[Hyperraum | von Dxun nach Uyter | Frachter Eisenheim | Quartier] Sliff Quori, Mol
Während sich die wohlige Wärme des Alkohols langsam vom Magen aus durch seinen Körper ausbreitete, hörte Sliff Quori schweigend Mols Worten zu. Nun erfuhr er also endlich, wer sein Weg- und Kampfgefährte tatsächlich war. Weshalb er sich als Kommandant bezeichnete. Und warum er die Sith hasste. Dass diese Abneigung sich auch auf die Jedi erstreckte, obwohl der Zabrak ein Republikaner gewesen war, überraschte ihn allerdings, doch in Anbetracht dieser Erlebnisse war es nicht weiter verwunderlich. Schon vor Dxun hatte Mol eine Menge durchgemacht. ›Scheißesturm‹ war tatsächlich der richtige Begriff dafür: Nicht sehr poetisch, aber gerade deshalb besonders treffend. Es machte deutlich, dass Sliff nicht der einzige war, der in der letzten Zeit mächtige Schicksalsschläge abbekommen hatte. Allerdings war er gerade nicht in sehr optimistischer Stimmung und schaffte es nicht, daraus Hoffnung zu ziehen. Es unterstrich im Grunde nur das Gefühl, dass das Universum hart und grausam war, es nichts geschenkt gab und es selbst dann, wenn man glaubte, das Schlimmste durchgestanden zu haben, noch viel übler kommen konnte. So wie der Jünger nach der geglückten Flucht von dem ekelhaften Mond geglaubt hatte, in Sicherheit zu sein - und dann hatte der vermaledeite Droide ihm ohne Narkose das Bein abgesägt (Wo war da eigentlich dieser Schnaps gewesen, der ihm jetzt so rasch ins Hirn stieg?). Der erste Teil von Mols Geschichte brachte ihn nicht dazu, die Selbstmordgedanken zu verwerfen, sondern er stellte sich eigentlich nur die Frage, warum der Zabrak sich nicht selbst schon lange einen Blaster in den Mund gesteckt oder sein Schiff gegen einen Asteroiden gesteuert hatte. Getrieben von seinem Frust wollte er genau diese Frage stellen. Doch dann sagte der ehemalige Republikaner etwas, das Sliff weit mehr überraschte als alle Offenbarungen zuvor. Mol sprach ihm Mut zu.
Quori spürte ein innerliches Stechen. Sein Magen schien sich zu verkrampfen, doch das kam vermutlich nicht vom Alkohol. Wie lange war es nun her, dass jemand ihm gesagt hatte, dass er an ihn glaubte? Der letzte, der solche Worte genutzt hatte, war der Werber des Sith-Ordens gewesen, der ihn auf Koboth gefunden und ihm eine glorreiche Zukunft im Orden verheißen hatte. Das war, wie er heute wusste, entweder eine Lüge oder eine drastische Fehleinschätzung gewesen. Später dann hatte niemand ihm mehr gesagt, dass er etwas erreichen konnte und dass er dabei Unterstützung finden würde. Im Sith-Orden half man sich nur gegenseitig, wenn man selbst einen Vorteil davon hatte. Freundschaft gab es nur, solange sie den eigenen Interessen nicht im Weg stand, denn letztlich war jeder sich selbst der Nächste und wer anders dachte oder handelte, ging gnadenlos unter. Auch Sliff hatte sich über die Jahre hinweg diese Denk- und Lebensweise zueigen gemacht, nach der man sich auf niemanden verlassen durfte außer auf sich selbst. Seit Jahren hatte er diesen Grundsatz nicht mehr in Frage gestellt. Er hatte sogar vergessen, dass es Wesen gab, die nach anderen Kategorien urteilten. Insbesondere dem muskelbepackten, schmerzunempfindlichen, nicht gerade intellektuell wirkenden Mol hätte er es nicht zugetraut. Doch er konnte nicht mehr leugnen, dass er sich gründlich geirrt hatte. Der Zabrak hatte sich für ihn eingesetzt - selbstlos und unter Aufbietung aller Kraft hatte er ihn aus dem Dschungel geschleppt, als er mit seiner Beinwunde nicht mehr hatte laufen können. Das war weit mehr gewesen, als jeder Sith-Jünger für ihn getan hätte, selbst wenn sie sich schon seit Jahren kannten. Und auch jetzt, wo die Krise ausgestanden war und Mol gar nicht mehr auf einen Mitstreiter angeweisen war, machte er dem Kobok Mut und versprach ihm seinen Beistand. Der Kommandant war der erste echte Kamerad, den Sliff seit einer Ewigkeit hatte. Das löste eine ganze Welle von Emotionen in ihm aus: Der Grund dafür, dass er sich innerlich verkrampft fühlte. Denn noch war er vom Alkohol nicht enthemmt genug, um diesen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Er war ein sehr emotionales Wesen, doch wann immer es als Schwäche ausgelegt werden konnte, seine Gefühle offen zu zeigen, unterließ er es wohlweislich, aus Angst vor Verrat. Erstaunlicherweise war dies jedoch die erste Situation seit seiner Ankunft im Orden, in der er so etwas nicht befürchtete. Er hielt Mol für aufrichtig - eine Eigenschaft, die es im Tempel nirgends gab.
»Ich, also... du...« Sliff wusste nicht, was er sagen sollte. Sein Frust saß tief, doch es gelang dem Zabrak tatsächlich, zumindest ein Bisschen Hoffnung in ihm keimen zu lassen. Eine Aussicht, dass die Dinge sich irgendwie regeln lassen würden und es irgendwann wieder eine Perspektive gab. Jedoch konnte auch Mol ihm nicht versprechen, dass sein Leben wieder so sein würde wie zuvor. Das würde nie passieren, er befand sich in einer Einbahnstraße. Allerdings kam ihm auch der Gedanke, dass es vielleicht nicht die ultimative Katastrophe war, dass eine Rückkehr zu den Sith nicht möglich war. Denn ihm wurde langsam bewusst, wieviel ihn das Leben dort gekostet hatte. Die Aussicht darauf, selbst ein Sith zu werden, hatte sich längst zerschlagen, und die Chance auf eine einigermaßen lukrative und angesehene Position in den Reihen der Jünger hatte er mit dem Verlust so elementarer Dinge wie Freundschaft, Vertrauen und dem Gefühl von Sicherheit bezahlt. Ein Leben aus ewigem Kampf, beinahe ebenso brutal wie der auf Dxun. Bloß ohne einen treuen Kameraden, wie Mol einer war. So gesehen hatte er auch etwas sehr Wertvolles hinzugewonnen. Nur waren leider sein Zuhause und sein Bein ein hoher Preis dafür.
»Vielleicht hast du recht. Aber im Moment fällt's mir schwer, eine Zukunft zu sehen. Als Krüppel nochmal ganz neu anfangen... ich weiß nicht, wie das gehen soll. Ich hab' nie darüber nachgedacht, was ich machen würde, wenn ich mal von den Sith weg muss, und auf Krücken oder im Rollstuhl hat man nicht so viele Möglichkeiten. So oder so... nichts wird mehr wie's mal war. Das muss ich erstmal verdauen. Weiß nicht, ob es für jemanden wie mich eine bessere Perspektive gibt als sich einfach... Ich denke über das nach, was du gesagt hast, aber ich verspreche nichts.«
Alle möglichen Gefühle brodelten in Sliff. Nachdem die tiefe Hoffnungslosigkeit langsam an Dominanz verlor, traten andere Emotionen wieder deutlicher hervor. Der Frust über seine Lage war ungebrochen, vermischte sich nun aber mit etwas, das im Wesen aller, die nach den Grundsätzen der Sith lebten, eine wichtige Rolle spielte: Der Durst nach Rache und Vergeltung. Der Kobok wünschte sich, seinem Ärger Luft zu machen. Da er keine Möglichkeit hatte, seinem Zorn als Machtblitz Gestalt zu verleihen, musste es anders gehen. Seine Erinnerung an die Ereignisse im Wald und auf der Landeplattform waren verschwommen, aber er glaubte nun, sich zu entsinnen, dass Mol nicht alleine an Bord gekommen war. Er hatte jemanden dabei gehabt - einen Trandoshaner. Einen von der verfluchten Brut, die ihm all das eingebrockt hatte. Vom Angriff auf Keshis Shuttle über die Aussetzung im Dschungel bis hin zu dem Waldbrand, der ihn fast das Leben gekostet hatte, ging eigentlich alles auf die Rechnung dieser Piratenbande mit ihren perversen Jagdspielchen.
»Sag mal... was ist denn aus dem Echsenvieh geworden, das du an Bord geholt hast?« wechselte er das Thema. »Ist der noch am Leben? Ich kann mir schon denken, wieso du ihn mitnehmen wolltest. Und klar ist er dein Gefangener, nicht meiner. Aber du weißt, dass auch ich seinen Leuten eine Menge verdanke, für das ich mich gern revanchieren möchte. Wenn ich ihm also einen Besuch abstatten darf... dann hätte ich einen echten Grund, mich nochmal von diesem Bett zu quälen.«
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