[op] Dieser Post entstand in Zusammenarbeit von Exodus und Chesara. Geschrieben wurden sie über einen Instant-Messenger. Wir möchten sie jetzt hier an einem Stück veröffentlichen. [/op]
[ Unbekannte Regionen – Unbekannter Planet – Chesaras Dorf | Chesara und Adrian ]
„Vielleicht könnte ich mit Jibrielle sprechen.“, sagte Chesara nur wage zu, „Aber vielleicht wäre es besser, wenn ihr zuerst versuchst, die Angelegenheit unter euch zu klären.“ Auch das gehörte zum Erwachsenwerden dazu, auch wenn sie es nicht laut aussprach. Auch das war es, was einen Jedi-Ritter ausmachte. Von Nylia hatte sie allerdings nichts gehört, was sie Adrian auch mitteilte. Wenn in den nächsten Tagen kein positiver Bescheid über Tylaar Zaiths Verbleib kommen würde, würde sie die junge Padawan nach Lianna schicken. „Wir werden noch gute vier Wochen hier bleiben, so lange bis die Ernte eingefahren ist. Steven und du werdet eine große Hilfe dabei sein.“ Dass dies für beide Padawane eine vollkommen neue Erfahrung sein würde, darüber war sich Chesara im Klaren, aber sie konnten viel dabei lernen. Besonders Adrian war es in den ersten drei Tagen spürbar schwer gefallen, ohne fließendes Wasser aus zu kommen und sich seine Frühstückseier morgens selbst aus dem Stall zu holen.
„Waaas?“ Adrian fiel bei der Erwähnung der Ernte aus allen Wolken. „Ernte?!“ Theatralisch ließ er sich nach hinten kippen und fiel mit dem Rücken ins weiche Gras. „Muss das sein? Ich meine … wir sind doch hier um zu trainieren. Und – ja gut, das macht auch fit, aber … da gibt’s doch auch bessere Wege!“
„Bessere Wege?“, wiederholte Chesara amüsiert. „Nein, ehrlich gesagt halte ich das für eine blendende Idee und wer sagt, dass der sportliche Aspekt die einzige Lektion ist, die ihr dabei lernen sollt?“ Sie begegnete Adrians Blick und hob leicht eine Augenbraue. Es ging um das Miteinander, darum füreinander da zu sein und sich gegenseitig zu helfen. Das waren Dinge, die jeder lernen sollte, vor allem aber jemand, der sich eines Tages ein Jedi-Ritter nennen wollte. Das Geräusch einer sich öffnenden und wieder schließenden Tür ließ Chesara ihren Kopf in die von Adrian entgegen gesetzte Richtung wenden. In einiger Entfernung sah sie Mirja, die ihre Hütte verlassen hatte. Sie trug zwei leere Eimer bei sich und winkte ihnen zu, verschwand aber dann wieder, vermutlich um beim Brunnen Wasser zu holen. Chesara fühlte, wie ihr das Herz aufging. Dies war einer dieser perfekten Tage, an denen man das Gefühl hatte, dass nichts schief gehen konnte, wäre da nur nicht das Wissen um die Situation im Rest der Galaxie. Hier, in ihrem Dorf war die Welt noch in Ordnung. „Wir sollten nachher auch noch Wasser holen.“, meinte Chesara, da Mirjas Auftauchen sie daran erinnert hatte. „Wir haben heute Morgen den letzten Rest aus der Hütte aufgebraucht.“
Adrian folgte Chesaras Blick und runzelte die Stirn. „Das ist sowieso etwas, das ich nicht verstehe. Ich meine hier ist es schön und alles, aber …“ Er beugte sich nach vorne und musterte seine Meisterin. „… warum machen es sich alle so umständlich? Du wusstest doch, dass wir hier hin fliegen würden. Warum haben wir nicht noch eine … hm … Wasseraufbereitungsmaschine mitgenommen? Das würde den Leuten hier sicher helfen. Und mir auch.“ Der Anflug eines Grinsens zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. „Ard ist doch auch auf Coruscant gewesen – Mirja auch! Sie müssten doch wissen, wie viel leichter sie es haben könnten.“
„Natürlich würde es vieles leichter machen.“, antwortete Chesara. Sie verstand Adrians Gedankengänge. „Aber es kostet auch viel Geld – Geld, das wir hier nicht haben. Die Familien leben hier nicht, weil es einfach ist, sondern weil sie hier mit offenen Armen empfangen werden und weil sie, bevor sie hier her kamen, nichts in der Galaxis besaßen außer den Kleidern, die sie am Leib trugen. Jeder, der hier her kommt baut sich ein neues Zuhause auf. Sieh dir die Hütten ringsum an, Adrian: jede einzelne ist mit viel Schweiß und oftmals auch mit Tränen erbaut worden. Viele helfende Hände haben mit angepackt und gemeinsam etwas aus dem Nichts erschaffen. Alles was du in diesem Dorf siehst ist mehr, als sich die meisten der Bewohner je für sich hätten vorstellen können.“ Chesara machte eine Pause und schüttelte den Kopf. Sie konnte sich genau an den Tag erinnern, als sie zum ersten Mal hierhergekommen waren und es hier nichts gegeben hatte als eine grüne Waldlichtung. „Für dich mag es eine Menge Dinge geben, die hier fehlen, doch die Familien die hier leben, sind dankbar für alles was sie haben.“
Adrian runzelte die Stirn und spürte ein aufkeimendes schlechtes Gewissen. Er konnte sich nur schwer in die Lage dieser Menschen versetzen, das wusste er. Obwohl er schon längere Phasen seines Lebens bei den Jedi verbracht hatte, konnte er sich doch nicht daran erinnern, jemals einen großen Mangel an etwas gehabt zu haben. Zumindest was materielle Dinge betraf. „Ich bin auch dankbar für das, was ich habe.“, sagte er schließlich und wusste, dass es in Chesaras Ohren trotzig klingen musste. Aber das war er wirklich – gerade, wenn er diese Leute hier sah, wurde ihm bewusst, wie viel er hatte. Und auch, was ihm fehlte. „Und vielleicht haben diese Leute hier sogar mehr, als man auf den ersten Blick sehen kann.“ Er zuckte mit den Schultern. Freundschaft, Liebe, Zusammenhalt. Das waren die wahren Reichtümer dieser Gemeinschaft.
„Das haben sie ganz bestimmt.“, antwortete Chesara, „Am Ende eines jeden Tages mag es nicht unbedeutend erscheinend, wie viele Eimer voller Wasser du getragen hast, doch am Ende deiner Tage wirst du wissen, dass Freundschaft und Liebe um ein vielfaches wichtiger waren.“ Ein kühler, angenehmer Windhauch berührte Chesaras Gesicht und ließ die Blätter der nahe stehenden Sträucher rascheln. Der Blick der Jedi wanderte hinüber zu dem mit vollem Eimer und spontan beschloss Chesara, dass sie für heute genug Unkraut gejätet hatte. Im gleichen Moment erschien, so als hätte sie den Gedanken ihrer Mutter erraten, wieder Mirja in ihrem Blickfeld. Sie war barfuß, hatte ihre Hose hoch gekrempelt und trug den einjährigen Lyonel auf ihrem Arm. „Er will einfach nicht schlafen!“, beschwerte sich die junge Mutter halbernst und ließ ihren Sohn auf den Boden herum, wo er sofort munter herum zu watscheln begann. Chesara hatte sich inzwischen einen herabgefallenen Zweig gegriffen und begonnen sich, inspiriert von dem wohltuenden Windhauch, Luft zu zu fächeln. „Ihm ist vermutlich auch zu heiß.“, sagte sie und streckte die Arme nach ihrem Enkel aus, doch dieser hatte größeres Interesse an den Gartengeräten gefunden. „Vermutlich.“, stimmte Mirja zu, „aber wenn ich ihn jetzt nicht hin lege, ist er später unausstehlich.“
Adrian beobachtete die Szenerie von Mutter, Tochter und Großmutter. Es war ein schönes Bild. Wie es wohl vor 20 Jahren ausgesehen hatte? Chesara die Mutter, Mirja die Tochter und … wer war die Großmutter? Wo war Chesara überhaupt aufgewachsen – und in welchen Verhältnissen? Adrian betrachtete seine Meisterin aufmerksam. Mit ihr war es ein bisschen wie mit seinen Eltern – er wusste, dass sie ein Leben vor ihm gehabt hatten, aber man fragte als Kind nicht danach. Oder verstand vieles noch nicht, konnte es nicht richtig einordnen. Man akzeptierte, dass sich die Erwachsenen immer mehr für das eigene Wohlergehen interessierten, als man selbst nach ihren Erlebnissen fragte. Aber jetzt schien ein passender Moment, dieses Thema anzuschneiden. „Chesara –„, setzte er zögernd an, „welcher Planet ist eigentlich dein … Heimatplanet?“ Schon peinlich das erst jetzt zu fragen – wo er sie doch schon so lange kannte. Aber besser jetzt, als nie.
„Mein Heimatplanet?“, wiederholte Chesara mit Überraschung in der Stimme und wandte den Blick von Lyonel zu Adrian. „Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Meiner Vermutung nach bin ich auf Coruscant geboren, doch leider kann ich mich nicht an die ersten Jahre meiner Kindheit erinnern.“ Ein erfreutes Krähen unterbrach sie, als Lyonel in der frisch aufgewühlten Erde einen dicken Wurm gefunden hatte. Mirja verzog das Gesicht. „Oh nein, bloß nicht!“, warnte sie, doch es war bereits zu spät. Lyonel watschelte geradewegs auf seine Mutter zu um ihr seinen Fang zu präsentieren. In letzter Sekunde schaffte es Mirja, seine kleinen Arme fest zu halten und ihn selbst auf genügend Abstand zu halten, bevor er aus dem Wurm ein Geschoss machen konnte. „Zeit fürs Bett, endgültig.“, sagte sie, schüttelte den Wurm aus Lyonels Faust und warf Chesara und Adrian einen entschuldigenden Blick zu. „Wir sehn' uns später.“, sagte sie, klemmte sich den kleinen Jungen unter den Arm und marschierte davon. Chesaras amüsierter Blick folgte ihnen eine Weile, ehe sie sich besann, dass sie dabei gewesen war Adrians Frage zu beantworten. „Wo war ich? Ach ja... ich bin auf Keela aufgewachsen, einem ruhigen Randplaneten mit viel Farmland. Dort habe ich bei einem Ehepaar gelebt, nachdem man mich auf Coruscant bewusstlos in einer der Straßen gefunden hatte. Ich war zehn und hatte keinerlei Erinnerung.“, erzählte Chesara und lächelte ein wenig traurig. Lange Zeit hatte sie gehofft, dass die dunklen Stellen in ihrem Gedächtnis irgendwann wieder zum Leben erweckt werden würden, doch dazu war es nie gekommen. „Ich wusste nichts, außer meinem eigenen Namen.“
Adrian fiel die Kinnlade herunter. Sie hatte nichts gewusst? Alle ihre Erinnerungen bis zum zehnten Lebensjahr waren ausgelöscht? Das war einfach heftig! „Wow …“, hauchte Adrian tonlos. „Und du weißt … gar nichts mehr? Das ist ja krass.“ Chesara war also ein Adoptivkind – es hatte gar keine Großmutter von Mirja gegeben. Zumindest keine leibliche. „Und hast … leben deine Adoptiveltern noch?“
„Ich weiß es nicht.“, lautete Chesaras schlichte Antwort. „Es ist über zwölf Jahre her, dass ich sie das letzte Mal gesehen habe. Sie waren allerdings auch nicht wirklich wie Eltern für mich und sie haben mich nie als ihr Kind betrachtet. Ich war eher so etwas wie eine Haushaltskraft für sie, eine Art Dienstmädchen.“ Sie lächelte. Ja, in all den Jahren hatte sie tatsächlich gelernt, diese Dinge zu akzeptieren. Es war so, wie es nun mal war. „Sie waren nicht schlecht zu mir, sie haben mich nie geschlagen oder ähnliches. Ich half im Haushalt und auf der Farm, ich wurde älter, lernte einen jungen Mann kennen und wurde schwanger. Als Mirja zur Welt kam war ich 17 und noch immer ziemlich naiv. Ich habe nie ganz durchschaut worum es ging oder wie alles zueinander passte, aber ich wusste inzwischen, dass auf der Farm krumme Geschäfte abgewickelt wurden und Dinge geschahen, die ich lieber nicht ansprechen sollte. Aber ich stellte zu viele Fragen und als ich zu neugierig wurde, nahmen sie mir Mirja weg. Stig – Mirjas Vater – sollte mich töten.“ Chesara schaute zum Haus hinüber. Sie war froh, dass Mirja gegangen war und diesen Teil der Geschichte nicht mit anhören musste. Sie kannte die Geschichte, doch Chesara hatte, obwohl ihre Tochter längst erwachsen war, noch immer das Gefühl, sie vor allem beschützen zu müssen, selbst wenn es nur böse Erinnerungen waren. „Er hat es nicht getan, wie du siehst.“, fuhr sie fort, „Stattdessen hat er mich ausgesetzt, irgendwo in der Wüste, in der Einsamkeit. Es war Ard, der mich gerettet hat.“ Eine winzige Wolke schob sich vor die Sonne. Chesara sah zum Himmel. Wenn sie Glück hatten, würde es heute Nacht ein wenig regnen. „Und die Macht.“, fügte sie an.
Jetzt war Adrian wirklich sprachlos. Er sah seine Meisterin entgeistert und verwirrt an, probierte zu verarbeiten, was sie eben gesagt hatte. Chesara war einer der gutherzigsten Menschen, die er kannte – und das, wie er jetzt erfuhr, obwohl sie ein solches Leid erfahren hatte. Sie hatte allen Grund die Welt zu hassen, aber sie tat es nicht. Es fiel ihm schwer sich vorzustellen, wie sie als junges und naives Mädchen gewesen sein musste. Aber noch schwerer fand er es, sich vorzustellen, wie ihr jemand so etwas antun konnte. Der Vater ihrer eigenen Tochter hatte sie umbringen wollen oder sollen und sie dann in der Wüste alleine ausgesetzt. Wer tat so etwas? Und warum?! Er traute sich immer noch nicht, etwas zu sagen. Jedes seiner Worte schien ihm so kläglich gegen das, was seine Meisterin geschafft haben musste. Unsicher sah er zu dem Haus hinüber, in dem Mirja gerade verschwunden gewesen war. Chesara hatte sie mit 17 bekommen. Ihm war ja schon klar gewesen, dass sie eine junge Mutter gewesen sein musste – aber jetzt schien diese Tatsache plötzlich in ganz anderem Licht. Und der alte Ard hatte sie gerettet … „Das tut mir Leid.“, brachte er hölzern heraus und sah kurz zu ihr hinüber.
„Das braucht es nicht.“, erwiderte Chesara. „Aber trotzdem danke.“ Sie saßen inzwischen schon eine ganze Weile nebeneinander im Gras und sie fand, dass eine angenehme Atmosphäre zwischen ihnen herrschte. „Weißt du, Adrian, die wenigsten Dinge geschehen ohne Grund. Sie gefallen uns nicht immer, sie sind nicht immer einfach, aber wir ziehen unsere Konsequenzen daraus, treffen Entscheidungen und lernen dazu und am Ende sind wir – nicht nur, aber vor allem wegen dieser Dinge – die Person, die wir sind.“ Sie lächelte in seine Richtung, klopfte ihm beruhigend auf die Schulter und fand, dass sie trotz der schweren Zeit, die in ihrer Vergangenheit lag, längst allen Grund hatte um glücklich zu sein.
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