[...] Überraschenderweise zieht Williams es vor, keine Drehbücher zu lesen, bevor er nicht seine ersten Ideen zu Papier gebracht hat. "Ich habe es immer vorgezogen, direkt zum Filmmaterial zu schreiben", sagt er. Ein bißchen wie ein Set-Designer schreibt er seine Musik zur Stimmung der Handlung und der Umgebung, sowie dem Gefühl, das eine bestimmte Szene einzufangen versucht. Der Prozess beginnt mit einer Sitzung, in der zusammen mit dem Regisseur bestimmt wird, welche Szenen musikalisch unterlegt werden sollen und welche nicht. Seit vier Jahrzehnten unterhält Williams eine (mindestens) ertragreiche Beziehung mit Regisseur Steven Spielberg und - für die meisten der vorherigen
Star Wars-Filme - mit George Lucas als Regisseur und/oder Drehbuchautor. Bei
The Force Awakens sitzt
Star Wars-Newcomer J.J. Abrams im Regiestuhl.
"J.J. Abrams macht richtig Freude", sagt Williams, der damit seine Begeisterung über seine Arbeitsbeziehung zu ihm zum Ausdruck bringt. "Er ist eine sehr angenehme, warme Person. Wir hatten einige vorhergehende Treffen und ich habe ihm Themen auf dem Piano vorgespielt, auf die er sehr positiv reagiert hat. Im Großen und Ganzen hat er mir freie Hand gelassen, gedanklich sind wir bei der Herangehensweise an den Soundtrack aber nah zusammen."
Sobald Abrams die Musik erhält, wird der Film entsprechend bearbeitet. "Keiner von uns wird die finale Version mit den Spezialeffekten in absehbarer Zeit sehen", fährt Williams fort. "Jede Änderung an der Musik, die nötig werden sollte, wird dann viel später im Schnittprozess gemacht, was auch Neuaufnahmen beinhalten kann." Jede Aufnahme benötigt tausend kleine Anpassungen. "Das ist eine über zwei Stunden lange Reise voller komplexer Details die alle ineinandergreifen, wovon die Musik nur eines ist", fügt er hinzu. Tempo, Dynamik, instrumentale Effekte - alles muss mit den Geschehnissen auf der Leinwand verheiratet sein. Sobald der beabsichtigte Effekt erzielt wurde, sollten all die vielen Stunden Arbeit unbemerkt bleiben, meint Williams.
"Das endgültige Produkt, der fertige Film, sollte sich wie alles, was wir tun, nahtlos und natürlich anfühlen. Zeit ist dabei nur eine der benötigten Zutaten bei diesem Prozess."
[...] Williams sagt, er wird im neuen Film weiterhin Leitmotive einsetzen. "Auch wenn der Großteil der Musik neu sein wird, gibt es auch ein paar nötige Anspielungen auf frühere Handlungsstränge, die dabei helfen, die Zusammengehörigkeit zu den früheren Filmen zu stärken", erklärt er. "An gewissen Stellen wird die Musik also zu den früheren Filmen zurückblicken. Es gibt aber auch neue Themen, die auf ähnliche Weise angewendet werden."
[...] Ein lebender, atmender Soundtrack benötigt talentierte Musiker, die ihn zum Leben erwecken. Nach sechs Filmen, deren Soundtracks in England mit dem London Symphony Orchestra aufgenommen wurden, ist
The Force Awakens der erste
Star Wars-Soundtrack, der in den USA mit Musikern der AFM Local 47 aufgenommen wird. "Bei diesem neuen Film hat sich der Zeitplan so entwickelt, dass ich mit dem Orchester mehrere Monate lang zusammenarbeiten muss und das ist eindeutig einfacher für mich hier in Los Angeles zu tun, als in London."
[...] Williams empfindet es als Ehre, mit dem freiberuflichen Orchester in Los Angeles zusammenzuarbeiten, einem Ensemble, das er sehr gut kennt. "Diese Gruppe besteht aus einem Pool an Freiberuflern aus Südkalifornien. Mit ihnen arbeite ich schon seit Jahrzehnten an einer Vielzahl an Filmen und mit den meisten bin ich befreundet. Sie kommen laufend zusammen um dieses fabelhafte Orchester zu bilden und ich freue mich immer und bin jedes mal sehr stolz, wenn ich mit ihnen für diese Projekte wieder vereint bin."
Wer jetzt spontan Lust auf Musik von John Williams bekommen hat, dem sei die
arte-Mediathek ans Herz gelegt. Dort gibt es noch bis zum 22. August die "John Williams Gala aus der Walt Disney Concert Hall" zu sehen. Nächster Ausstrahlungstermin im TV ist übrigens der 21 Juni um 22:35 Uhr.
Viel Spaß dabei!