[Outer-Rim -Telos – Thani - Im Gebäude von James' Frachterfirma – Iouna - James Dice]
“Ich denke das wirst du schaffen, du bekommst von der Firma 5000 Credits wenn du es hinbekommst, “sagte James, und unterstrich seine Worte mit einer verächtlichen Geste. Gekränkter Männerstolz! Männliche Eitelkeit, dachte Iouna als sie am Empfang vorbei zum Ausgang der Firma eilte. 5000 Credits. Ohne den entsprechenden Vorschuss.
„Kapiert? Verschwinde!“
Die schöne Telosianerin biss die Zähne zusammen, winkte einem Taxi zu, und fluchte als es an sie achtlos vorbei sauste. Verstohlen schielte sie zu der Empfangshaale der Firma, dann betastete sie ihr kleines Täschchen im Jacket, in dem ein 1000 Creditchip lag. James unterschätzte sie schon immer!
„Verschwinde? Aber James, warum so eilig? Und wo bleibt mein Vorschuss?“
James blickte sie amüsiert an. In seinem raschen Blick fing sie aber einen vertrauten Funken, und hielt daran fest. Als erstes setzte sie ein verschmitztes Lächeln auf ihre Lippen, dann ging sie zu ihm, hob den Kopf und wisperte heiser: „Du wolltest mich doch nur sehen, stimmt’s?“
Prüfend musterte James ihr Gesicht, runzelte die Stirn wie immer, wenn er nachdachte. Unsicher legte er die Hand an ihrem Nacken und zog sie sanft an sich. Iouna kniff die Augen zusammen, um sich besser zu konzentrieren, forsch legte sie ihre Hand auf seinen festen Hintern, und befühlte behutsam seine Hosentaschen. Sie waren leer.
„Verstehe“, flüsterte James, dabei verstand er nichts, gar nichts, er fasste sie derb um die Taille und schob die Hand unter ihre Bluse.
„Vorschuss.“ Sagte sie, erschrocken über das verräterische Zittern in ihrer Stimme.
„Kuss.“ erwiderte James mit einem frechen Grinsen und näherte seinen Mund an ihr Gesicht.
Endlich fand Iouna in der in ihrem Geist gebildeten, verschwommenen Silhouette von James, die Stelle, an der er die Creditchips versteckte. Sie grinste höhnisch und schlupfte die Hand in die vordere Tasche seiner Hose, es ließ ihn nur lüstern aufstöhnen, sie zog prompt die Hand mit der Beute zurück, löste sich aus seiner Umarmung und trat einen Schritt nach hinten.
„Es war wohl ein Missverständnis.“ sagte sie trocken, streifte die Bluse glatt und machte Anstalten zu gehen. „Wir sehen uns nachher.“
„Warte!“ James griff sie am Arm. „Du kannst mich doch jetzt nicht so stehen lassen.“
„Das kann ich durchaus.“ Sie hielt seinem Blick stand.„Sei vorsichtig, James. Es wäre deiner Kariere nicht dienlich, wenn die Öffentlichkeit erfahren würde…“ sie räusperte sich. „Ich habe eine heiße Spur, was deinen Bruder betrifft...“
Bingo! Eine ungeheuerliche Lüge, aber mit was für einer Wirkung! James ließ von ihr ab, und zwar so abrupt, als ob er sich an ihrer Haut soeben verbrannt hätte.
„Du willst also Credits? Du? Du willst mich erpressen? Wie lächerlich ist das denn? Ich kann dich jederzeit verschwinden lassen, du mieses Stück, und niemand wird nach dir fragen! Verstehst du? Niemand!“
Die Telosianerin stieß langsam die Luft durch die Nase.„Das wirst du nicht tun. Gewissermaßen sitzen wir im gleichen Boot.“
„Kapiert? Verschwinde!“
Sie schüttelte den Kopf. Den Gedanken an James ließ es sich aber nicht so einfach abzuschütteln. Die Frau drückte noch einmal den Creditchip, den sie aus James Hosentasche entnahm und winkte das nächste Taxi zu, das endlich bremste und direkt vor ihr stehen blieb.
Noch eine Weile sah sie zu, wie das Taxi sich durch die enge Gasse von ihr entfernte, dann schlenderte sie zum Vorgarten ihres Hauses, blieb aber vor dem Eingang stehen und drehte sich noch einmal um. Dort, am anderen Ende des weiten Platzes stand das Haus in dem James Dice einst wohnte. Sie ließ ihre Chipkarte wieder in die Tasche sinken. Obwohl nur einige Hundert Meter entfernt, hatte sie seit dem überstürzten Auszug der Familie Dice das Haus nur ein einziges Mal betreten. Sie besuchte mit ihrer Halbschwester den Clairs-Bekleidungsladen. Während die Schwester sich darin noch neugierig umsah, verließ Iouna fluchtartig das Geschäft. Warum sind die Dices damals umgezogen? Daran konnte oder wollte sie sich nicht mehr erinnern.
Die schöne Telosianerin streifte den Blick über die Häuserreihen und den menschenleeren Platz. Eine völlig unangebrachte Euphorie durchflutete sie. Als sie den Platz durchquerte, knisterte der Kies unter ihren Füßen. Sie blieb vor dem Dice-Haus stehen und blickte auf die heruntergelassenden Jalousien am Schaufenster von Clairs Bekleidungsladen, dann sah sie hoch in die verdunkelten Fenster in oberen Stockwerken. Ein Schreckenshaus, peitschte ihr durch den Kopf, ein Grabstein mit einem Dreieckgiebel mit zwei tief eingelassenen, mürrischen Fenstern, die wie zwei schwarze Augenhöhlen auf sie herabstarrten, bewachsen von wuchernden Rankenpflanzen. Ein Irrenhaus, Angsthaus, Wuthaus, ein Hasshaus, dachte sie, ein Grab, eine kalte Gruft, ein abscheuliches, widerliches Maul eines alles Lebendige verschluckenden Ungeheuers. Einen flüchtigen Moment lang glaubte sie, die verdorbene gräuliche Luft, die von ihm ausging immer noch zu riechen, und wünschte innig, sie könnte sich in den Vorgarten erbrechen. Wie konnte die alte Clair, die das Haus unmittelbar nach Dices Umzug kaufte, nur eine Minute, nur eine einzige Sekunde lang darin aushalten und nicht irre werden?
Auf den Zehenspitzen schlich Iouna sich leise um das Haus herum. Damals hatte die Familie Dice eine hohe Hecke um den weit angelegten Garten, der in einem kleinen Wald mündete, wachsen lassen. Niemand durfte hineinsehen. Iouna erst recht nicht!
Beinahe enttäuscht blieb die Telosianerin vor einem säuberlich weiß gestrichenen Lattenzaun stehen. Die Hecke war vollkommen weg. Der riesige Baum inmitten des hohen Rasens stand immer noch dort. Der Teich war zugeschüttet, der Garten bildete eine gleichmäßige Ebene. Wie eine schlechte Hologramm-Übertragung schob sich die Erinnerung vor ihren Augen. Als erstes ein weißes Kleidchen, das das Kind-Iouna anhatte, wie die gestärkten Rüschen an ihren Ärmchen kratzten. Und dann wie sie draußen von schrillen, lustigen Stimmen angelockt wurde, und wie neugierig sie durch das schmale Loch in der Hecke schlüpfte. Und wie sie dann eine gedrängte Gruppe von Menschen erblickte, die um etwas, oder um jemanden herumstanden. Und wie James sich plötzlich umdrehte und sie mit einer bedrohlichen Schärfe anblickte. Wie sie sich von den von der Gruppe herausgehenden Emotionen fast verschluckte, weil ihr Atem stockte, und wie ihr Herz kurz stehen blieb als James sich von der Gruppe löste und mit wutentbranntem Gesicht und mit einer erhobenen Peitsche in der Hand auf sie zuraste. Wie das Kind-Iouna vom lauter Schock einen Schritt nach hinten trat und in die Hecke fiel und schrie. Wie James mit der Peitsche auf sie ausholte und ungehalten brüllte. „Hau ab du verdammte Jedi-Brut! Kapiert? Verschwinde!“ Die Peitsche traf sie nicht, sie krümmte sich, schlüpfte im nu durch das Loch und lief nach Hause. Als ihre Mutter das vom Gras beschmutzte weiße Kleid sah, schimpfte sie. Dem kleinen Kind aber fehlten an dem Tag Worte und bis zum Abend nervte das Mädchen seine Mutter mit ständigem Geheule.
Heiße Wut schoss in Iounas Venen, befiel sie wie ein plötzlicher fiebriger Infekt, wie eine ausbrechende Kinderkrankheit. Zitternd drehte sie sich um und sprintete zu ihrem Haus, schnell, bevor sie noch die Kontrolle über sich verlieren und die Fenster des Dice-Hauses mit Steinen ausschlagen würde.
Iouna rang nach Atem und sah auf ihre blutige Hand herab. Wann hatte sie sich denn am Lattenzaun verletzt? Den Schmerz verspürte sie doch gar nicht. Sie drückte den Daumen an den Mund und biss in die Wunde und saugte, während sie die Tür öffnete und das Haus trat.
Noch im Flur holte sie das Datapad, das sie von James bekam und ging die eingegebenen Daten durch. Sie sollte die Vergangenheit auf sich ruhen lassen. Sie würde noch heute die Lage des Miseria Corps und die genaue Route dahin überprüfen. Morgen würde sie sich um einen Speeder kümmern, der sie zum Raumhafen bringen würde. Sie sollte von diesem Ort hier weg. Sie sollte an ihre Zukunft denken. An die Credits!
Sie stürmte in ihr Zimmer, warf die Tasche aufs Bett, hockte sich vor dem Kleiderschrank, schob die Hand in einen Spalt unter dem Schrank und nahm einen blauen Umschlag heraus. Sie öffnete ihn vorsichtig, legte James’ Creditchip zu den anderen Chips und schloss ihn wieder. Auf dem Umschlag stand geschrieben: Für Mama.
Der bevorstehende Auftrag wird aber genug Credits auch für ihren Raumflug bringen.
[Outer-Rim -Telos – Stadtrand -Zu Hause – Iouna]