Zu Mary Poppins:
Ich habe Mary Poppins vielleicht vor 30 Jahren mal gesehen und ich bin überrascht, wieviele Leute offensichtlich Mary Poppins noch so gut vor Augen haben…
Zu Lukes „Demontage“:
Ich sehe Lukes Entwicklung wie gesagt lange nicht so negativ und OoC.
Was weiß man über den OT-Luke?
Zu Beginn ist er ein Naivling, der den Krieg eher als Abenteuer sieht (aufgeregte Frage nach den Klonkriegen) – was Ben durchaus ausnutzt, indem er ihn mit dem Schwert anfixt und abfällig über Owen spricht. Was Luke dann im weiteren der Episode erfährt, betont auch eher den kriegerischen Aspekt der Jedi: das sind die, die in den Klonkriegen gekämpft haben, die die Gedanken anderer manipulieren können, die in Bars Arme absäbeln und einem als erstes mal ein paar Paraden mit dem Lichtschwert beibringen. Und am Schluss dient Lukes erste relevante Machtnutzung dazu, den TS in die Luft zu jagen. Er ist ein Held, hat der Rebellion die nötige Zeit verschafft, um zu überleben und nimmt strahlend seinen Orden entgegen. Die Geburt einer Legende. Und naiv ohne Ende.
Es ist daher auch kein großes Wunder wie es in E5 weitergeht. Luke hat sich in die militärische Struktur des Rebellen integriert und ist auf Dagobah daher auch auf der Suche nach einem „großen Krieger“. Doch als Schüler fehlt es ihm an Konsequenz und Glaube. Zudem ist er sehr stur. Allerdings zeigt er Mut, Loyalität gegenüber seinen Freunden und Entschlossenheit, als er sich lieber selbst in den Abgrund stürzt, als Vader zu folgen. Er ist auch bereit, seine Prioritäten zu ändern. War es bis dato sein großer Wunsch, Jedi zu werden, ist er bereit das aufs Spiel zu setzen, um seine Freunde zu retten.
In E6 dann der entscheidende Moment. Luke schlägt Vader, aber indem er eine Emotion der dunklen Seite nutzt: Wut. Erst als der Imperator ihn anstachelt und er die Paralleln zwischen sich und seinem Vater (Hand) bemerkt, hält er inne und verzichtet darauf, den wehrlosen Vater zu töten.
RJ hat jetzt diese entscheidenden Situation in seinem Film aufgegriffen, gespiegelt und Luke neue Facetten (Weiterentwicklung) hinzugefügt.
Wieder steht Luke mit gezündetem Lichtschwert über einem wehrlosen Verwandten und wieder hat ihn eine dunkle Emotion (Angst) an diesen Punkt geführt. Wieder schafft er es, den Moment der Versuchung an sich vorbeigehen zu lassen. Das zeigt, dass auch der ältere Luke immer noch ein Skywalker ist. Immer noch auf dem schmalen Grat zwischen hell und dunkel. Immer noch mit einer dunklen Seite, die es zu beherrschen gilt. Ich finde das passt in Anbetracht der Gesamtfamilie recht gut und besser als ein Luke, der nach Endor mit sich und seinem Erbe kein Problem mehr hat. Zudem: er führt den Schlag nicht aus. Er ist immer noch derjenige Skywalker, der der Versuchung gegenübersteht – und widersagt. Was jetzt aber interessant ist und hier sieht man eben die Veränderung, die Luke in 30 Jahre durchmacht, ist die Reaktion auf das Widerstehen:
Der junge Luke ist stolz darauf, den Wehrlosen nicht zu töten. Und er schmeißt dem Imperator diesen Stolz entgegen. Und er hat Glück, dass er nicht grundlos Hoffungen in seinen Vater gesetzt hat.
Der alte Luke ist nicht stolz. Er empfindet Scham. Es ist der Unterschied zwischen Schüler und Meister. Der Schüler empfindet stolz, wenn er eine Prüfung meistert. Dem Meister genügt das nicht, ihm kommt es auch auf das Wie an. Und er trennt hier ausdrücklich seine Scham von dem (durch einen unglücklichen Zufall forcierten) Ergebnis.
Für viele Fans ist nun schon alleine die Tatsache, dass Luke eine Prüfung nicht ohne einen schwachen Moment meistert, eine Beugung des Charakters. Aber es entspricht doch viel eher dem Original-Luke, als ein Luke, der problemlos über den Dingen steht.
Die Weiterentwicklung ist es eben nicht, dass er alle seine Fehler behebt (DAS wäre ein Bruch des Charakters), sondern, dass er einen anderen Blick auf seine Fehler und damit auf sich bekommt.
Der nächste offensichtliche Spiegel (und Stein des Anstoßes) ist die Luke/Rey-Story auf der Insel. Hier übernimmt Luke die Rolle Yodas aus E5.
Auch hier ein großer Aufschrei: Luke sei gebrochen, er sei unwürdig dargestellt, er hat alle seine Ideale verraten.
Gehen wir es mal durch: Lukes Umgang mit Rey ist recht sarkastisch. Ein Sarkasmus, mit dem er ihr ihre Flausen austreiben will. Wenn er die Notwendigkeit sieht, ist er auch durchaus noch energisch (Kylo/Rey-Szene). Nachdenklich gebrochen wirkt er nur in jenen Momenten, in denen er über Bens Wandlung spricht. Aber ist es nicht das, was viele an den Star Wars-Figuren vermissen? Mal ein bisschen Reflektion der eigenen Verluste?
Die Frage nach dem Verraten der Ideale ist eine Frage des Standpunktes. Klar, Luke hätte auch der coole ältere Kumpel sein können, der in Rey seine eigene 30 Jahre zurückliegende Dummheit sieht und sie mit einem Schmunzeln unterstützt im Sinne von „Ist bei mit gutgegangen, wird auch bei ihr gut gehen. Irgendwie“. Aber das ist halt nicht die Aufgabe eines Lehrers. Dessen Aufgabe ist es, reinen Wein einzuschenken. Zunächst muss man mal sagen, dass Lukes Einschätzung, so miesepetrig sie auch klingen mögen, zutreffend sind. Seine Warnungen in Richtung Rey erfüllen sich, es läuft nicht so, wie sie sich das vorstellt.
Auch seine Einschätzung bezüglich der Fehler der Jedi kann man teilen. Nur weil jemand nicht mehr die Augen vor einer unangenehmen Erkenntnis verschließt, heißt das nicht, dass er ein Verräter von Idealen ist. Oder schwach. Oder gebrochen. Er hat verinnerlicht, dass er damals einfach viel Glück gehabt und Yoda Recht hatte. Aber anders als Yoda zieht er aus dem eigenen Verlust/Versagen (Vernichtung des alten Ordens; Vernichtung der Akademie) eine konsequentere Schlussfolgerung. Yoda hatte – nachdem er doch noch in Lukes Ausbildung eingewilligt hat – keine Probleme damit, DASS Luke sich Vader stellt, es war ihm lediglich zu früh. Dass er und Obi-Wan Luke zu einer Waffe machen, mit dem die Feinde der Jedi besiegt werden sollen, war ausgemachte Sache. Es ging dabei um die Sache und den Weg der Jedi. Immer noch. Trotz der offensichtlichen Mängel im System. Und egal, was Yoda in E8 andeutet. Sein Spruch „Der letzte der Jedi wirst du sein“ konnte durchaus aus der Situation heraus auch als Auftrag zur Restauration verstanden werden.
(Achtung, dieser Teil ist reine Spekulation, aber keine Interpretation: Luke hat sich recht lange Zeit gelassen, bis er neue Schüler ausgebildet hat. Möglicherweise war er sich schon früh unsicher – aufgrund seiner gesammelten Erkenntnisse – ob es wirklich die beste Idee ist diesen recht dogmatischen Orden neu zu gründen. Möglicherweise war es das Auftauchen von Snoke und der KoR, die ihn veranlasst haben nochmals den alten Weg zu gehen.)
Luke hingegen sucht sich nach dem Verlust der Akademie nicht den nächsten Anwärter, um Snoke und Ben zu besiegen, sondern kommt zur Erkenntnis, dass die Jedi ein Teil des Problems sind und ein Weiter-So im immer gleichen Kreislauf münden würde. Und hier handelt er ebenso konsequent wie sein jüngeres Ich auf Bespin, der lieber springt, als sich von der dunklen Seite vereinnahmen zu lassen: wenn die Jedi nicht die Lösung sind, dann ist es auch nicht der Jedi Luke Skywalker und dann ist es konsequent, ins Exil zu gehen und sich aus der Gleichung zu nehmen. Aber auch hier wieder ein dickes fettes ABER (oder zwei): Er hat NICHT den Glauben an das Gute verloren – er setzt es nur nicht mehr mit den Jedi gleich (was er im Film ausdrücklich sagt). Und er hat auch nicht seine Menschlichkeit verloren. Er gibt Rey ihre Lektionen, aber nicht wie Yoda um der Sache der Jedi willen mit dem Schüler als Werkzeug, sondern um ihrer selbst willen und weil er von R2 daran erinnert wird, wie es ist, Hilfe zu wollen. Es ist ein menschlicher Zug.
Ich finde das IST eine Weiterentwicklung und kein Zerstören eine Figur. Lediglich der Mythos der Jedi wird angekratzt.
Und dann die Projektion und der „Kampf“ auf Crait. Wie oben erwähnt, war Lukes Einstige in die große Geschichte des Universums, sein mittels der Macht bewerkstelligter Millionentreffer und der Umstand, dass er damit die Rebellion vor der Auslöschung bewahrt hat. Kontrahent: ein Blutsverwandter im Genick. Sein Abgang hat das gleiche Ergebnis: er bewahrt den Widerstand vor der Auslöschung. Aber, wie es sich für einen Meister gehört, zieht er dabei einen Jedi-Trick aus dem Ärmel, der weit über dem Zielen in einem Cockpit hinausgeht. Auch hier der Gegner: ein Blutsverwandter. Der Kreis des Helden Luke Skywalker schließt sich.
Aber: er gewinnt diesen Kampf, ohne zu kämpfen. Defensiv, Passiv, ohne jede Aggression. Das einzige Opfer dieses Kampfes, das er in Kauf nimmt, ist er selbst. Und er hat wieder Prioritäten gesetzt: er rettet seine Schwester und ihre Anhänger. Hier scheint wieder der junge Skywalker durch.
Aber er beweist zudem, dass er nicht von einem Dogma (der Jedi-Weg ist DER richtige Weg im Umgang mit der Macht) in ein anderes Extrem verfällt (die Auslöschung der Jedi ist DER richtige Weg für die Macht). Er akzeptiert, dass sein Handeln dazu führen kann, dass es neue Jedi geben wird und er akzeptiert jetzt, dass dieser Weg zumindest möglicherweise der richtige Weg ist.
So wie Luke über Yoda hinausgewachsen ist, der die Idee des Jedi-Ordens zu Lebzeiten nicht richtig aufgeben konnte, indem er diesen Weg infrage stellte und beenden wollte, akzeptiert er, dass Rey diejenige ist, die vielleicht diese Idee, diesen Weg auf ihre Weise zu Ende bringen wird.
Ich finde diesen Luke tatsächlich würdig genug und besser durchdacht als ein Super-Jedi, der durch nichts angefochten wird.
Schade finde ich es daher, dass sich die Kritik auf (mMn) Banalitäten einschießt:
Ja ,Luke melkt eine (Space)Kuh und trinkt. Na und?
Luke wehrt Reys Angriffe lässig ab. Er hat sich nach seinem Stolperer (aufgrund von Reys Aggression mit gezündetem Lichtschwert) sofort wieder im Griff, aber diese Szene wird schon als Versagen gewertet?
Und dann die Sache mit dem Schwert. Was soll er mit diesem unglückseligen Ding denn bitte schön anfangen? Wie reagieren? Sein Vater trug dieses Schwert, als er den Orden verriet (zuvor hatte er damit schon einen ganzen Stamm Tusken niedergemtzelt). Er ermordete damit (noch als Jedi) einen wehrlosen Kriegsgefangenen. Er rettete damit Palpatine das Leben. Er ermordete damit zahlreiche Jedi und Kinder. Er wollte damit seinen besten Freund töten. Luke erhielt es mit einer fetten Lüge als Beipackzettel. Er trug es, als er dann die Wahrheit erfuhr und es wurde ihm vom eigenen Vater zusammen mit einer Hand vom Körper geschnitten. Man kann Luke lediglich vorwerfen, dass er das Ding nicht gleich ins Meer geworfen hat…