Natürlich meinte ich die Meldungen über Verluste des Gegner.
Auch Meldungen über eigene Verluste sind teils nicht sehr akkurat, von daher würde ich sagen, dass beide Sätze richtig waren. Hinter objektiv falschen Meldungen muss nicht mal zwingend eine Täuschungsabsicht stecken. In unübersichtlichen Extremsituationen wie Kampfhandlungen neigen Menschen per se dazu, von der größeren Gefahr auszugehen und zu übertreiben. "Gefühlt" hatten es zum Beispiel die Soldaten der Alliierten mit mehr Tiger-Kampfpanzern zu tun, als das Großdeutsche Reich je produziert hat (umgekehrt meldeten deutsche Truppen z. B. weitaus stärkere sowjetische Verbände, als je aufgestellt wurden). Gerade bei beweglicher Kriegsführung bleibt wenig Zeit und Raum, eigene und feindliche Verluste zu dokumentieren - oder ein als zerstört abgeschriebener Panzer kann doch noch geborgen werden oder ein geborgenes Fahrzeug geht auf dem Rückweg doch noch verloren. Dank der technologischen Entwicklung (siehe Aztlans Beitrag) kann man mittlerweile ein etwas genaueres Bild bekommen, aber schlussendlich verdecken der Nebel des Krieges und politische Erwägungen bei solchen Angaben immer noch viel.
Zur Einordnung: "In dieser Liste sind nur die zerstörten Fahrzeuge und Ausrüstungen aufgeführt, für die Foto- oder Videobeweise vorliegen. Daher ist die Menge der zerstörten Ausrüstung wesentlich höher als hier angegeben", teilen die Betreiber von
Oryx mit, die seit Kriegsbeginn Bild- und Videomaterial auswerten und anhand dessen russische und ukrainische Verluste dokumentieren. Sie geben ca. 4.000 zerstörte russische Kampfpanzer an.
Bei den Zahlen, die die Ukraine im Bezug auf russische Verluste meldet, muss man im Hinterkopf behalten, dass diese a) von den oben genannten Faktoren beeinflusst sind und b) die Definitionen wichtig sind. So meint die Ukraine mit "eliminiert" nicht zwingend zerstört oder getötet, sondern "auf absehbare Zeit kampf- und einsatzunfähig". Beispielweise werden russische Panzer, von denen die Ukraine ausgeht, dass sie nicht in absehbarer Zeit oder nur unter großem Aufwand repariert werden können, als eliminiert gemeldet. Das gilt auch für Verwundete, von denen die Ukraine ausgeht, dass sie nicht oder erst nach einem sehr langen Zeitraum wieder in den aktiven Dienst zurückkehren werden.
Die russischen Verluste dürften doch längst höher sein als die sowjetischen in Afghanistan damals.
Ist in jedem Fall korrekt. Die
höchsten Schätzungen für die sowjetischen Verluste in Afghanistan gehen von 25.000 Toten und 60.00 Verwundeten aus. Aufgrund der schlechten hygienischen Bedingungen und des katastrophalen Sanitätswesens der sowjetischen Streitkräfte gingen (ungewöhnlich für einen modernen Krieg seit 1960) die meisten Ausfälle tatsächlich auf Krankheiten zurück. Etwa 400.000 sowjetische Soldaten erkrankten schwer, davon ca. die Hälfte an Typhus respektive Hepatitis.
In Afghanistan (einem Land ohne nennenswerte industrielle Basis) tobte von 1979 bis 1989 ein klassischer Guerillakrieg mit (vergleichsweise) niedriger Intensität zwischen irregulären Aufständischen, einem lokalen Regime und dessen ausländischer Schutzmacht. Der Krieg zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation ist ein Eroberungskrieg zwischen zwei modernen Industrienationen mit 45 bzw. 145 Millionen Einwohnern. Das sind in jeder Hinsicht (auch und gerade bei den eingesetzten Waffensystemen und dem Munitionsverbrauch) ganz andere Maßstäbe.
Ich bin generell sehr skeptisch gegenüber den Meldungen über die russischen Verluste. Ich höre gefühlt sein April 2022 das der russischen Armee die Munition ausgeht.
Die ballern trotzdem munter weiter.
Nicht ausgehen im Sinne von "schon bald haben sie gar keine Artilleriegeschosse mehr", sondern "der Verbrauch ist so hoch, dass die Gesamtvorräte stetig abnehmen und punktuell der Beschuss reduziert werden muss, um Munition zu sparen". Mit den enormen sowjetischen Vorräten im Rücken und einer gesteigerten Munitionsproduktion kann man so etwas eine ganze Weile durchhalten, faktisch nimmt der Gesamtvorrat aber immer weiter ab.
Das gilt auch für Kampfpanzer: Sagen wir, Land A verfügt auf dem Papier über 1.000 aktive Panzer und 1.000 eingelagerte, also 2.000 insgesamt. Bei Kampfhandlungen verliert Land A jeden Monat 50 Kampfpanzer. Durch Neuproduktion und Wiederherstellung können pro Monat aber nur 10 Kampfpanzer der Truppe wieder zugeführt werden - dann nimmt die Gesamtzahl verfügbarer Panzer stetig ab, kann punktuell knapp werden und irgendwann gehen tatsächlich die Panzer aus.
Dabei sind Faktoren wie die Qualität des Panzer und der Besatzung noch nicht eingepreist. Man sieht ja, dass die Russische Föderation in hohem Maße auf immer ältere Modelle zurückgreifen muss. Diese sind aufgrund ihrer Bauweise nicht so leistungsfähig, teilweise waren sie der Witterung ausgesetzt, kurzum, ihre Qualität sinkt und der Aufwand zur Wiederherstellung steigt. Das kann eine ganze Weile durchgehalten werden, ist aber zwangsläufig mit einem Verlust an Schlagkraft verbunden.
Die Unterstützung der Russischen Föderation durch Nordkorea, Iran und VR China ist ein Fakt (wird bezeichnenderweise von den ganzen "Friedensbewegten", die seit 2022 wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, aber weder erwähnt noch kritisiert). Sie hilft der RF, weiter durchzuhalten, aber unter einem Verlust an internationalem Prestige und der Inkaufnahme einer massiven Abhängigkeit von der VR China. Stört Putin nicht, ebenso wenig wie toten Untertanen auf dem Schlachtfeld. Aber militärische Niederlagen, die so groß ausfallen, dass selbst der Kreml sie nicht leugnen kann, können das Blatt wenden.
Ist eh Frage was jetzt langfristig besser wäre. Noch zwei Jahre Krieg mit minimalen Gewinnen auf beiden Seiten, oder wenn man es am Ende nicht doch einfach als Ukraine mal gut sein lässt. Wobei eine Sache auch klar sein dürfte: Gibt die Ukraine jetzt auf holt sich Russland vielleicht später, wenn man sich erholt und modernisiert hat, den Rest.
Weder das eine noch das andere. Die Russische Föderation hat ihre "Verhandlungsposition" klar gemacht: Die Ukraine darf weder EU noch NATO beitreten. Sie muss die "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk und den Verlust der Krim akzeptieren. Und sie soll ihre Streitkräfte auf maximal 300.000 Soldaten reduzieren. Kurzum, sie wäre außenpolitisch isoliert, territorial entblößt und militärisch schwach. Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis eine wieder aufgerüstete RF die Rest-Ukraine überrennt und Butscha sich im großen Stil wiederholt. Über die Ukraine hinaus wäre das eine Einladung an die VR China, mit Taiwan ähnlich zu verfahren, und für jeden weiteren Autokraten weltweit. Russische Truppen stünden dann an der polnischen Grenze und hätten neue Optionen im Bezug auf das Baltikum - und sechs Millionen Ukrainer werden wohl kaum in ihre Heimat zurückkehren können oder wollen.
Den Konflikt "weiterköcheln" lassen ist ebenfalls keine gute Option. Stattdessen sollte man im Westen die eigenen militärischen Fähigkeiten deutlich ausbauen und die Unterstützung für die Ukraine - humanitär, wirtschaftlich, politisch, militärisch - so weit hochfahren, dass sich das Blatt auf dem Schlachtfeld so deutlich wendet, dass die russischen Truppen sich mindestens aus der Ostukraine zurückziehen müssen. Dann sieht die diplomatische Lage anders aus. Bis jetzt hat man erstaunlich wenig in die Hand genommen: Die USA haben seit 2022 militärische Güter im Wert von 60 Milliarden US-Dollar bereitgestellt. Mir kann niemand erzählen, dass das auch nur ansatzweise das Maximum dessen ist, was möglich ist.