Ich werde nicht bestreiten, dass das "Nation-building" im Irak in die Hose gegangen ist. Das wurde auch von offizieller US-amerikanischer Seite im Nachhinein so eingestanden. Nichtsdestotrotz gab es eben sehr wohl Pläne, wie der Irak aufgebaut werden sollte, sobald Saddam Hussein und sein Regime gestürzt waren; einer dieser Pläne (veröffentlicht im Jahr 2002) sah beispielsweise vor, den Irak für einen unbestimmten Zeitraum durch eine US-Militäradministration, ähnlich wie nach dem 2.Weltkrieg in Deutschland und Japan, verwalten zu lassen, während der Staat wiederaufgebaut würde. Das sich alle Bestrebungen dahingehend in Wohlgefallen aufgelöst haben, kann man auch nur zu einem Teil der Koalition anlasten - es liegt einfach in der Natur der Dinge, dass die Stämme, Ethnien und allen voran die beiden großen muslimischen Lager in Arabien und dem gesamten Nahen Osten schlichtweg nach dem "The winner takes it all"-Prinzip verfahren.
Richtig. Man hat hier zumächst den Denkfehler gemacht zu Glauben was in Deutschland und Japan geklappt hat wird auch im Irak klappen.
Zunächst eine Besatzungsadministration und dann eine Regierung aus treuen Lakaien und gut ist.
Aber wie Du Zurecht erwähnst ist der Irak im Gegensatz zu Deutschland und Japan nie ein in sich geschlossenes Gesellschaftssystem gewesen.
Das hätte man zwingend berücksichtigen müssen. Dies hat man versäumt.
Auch war es ein Fehler die Baathpartei radikal und sofort zu verbieten.Auch wenn es ein sozialistischer Drecksladen war so hätten die Strukturen der Partei geholfen Stabilität zu gewährleisten.
Gleichzeitig bin ich mir sicher, dass eben genau dasselbe, vielleicht sogar in viel schlimmerer Form, geschehen wäre, hätte man Hussein nicht entmachtet. Spätestens nach seinem Tod wäre ein Vakuum entstanden, dass wohl nicht hätte gefüllt werden können.
Da bin ich nicht so sicher. Die Geschichte hat gezeigt das sozialistische Regime sich nach dem Tode des Machthabers recht stabil gehalten haben. es gab da zwar immer ein Hauen und Stechen doch meist hat sich ein stabiler Nachfolger durchgesetzt.
Aber vor allem: die schiitische Mehrheit hätte die Gelegenheit ausgenutzt, ebenso wie die Kurden im Norden des Landes.
Und genau das war der Grund warum Bush sen. nach dem zweiten Golfkrieg Hussein an der Macht beliess und auch noch zusah wie der von westlicher Seite Aufstand der Kurden im Norden und der schiitische Aufstand im Sünden von Husseins Truppen brutal niedergeschlagen wurde.
Hussein hielt den Irak stabil und ein Anschluss des Schiitischen Südens an den Iran und ein eigener Kurdestaat im Norden war weder von der Türkei,noch von Suadi-Arabien oder Israel gewünscht.
Wir hätten einen kurdischen Staat im Norden gesehen was die Türkei seinerzeit niemals geduldet hätte. Und im Süden wären die Grenzen des Irans um 500 Kilometer an Israel und Saud-Arabien rangerückt. Und in der Mitte hätten wir einen nicht lebensfähigen Restirak gehabt.
So dumm Bush sen. auch gewesen sein mag,dies hat er richtig gesehen.Hussein hat im Irak für Ruhe und Stabilität gesorgt und damit in der ganzen Region. Ja es war eine Friedhofsruhe.Aber es war Ruhe.
Und seien wir doch ehrlich.Hussein war ein Despot,Lump und Massenmörder. Aber solange er nach der Pfeiffe des Westens tanzte war er mehr als nur geduldet. Und hätte er nicht in einem Anfall von Größenwahn Kuwait überfallen und damit die Wirtschaftsinteressen des Westens und des Ostens bedroht hätte er ein Despot,Lump und Mörder bleiben können. Und zwar mit Segen des Westens.
Und ja,natürlich hast Du Recht zu sagen das der Westen nicht für alles Übel auf der Welt und in dieser Region verantwortlich ist.
Aber trotzdem dürfen wie die von mir erwähnten Tatsachen nicht übersehen. Solange er nützlich war hat man ihn gewähren lassen und auch unterstützt. Zu den Giftgaseinsätzen gegen Kurden und Perser gab es sehr wenig Kritik aus dem Westen. Das müssen wir zwingend in die Beurteilung der Geschehnisse einbeziehen.
Ich leugne nichts, nur ist das bloß die eine Seite der Medaille.
Sorry wenn ich mich blöd ausgedrückt haben sollte.
Mit dem Leugnen meinte ich nicht Dich als Person sondern die Tatsache das man nichts leugnen sollte als Ganzes.
Ich bitte Dich um Endschuldigung wenn das falsch rüberkam.
Wenn man den USA, neben einer völkerrechtswidrigen Invasion, etwas anlasten kann, dann nur, dass sie den Zerfall des Iraks beschleunigt haben. Mittelfristig wäre der Irak definitiv zusammengebrochen - so wie es gerade in Syrien geschieht.
Wie gesagt ich persönlich wäre mit diesem Urteil vorsichtig.
Wir wissen nicht was nach Saddam gekommen wäre ohne die Invasion.
Und was Syrien angeht so wage ich noch keine Prognose über den Ausgang des Krieges und die Nachkriegsordnung.
Ich halte es zumindest für möglich das Assad sich durchsetzt.
Und auch an den Kriegen in Afghanistan waren und sind islamische Staaten unmittelbar beteiligt. Dreh- und Angelpunkt der Unterstützung der Mudschaheddin ab 1979 war Pakistan, die Hälfte des Geldes, dass in dieser Zeit geflossen ist, kam aus Saudi-Arabien. Dem Westen wird immer schnell zum Vorwurf gemacht, seine Interessen zu verfolgen oder verfolgt zu haben, aber alle anderen Beteiligten sind schnell vergessen oder werden ignoriert.
Der Punkt geht klar an Dich.
Es wird leider sehr oft "übersehen" das an den Kriegen in Afghanistan und auch am zweiten Golfkrieg viele islamische/arabische Staaten beteiligt waren. Und zwar auf der Seite des Westens.
Nur ist es so, dass die Schuld für das Erstarken Boko Harams allein bei der korrupten nigerianischen Regierung zu suchen ist, welche den erwirtschafteten Öl-Reichtum lieber in den christlichen Süden, als in den muslimischen Norden investiert..
Es gibt durchaus auch ernstzunehmende Fachleute die ohnehin der Meinung sind das die Boko Haram weniger eine islamistische Orga ist sondern eher eine ganz normale Verbrecherband die sich nur einen islamistischen Anstrich gibt.
Daran sieht man auch, dass die Probleme in Afrika, ebenso wie im Nahen Osten, viel tiefer liegen, als bloß in der vergangenen Ausbeutung der Kolonialmächte. Das Kastensystem in Ruanda und Burundi gab es schon, bevor Belgier und Deutsche ihren Platz an der Sonne gesucht haben. 1994 gipfelte die Teilung der Bevölkerung entlang dieses Kastensystems in einem der schlimmsten Völkermorde der jüngeren Geschichte. Man kann es sich also einfach machen und die Schuld immer dem Westen zu schieben, aber die Situation ist nicht einfach - sonst würde sie sich auch einfach lösen lassen.
Mit der Beurteilung der Gründe für den Völkermord in Ruhanda hast Du zweifeslfrei recht. Die liegen tiefer als dies lapidar mit der Kolonialzeit abzutun.
Und hier hat nicht nur der Westen versagt.Hier hat die ganze sogenannte Weltgemeinschaft versagt.
Das war weder die Hauptschuld noch gar die Alleinschuld des Westens.
Und das sage ich als der größte Gegner des Westens in diesem Forum
Du meinst wie die Taliban in Afghanistan?
Einen offenen Krieg könnte man leicht gewinnen das stimmt, aber asymmetrische Kriege eher nicht. Wichtiger ist es, dass die jeweiligen Regierungen den Radikalen durch gute Politik den Nährboden entziehen. Leider sind die Regierungen in Afghanistan und Nigeria korrupt...
Nein,ich meinte speziell den Krieg gegen den IS.
Dort herrscht keine vollkommen andere geostratetische Lage wie in Afghanistan.