Aber wenn du schreibst, dass Atomwaffen einen dritten Weltkrieg verhindert haben - kannst du das genauer ausführen? Meinst du allein in Bezug auf Abschreckung?
Ich kann mal versuchen, die gängige Sichtweise zum Thema Atomwaffen und Verhinderung des Dritten Weltkriegs zusammenzufassen.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs spitzten sich die bereits zuvor bestehenden Spannungen zwischen Ost- und Westblock erheblich zu, wofür exemplarisch die Teilung Deutschlands steht. Zunächst verfügten zu diesem Zeitpunkt nur die USA über einsatzfähige Atomwaffen (über deren Anzahl man die Sowjetunion zu täuschen versuchte, da es viel weniger waren als allgemein angenommen). Angesichts der Tatsache, dass Westeuropa (besonders Frankreich und das Vereinigte Königreich) durch die Folgen des Krieges enorm geschwächt waren, schien es nicht unwahrscheinlich, dass die Sowjetunion versuchen würde, den Sozialismus gewaltsam über Osteuropa hinaus zu verbreiten. Militärisch war die Sowjetunion zu diesem Zeitpunkt (ca. 1949) besonders dank ihrer massiven Panzerverbände überlegen und die USA hatten bereits erhebliche Truppenverbände aus Westeuropa abgezogen. Ohne die amerikanischen Atomwaffen wäre es gut möglich gewesen, dass Stalin versucht hätte, einzelne Staaten oder ganz Westeuropa an die Sowjetunion anzugliedern, es wäre ein verheerender Konflikt mit konventionellen Waffen ausgetragen worden.
Nachdem die Sowjetunion dank Spionage ihr Atomwaffenprogramm aufbauen konnte, etablierte sich das sogenannte Gleichgewicht des Schreckens. Beide Seiten wussten, dass ein konventioneller oder nuklearer Angriff auf ihr "Kerngebiet" Vergeltung nach sich ziehen würde, die den vollständigen Untergang zur Folge hätte. Somit fand keine
direkte Auseinandersetzung zwischen Ost und West statt, also kein Aufeinandertreffen von NATO und Warschauer Pakt in Europa. Im Rahmen der Kubakrise zeigte sich jedoch, wie brüchig besonders in der Frühphase des Kalten Krieges diese Abschreckung war, es war Fidel Castro, der versuchte, die sowjetische Führung für den Fall einer Invasion Kubas dazu zu bringen, Atomwaffen gegen die USA einzusetzen. Nach der Kuba-Krise etablierten sich für die Supermächte Wege zur direkten Kommunikation (das berühmte "rote Telefon") und man achtete streng darauf, die Kontrolle über die eigenen Atomwaffen nicht an Dritte zu abzugeben, was die Abschreckung berechenbarer machte.
Wie Steven Crant schon richtig angemerkt hat, funktionierte die Abschreckung, weil die Akteure trotz aller Ideologie rational dachten und wussten, dass ein Atomkrieg ihre Nationen vernichten würde. Der Rüstungswettlauf sorgte dafür, dass beide Seiten stets ungefähr auf Augenhöhe blieben und dieses Modell funktionierte. Teilweise wird auch darauf verwiesen, dass die Kriege zwischen Pakistan und Indien (beides Atommächte) nicht weiter eskaliert sind, weil beide Seiten wissen, dass es im Fall des "zu weit gehens" einen nuklearen Konflikt geben würde, weshalb auch die internationale Gemeinschaft besonders viel Druck ausübt.
Das Modell der Abschreckung durch Atomwaffen funktioniert also durchaus (wobei es auch immer wieder Situationen gab, in denen die Gefahr einer Eskalation bestand) und es stellt sich sich Frage, ob eine ähnliche Abschreckung auch mit konventionellen Mitteln erreicht werden könnte. Da ist der Korea-Konflikt interessant, Südkorea ist keine Atommacht, hat aber starke Streitkräfte und die USA als Verbündeten, während Nordkorea versucht, sich mit einem Nuklearprogramm die Überlegenheit zu sichern, da die Volksrepublik China als nukleare Schutzmacht nur noch beschränkt für die Existenz dieses Staates garantiert.
Um kurz auf die Diskussion zum Nobelpreis einzugehen: Ich finde es begrüßenswert, wenn man sich dafür einsetzt, dass nicht noch mehr Staaten Atomwaffen entwickeln, gerade bei Staaten, die instabil sind und/oder von religiösen oder politischen Fanatikern dominiert werden, fällt der Rationalitätsfaktor weg, der so wichtig ist. Im Zuge einer allgemeinen Entspannung kann man sicherlich auch anstreben, die bereits bestehenden Arsenale zu reduzieren, das muss aber begleitet werden von a) entsprechenden Kontrollen b) einem ernsthaften Willen aller Beteiligten und c) alternativen Sicherheitsgarantien, z. B. entsprechende Verträge und einen ausreichenden Schutz durch konventionelle militärische Mittel. Von einer Welt ohne Atomwaffen zu träumen finde ich nicht verkehrt, und sich für Versöhnung und Verständigung einzusetzen ist auch löblich, aber, und da sehe ich manchmal ein Problem, es wird teilweise naiv davon ausgegangen, dass wenn eine Seite nur genug guten Willen zeigt, es schon alles gut gehen wird. Verhandeln kann man nur dann, wenn man dem Partner auch zutraut, sich an die Vereinbarungen zu halten, und eine Rückversicherung ist nie verkehrt.