[Outer-Rim -Telos – Stadtrand -Zu Hause – Iouna]
Iouna glaubte, James Dice hätte es längst begriffen, dass sie sich lieber aus dem Weg gehen sollten. Nun schickte er ihr eine Nachricht, indem er ihr einen Job anbot.
Die Telosianerin las sie aufmerksam noch einmal durch und versuchte einen möglichen versteckten Unterton zwischen den Zeilen zu entdecken.
„James hier. Habe von meinen Chefs noch einen Auftrag für dich, du weist ja in welchem Büro du mich finden kannst. Meine Sekretärin weis das sie dich durchlassen soll. James ende.“
Sie vertraute James nicht. Oder besser gesagt: nicht mehr. Vor einem halben Jahr trennten sich die beiden, nachdem James handgreiflich wurde. Sie wusste zwar noch genau, was ihn so aus der Fassung gebracht hatte, aber der Schreck saß immer noch tief in ihren Knochen.
Missgestimmt betrachtete Iouna die schlaff hängenden Kleider in ihrer Garderobe, schließlich entschied sich für ein hellgraues Kostüm und eine rosa Bluse. Sie würde darin elegant, aber auch distanziert wirken, unmissverständlich sollte der Eindruck sein. Sie streifte den Rock über die Hüfte, dann ging sie zu dem hinter einem Holobild versteckten Tresor, gab die Geheimnummer ein, vertippte sich, dann noch einmal, dann klappte es endlich und das Türchen sprang knarzend auf. Seitdem sie für die Black Sun arbeitete, verließ sie nur selten das Haus ohne eine Vibroklinge. Sie stieß den Atem aus. Unbewaffnet würde sie James’ Firma nicht mehr betreten.
Die Telosianerin steckte die Vibroklinge in das extra dafür eingearbeitete Futteral im Rock, streifte die Bluse über die Schulter und flocht die Haare zu einem Dutt. Zeit zu gehen. Eilig schnappte sie das Jackett und die Tasche, schlüpfte in die Schuhe, rief ein Taxi und stürmte aus dem Haus. Sie wollte es so schnell wie möglich hinter sich bringen. Das Taxi wartete auch schon auf sie.
Damals sehnte sie sich nach einem Menschen. Als sie glaubte, bald vor Einsamkeit verrückt zu werden, trat James unerwartet in ihr Leben. Er berührte sie. Und was war das für ein unbeschreibliches Gefühl, von einem Menschen auf diese Art berührt zu werden! Ohne es bewusst zu wissen, machte er sie wieder lebendig. Mehr war es aber nicht. Mehr wollte er von ihr aber auch nicht. Er schirmte sie von seiner Familie penibel ab, was die heimlichen Treffs zu einem aufregenden Abenteuer machte. Manchmal dachte Iouna, dass er mit der Tochter eines Jedi nur aus dem kindlichen Trotz seinem Vater gegenüber zusammen war.
Iouna versank sich im dem weichen Polster der Sitze im Taxi, das sie lautlos nach Thani flog. Für einen kurzen Moment erfasste sie ein Gefühl der Unwirklichkeit.
An dem entscheidenden Tag traf Iouna James nicht in seinem Büro, sondern in einem Hotelzimmer. Sie fielen übereinander her, glühend vor Leidenschaft stieß sie James an die Wand, küsste sie, und im blinden Liebeswahn bemühte er sich vergeblich, den Reißverschluss ihres Kleides zu öffnen. Der Reißverschluss klemmte. Als James hastig daran zerrte, später nur wie wild ruckelte, riss der feine Stoff, seine Hand verrutschte, der Fingernagel bohrte sich unter die Haut auf ihrem Rücken und ritzte eine tiefe Schramme auf. Überrascht von dem blitzartigen Schmerz schrie Iouna gellend auf. Dann krallte sie fest die Finger in seine Haare und raunte mit einer eindringlichen Sinnlichkeit, die sie dann selbst nicht verstand, die über sie kam und aus ihr heraussprudelte, über die sie eigentlich nicht mehr damals und nicht mehr jetzt nachdenken wollte. „Du willst mit mir doch nicht das machen, was du mit deinem Bruder (Ian) gemacht hast!“
Iouna bezahlte und stieg aus dem Taxi. Das Firmengebäude lag im Dunkeln, nur unten am Empfangstresen brannte ein schwaches Licht. Die Telosianerin blickte hinauf zu dem einzigen beleuchteten Fenster im oberen Stockwerk. James wartete noch auf sie. Sie betrat das Gebäude, nickte der Frau am Empfang, die sie nicht mehr wieder zu erkennen schien, ging zum Aufzug und drückte auf den Knopf.
Sie erinnerte sich an den entsetzten Blick von James und wie er durch die Zähne zischte: „Du sagst das nie wieder!“ Im nächsten Augenblick drückte er ihr die Kehle zu, hängte sich an ihr wie ein Pitbullfest und ließ nicht mehr los. Auf den Angriff vollkommen unvorbereitet, versuchte Iouna zwar noch etwas zu sagen, sich mit Worten zu wehren, schließlich gab sie aber nur einen undefinierbaren Gurgellaut von sich. Auch mit ihrem Fuß trat sie, doch sie verfehlte sein Schienbein. In der nahenden Todesangst suchte sie eine Verbindung zur Macht, fand sie, sehr schwach, aber vorhanden. Sie fiel hinein, panisch ergriff sie die erstbeste winzige Machtwelle und nutzte sie, um wenigstens die elektrische Ladung ihres Körpers zu erhöhen und somit James etwas zu schwächen. Von dem viel stärker als gedacht erzeugten Stromschlag getroffen, brüllte James auf und schnellte von ihr ab.
Die schöne Telosianerin zögerte noch einen kleinen Moment, bevor sie James’ Büro betrat. Vielleicht war das alles doch eine Falle. In ihrem Beruf lernte man schnell das Misstrauen. Vielleicht hatte James auf einmal eine Überzeugung entwickelt, dass sie für ihn unbequem sei. Bis zu dem einen Tag damals, glaubte er, dass von diesen Schandtaten an seinem Bruder niemand wusste. Ob Iouna überhaupt so wichtig war, um für ihn eine potenzielle Bedrohung sein zu können? Sie zuckte mit den Schultern. Sie wusste es nicht.
Die Frau streifte mit der Hand die Vibroklinge, die in ihre Hüfte drückte, atmete tief durch und betrat das Zimmer.
James hob den Kopf von dem Holobildschirm des Kommunikationsmoduls, blickte zuerst auf die Chronouhr, dann sah er sie an und ein Lächeln erstrahlte auf seinem schönen Gesicht.
„Du lässt deine Sekretärin lange arbeiten“, sagte sie.
[Outer-Rim -Telos – Thani - James' Frachterfirma– Iouna - James Dice]