé war alt genug und normalerweise auch nicht auf den Mund gefallen. Warum sie sich solche Sachen gefallen ließ, war Noa ein Rätsel. Auf der anderen Seite war sie selbst auch noch nie in einem richtigen langfristigen Arbeitsverhältnis gewesen. Vielleicht verstand sie einfach nicht, wie das war.

"Na ja, wie auch immer."

Wenn Cris wirklich schon in ein paar Stunden wieder weg musste, wollte sie die Zeit nicht damit vertrödeln, über Sinnig- oder Unsinnigkeiten des Geheimdienstes zu philosophieren. Sie hob ihren Kopf an, küsste ihn.

"Danke, dass du mich nicht im Stich gelassen hast."

Das wusste sie durchaus zu schätzen. Gleichzeitig wurde die Position, in der sie lag, ihr allmählich unbequem.

"Okay, und jetzt bist du mir zu schwer. Runter von mir, du zerquetscht mich."

Kommandierte Noa. Sie begann sich zu bewegen und sich wieder aufzusetzen. Ihr Brustkorb fühlte sich eng an, wie zusammen geschnürt, oder war das ihr Rücken? Auch egal, hauptsache sie fühlte nicht diesen schweren Druck auf sich.

"Also..."

Sie saßen jetzt nebeneinander. Sie hatte noch nicht gefrühstückt, deswegen hatte sie auch noch nicht ihre für den Vormittag bestimmte Schmerztablette genommen, fiel Noa ein. Sobald die Wirkung der Medikamente nachließ, merkte sie, dass sie eigentlich noch nicht so fit war wie sie gerne wäre. Aber um gemütlich neben Cris zu sitzen und ihn anzusehen, musste sie sich nicht besonders anstrengen.

"Erzähl mir von ihr. Von Lorraine."

Forderte sie ihn auf. Es war das wohl Wichtigste, das Noa ihn fragen konnte.

"Wie ist sie?"

- Naboo - Theed - Wohngebiet - Haus der Trineers - Wohnzimmer - mit Cris -
 
- Naboo - Theed - Zentrum - Zentralkrankenhaus - Stockwerk 15 - Konferenzraum - mit Graham, Gia, Elian -

Und schon wieder war er gerettet worden. Dieses mal von seinem Vater. Das hätte er gar nicht tun müssen, weil Opa doch im Grunde recht hatte. Es war seine Schuld, das es seiner Mutter so schlecht ging. Der Kampf, oben im Schlafzimmer, kurz bevor Noa und er sich hatten befreien können, hatte es gezeigt. Aldridge war fast spielend mit beiden fertig geworden, zur gleichen Zeit. Einzig und allein seine Erschöpfung, und Jules Findigkeit hatten ihn zu Fall gebracht. Opa hatte Recht, und sein Vater hätte ihn nicht beschützen sollen. Trotzdem, es war gut, das Ruhe in die aufbrodelnden Emotionen gekommen war, er würde jetzt endlich erfahren wie es ihr ging. Das sein Vater die Familie erst in diesen Konferenzraum geladen, und sie nicht direkt zu seiner Mutter gelassen hatte, verhieß nichts gutes. Aldridge hatte sich nach ganz hinten, an den viel zu großen Tisch gesetzt, weit weg von den verachtenden Blicken seiner Großeltern. Allerdings auch weit genug, um den liebenden Blicken seiner Tante Lusandra zu entgehen, die eben nach gekommen war. Sie setzte sich demonstrativ zu seinem Vater, was diesen dazu bewegte endlich aus der Starre zu fallen, in die er seitdem alle im Raum waren.


„Danke das ihr so schnell gekommen seit, und meinen Wunsch respektiert habt, zuerst mit mir zu sprechen, bevor ihr zu Deanna geht.“

Graham Trineer, die ruhige Felswand hinter seiner Mutter, wirkte unnahbar, und Aldridge war sich sicher, das er gerade keinen Zwischenruf dulden würde. Und obwohl im Grunde wusste, das er absolut nichts gutes zu sagen hatte, fragte sich Aldridge doch, was jetzt kommen würde.

„Deanna ist nicht schwer verletzt..“

Was? Aldridge horchte auf, war das möglich?

„Sie ist weit über einen solchen Zustand hinaus...“

Aldridge erstarrte, genau wie seine Großeltern, in Lusandras Zügen war keine Überraschung zu sehen. Aldridge war klar, das seine Tante mindestens genauso viel wusste, wie sein Vater. Ein Fakt der Ärger in ihm aufkommen lies. Er war sein Sohn, hatte er nicht verdient das..

„Dieser Unfallchirurg, der mir nach der ersten Notoperation erklärt hat, das Deanna..“

Eine quälende Pause folgte, die Aldridge ihm nicht übel nahm, denn man sah wie sehr es ihn mitnahm. Er konnte aus der relativen Entfernung genau sehen, das die hellblauen Augen seines Vaters feucht wurden.

„...schwerste Hirnverletzungen hat. Sie ist so tief gestürzt, und als wenn das nicht genug wäre hat Jules sie in den Fluss geworfen, wo sie viel zu lange keinen Sauerstoff abbekommen hat.“

Die kalte erschrockene Stille, die mit seinen Worten eingekehrt war, wurde durch ein Schluchzen durchbrochen. Und Aldridge musste sich wundern, als seine eigentlich so unterkühlte Oma in stille Tränen ausbrach. Sie hatte sich seit vielen Jahren geweigert, seiner Mutter, oder gar Miranda entgegen zu kommen, die in ihren Augen ein unsittliches Leben führte. Und jetzt weinte sie? Sie hatte gar kein Recht dazu. Sie nicht.

„..Ich hab das nicht akzeptieren wollen, ich hab mir Experten herbestellt, und sie haben mir die Diagnose bestätigt. Ich..ich hab sogar eine Jedi Meisterin angefleht ihr doch zu helfen, und selbst sie konnte es nicht. Es gibt keine Behandlung die sie aus diesem Zustand befreien könnte. Sie hat wirklich keine Aussichten mehr als Schmerzen, dieses Bett und diese Geräte..“

Oma heulte laut und theatralisch, Opa sagte nichts.. Aldridge registrierte einfach nur noch den Moment. Was genau...

„Deanna hat eine Patientenverfügung aufgesetzt, zudem kenne ich ihre Meinung ganz genau. Ich möchte... ich werde sie aus diesem unwürdigen Zustand befreien. Ich habe die Unterlagen beim Notar angefordert, und sobald sie da sind.. Hört ich werde das auch ohne euch tun, aber ich würde alles für euren Segen geben. Es muss so schnell wie möglich passieren, auch wenn Miranda noch nicht da ist. Deanna leidet..“

Er wollte WAS? Und jetzt freute sich Aldridge darüber das sein Opa im Raum war. Er würde ausflippen! Den verdammten Tisch umwerfen! Er würde das verhindern!

„Graham“

Die dunkle Stimme seines Großvaters erklang das erste mal, seitdem er ihn angeschrien hatte. Noch war er ruhig, aber gleich würde ein Donnerwetter losbrechen! Sein Vater war nicht ganz bei Trost. ER KONNTE DOCH NICHT EINFACH SEINE..

„Ich..“

Opa suchte den Blick seiner völlig aufgelösten Frau, nahm ihre Hand, und wand sich wieder seinem Schwiegersohn zu.

„..Wir danken dir für die Aufklärung, und deinen Mut. Wir werden dich unterstützen Sohn.“

Was?

„ Sagt mal SPINNT IHR EIGENTLICH ALLE?“

Aldridge sprang auf, und hämmerte beide Handflächen auf den Tisch.

„WIESO WOLLT IHR SIE UNBEDINGT UMBRINGEN? MOM LEBT! SIE LEBT! UND IHR WOLLT IHR DEN STROM ABDREHEN?“

„Junge ich weis das du es schw..“

„DU HAST KEINE AHNUNG DAD! WEIST DU WIE SEHR SIE FÜR UNS GEKÄMPFT HAT?“

Noa, er und sie selbst waren gemeint.

„SIE HAT ALLES VERSUCHT, BIS ZUR LETZTEN MINUTE! UND SIE HAT ES LEBENDIG BIS NACH THEED GESCHAFT. UND DANN KOMMT IHR UND FÜHRT JULES WERK ZUENDE?“

Der Naboo musste sich dazu zwingen, vor Anstrengung nach dem Gebrüll nicht auf den Tisch zu kotzen.

„Aldridge..“

„NEIN!“

Aldridge stürmte in Richtung Ausgang, er würde jetzt zu ihr gehen, und sie beschützen..

„ALDRIDGE WARTE!“

Als er die Tür schon vor Augen hatte, wurde er durch einen festen Griff um sein Handgelenk gebremst. Und ohne das er weiter darüber nachdenken konnte, riss er sich los, und packte den Besitzer der Hand beim Hemdkragen.

„Sie liebt dich DAD! Sie liebt dich! Mom verlässt sich auf dich..“

Sein Vater wirkte für einen Moment erschrocken, kein Wunder..sowas war noch nie passiert, doch dann versuchte er sich aus seinem Griff zu befreien. Aldridge gestatte es ihm nicht, und packte den alten Mann nur noch fester..

„Und DU lässt sie einfach so fallen!“

Im Raum wurde es wieder still, nur für ein paar Sekunden, und Aldridge sog die Atmosphäre unfreiwillig weiter in sich auf. Oma heulte, sein Großvater bewegte sich nicht...was nur gut für ihn war... und Tante Lusandra sah ihn entsetzt an. Nur einer wirkte fast stoisch ruhig, trotzdem er sich in seinem Griff befand.

„Du hast recht Sohn, meine Frau, deine kranke Mutter, liebt mich, so wie ich sie liebe. Und sie verlässt sich auf mich. Und ich werde ihr helfen, aus dieser würdelosen Situation zu entkommen, wenn du mich los lässt und deinen Schmerz nicht weiter an mir auslässt. Aldridge, deine Mutter ist doch schon längst tot, das weist du auch..“

Und seine Armmuskeln übertrugen seine Emotionen, als Aldridge ausholte, und ihn mit so viel Kraft wie er aufbringen konnte, mitten ins Gesicht schlug. Sein Vater stolperte getroffen zurück, und hielt sich beide Hände über den Mund. Und Aldridge verbot dem Schrecken, den er über diese Handlung empfand an die Oberfläche zu kommen. Er wollte seine Mutter töten, und das würde er nicht zulassen. Niemand durfte das..niemand.

„SCHÄMT EUCH ALLE!“

Er wand sich, jetzt gerade war er fest überzeugt davon, für immer von seiner Verwandschaft ab, stürmte aus dem Konferenzraum und suchte sich den nächsten Aufzug. Seine Handfläche knallte gegen Schaltfläche für die Intensivstation...

- Naboo - Theed - Zentrum - Zentralkrankenhaus - Stockwerk 15 - Lift - allein -
 
[Naboo, Theed, Haus der Trineers, Wohnzimmer]- Noa, Cris

Cris lächelte ein wenig verlegen, als Noa sich von seinem Gewicht befreite und sie schließlich wieder gesittet nebeneinander saßen, wie es sich wohl für Gäste in einem Haus, mit dessen Besitzern er nicht einmal ein besonderes Verhältnis hatte – abgesehen vom ernsten Gespräch mit Deanna Trineer und womöglich dem Aufeinandertreffen mit ihrer Tochter Miranda auf Mon Calamari – wohl gehörte. Er konnte Noa einfach nicht widerstehen. Auch jetzt, da sie neben ihm saß, klopfte sein Herz wild in seiner Brust. Und dann war da noch das Echo ihres Geschmacks auf seinen Lippen…

Gleichzeitig schaffte er es, über ihre Worte nachzudenken – zunächst über das, was sie über den Geheimdienst gesagt hatte. Es war nicht vollkommen von der Hand zu weisen, dass sein Mandat beinhaltete, dem Orden der Jedi mit den Ressourcen des Geheimdienstes zur Hand zu gehen und er somit solange hatte auf Naboo bleiben können, wie Cheetah es war. Andererseits konnte man im Direktorium wohl argumentieren, dass auch Cheetah keinen „offiziellen“ Grund mehr gehabt hatte, eben das zu tun, als klar war, dass kein Sith und kein abtrünniger Jedi hinter der Mordserie steckte. Natürlich war es wohl die Pflicht und das Selbstbild des Ordens, auch den lokalen Polizeikräften bei der Bewältigung einer besonderen Krise beizustehen. Dazu allerdings brauchte der Orden nicht die Hilfe des Geheimdienstes.

Und natürlich kannte Noa noch nicht die ganze Wahrheit… dass er einen unbewaffneten vielleicht nicht kaltblütig, aber trotzdem ermordet hatte. Wann sollte er ihr das sagen? Wie sollte er ihr das sagen? Er schluckte schwer, warf ihr einen heimlichen Blick zu und musste sich eingestehen, dass er sich ungeachtet ihrer Versöhnung vor Noas Reaktion auf ein solches Geständnis fürchtete.

Glücklicherweise war sie es, die ein weitaus angenehmeres Thema schnitt, als sie ihn nach Lorraine fragte. Der Name seiner Tochter reichte, um die Wolken aus seinem Gesicht zu vertreiben und ein aufrichtiges Lächeln dort erscheinen zu lassen, wo zuvor Sorge vorgeherrscht hatte.

„Sie ist…“

Langsam holte er sein Medaillon unter seinem Hemd hervor, klappte es auf und schob leicht Noas Haarsträhne zur Seite, die er immer noch darin verwahrte, um ihr Lorraines Bild zu zeigen, das er dort befestigt hatte. Ob Noa ihn jetzt für einen sentimentalen Trottel hielt, weil er nicht nur das Bild seiner Tochter, sondern auch ihre Haarsträhne weiterhin nahe seines Herzens aufbewahrt hatte, obwohl er nicht hatte wissen können, dass sie ihm verzeihen würde?

„Sie ist wunderschön, nicht?“, fragte er leise. Lorraine lächelte auf dem Bild, obwohl es noch in dem Waisenhaus auf Coruscant gemacht worden war, weswegen sie noch ein wenig jünger wirkte.

„Sie ist mittlerweile schon ein wenig älter… klug, aufgeweckt… tapfer.“

Er lächelte.

„Sie liebt Tortapos, so wie das draußen im Garten. Und Süßigkeiten, natürlich.“

Wie Noa wohl in diesem Alter ausgesehen hatte, wie ihr Charakter gewesen war? Vielleicht würde er sie eines Tages danach fragen und mit ihr in alten Fotoalben schmökern, auch wenn er selbst keine vorzuweisen hatte. Das älteste Foto, das es von ihm gab, zeigte ihn wohl in der Rüstung eines imperialen Sturmtrupplers. Schnell schob er diesen Gedanken bei Seite.

„Als ich sie zum ersten Mal sah… obwohl ich nie damit gerechnet hätte… ich wusste sofort, dass sie meine Tochter ist.“

Konnte Noa es auch sehen, die Ähnlichkeit? Oder musste sie Lorraine dafür leibhaftig gegenüber stehen?

„Es war schwierig für sie, als plötzlich ein Mann aufgetaucht ist und man ihr gesagt hat, dass der ihr Vater ist. Ich denke, so richtig daran gewöhnt hat sie sich immer noch nicht. Selby passt momentan auf sie auf… mittlerweile besucht sie auf Lianna auch eine Schule für die Kinder republikanischer Beschäftigter. Die Kurse kann sie auch auf Reisen weiter per Holoverbindung besuchen.“

Cris lächelte das Foto an, ein wenig, wie Akemi das Bild ihrer kleinen Schwester Hana angelächelt hatte. Die war nur ein wenig älter als Lorraine und kam nun offenbar zum ersten Mal richtig mit Jungs in Kontakt. Cris hatte das dumpfe Gefühl, dass ihn das vor größere Herausforderungen stellen würde als die Infiltration des imperial besetzten Coruscants.

„Sie ist mein Sonnenstrahl…“

[Naboo, Theed, Haus der Trineers, Wohnzimmer]- Noa, Cris
 
- Naboo - Theed - Zentrum - Zentralkrankenhaus - Intensivstation - Zimmer - mit Deanna -

Als er sie sah, wollte Aldridge, das sich sofort ein Loch unter ihm öffnete, in das er hinein springen, und sterben konnte. Von dem Bild, das er bis gerade in seinem Kopf von ihr existiert hatte, war nichts mehr übrig. Die stolze, scheinbar unverwundbare Frau, war diesem verletzten, zerbechlichen Wesen gewichen, das einfach nur reglos da lag, fast unsichtbar unter vielen Verbänden, und Schläuchen.


„Mom?“

Aldridge fasste sich ein Herz, und wagte es ihr ins Gesicht zu sehen. Nicht viel davon, war durch die dicken Verbände, die um ihren Kopf gewickelt waren zu sehen. Sie konnte nichtmal selbst Luft holen.

„Mom?“

Die Worte seines Vaters gingen ihm wie glühende Lava durch den Kopf. Wie einen Schul Referat hatte er seinen Entschluss vorgestellt. „Meine Frau ist krank, ich bin der Meinung es gibt keine Rettung für sie, und ich werde die Maschinen abstellen lassen. Ich zieh das durch, ob ihr wollt oder nicht.“ der Kontext des ganzen schmerzte ihn so unglaublich. Nichtmal begrüßt hatte er ihn, Aldridge war vor Tagen frei gekommen, und er hatte ihn nicht besucht, und als sie sich endlich gesehen hatten...kein Wort. Und was war mit Miranda? Er wusste doch, das sie unterwegs war. Hatte sie nicht das Recht ihrer Mutter LEBENDING zu begegnen? Überhaupt! Was sollte man schon auf Ärzte geben? Es waren schon Menschen abgeschrieben worden, die irgendwann wieder zu sich gekommen waren.

„Du musst aufwachen..“

Er nahm sie bei den Schultern, und rüttelte sie sanft.

„Hörst du ? Du musst aufwachen, die wollen dir den Stecker ziehen..“

Es passierte nichts. Sie reagierte nicht.

„Mom? Komm..“

Er rüttelte sie heftiger..

„MOM? DU MUSST AUFSTEHEN! DIE WOLLEN DICH UMBRINGEN!“

Eine der Monitore schlug aus, nur für eine Sekunde...

„Mister Trineer? Ich muss Sie bitten das Zimmer sofort zu verlassen!“

Die Krankenschwester, bei der er sich eben angemeldet hatte, stand in der Tür. Sie sah sehr verägert aus, und Aldridge konnte ihr nicht einmal böse sein. Sie kannte ihn nicht, sie meinte sicher, das er seiner Mutter weh tun wollte. Oder war es doch blos sein lautes Mundwerk? Es spielte keine Rolle.

„Raus hier..“

Sie blieb in der Tür stehen.

„RAUS hier..“

- Naboo - Theed - Zentrum - Zentralkrankenhaus - Intensivstation - Zimmer - mit Deanna (Krankenschwester) -
 
- Naboo - Theed - Wohngebiet - Haus der Trineers - Wohnzimmer - mit Cris -

Es war das zweite Mal, dass Noa Lorraines Bild sah. Das erste Mal hatte Cris es ihr vor dem Einsatz an der Schule gezeigt. Seine Tochter war hübsch. Sie sah etwas blass aus auf dem Foto, nicht weiter verwunderlich für ein Kind, das in einem Waisenhaus auf Coruscant groß geworden war. Sie hatte sicher nicht oft die Sonne gesehen. Ihre blonden Haare waren zu zwei einfachen Zöpfen frisiert. Der Blick aus ihren blauen Augen - aus Cris' Augen - war schüchtern, aber aufmerksam. Er beschrieb sie als klug - das musste sie von ihm haben - und sie mochte Süßigkeiten, wie alle Kinder, und Tortapos, diese sechsbeinigen Kriechtiere, die man manchmal in Zoohandlungen kaufen konnte und die immer etwas verschrumpelt aussahen. Was Lorraine jedoch am meisten beschrieb war der Kosename, den Cris' ihr gab: er nannte sie seinen Sonnenstrahl. Das, und der Blick, mit dem er bei diesem Wort ihr Bild betrachtete, verriet Noa mehr als alles andere, wie sehr er seine Tochter jetzt schon liebte. Er würde alles für sie tun, so wie Noa einst gewusst hatte, vor ihrer Trennung, dass er alles für sie getan hätte. Sonnenstrahl. Aha. Ob er auch einen heimlichen Kosenamen für Noa hatte? Etwas, dass er sich bisher nur nicht getraut hatte zu sagen? Bisher hatte sie noch kein Mann Schatz oder Kuschelmaus genannt und eigentlich wollte sie das auch gar nicht. Gar nichts genannt zu werden war aber auch doof, vor allem wenn andere Personen einen Spitznamen bekamen! Das war ungerecht, da war es doch kein Wunder, wenn sich einer benachteiligt fühlte. Und ja, verdammt, Noa war sich bewusst, dass es sich um Cris' Tochter handelte und es lächerlich war, auf sie eifersüchtig zu sein! War sie ja auch gar nicht. Sie war lediglich... interessiert. Und sie wollte genau so viel von Cris wie vorher, bevor es Lorraine gegeben hatte. War das so verkehrt? Yosef und Jérome, sie beide hatten Noa Baby genannt, Yosef mit gewohnter Regelmäßigkeit (er hatte garantiert alle Frauen, mit denen er geschlafen hatte so genannt - vor, nach und während seiner Beziehung zu Noa) und Jérome nur manchmal, wenn die Stimmung zwischen ihnen besonders gut gewesen war. Beide hatten es mit ihrer typischen Macho-Attitude gesagt: "Hey Baby, hast mich vermisst? Komm ins Bett." Das war zum Beispiel typisch Yosef gewesen, der den ganzen Tag nur nichtsnutzig Zuhause rum gelungert hatte. Das Schlimme war, dass es Noa gefallen hatte, so genannt zu werden. Es hatte etwas Cooles, Verwegenes und irgendwie machte es sie sogar an. Das machte sie bestimmt zu einer schlechten Feministin. Vielleicht konnte Cris sie so nennen. Babe wäre auch okay. Ob sie es ihm vorschlagen sollte? Nein, auf keinen Fall. Da musste er schon von selbst drauf kommen. Höchstens, wenn sie besonders subtil vorging... aber auf keinen Fall jetzt sofort.

"Ja, sie ist hübsch. Und sie hat deine Augen."

Sagte Noa endlich, nachdem sie das Bild eine Weile betrachtet hatte. Es war natürlich recht klein und wie Cris sagte, schon etwas älter. Lorraine war jetzt zwölf. Kinder entwickelten sich rasend schnell. Kaum schaute man kurz weg, waren sie schon wieder einen Zentimeter gewachsen und brauchten neue Schuhe.

"Und du sagst, Selby passt auf sie auf?"

Na, ob das eine so gute Idee war? Vielsagend hob Noa eine Augenbraue. Sie hatte nicht unbedingt den besten Start mit dem anderen Agenten gehabt und bezweifelte, dass jemand wie er geeignet war, auf Cris' Tochter aufzupassen. Auf der anderen Seite verriet es ihr noch eine Spur mehr über Cris. Sie hatte gewusst, dass er und Selby ein sehr gutes Verhältnis hatten, doch dass Cris Lorraine bei ihm bleiben ließ, zeigte, wie sehr er dem anderen Mann vertraute. Ob sich Cris bewusst war, dass Selby quasi sein bester Freund war?

"Ich freue mich darauf, sie kennen zu lernen. Wenn sie so ist wie du..."

Noa hielt noch immer das geöffnete Amulett in der Hand, weil sie so das Bild besser betrachten konnte. Dann klappte sie es wieder zu und ließ es los, sodass es wieder an der Kette um Cris' Hals herunter baumelte.

"Die Haare von mir kannst du aber langsam mal weg werfen."

Sagte sie dann, obwohl sie es nicht so meinte. Ihre Hand hob sich und griff nach dem wuscheligen Knoten auf ihrem Kopf.

"Du musst ja nicht ständig meine DNA mit dir rum schleppen."

In Wahrheit fand Noa es sogar ganz süß, dass Cris' die Locke, die sie ihm auf Mon Calamari geschenkt hatte, aufgehoben hatte. Es machte sie nur ziemlich verlegen, dass er sie wie einen Schatz bei sich trug, und ja, stumpf betrachtet waren es wirklich einfach nur Haare. Totes Material. Ausserdem hatte er ja jetzt einen besseren Verwendungszweck für das Medaillon gefunden. Es beherbergte jetzt Lorraines Bild, das war viel wichtiger. NEIN, SIE WAR ÜBERHAUPT NICHT EIFERSÜCHTIG! Er sollte das Ding nur ausziehen, wenn sie Sex hatten! Noa würde nicht mit ihm schlafen, wenn er das Foto seiner Tochter um den Hals trug. Das war creepy. Sie räusperte sich.

"Ich hab' noch eine andere Frage."

Sie machte eine Pause, wartete. Das würde jetzt unangenehm werden, das wusste sie, aber es war nicht zu ändern. Diese Frage musste gestellt werden, früher oder später, und es war besser es jetzt zu klären, als zu riskieren dass es zwischen ihnen stand.

"Wer war Lorraines Mutter?"

Die Tatsache, dass das Mädchen in einem Waisenhaus gelebt hatte, ließ den Schluss zu, dass ihre Mutter tot war. Den Vater hatte man lange nicht auffinden können, bis jetzt. Doch wie hatte Cris die Frau gekannt? War sie ein ONS gewesen? Hatten sie eine Beziehung gehabt? Hatte er sie geliebt? Noa war sich deutlich bewusst, dass sie so gut wie nichts über seine Beziehungs-Historie wusste. Erst hatte sie überraschend erfahren, dass er mit einem Filmstar zusammen gewesen war, dann war eine uneheliche Tochter aufgetaucht. Wie viele Leichen hatte er noch im Keller?

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[Naboo, Theed, Haus der Trineers, Wohnzimmer]- Noa, Cris

Cris lächelte leicht, als er das Medaillon wieder unter seinem Hemd verstaute, nachdem Noa es wieder fortgegeben hatte. Er war sich nicht ganz sicher, ob sie ihre Aufforderung, ihre Haarsträhne loszuwerden, wirklich ernst meinte oder nicht, aber er wusste, dass er ihr nicht nachkommen würde – es war wundervoll, immer ein wenig von ihr in seiner Nähe wissen, ebenso wie Lorraines Foto. Diesen beiden Frauen gehörte sein Herz.

„Sie kennt Selby länger als mich…“, antwortete er, als Noa bezüglich des Piloten nachhakte. Er konnte ihre sichtbare Skepsis verstehen – Selby war ein Lebemann, noch dazu der ehemalige Handlanger eines Waffenhändlers, doch gleichzeitig gab es wenige Personen, denen Cris so sehr vertraute, wie ihm. Tatsächlich war er sogar der Mann, dem er am meisten vertraute – mehr vertraute er wohl nur Noa, Akemi und ChesaraSyonette, der gütigen Jedi-Rätin, die ihm das Leben gerettet hatte.

„Sie mag ihn. Und er mag sie.“

Bei diesen Worten musste Cris seufzen. Bedeutete das nicht auch, dass Selby bisher ein besserer Vater für Lorraine gewesen war als Cris? Er hatte sie kaum gewonnen, da war er auch schon nach Naboo aufgebrochen, irgendeiner Mission hinterherjagend. Natürlich hatte er so Noa wiedergefunden – doch Lorraine war alleine gewesen.

Aber das würde sich jetzt ändern. Alles. Jetzt waren sie zu dritt und er würde weder Noa, noch Lorraine je wieder alleine lassen.

„Dich wird sie bestimmt ziemlich cool finden.“

Vermutlich würde Lorraine mit Noa auch über Dinge reden können, die in Cris‘ und Selbys Gegenwart ganz einfach tabu waren. Frauensachen halt. Er musste nur aufpassen, dass ihre Entwicklung dadurch nicht vollkommen an ihm vorbei ging.

Der Gedanke ließ ihn lächeln und dieses Lächeln wurde breiter, als er Noa wieder ansah. Eine seiner Hände bewegte sich auf sie zu und streichelte zärtlich ihren Oberschenkel.

„Du bist ja auch ziemlich cool.“

Er war fast im Begriff gewesen sich zu ihr hinüberzubeugen und zu küssen, als Noa ihm plötzlich in einem unheilvollen Tonfall mitteilte, dass es da noch eine Frage gab. Sein Herz verkrampfte sich, da sich düstere Vorahnung seiner bemächtigte – die dann auch sogleich bestätigt wurde. Das Lächeln verschwand aus Cris‘ Gesicht.

Sie wollte wissen, wer Lorraines Mutter war. Natürlich verdiente sie eine Antwort auf diese Frage, doch er konnte nicht vorhersagen, wie sie auf diese reagieren würde. Vielleicht hatte sie Verständnis. Viel wahrscheinlicher war allerdings eine deutlich negativere Reaktion, schließlich brachten die Umstände von Lorraines Zeugung auch noch einen Abschnitt aus seiner Vergangenheit zurück, für den sie ihn bereits einmal beinahe erschossen hätte.

„Ich… ich kann mich nicht mehr an sie erinnern…“, antwortete er schließlich zögernd. Das mochte zwar stimmen – doch es war nicht die ganze Wahrheit, die er kannte, und die Noa deswegen vergessen, aus seinem Mund zu hören. Wenn er nur wüsste, wie!

„Es passierte… vor meiner Zeit beim Geheimdienst.“

Er starrte auf seine eigenen Beine, für den Moment unfähig, Noa anzusehen. Sie wusste, was „vor seiner Zeit beim Geheimdienst“ bedeutete. Zum Geheimdienst war er unmittelbar nach seiner Desertion aus dem Sturmtruppenkorps gestoßen, ironischerweise auf Coruscant. Zumindest, wenn man die drei Monate nicht zählte, die er gebraucht hatte, um den Stadtplaneten irgendwie zu erreichen.

„Als… als die imperiale Besatzung Coruscants ihren Höhepunkt erreicht hatte, gab es auch in den unteren Ebenen zahlreiche… Einrichtungen, die auch den Besatzern ihre… Dienste anboten. Denn egal wie perfekt gedrillt waren… auch die Sturmtruppen hatten gewisse… Bedürfnisse…“

Er hatte das Gefühl, dass er es mit jedem Wort noch schlimmer machte, auch, weil er jetzt erst, da er Noa Lorraines Geschichte erzählte, wirklich darüber nachdachte, was sie – und ihre Mutter – eigentlich durchgemacht hatten.

Lorraines Mutter war eine der Frauen, die sich den imperialen Truppen verkauft haben. Und… einmal muss etwas… schief gegangen sein.“

„Schief gegangen“. So konnte man das Wunder neuen Lebens natürlich auch bezeichnen. Cris ekelte sich vor sich selbst und vor dem Mann, der er damals gewesen sein musste. Reichte es wirklich für seine Absolution, dass er sich an nichts erinnern konnte? In Noas Augen tat es das bestimmt nicht. Er konnte sie immer noch nicht ansehen.

„Offenbar hat sie sich dazu entschlossen, das Baby zu bekommen. Ob sie es danach freiwillig in ein Waisenhaus gegeben hat oder ob es ihr weggenommen wurde, weiß ich nicht…“

Geschlagen schüttelte er mit dem Kopf.

„Ich weiß nicht einmal, wie sie heißt… oder ob sie noch lebt…“

[Naboo, Theed, Haus der Trineers, Wohnzimmer]- Noa, Cris
 
- Naboo - Theed - Wohngebiet - Haus der Trineers - Wohnzimmer - mit Cris -

Die Zeit vor dem Geheimdienst. Noa wusste, was damit gemeint war. Er hatte es ihr erzählt, recht bald nachdem sie sich kennen gelernt hatten, um nicht zu sagen an ihrem ersten Tag. Sie hätte ihn dafür gerne umgebracht, für das was er getan hatte und für das was er gewesen war, bis sie realisiert hatte, dass dieser jemand schon längst tot war. Cris Sheldon war nicht der Mann unter der Sturmtruppenrüstung, wie konnte er auch? Das Leben, das Schicksal oder vielleicht auch die Macht hatten ihm eine zweite Chance gegeben und die hatte er beschlossen zu nutzen. Was auch immer er getan hatte - vorher - Noa war sich sicher, dass er Abbitte leistete, still für sich, jeden Tag. Und sie? Sie hatte beschlossen nicht daran zu denken. Er war ein Agent des Geheimdienstes und alles was davor gewesen war, war ein anderes Leben gewesen. Dumm nur, wenn plötzlich eine Verbindung zu diesem früheren Dasein auftauchte, in Fleisch und Blut.

"Du bist in einem Puff gewesen?!"

Noa fuhr hoch.

"Eww!"

Das war in etwa das Schlimmste, dass er ihr hätte beichten können. Wäre die Frau die Liebe seines Lebens gewesen? Kein Problem! Das jedenfalls redete Noa sich ein. Selbst eine kurze Affäre oder flüchtige Bekanntschaft hätte sie verstanden und akzeptiert. Aber Cris in einem Bordell? Auf einer alten, abgewetzten, befleckten Matratze... mit einer Frau die... pfui, nein. Weg mit den Bildern! In ihrem Kopf sah Noa Dinge, die sie nicht sehen wollte. Sie hatte kein Interesse daran, sich vorzustellen, wie ein leidenschaftsloser, gefühlskalter und fremder Mann, der aussah wie Cris, eine willige Hūre vögelte. Sie wollte davon nichts wissen. Stattdessen stand Noa auf, fasste sich selbst an den Ellbogen und schuf Platz zwischen sich und ihm. Sie hatte Hunger und wusste gleichzeitig, dass sie doch keinen Bissen herunter kriegen würde. Der Gedanke, dass Cris... urgh, es war einfach zu ekelhaft. Er konnte sich sonst was eingefangen haben, sicherlich hatte er das nicht nur dieses eine Mal "gemacht". Und sie hatte mit ihm geschlafen, ein paar mal sogar. Sie musste dringend zum Arzt und sich durch checken lassen. Noa, die ein paar Schritte durch den Raum gelaufen war, drehte sich wieder zu ihm.

"Wir müssen uns eine andere Geschichte einfallen lassen."

Sagte sie ernst.

"Eine Erklärung."

Cris hatte gemeint, sie sei cool? Ja, das war sie in der Tat. Noa hasste, was er ihr erzählt hatte und sie wünschte, es wäre anders gewesen. Sie hasste was er gewesen war und was er getan hatte, doch weder das eine noch das andere hatte Einfluss darauf, was sie für ihn empfand. Sie wollte jetzt noch genau so mit ihm zusammen sein wie sie es gestern gewollt hatte.

"Es werden Fragen kommen."

Fuhr sie fort.

"Von Leuten die wir kennen, von meiner Familie..."

Noa überlegte. Was diese Schattenseite seiner selbst betraf, war Cris von Anfang an ehrlich mit ihr gewesen. Es hatte kein falsches Spiel gegeben. Diese Art von Offenheit jedoch konnte er sich nicht gegenüber anderen Leuten leisten.

"Du kannst nicht rum laufen und erzählen, dass du wahllos Nūtten gepoppt hast, als du noch republikanische Soldaten gejagt hast."

Sprach sie ihre Gedanken laut aus. Sie traute sich wenigstens, das Kind beim Namen zu nennen, fiel ihr amüsiert auf. Cris hingegen hatte herumgedruckst wie ein pupertierender Schuljunge. Sie setzte sich wieder neben ihn, seufzte.

"Mir war klar, dass es vor dem Geheimdienst passiert sein musste. Und eigentlich ist es auch egal, wie. Es werden jedoch Fragen kommen und dann müssen wir eine Antwort parat haben, für die wir uns nicht schämen müssen."

Sie klopfte ihm auf den Oberschenkel, kumpelhaft.

"Denk dir was aus, das ist dein Job."

Oh ja, sie war sogar ziemlich cool. Ihr Freund hatte sich durch sämtliche Betten in Coruscants Freudenhäusern gekämpft und dabei ein Kind gezeugt? Kein Problem. Das war ein anderer Cris gewesen, einer den Noa nicht kannte.

- Naboo - Theed - Wohngebiet - Haus der Trineers - Wohnzimmer - mit Cris -
 
[Naboo, Theed, Haus der Trineers, Wohnzimmer]- Noa, Cris

Schweigend ließ Cris den Kopf hängen, als Noa genau so auf sein Geständnis reagierte, wie er es befürchtet hatte. Nun – eigentlich nicht ganz genau so. Sie erhob sich zwar vom Sofa und brachte Distanz zwischen sie, doch sie türmte nicht aus dem Raum und sprach sogar noch mit ihm, auch wenn ihre Worte mehr als deutlich machten, was sie von der Sache hielt. Und konnte er ihr das verübeln?

Er unterließ es, auf ihre rhetorische Frage zu antworten. Es hatte keinen Zweck, derlei Dinge wieder und wieder zu sagen – es war geschehen und er musste damit leben, während sie womöglich noch die Wahl hatte, ob sie damit leben wollte oder nicht. Immerhin warf sie ihm nicht wutentbrannt an den Kopf, dass sie ihn hasste oder verabscheute… das war immerhin ein Anfang.

Als sie ihm dann jedoch sagte, dass sie sich eine Geschichte würden ausdenken müssen – eine andere, unverfängliche Geschichte – blinzelte er überrascht. Der Sinn hinter ihren Worten wurde ihm erst langsam klar – es ging ihr um eine Version, die man anderen erzählen konnte, Leuten, wie ihrer Familie. Also wollte sie ihn tatsächlich nicht wieder von sich stoßen, nachdem sie sein wohl bisher düsterstes Geheimnis – das eigentlich keins war, schließlich hatte er selber bis vor kurzem nichts davon gewusst – erfahren hatte. Machte es ihr also wirklich nichts aus?

Doch, das tat es. Er konnte es spüren. Sie mochte sich entschieden haben, es ihm nicht anzukreiden, doch er konnte sich sehr gut vorstellen, wie sehr der Gedanke daran, wie es zu Lorraines Geburt gekommen war, Noa wehtun musste. Und jeder Kontakt mit seiner Tochter würde sie daran erinnern – doch was konnte er dagegen tun? Er hatte ihr nur die Liebe des Mannes anzubieten, der er geworden war, doch wenn das nicht reichte, um die Wunden der Vergangenheit zu heilen…

Ihre unverblümte Aussprache dessen, was passiert war, wo er mühsam nach Worten gesucht hatte, ließ ihn wie unter einem physischen Schlag zusammenzucken, doch er sagte nichts. Sie hatte alles Recht, ihm das Geschehene schonungslos unter die Nase zu reiben. Und dann saß sie plötzlich neben ihm und klopfte ihm freundschaftlich auf den Oberschenkel, so als wäre überhaupt nichts geschehen – als hätte er ihr erzählt, dass er beim Rückwärtsfahren einen Kratzer in den Gleiter gefahren hatte und man sich nun rasch eine Erklärung dafür ausdenken musste, damit die Nachbarn ihn nicht für einen Trottel hielten.

„Ich schäme mich nicht für meine Tochter…“, sagte er leise, auch wenn ihm natürlich klar war, dass Noa das nicht gemeint hatte.

„Aber ich verstehe, was du meinst…“

Er sah sie schüchtern an und lächelte schwach.

Selby war immer derjenige, der sich gut Dinge ausdenken konnte… meine Talente liegen in… anderen Bereichen…“

Sein Blick senkte sich wieder und er starrte seine geöffneten Handflächen an.

„Ich denk mir was aus.“

Er wagte es nicht, sie zärtlich zu berühren oder gar zu versuchen, sie zu küssen. Instinktiv hatte er das Gefühl, dass jetzt absolut nicht der Zeitpunkt dafür war. Im Gleiter wartete noch sein Geschenk für sie, doch ihr dieses jetzt zu überreichen wäre wohl ebenfalls eine mehr als billige Geste. Sie mochte sich zwar locker wieder zu ihm gesetzt haben, doch er befürchtete, dass sie ungeachtet der Wiedersehensfreude, die sie empfunden haben mochte, jetzt ein wenig Zeit für sich brauchte. Ohne ihn.

„Ich… ich kann verstehen, wenn du jetzt ein wenig für dich sein willst“, sagte er schließlich, erhob sich dabei aber noch nicht, um sie nicht vor vollendete Tatsachen zu stellen. Er hatte auf Mon Calamari lernen müssen, was für ein Fehler das war.

„Das ist bestimmt… alles ein bisschen viel…“

Hilflos zuckte er mit den Achseln. Was konnte er ihr schon sagen, um sie zu beruhigen? Dass es ihm keinen Spaß gemacht hatte? Er konnte sich noch nicht einmal daran erinnern!

Erst leicht verspätet fiel ihm eine weitere Implikation seiner Geschichte ein, die ihr womöglich Sorgen bereitete.

„Du musst übrigens keine Bedenken haben, weil du und ich… weil wir…“

Warum fiel es ihm so schwer, die Dinge so unverkrampft beim Namen zu nennen, wie es Noa mühelos möglich war?

„Ich meine… das Imperium hat seine Soldaten nicht in diese Häuser geschickt, um sie krank zurück zu bekommen. Und beim Geheimdienst gab es regelmäßige, gründliche Untersuchungen.“

Er seufzte tief. Ein richtiger Trost war ihr das vermutlich auch nicht. Es ging hier um so viel mehr als um schnöde gesundheitliche Risiken.

„Also…“

Vorsichtig sah er sie an und versuchte in ihrem Gesicht zu ergründen, was wohl in ihr vorgehen mochte. Verachtete sie ihn jetzt? Und verabscheute sie Lorraine, weil deren bloße Existenz sie stets an das erinnern würde, was er ihr gerade erzählt hat?

„Ich… ich sollte dann wohl zum Raumhafen… und wir sehen uns dann auf Lianna…?“

Immer noch bewegte er sich keinen Zentimeter. Nicht ohne ihre Einwilligung.

[Naboo, Theed, Haus der Trineers, Wohnzimmer]- Noa, Cris
 
- Naboo - Theed - Zentrum - Gleiter - Straßen - mit Jibrielle, Danny Trineer -

Ihre Hände zitterten, trotzdem Miranda ihnen keine Beachtung schenkte. Ihr Blick blieb auf der altmodischen Flimsiplast Zeitung hängen. Ein Bild von ihrer Mutter war darauf abgebildet, und eins von Onkel Jules. Miranda hatte die Zeitung nicht aufschlagen müssen, da ihr Onkel Danny, der freundlicherweise gekommen war, um Jibrielle und sie ab zu holen, ihr (jetzt schon seit einigen Minuten) erzählte, was passiert war. Aldridge war in Sicherheit, dafür war ihre Mutter verletzt worden. Und Onkel Jules und Donnie hatten sich als Serientäter entpuppt, die Theed mit Gewalt überzogen hatten. Und Aldridge war nur entführt worden, um ihre Mutter in den Ermittlungen zu bremsen, die sie langsam aber sicher auf den richtigen Pfad geführt hatten. Und es waren viele Menschen gestorben und.. Miranda hatte so viele Fragen, so viele.... ihr war allerdings die Fähigkeit zu sprechen verloren gegangen. Ihren Körper hatte sie irgendwie vergessen, und sie hätte glatt gesagt, das sie nur noch aus ihrem Kopf und quälenden Gedanken und Ängsten bestand. Aber da war Wärme, die diese Schockstarre durchbrach, zumindest ein Stück weit.
Jibrielles Hand lag in ihrer, und Miranda wollte sich einfach auf ihren Schoß legen, die Augen schließen, und einfach für einen Moment nicht mehr denken und fühlen. Aber dafür blieb keine Zeit, das ging nicht, das wäre egoistisch gewesen. Miranda dankte den Schöpfern dafür, das sie ihr Jibrielle geschickt hatten. Das sie überhaupt mit ihr gekommen war, war...unbeschreiblich.


„Wie geht es Mom?“

Brachte sie aus leise raus, und hatte fürchterliche Angst vor der Antwort. Danny, der strohblonde Bruder ihres Vaters, gar nicht viel älter als Aldridge, schwieg ganz plötzlich, was es für Miranda nicht besser machte, nicht im gerinsten.

„Weist du Miri, dein Vater hat sich abgekapselt und uns nicht erlaubt zu ihr zu kommen, deswegen kann ich es dir nicht sagen. Aber offen gesagt denke ich, das das kein gutes Zeichen ist.“

Ihr Vater war ein Familienmensch, der engen Kontakt zu seinen Eltern und seinem Bruder hielt. Das er sich keine Unterstützung holte, das war mehr als ungewöhnlich. Miranda wollte Danny etwas entgegnen, aber es ging irgendwie nicht, weil es in ihrem Kopf rauschte. Stattdessen wand sie sich Jibrielle zu, und sah sie nur an.

„Weist du..“

In meinem Kopf, da habe ich mir unseren ersten Besuch auf Naboo ganz anders vorgestellt. In meinem Kopf hab ich dich meinen Eltern vorgestellt, und sie hätten dich willkommen geheißen, und dann hätte ich dir die Stadt gezeigt, und alles und jeden der mir wichtig ist. Miranda konnte es nicht sagen, ihr Kopf war zu voll, ihre Gefühle nicht da, oder nicht deutbar... Miranda konnte nicht einmal mehr die richtigen Gedanken formulieren. Mirandas Hand lies Jibrielles fast los, doch Angst und Kälte drohten sie zu ersticken, als sie sich nur einen Millimeter von ihr entfernte. WAS WAR WENN MAMA NICHT MEHR LEBTE? UND WAS WAR ALDRIDGE WIDERFAHREN. WAS WAR WENN SIE STARB ? WAS...was war überhaupt alles passiert. Wer konnte denn sowas erfassen? Welcher Verstand hielt das aus? Die Djane spürte, wie ihr ein frostiger Schauer über den ganzen Körper lief. Viel zu viel... Ihr Magen schmerzte.

„Danny? Halt mal an..“

Ihre Hände fuhren vor ihren Mund.

JETZT“.

Und sobald der Gleiter am Straßenrand hielt, sie befanden sich bereits mitten im Zentrum, mit all den schönen Gassen, sprang Miranda aus der offenen Tür, und erbrach sich in einen riesigen Pflanzenkübel. Ihre Hände verkrampften sich für eine Sekunde um den braunen Ton, als sie sich sammeln musste, um sich wieder aufraffen zu können. Sie mussten jetzt weiter, keine Zeit für trivialen Kleinkram.

So..“

Sie zog ein Taschentuch aus der Gesäßtasche ihrer einfachen Jeans, und wischte sich Mund und Hände ab, und entsorgte das Tuch in einem Anflug von Ignoranz in dem Blumenkübel. Der arme Besitzer würde das Taschentuch sicher als weniger großes Übel ansehen. Sie stieg wieder zu Jibrielle auf die Rückbank, und hielt einen neuen Frost Anfall durch. Das war die Aufregung, das war jetzt nicht wichtig, ihre Familie hatte mehr gelitten, so viel mehr.

„Also langsam musst du auch mal vor mir kotzen, damit wir quitt sind..“

In einem schlechten Scherz versuchte sie irgendwie Kontakt zu Jibrielle auf zu bauen. Ansehen konnte sie sie gerade nicht, aus ganz schnöden physischen Gründen. Onkel Danny heizte wieder los, und das Geschunkel machte ihren verrückten Magen nicht bisser. Blos geradeaus schauen...

„Wir sind gleich da..“

Und erst dann würde sich die ganze Warheit über sie ergießen, in allen grausamen Details..

- Naboo - Theed - Zentrum - Gleiter - Straßen - mit Jibrielle, Danny Trineer -
 
- Naboo - Theed - Wohngebiet - Haus der Trineers - Wohnzimmer - mit Cris -

Es lief nicht so wie es sollte. Cris reagierte nicht wie Noa gehofft hatte. Er freute sich überhaupt nicht. Dabei hatte sie so verständnisvoll reagiert wie sie konnte. Was war daran nicht richtig gewesen? Im Stillen hatte sie sich bereits für ihr eigenes Verhalten beglückwünscht. Sie hatte Cris nicht angebrüllt, ihm keine Vorwürfe gemacht, ihm keine Predigt gehalten und sie selbst war nicht beleidigt - und das, obwohl sie allen Grund dazu gehabt hatte. Jede Frau hatte das Recht, verstört und reserviert zu sein, wenn sie erfuhr, dass ihr Partner regelmäßig in Bordellen verkehrt hatte, selbst wenn es vor ihrer gemeinsamen Zeit gewesen war. Gemessen an dem, was Noa zu verdauen hatte, hatte sie den Award für die gelassenste und loyalste Freundin der Galaxis verdient, denn sie lief nicht weg und sie ließ Cris nicht im Stich. Das hatte sie vor ein paar Tagen gemacht und es tief bereut. Inzwischen war Noa klüger. Sie wusste endlich, was sie wollte und was sie dafür tun musste. Dazu gehörte auch, dass sie bereit war zu vergessen und einen Strich unter alles zu ziehen das vorher gewesen war und eigentlich hatte sie gedacht, dass Cris das auch wollte. Aber warum hatte er es dann plötzlich so eilig, zu gehen? Was störte ihn?

"Ich dachte, dein Flug geht erst in ein paar Stunden!

Noa war sichtlich verwirrt. Cris war doch gerade erst angekommen! Sein plötzlich angekündigter Aufbruch fühlte sich an wie eine Strafe. Er entzog sich ihr, weil ihm ihre Reaktion nicht gefallen hatte, warum auch immer, und jetzt wollte er sie allein lassen, obwohl er wusste, dass sie wollte, dass er blieb. Damit sie lernte, für's nächste Mal. Sprachlos starrte sie ihn an. Nein, das konnte es nicht sein, das war nicht Cris. So war er nicht. Das war etwas, das Jérome getan hätte.

"Ich brauche keine Zeit für mich."

Stellte sie klar. Das bezog sich natürlich nur auf diesen Moment und war kein generelles Statement! Natürlich brauchte Noa Zeit für sich, viel sogar, aber eben nicht gerade jetzt, nachdem sie gerade erst von einer verdammten Entführung frei gekommen war, Schmerzen ohne Ende erlitten hatte und Cris sie noch nicht ein einziges Mal gefragt hatte, wie es ihr überhaupt ging! Was dachte er, was Jules mit ihr gemacht hatte, eine Kaffeefahrt? Wie konnte er jetzt anbieten, sie alleine zu lassen?! "Er hat mich ausgepeitscht, du Ársch!", wollte Noa ihm ins Gesicht brüllen, nur damit er es wusste und urplötzlich wünschte sie sich Aldridge zurück, nicht als Ersatz für Cris oder weil sie lieber Zeit mit ihm verbracht hätte, sondern weil er der Einzige war, der verstehen konnte was sie fühlte. Er war dabei gewesen, er hatte es selbst erlebt und als Jules sie ausgepeitscht hatte, hatte er ihn gezwungen zuzusehen. In Wirklichkeit, wurde Noa bewusst, wollte sie gar nicht darüber sprechen, mit niemandem. Aldridge war der einzige, der es wusste und er würde der einzige bleiben, doch das bedeutete nicht, dass sie niemanden ausser ihm brauchte. Sie brauchte Cris und seine Zuwendung. Sie brauchte Pablo, der keine Fragen stellte und sie trotzdem verstand und sie brauchte Leandro, der seine Knöchel knacken lassen und fragen würde: "Wen soll ich für dich vermöbeln, Schwesterchen?" Niemand von ihnen konnte irgendetwas ändern. Sie konnten es nicht besser oder ungeschehen machen, aber es würde Noa helfen zu wissen, dass sie nicht alleine war. Sie wollte nicht ignoriert werden.

"Dass du dich für deine Tochter schämen sollst habe ich nicht gesagt."

Stellte sie klar. Das hatte sie niemals so gemeint, weshalb sie auch nicht verstand, weshalb Cris es so betont hatte.

"Aber vielleicht wird sie sich eines Tages schämen. Woher sie kommt, was ihre Eltern getan haben, unter welchen Umständen sie sich kannten..."

Das führte doch nur wieder zu einem Missverständnis. Noa suchte nach den passenden Worten.

"Was ich meine ist... glaubst du nicht, wir wären alle gerne Wunschkinder? Lorraine wird ein Bild von ihrer Mutter haben, hier."

Noa legte eine Hand auf ihre Brust.

"Und ich weiss nicht, ob man das zerstören sollte, es sei denn, sie kennt die Wahrheit eh. Dann lautet die Frage, wie viel weiss sie über dich?"

Noa zuckte mit den Schultern. Was wusste sie schon von Kindern? Nicht, dass Cris viel mehr Ahnung hatte als sie. Sie war sich auch nicht sicher, ob er begriff, dass sie versuchte ihn zu schützen. Noa war bereit, für ihn zu lügen. Sie würde allen eine Geschichte erzählen, ihren Freunden und ihrer Familie und jedem der fragte, damit Cris sein Geheimnis wahren konnte und niemand erfahren musste, in welche tiefen Abgründe er geblickt hatte. Wieder musste sie an Al denken, der für sie gelogen hatte, und das obwohl sie sich eigentlich kaum kannten. Sie hatten eine Sache gemeinsam und die würde sie für immer verbinden.

"Wenn du deinen Flug erwischen musst, will ich dich nicht aufhalten."

Noa schaute auf das Chrono an der Wand. Sie wollte nicht, dass Cris schon ging, doch sie würde den Teufel tun und ihn bitten zu bleiben. Dafür war sie zu stolz. Es wäre ohnehin albern. Sie sahen sich in ein paar Tagen wieder, diese kurze Zeit würde sie auch ohne ihn überstehen.

"Ich weiss nicht, wann Cheetah mich abholen wird... aber ja, wir sehen uns dann auf Lianna."

Sie wandte ihm ihren Blick zu, studierte sein Gesicht. Das war der Mann, mit dem sie zusammen sein wollte. Noa beugte sich zu ihm, küsste ihn zärtlich, nur ein Hauch einer Berührung.

"Guten Flug, Lieutenant."

Flüsterte sie ihm zu. Vielleicht war es sogar besser, dass er nach nichts gefragt hatte.

- Naboo - Theed - Wohngebiet - Haus der Trineers - Wohnzimmer - mit Cris -
 
[Naboo, Theed, Haus der Trineers, Wohnzimmer]- Noa, Cris

Es dauerte nicht lange, bis Cris dämmerte dass er – wieder einmal – einen Fehler gemacht hatte. Die Art und Weise, in der Noa ihn überrascht darauf hinwies, dass er seinen Flug erst in ein paar Stunden antreten musste und betonte, dass sie keinerlei Zeit für sich brauchte, sagte ihm alles, was er wissen musste. Unglücklicherweise sagte es ihm auch, dass es wieder einmal zu spät war. Sie hatte nicht gewollt, dass er sich von ihr zurückzog, und er hatte es getan. Was genau sie jetzt deswegen über ihn dachte konnte er nicht wissen… nur das Schlimmste befürchten.

Für einen Moment schloss er seine Augen, als unvermittelt schon der nächste Schlag auf ihn einprasselte. Noa sprach über Lorraine – und darüber, dass sie es womöglich am Ende war, die sich für Cris schämte. Sein Mund klappte halb auf, doch eine schnelle Antwort starb noch auf seiner Zunge einen schnellen Tod. Denn Noa hatte Recht. Was sollte Lorraine beispielsweise anderen Kindern, etwa in der Schule, erzählen? Berichtete man sich dort nicht andauernd davon, was die eigenen Eltern beruflich machten…? „Hallo, ich bin Lorraine, und mein Vater tötet Menschen. Früher für das Imperium, mittlerweile für die Republik. Aber sonst ist er ein ganz netter Kerl.“

Und ihre Mutter? Was genau wusste sie über sie? Dass Lorraine sie vermisste war Cris klar, so sehr, wie sie an dem mittlerweile arg mitgenommenen Plüschtortapo hing, das ihre Mutter ihr geschenkt hatte. Doch wusste sie wirklich, was ihre Mutter gewesen war? Aller Wahrscheinlichkeit nach nicht. Und wenn sie es erfuhr… Aber er konnte doch nicht seine eigene Tochter anlügen! Wenn sie ihn fragte und alt genug war, nach seiner Vergangenheit, nach ihrer Mutter, nach all dem… dann musste er ihr die Wahrheit erzählen! Auch wenn es ungefähr so furchtbar werden würde, wie das Beichten dieser düsteren Kapitel seines Lebens vor Noa. Das alles gehörte zu ihm und auch wenn er es hinter sich gelassen hatte, prägte es ihn trotzdem noch bis heute.

Cris sah Noa an und blinzelte leicht. Da war noch etwas, fast nur ein Halbsatz, den sie gesagt hatte… „Glaubst du nicht, wir wären alle gerne Wunschkinder?“ Was bedeutete das? Hieß das, dass Noa kein… War das der Grund, aus dem sie ihn so vehement auf die Notwendigkeit hinwies, Lorraine lieber eine schöne Unwahrheit als die kalte Realität aufzutischen? Weil sie selber etwas hatte erfahren müssen, das sie im Nachhinein lieber vergessen würde? Nein… nein, das konnte nicht sein. Noa war glücklich mit ihrer Familie, er hatte es selbst gesehen. Ihre Familie war ihr ein und alles, zentrale Motivation ihres Lebens. Und Lorraine… er war sich im Klaren darüber, dass es damals, vor knapp 13 Jahren, bestimmt nicht sein Wunsch gewesen war, eine Tochter zu bekommen – er hatte keine eigenen Wünsche gehabt. Doch jetzt, da er von ihr wusste, wünschte er sie sich. Und er würde es ihr zeigen. Doch musste er ihr deswegen gleich die Wahrheit verschweigen? Was, wenn sie sie trotzdem herausfand? Die meisten Lügen rächten sich irgendwann, vollkommen unabhängig davon, wie nobel die Intentionen hinter ihnen sein mochten, auch wenn ihm klar war, dass eine solche Überzeugung etwas deplatziert wirkte an einem Agenten des Geheimdienstes.

All diese Gedanken änderten allerdings nichts an seiner derzeitigen Situation mit Noa. Als sie ihn sanft, ganz leicht küsste und ihm flüsternd einen guten Flug wünschte, fühlte er sich plötzlich unglaublich schuldig. Sie wusste nicht, wann Cheetah sie abholen würde, was bedeutete, dass er sie, wenn er jetzt aufbrach, wirklich alleine ließ – wenn man einmal von Aldridge Trineer absah, der sich anscheinend diskret zurückgezogen hatte. Er wollte sie nicht alleine lassen. Und hatte sie nicht gesagt, dass sie ebenfalls nicht alleine sein wollte?

Noa…“, versuchte er es, brach dann jedoch ab. Er hatte schon wieder zu viel gesagt, zu viel vorausgesetzt, auch wenn er vermutete, dass es hätte schlimmer sein können, wäre er tatsächlich einfach aufgestanden und gegangen – geflohen, besser gesagt, nicht in der Lage, sich unbequemen Dingen zu stellen.

„Du hältst mich nicht auf… es… es ist nur…“

Hilflos zuckte er mit den Achseln.

„Ich hatte geglaubt, dass du tot bist und jetzt sehen wir uns trotzdem wieder, nachdem Agathon dir weiß die Macht was angetan hat…“

Er hatte die Worte des Polizisten vollkommen verdrängt. Agathon hatte behauptet, dass er Noa getötet hatte, doch es war eine Lüge gewesen. Agathon hatte auch behauptet, dass er ihr unvorstellbare Schmerzen zugefügt hatte – was, wenn das keine Lüge gewesen war…? Er hatte sich nicht getraut, Noa danach zu fragen, hatte keine Erinnerungen wecken wollen… als ob so frische Erinnerungen erst geweckt werden mussten.

„Und ich… ich erzähle dir, dass meine Tochter die Tochter einer Prostituierten von Coruscant ist…“

Bedrückt starrte er zu Boden, bevor er wieder ihren Blick suchte.

„Ich liebe dich, Noa. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass ich dir andauernd wehtue, ohne es zu wollen. Und dafür schäme ich mich.“

Er versuchte es mit einem zaghaften Lächeln.

„Aber darum geht es nicht, oder? Ob ich mich schäme oder nicht. Es geht darum, was du willst.“

Schüchtern griff er nach ihrer Hand und drückte sie vorsichtig.

„Und wenn du sagst, dass du keine Zeit für dich brauchst, dann möchte ich so lange mit dir zusammen sein wie möglich.“

Es fühlte sich schön an, seinen Daumen auf ihrer Handfläche kreisen zu lassen. Warm, weich… so weich…

„Wir… wir könnten zusammen zum Raumhafen fahren. Schauen, ob erst mein Raumschiff abfliegt oder Cheetah dich mitnimmt…“

Nicht, dass er sich hier im Haus der Trineers nicht wohlfühlte, doch er vermutete, dass diese Familie derzeit ihre ganz eigenen Probleme hatte. Deanna lag im Krankenhaus – schwer verletzt, auch wenn er nicht wusste, ob nach wie vor lebensbedrohlich – und Aldridge hatte wie Noa die Entführung durch Jules Agathon zu verkraften.

„Was meinst du?“, fragte er leise.

[Naboo, Theed, Haus der Trineers, Wohnzimmer]- Noa, Cris
 
- Naboo - Theed - Wohngebiet - Haus der Trineers - Wohnzimmer - mit Cris -

Noa schwieg, als Cris sich bei ihr entschuldigte. Was er sagte, stimmte. Er hatte seine eigenen Probleme und Enthüllungen auf sie los gelassen, ohne zu berücksichtigen, dass sie ganz akut viel Schlimmeres erlebt haben mochte als ungeschützten Sex der in einer Schwangerschaft resultiert war. Es musste ein Nebeneffekt ihrer harten Schale sein, dachte sie grimmig. Wer nach aussen hin immer stark und unzerstörbar tat, konnte nicht erwarten, nach dem eigenen Befinden gefragt zu werden. Immerhin, ganz vergessen hatte Cris es nicht, das bewies er, als er Jules' Namen erwähnte. Jules... hoffentlich schmorte er in der Hölle.

"Cheetah wird mich direkt hier abholen, denke ich, und dann fahren wir zusammen zum Raumhafen. So habe ich sie jedenfalls verstanden."

Antwortete Noa schließlich. Sie ließ Cris leicht ihre Handwurzel massieren. Es fühlte sich gut an, beruhigend. Er schien zu denken, dass er ihr immer wieder weh tat, und gestand sogar, dass er sich dafür schämte, aber war es nicht Noa gewesen, die noch vor ein paar Tagen mit ihm Schluss gemacht hatte, weil sie selbst sich wichtiger gewesen war als alles andere? Eine weisse Weste trug sie auch nicht.

"Ich möchte einfach hier bleiben."

Formulierte Noa ihren Wunsch.

"Etwas essen und sonst nichts tun."

Obwohl sie erst vor ein paar Momenten auf die Uhr geschaut hatte, tat sie es wieder. Der Tag ging auf den Mittag zu und sie spürte es in ihren Knochen, wie eine alte Frau oder jemand, der empfindlich auf das Wetter reagierte. Nein, der Druck in ihrem Brustkorb und das Ziehen in ihrem Rücken hatte andere Gründe.

"Du bleibst also noch?"

Versicherte sie sich. Ihre Finger hatten sich um Cris' Hand geschlungen.

"Danke."

Als sie ihn los ließ um aufzustehen und zur Toilette zu gehen, tat sie das nur ungern. Es war schon komisch mit ihnen beiden. Wenn sie zusammen waren, gingen so oft Dinge schief. Cris hatte ein Talent dafür, Noa ärgerlich zu machen, obwohl sie sich auf der anderen Seite so gut mit ihm fühlte, und auf Missverständnisse schienen sie ein Abo gebucht zu haben. Sie hatten wohl beide noch viel zu lernen. Aus dem Medi-Kit, das man im Krankenhaus für sie zusammengestellt hatte, nahm Noa eine Schmerztablette und schluckte sie mit Wasser aus dem Zahnputzbecher. Auf dem Weg nach unten klopfte sie an Aldridges Tür, doch niemand antwortete. Erst in der Küche fand sie dann seine Nachricht. Er hatte sich heimlich aus dem Staub gemacht.

"Ich hab' uns was zu essen mitgebracht."

Im Kühlschrank waren noch Reste von dem Hauptgang der vergangenen Nacht gewesen.

"Al hat das gekocht. Möchtest du probieren? Ist echt lecker."

Sie hatte alles vor Cris auf den Couchtisch gestellt. Nein, reden wollte sie über das, was passiert war, wirklich nicht. Es war sowieso in ihrem Kopf und ihre Gedanken waren ständig in Versuchung, mit sich selbst zu debattieren. Hätte sie mit Jules verhandeln sollen? Hätte sie irgendetwas tun können um Deanna zu retten? Und wenn sie kooperativer gewesen wäre, hätte er dann davon abgesehen sie zu schlagen? Noa nahm sich etwas zu essen, nur ein bisschen, um den Hunger zu stillen. Sie hoffte, dass Al jetzt bei seiner Mutter war, dass er Trost fand bei jemandem. Sie selbst hatte das Bedürfnis, sich einfach an Cris zu lehnen, die Augen zu schließen und sich in den Arm nehmen zu lassen, und nach einem kurzen Moment des Zögerns tat sie das auch. Nichts tun, nichts reden, nirgendwo hin gehen. Einfach nur sein und atmen, ganz bewusst, so lange es ging.

- Naboo - Theed - Wohngebiet - Haus der Trineers - Wohnzimmer - mit Cris -
 
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