Das wollte ich auch nicht sagen, ist wohl falsch rüber gekommen. Jedihammer fragte, ob Grass Gedicht antisemitisch sei, was m.E nicht der Fall ist. Es ist antiisraelisch, ja. Aber, nicht jeder Jude ist Israeli, oder?
Stimmt, aber der Knackpunkt ist auch ein Stück weit der Umgang mit der umgekehrten Argumentation, habe ich das Gefühl. Zumindest was Diskussionen über Israel betrifft. Nicht jeder Israeli ist ein Jude. Wie Kritiker damit umgehen, verrät viel über ihre eigentlichen Meinungen.
Die glasklaren Antisemiten, die mir bisher begegnet sind, sagten oft, sie wären israelkritisch. Wie antisemitisch sie waren, kam teilweise erst nach mehrtägiger Diskussion heraus. Sie unterschlugen beispielsweise bewusst alle israelischen Minderheiten (Muslime, Drusen, Christen, Bahai...) und Argumente die mit diesen zusammenhängen und für Israel sprechen. Wer das tut, der kritisiert eben nicht den Staat in seiner Gesamtheit, sondern beschränkt sich auf seine jüdischen Teile. Das hat dann für mich nichts mehr mit sachlicher Kritik zu tun, sondern mit Vorurteilen.
Für das Image nennen sich diese Leute aber auch israelkritisch. Würde ja niemand freiwillig zugeben, etwas gegen Juden zu haben.
Das sind eben zwei Seiten einer Medallie. Nicht jeder Israel-Kritiker ist ein Antisemit aber viele Antisemiten nennen sich Israel-Kritiker.
Grass Text ist in meinen Augen mehr als israelkritisch, weil er die sachliche Argumentation hinter sich lässt. Ob das in einem Antisemitismus oder schlicht Dummheit begründet liegt, kann ich nicht beurteilen, weil ich den Herren nicht genug kenne.
Aha, also muss ein unpopuläres Kunstwerk durch die Meinungsaussge des Künstlers ersetzt werden.
Du bist irgendwo falsch abgebogen.
Das sage ich gar nicht. Ein Kunstwerk kann durchaus eine politische Botschaft enthalten, aber: Die Aussage eines Künstlers ist für mich nicht dasselbe wie die Aussage seines Werkes. Seine politischen Ansichten als "Gedicht" zu veröffentlichen, finde ich in der Art, wie es hier geschehen ist, aber äußerst platt.
Wenn ich einen Kommentar zu XY abgeben möchte, dann tue ich das. Ich male kein Bild, ich komponiere kein Lied, ich schreibe kein "Gedicht", ich schreibe meine Meinung.
Ähm, das ist doch gerad sein Job. Genauso wie der von Böll, Brecht, Dürrenmatt, Enzensberger uvm. Willst doch nicht die Hälfte des Deutschunterrichts der Oberstufe kippen? Was sollen die Germanisten sonst tun?
Ich dachte immer der Job eines Autors, sei das Verfassen von Literatur. Die weitverbreitete Ansicht, dass ein Autor unbedingt eine moralische Instanz zu sein hat, muss ja nicht der Wahrheit letzter Schluss sein. Und wenn er selbst eine moralische Instanz sein will, dann ist es mir trotzdem einfach zu billig solch eine Äußerung als "Gedicht", also als Literatur zu verkaufen.
Wenn das unser Maßstab für Literatur ist, dann kann ich auch "Mehr Netto vom Brutto" als Kurzlyrik vermarkten.
Die Hälfte des Deutschunterrichtes in der Oberstufe würde ich in der Tat kippen, auch wenn ich dort von Grass verschont wurde.
Man kann sich sehr gewinnbringend mit Literatur beschäftigen, ohne dass man ständig die elende Frage stellen muss: "Was wollte der Autor damit sagen?"