Es ist schon irgendwie putzig, wie man immer noch verzweifelt versucht, die Niederlage des unfehlbaren, unbestechlichen, so unglaublich charismatischen Erlösers Bernie Sanders durch den Narrativ einer Verschwörung des bösen demokratischen Etablishments zu erklären. Schätze, es liegt in der Natur des Menschen, dass man jede Messias-Geschichte auch den Verräter braucht, um zu funktionieren. Fakt ist, Sanders war zum Zeitpunkt der Vorwahl nicht einmal Mitglied der Demokratischen Partei und seine Unterstützung kam durch vollmundige Versprechen ("Free College!") und eine gut organisierte Social Media-Kampagne zustande, die seine Chancen auf den Sieg viel größer wirken ließ, als sie tatsächlich waren. Sanders konnte weder eine langjährige Mitgliedschaft in der Partei noch irgendwelche beeindruckenden Leistungen vorweisen, und dass er bei jungen, weißen College-Studenten aus der Mittelschicht recht gut ankam, qualifizierte ihn noch lange nicht für das Amt. Am Besten sieht man meiner Meinung nach immer noch, dass Sanders nicht viel kann außer gut klingender Rhetorik und der Inszenierung als Erlöser und Opfer, am Beispiel seiner Aussage, Dänemark sei ein sozialistisches Land - ein Satz, bei dem jeder mit einem Funken Ahnung der dortigen Verhältnisse nur lauthals lachen kann.
Schauen wir uns nach mal die Behauptungen von Brazile in ihrem Buch genauer an.
1. Die Behauptung, in dem 2015 Joint Fundraising Agreement (JFA) würde Hillary Clinton die Kontrolle über die Finanzen, Strategie und über alle Spenden eingeräumt, ist erwiesenermaßen falsch. Ebenso ist falsch, das Clinton das Veto bei Personalbesetzungen eingeräumt wurde. Das kann man übrigens im Original nachlesen, Wikileaks und Russland waren so "freundlich", das Dokument offen zu legen.
https://t.co/rhvHgdzjpV (Word-Dokument, Download über Wikileaks)
Das JFA wurde auch von Bernie Sanders unterzeichnet, falls es dort also eine Benachteiligung gegeben hätte, wäre diese ihm sicher aufgefallen. Über dieses Abkommen wurde von Politico damals übrigens auch berichtet, ohne dass irgendeine Manipulation erwähnt wurde. Es ist also keine neue Nachricht.
2. Die Behauptung, der Vorsitz der DNC hätte sich finanziell von Clinton abhängig gemacht und sie im Gegenzug unterstützt, ist falsch. Der DNC war (und ist) von starken Finanzproblemen belastet und wird von Brazile als zu diesem Zeitpunkt zerstritten, bankrott und unfähig geschildert, soll aber gleichzeitig so mächtig gewesen sein, dass er Clinton zum Sieg verhelfen konnte, das passt doch nicht zusammen.
Tatsache ist, dass der DNC ein besseres Verhältnis zu Clinton als zu Sanders hatte, was aber nicht an irgendeiner ominösen Verschwörung lag, sondern schlicht daran, dass Clinton ein langjähriges und geschätztes Mitglied der Demokraten ist und sich immer zur Rolle des DNC bekannt hat. Es gab also entsprechend eine größere Sympathie in ihre Richtung, aber das ist weder illegal noch anrüchig. Was man dem DNC und der zurückgetretenen Debbie Wassermann-Schulz vorwerfen kann, ist also die "schockierende" Tat, dass sie für einen Kanditaten größere Sympathien hatten als für den anderen und das in Teilen ihrem Umgang mit ihnen beeinflusst hat. Irgendeine systematische Manipulation auf direkte Anweisung von Hillary Clinton lässt sich in keinster Weise beweisen, lediglich ein ruppiger Umgang mit einem parteiinternen Konkurrenten, der mit seinen Vorstellungen in Konflikt mit dem gerät, was der Großteil der Demokratischen Partei für richtig hält, und ein heftiger Wahlkampf.
Interessant ist, dass Brazile ihr Buch ja sehr aggressiv promotet und dabei auch nicht davor zurückschreckt, bei einem Host aufzutreten, der Verschwörungstheorien über den Tod von Seth Rich verbreitet. Steigert ihre Glaubwürdigkeit ja enorm.
Quellen:
https://www.thestranger.com/slog/20...-bernie-by-signing-that-fundraising-agreement
http://thehill.com/opinion/campaign...a-democrat-so-he-should-stop-tearing-us-apart