[Hyperraum nach Weltraum (Imperium) - Shuttle "Kron"] Menari, Vincent
Er hatte sich in den hinteren Teil des Schiffes begeben und versuchte etwas Ruhe zu finden. Es gab über so viel nachzudenken, so viel Unverständliches. Gerade wollte er sich auf eine Pritsche fallen lassen und war von jener nur noch knapp drei Schritte entfernt, als er einen Ruck verspürte, wie wenn ihn jemand an den Schultern gepackt hätte. Er wurde von einer unbändigen Kraft schlagartig nach hinten gerissen, vollführte ungewollt eine halbe Dreheung in der Luft, und flog in hohem Bogen aus der Koje. Der Aufschlag auf den Boden des Shuttles war hart und für einen Moment blieb er völlig überrumpelt einfach auf dem kühlen Metal liegen.
Er wusste genau wer dafür verantworlich war, doch das war für ihn im Moment genau so uninteressant, wie wenn am an anderen Ende der Galaxis ein Gamorreaner gerade entdeckt hätte, dass es für Steine andere Anwendungsgebiete gab, als mit ihnen jemandem den Kopf zu spalten. Demonstrativ langsam erhob er sich, strich sich das Hemd glatt und Blickte dem vor ihm stehenden Chiss in die roten Augen. Dessen Vortrag über das ihm bevorstehende harte Training beunruhigte ihn nicht, wahrscheinlich übertrieb sein Meister einfach nur um ihn anzuspornen und außerdem hattee er von Anfang an vermutet, dass dies hier nicht so leicht sein würde wie einen nichtsahnenden Bantha zu erschrecken. Er würde hart trainieren, aber diese Showeinlagen des Chiss, die meist sehr schmerzhaft ausfielen, töten ihm noch den letzten Nerv.
Plötzlich schwebte der Glühstab, mit dem er schon vor ihrer Ankunft auf Cato Neimoidia geübt hatte die Macht zu benutzen, vor ihm in der Luft, bis er ihn mit einer staksigen Bewegung an sich nahm. Menari gab ihm Anweisungen, doch seine Stimme hatte sich schlagartig verändert. Könnte man die Welt in Gut und Böse aufteilen, so wäre die Präsenz des Chiss eindeutig als zweites einzustufen, genau wie auch seine Worte. Es klang fast wie eine Drohung und eine Hinweis darauf, dass er sein Versagen kein zweites Mal tolerieren würde. Es stand am Höchsten, so viel war sicher. Wieso Menari auf einmal so sprunghafte Fortschritte erwartete war ihm schleierhaft. War dies eine Art Bestätigung, dass er würdig oder stark genug war, ein Sith zu werden? Wenn dem so wäre, würde er es schaffen, die gestellte Aufgabe zu meistern. Sein altes Leben wollte er bestimmt nicht zurück, lieber gäbe er sich dem Tod hin, als die vergangenen Schrecken noch einmal zu durchleben.
Sein Meister schien keine Anstalten zu machen den Raum zu verlassen, also lies er sich, anders als Menari, der im Schneidersitz Platz genommen hatte, in einem sogenannten Dreickssitz nieder. Der eiskalte Blick des Chiss lies ihm das Blut in den Adern gefrieren. Wieso hatte er das dumme Gefühl diesen Raum entweder erfolgreich oder gar nicht zu verlassen?
Sorgfälltig legte er den Glühstab horizontal zu seiner Sitzposition vor sich auf den Boden und konzentrierte sich auf die Macht, was eigentlich gar nicht so schwer zu bewerkstelligen war wie er es in Erinnerung hatte. Einfach nur zu Hassen war wirklich kein Kunststück nach allem was ihm wiederfahren war und genau diese Wut machte es so einfach für ihn die Macht zu fühlen. Warum eigentlich? Reagierte die Macht auf Gefühle oder vielleicht auch nur auf besonders starke so wie Hass, Angst und Liebe. Liebe, ja natürlich, weil es so viel Liebe in dieser Welt gab. Die Ironie schmerzte ihn fast selbst, denn wenn gab es noch den er hätte lieben können? Alles was ihm bliebe war Zorn, also würde er ihn einsetzen.
Zuerst machte er sich daran den Stab, nun nicht zu fühlen, aber ihn mit den tastenenden Fühlern der Macht anzurühren. Er rief sich zur Ordnung, wenn er weiterhin über seine Ausdrucksweise und den philosophischen Ansatz der Macht sinierte, würde er wohl nie zu einer Lösung des Problems gelangen. Schließlich versuchte er es mit aller Willenskraft, die er aufbringen konnte, doch der Raum um ihn blieb leer an Gefühlen. Wut brodelte in ihm hoch, aber diesmal kämpfte er sie nieder, den der Hass unterstützte ihn zwar in seinem Bestreben sich die Macht eigen zu machen, doch blinde Wut konnte zwangsläufig nur das Gegenteil bewirken.
Er wusste auf einen Schlag was er falsch machte, so als hätte man es ihm wie einen Nanochip in sein Gehirn eingepflanzt. Er hatte die ganze Zeit versucht seine Gedanken auf den Gegenstand zu konzentrieren und hatte geglaubt damit auch die Macht auf ihn zu lenken, doch das konnte einfach nicht funktionieren. Er musste die Macht nicht bloß fühlen und wissen, dass sie ihn umgab, sondern sie als Medium benutzen, mittels dem er seine Umwelt kontrollieren konnte. Es blieb nur eine entscheidende Frage, nämlich wie er das bewerkstelligen sollte. Vielleicht brauchte er einen Bezugspunkt mit dem er seine Gefühle vergleichen konnte. Die Idee gefiel ihm und so lies er seine Fingerkuppen federleicht über das Werkzeug gleiten, fuhr die Konturen nach und verinnerlichte was er an Sinneseindrücken wahrnahm.
Gefühle waren für Shi'ido seit jeher ein wesentlicher Bestandteil ihres Lebens gewesen, vielleicht weil sie es in so vielen Variationen praktizieren konnten. Jeder Körper, jeder Organismus fühlte anders und seinem Volk war es vergönnt all dies nachzuahmen und ebenfalls spüren zu dürfen. Zuletzt sog er seine Hand zurück und öffnete sich dem Gefühl, dass er nur wenig Sekunden zuvor durch seine Nervenbahnen hatte pulsieren spüren. Sinneseindrück strömten auf ihn ein, die er nicht zuordnen konnte und die ihn irritierten, doch er klammerte sich an dieses eine Gefühl, was er sicherlich nicht geschafft hätte, wenn er sich nicht immer wieder vor Augen halten würde warum er das alles tat, nämlich um sich irgendwann zu rächen.
Ohne Vorwarnung und völlig unvorbereitet erkannte er wie die Macht durch seinen Körper pulsierte. Zwar nur unglaublich schwach, so etwa wie wenn man die Menge an Energie, die eine kleine Glühlampe verbrauchte, mit dem Produkt eines Kraftwerkes verglich, aber trotz allem präsent. Nicht dass die Macht nicht schon zuvor in ihm existiert hätte, nein, er hatte sie einfach in sich getragen ohne es zu wissen. Wenn man jemanden fragen würde, ob er spürte, wie sein Gehirn Impulse an alle Teile seines Körpers aussendete, so dürfte die Antwort mit ziemlicher Sicherheit nein lauten. So hatte es sich, wenigstens bis vor ein paar Sekunden, auch mit der unumschreibbaren Kraft in seinem Inneren verhalten, es hatte einfach nicht gewusst dass sie da war, was nicht zwangsläufig nach sich zog, das dem so sein muss. Wieso er sie jetzt plötzlich spüren konnte war ihm schleierhaft, vielleicht würde es ihm später sein Meister erklären können.
Dann, irgendwo weit, weit von ihm entfernt, glaubte er etwas zu fühlen, dass dem gleichkam, was er mit seinen materiellen Fingern gespürt hatte. Ein Hochgefühl zuckte durch seine Brust und hätte ihn fast um seine Konzentration gebracht. Er nährte sich dem Gefühl, oder hätte es getan, wenn in einem solchen imaginären Raum Distanz eine Bedeutung gehabt hätte. Vielmehr versuchte er die beiden Gefühle von denen er glaubte, dass es sich dabei um das gleiche handelte, in Einklang zu bringen. Hätte er jemandem erklären müssen was er da tat, wäre er wohl heillos gescheitert, es war ganz einfach ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn er mit sich selbst ehrlich war, wusste er nicht einmal was, geschweigeden wie er es tat, doch es schien zu funktionieren. Es handelte sich nicht wirklich um das gleiche Gefühl, doch aus all den wirren Informationen, von denen er glaubte, dass sie auf ihn eindrangen, glich diese noch am ehesten der physischen ertasteten Empfindung. Zuerst war er vollkommen ahnungslos, doch dann verstand er urplötzlich.
Es war als hätte man ihm alle Wunder dieser Welt im Bruchteil einer Sekunde offenbart und dann wieder aus dem Gedächtnis gelöscht, wobei eine einzige winzige Kleinigkeit geblieben war, das Wissen um den Glühstab, der im Nicht des Raumes und der Zeit zu schweben schien. Er konnte den Gegenstand fühlen, ein anderes Wort gab es nicht diese Emotion zu erläutern und selbst das schien eine unzureichende Erklärung. Natürlich war es nicht so als könnte er den Gegenstand sehen, aber er konnte einige Teile der äußeren Metalhülle fühlen, als würde er mit seinen Fingern darüber streichen würde, auch wenn er nicht hätte sagen können, wie weit oder gar in welche Richtung er den Glühstab vermutete, der Raum schien bedeutungslos. Sein Atem ging schneller, sein Herz drohte zu platzen, so schnell schlug es, doch sein Geist war in völligem Einklang mit diesem einen Gegenstand. Mit der Erleuchtung kam das Verständnis und mit dem Verständnis die Kraft zu Lenken. Er griff nach dem Glühstab, Stück für Stück, Bauteil für Teil und liebkoste ihn mit seinem Geist, seiner machdurchdrängten Essenz. Noch nie hatte er etwas gespürt, das diesem Gefühl gleichkam, dem Gefühl in eine andere Welt getreten zu sein. Es war wie ein sechster Sinn, der Elemente jeder der fünf physischen Sinne zu beinhalten schien, aber zugleich eine vollkommen eigenständige Einheit darstellte.
Fast hätte er über dieser Offenbarung für die Sinne seine Aufgabe vergessen. Er lies ab von der bloßen Gefühlswelt und tastete den Glühstab nach etwas ab, dass ihn aktivieren würde. Minutenlang, Ewigkeiten in seinem Zeitgefühl, untersuchte, tastete, fühlte er, doch es gab keinen Knopf den es zu drücken, keinen Schalter den es zu betätigen galt oder wenigstens keinen, den er mit seinen noch so beschränkten Sinnen wahrnehmen konnte. Für ihn waren alles nur einzelne Klumpen aus Informationen, jedes Teil aus dem gleichen Wirrwarr an Wissen zusammengesetzt, dass sich ihm nicht so einfach offenbaren wollte, was nicht hieß, dass dies nicht das Intressanteste war, was er sich je zu erträumen gewagt hatte. Schließlich zerrte er an dem Stab, versuchte ihm ihn mit der Gewalt seiner Gedanken zusammenzupressen, doch das kalte, leblose Metal wollte sich seinem Willen nicht beugen. Über seinen verzweifelten Versuchen dem Stab zu aktivieren bemerkte er gar nicht wie er sich immer weiter in eine Rage hineinsteigerte. Der Stab vibrierte leicht auf dem Boden des Shuttles, man konnte sogar das leise Kratzen von Metal auf Metal vernehmen, doch auch das entging ihm, so konzentriert wie er sich auf seine Aufgabe fixierte. Hätte er es bemerkt wäre er aus allen Wolken gefallen, so konnte er doch einen Gegenstand, wenn auch nur in geringfügigem Maße, bewegen ohne ihn dabei mit seinem Körper zu berühren, doch seine Kopf lies nicht zu, dass er darauf achtete. Für ihn galt nur, dass er nicht schaffen konnte, wozu er befehligt worden war.
Er wusste nicht woher diese wilde, unberechenbare Ungeduld kam, doch sie brodelte langsam an die Oberfläche und brach schließlich hervor. Wie aus einem Reflex heraus sprang er auf die Beine, packte den Glühstab und warf ihn aus purer Verzweiflung über sein eigenes Versagen mit aller ihm gegebener Stärke gegen die Wand, wo er abbrallte und einmal quer durch den Raum schlitterte, bis er schließlich in der Nähe der Tür zur Ruhe kam.
"Das ist doch sinnlos!"
Seine wutentbrannten Blicke fixierten den noch immer auf dem Boden knienden Menari. Ein leichtes Schwindelgefühl hatte ihn ergriffen, doch er beachtete es nicht weiter, wahrscheinlich war es einfach die Erschöpfung von seiner Übung, und außerdem war nun defintiv nicht der richtige Augenblick um sich seine Schwäche anmerken zu lassen. Hoffentlich würde es wenigstens sein Meister nicht bemerken.
"Ich kann es nicht. Ich kann das einfach nicht! Gebt mir eine Aufgabe, die zu lösen ist und ich beweise euch, dass ich bereit bin zu lernen!"
Er hatte es fast geschrien, vielmehr aus Verzweiflung als aus seiner unbegründeten Wut auf sich selbst und den Chiss, doch es war ihm gleich. Er wollte ja beweisen, dass er würdig war ein Sith zu werden, aber wie sollte er jemals die Gelegenheit dazu bekommen, wenn ihn sein Meister mit so sinnlose Aufgaben betraute?
[Weltraum (Imperium) - Hyperraum - Shuttle "Kron" - Passagierteil] Menari, Vincent