Akte #778-5244 – Bericht zu den Ereignissen am 17. Mai 744 nGS – Weinviertel, Emeralds – Ermittelnde Beamte: Wachmann Deral Orcenmaester, Wachmann Serqulin Madt, Wachmann Conner Baur Honus
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Nun wende ich mich einem Thema zu, dass bis dato in meinem Bericht keine Beachtung bekommen hat: Substanzen, die Geist und Körper umnachten und dem Bund pro Jahr unzählige Goldstücke einbringt. Eine dieser illegalen Substanzen ist Tchalc, eine pulverisierte Knolle aus den nördlichen Wäldern des wilden Zuruls, die mittlerweile anscheinend in magischen und alchemischen Gewächshäusern des Umlandes aufgezogen wird und bei Inhalation für einige Stunden einlullende Halluzinationen sorgt. Der Verkauf dieser Droge wurde in den letzten Jahren vermehrt vom RSWE gemeldet und sorgt seither für einige Probleme.
Nun hatte nach Sonnenuntergang am 16. Mai des Jahres 744 nach dem Stern Antonia Pipetta die Gnomin Trixxie, den Barden Cesare Gremaldi und den Cromsheller Kaica in die Geschäftsräume des Bundes eigenen Badehauses "Wasserrose" einberufen und die Schläger wurden von Bademeister Maleko unterstützt, der sich immer noch wunderte, warum Pipetta ihn in der Bundeshierarchie überholt hatte.
Pipetta erklärte, dass der Bund seit Beginn der Untotenplage einige Probleme hatte und das eines davon der schwindende Umsatz von Tchalc wäre. Bis auf Trixxie hatten alle schon einmal von der Substanz gehört und sie lauschten neugierig, als sie erläuterte, wie sie die Verluste der letzten Monate ausfüllen wollte: da die meisten Tchalc-Verkäufer sich Nachts nicht mehr auf die Straße trauten, war es nun die Aufgabe der normalen Agenten, sich mit dem Thema zu befassen. Sie sollten auf den Teodus-Eufrit-Platz und den Heiliger-Martin-Platz im Weinviertel vierzig Döschen mit je fünfundzwanzig Gramm des Knollenpulvers unter die Leute bringen und für jede Portion sechs Goldstücke einnehmen. Als Bezahlung sollten sie zwei Platinmünzen erhalten.
Falls sie zudem mutig genug wären, könnten sie auch den Platz der Republik im Senatsdistrikt einschließen... frech war der Bund geworden, direkt vor den Senatsgebäuden solch verwerflichen Geschäfte abzuhandeln, aber ich will mich direkt auf den Fall konzentrieren.
Gremaldi gab nun zu bedenken, dass man ihn als Poeten in der Stadt kennen würde und man ihn erkennen könnte und Pipetta meinte nur entnervt, dass sie sich als Tchalc-Verkäufer eh von Vertretern der Stadtwache fern halten sollten. So hätten sie auch keine Probleme, alle Portionen zu verkaufen. Kaicer wollte nun wissen, was passieren würde, wenn sie nicht alle Döschen unters Volk bringen konnten und Pipetta zuckte hilflos mit den Schultern. Dann schwang sie den Zeigefinger und deutete eine seichte Schelte an, was Kaica nur erleichtert grinsen ließ. Maleko war nicht ganz so überzeugt von der Aufgabenstellung und seufzte, dass sie sich am Teodus-Eufrit-Platz erst einmal arbeite wollten, bis sie die anderen Gebiete beliefern würden. Pipetta lächelte ihn an.
Noch einmal wollte Kaica sicher gehen und fragte nach, ob sie auch mehr Geld für ein Döschen verlangen könnten und Pipetta nickte. Sie meinte aber auch, dass sie mit zu hohen Preisen die Kunden nicht verschrecken sollten. Sie sprach zwar nicht aus, dass dieser Bonus auch in die Taschen des Bundes wandern sollte, aber in diesem Geschäft war dies ein ohnehin ungeschriebenes Gesetz... das Kaica anscheinend nicht kannte...
Schon wollten sich alle mit einem ledernen Sack voller Tchalc-Döschen auf den Weg machen, als Pipetta ihnen noch einen kleinen Beutel mit vier Rübenzuckerlutschern entgegen streckte. Maleko fragte skeptisch, warum sie ihnen dieses Geschenk machte und Pipetta meinte nur lächelnd, dass sie die Agenten halt mochte.
So machten sie sich auf, in Richtung Weinviertel und den Brunnenweg entlang schlendernd. Die Sonne war bereits untergegangen und sie während sie durchs Kastellanviertel wanderten, erkannten sie nicht, dass sie bereits beobachtet wurden. Vermutlich darum (und weil er anscheinend vergessen hatte, dass Maleko ebenfalls ein höheres Tier im Bund war) erklärte Kaica nun seinen Plan, das einzunehmende Geld schon im voraus vorzustrecken, dann mehr für das Tchalc zu verlangen und die überzähligen Münzen in der eigenen Tasche zu behalten. Entsetzt sah Trixxie von ihm zu Maleko, wusste sie doch genau, welche Funktion ihr Freund in der Organisation inne hatte und erst als der muskulöse Bademeister missmutig den Kopf schüttelte, hielt Kaica seinen Mund. Ein solches Vorgehen sei nicht im Sinne des Bundes, erklärte Maleko.
Was sie machen sollten, wenn sie von Beamten der Stadtwache konfrontiert werden würden, wollte Gremaldi wissen und wieder fing Kaica damit an, dass es schon alleine darum eine gute Idee wäre, das Geld im Vorfeld auszulegen. Wieder wurde er scharf von Maleko zurecht gewiesen. Dem Bund würde es nicht nur um die Münzen gehen, erklärte er wütend, sondern auch um die zufriedenen und vor allem wiederkehrenden Kunden.
Aber was sollten sie denn nun machen, falls die Stadtwache auftauchen sollte, fragte Kaica resignierend. Maleko winkte ab und meinte, sie sollten sich einfach nicht erwischen lassen. Leider hatte er nur zu Recht, was die Kompetenzen des RSWEs belangen... meine Kollegen hatten seit einiger Zeit kein gutes Händchen und deshalb hatte der Tchalc-Handel auch derart gut florieren können.
Sie hätten immer noch Gremaldi, erklärte Maleko, und sollten Stadtwachen sie aufhalten, könnte er immer noch seine Künste spielen lassen. Dann schaute der Bademeister den Barden an und fragte dann zögernd, was Gremaldi denn überhaupt so können würde. Verletzt blinzelte Gremaldi den älteren Mann an. Erst Trixxie entspannte die Lage, als sie anmerkte, dass sie mit dem Tchalc schnell und unbemerkt das Weite suchen könnte.
Maleko nickte zufrieden.
Als Kaica erneut ansetzen wollte, um eigene Pläne einzuflechten, schüttelte nun auch Gremaldi nervös den Kopf und meinte, dass er wüsste, was man mit abtrünnigen Bundagenten machte, schließlich hatten sie schon ähnliche Aufträge erfüllt. Er wollte nicht so enden, wie diese unglücklichen Idioten. Auch sollten sie sich nicht aufteilen, um die Ware unter die Kundschaft zu bringen, schließlich waren die Nächte in Emerald immer noch reichlich unsicher, steiften immer noch einzelne Untote durch die dunklen Gassen und fand der RSWE und die Tempelwächter immer wieder kleinere Nester der Wiedergänger.
Sie sollten zusammen bleiben, dies sei am sichersten.
Auf dem Weg zum Teodus-Eufrit-Platz scherzten sie und taten so, als würden sie kein Verbrechen begehen wollen, als seien sie wirklich ein produktiver Teil unserer Gesellschaft. Gremaldi lachte, dass sie das Tchalc ja selber konsumieren könnten und gleich wollte Maleko sechs Goldstücke von ihm, bot nach einem Augenblick aber sogar sechs Goldstücke als Belohnung, würde der schmächtige Mann die ganzen Döschen leer schnupfen. Anscheinend hatte er den Streit mit Kaica vergessen und war froh, dass der Teodus-Eufrit-Platz nicht in der Nähe seines Hauses lag, das er sich im Weinviertel gekauft hatte.
Erst als Gremaldi überlegte, dass der Weg zur Emer nicht allzu weit wäre und man die Döschen im Notfall in den Fluss werfen könnte, verfinsterte sich die Miene des muskulösen Bademeisters wieder. Sehr nahe trat er an den verängstigten Jüngling heran und grollte ihm zu, dass er sogleich auch in die Fluten der Emer wandern würden, käme es zu so einer Situation. Gremaldi entschuldigte sich merkbar erschüttert.
Der Teodus-Eufrit-Platz war nach Sonnenuntergang ein ruhiges Örtchen. Geschlossene Marktstände ruhten an den Hauswänden der zwei- bis dreistöckigen Gebäude, ein kleiner Brunnen mit der Statue des Großen Germold ruhte zwischen Sitzbänken, schmalen Grünstreifen und schön gestutzten Bäumen.
Niemand war mehr dort zu sehen und nur kurz konnten Maleko und Gremaldi einen Schatten an einem der Bäume sehen, dann waren sie mit der nächtlichen Ruhe alleine. Maleko flüsterte, dass er einen der Wiedergänger befürchtete und Gremaldi nickte nur ängstlich.
Sich umsehend setzte sich Maleko mit dem Sack voller Tchalc auf eine der Bänke, während sich die anderen an den Hausecken und Bäumen verteilten und angespannt lauschend warteten.
Nach fast einer Stunde des Wartens und des nervösen Umblickens, ob doch noch ein Untoter oder Beamter des RSWE auftauchen würde, bemerkte Kaica zwei junge Männer, die sich unsicher dem Platz näherten. Ein Halbelf und ein Mensch in leichter, moderner Kleidung, die sich noch kurz besprachen und dann auf Maleko zusteuerten, bis sie Kaica in den Schatten der Straßenecke sahen. Zögerlich und verschreckt fragten sie nach Tchalc, ganze zehn Dosen wollten sie erwerben. Als Kaica nach dem Geld fragte, holte der Halbelf einen Münzbeutel mit sechs Platinstücken hervor und zufrieden brachte der Cromsheller seinem Kollegen die Ausbeute. Gremaldi brachte die Döschen zu den beiden Kunden, die nach einem Tragebeutel fragten und umständlich davon eilten, als der Barde den Kopf schüttelte.
Weiter drehten die bewachenden Schläger ihre langsamen Runden auf dem Platz und Maleko, immer noch auf der Bank sitzend, schaute prüfend in den Himmel. Kein Stern war zu sehen und es roch leicht nach Regen. Ein leichter Wind kam auf und diesmal war es Trixxie, die stutzte: hatte sie einen davon huschenden Schatten gesehen, der sie beobachtet hatte?
Kurze Zeit später wankte ein Betrunkener eine Straße weiter langsam durch das Viertel, übergab sich an einer Hausecke und beschwor einen ganzen Chor an erzürnten Nachbarn hervor, die aus den Fenstern schrien und nach Ruhe verlangten.
Trixxie und Kaica sehnten sich nach der Aufregung eines üblichen Auftrages. Sie langweilten sich und ihre Gedanken streiften umher, bis die Gnomin erschrocken zusammen fuhr, als plötzlich ein Halbling neben ihr stehte. In feiner Weste und Dreiviertelhose gekleidet, balancierte er auf seinen nackten Fersen, während er einen feinen Stock hinter dem Rücken in beiden Händen hielt. Er lächelte sie unschuldig an.
Was er wollte, verlangte Trixxie nüchtern zu wissen und der Halbling erwiderte, was sie denn so hätte. Was er bräuchte, warf Trixxie ihm den Ball zu, vielleicht etwas für die Nase? Ein bisschen, meinte der Halbling und zog theatralisch die Nase hoch.
Maleko bekam auf seiner Bank die Unterhaltung mit und winkte Trixxie herbei, der Halbling verstand die Geste aber falsch und ging selber mit kleinen Schritten in Richtung des großen Mannes. Schnell eilte ihm die Gnomin nach und stellte sich ihm in den Weg. Der Halbling lächelte sie nur weiter an. Dann ging er um die verdutzte Gnomin herum und legte Maleko sechs Goldmünzen aufs breite Knie. Immer noch lächelnd.
Trixxie drehte sich genervt ab und schrie kurz erschrocken auf, als wieder eine schattenhafte Gestalt vor ihr stand: dieses mal war es Antonia Pipetta. Die Frau tätschelte der kleineren Gnomin den Kopf und trat dann neben den Halbling, begrüßte ihn freundlich und tauschte einige kurze Sätze mit ihm aus, wie man das mit einem alten Kunden so macht und sah dann zu, wie Maleko ihm eine Dose mit dem Tchalc-Pulver gab.
Dann streckte sie die Hand aus und verlangte nach den bisherigen Einnahmen. Maleko gab ihr die Münzen des Halblings und deutete dann auf Kaica, der immer noch in eine der Straßen starrte und nichts von all dem mitbekommen hatte. Neben ihm stand Gremaldi, der neugierig in Richtung Maleko und Pipetta blickte.
Sich bedankend ging Pipetta zu Kaica, steckte das Säckchen mit den Platinmünzen ein und verabschiedete sich. Dann verschwand sie in die Nacht.
Wieder warteten sie und nichts passierte. Nach zwei Stunden entschieden sie sich, zum Heiligen-Martin-Platz zu gehen, vielleicht hatten sie dort mehr Erfolg, war es nun bereits nach Mitternacht und lag dieser Platz zentraler im Weinviertel, auch wenn er verschlafener als der Teodus-Eufrit-Platz war. Aber vielleicht war das ja der Schlüssel zum Erfolg, überlegten sie.
Auf dem Weg durch die dunklen Straßen wichen sie einigen Nachtwächtern aus und blickten sich nervös nach jedem Geräusch um, dann stand plötzlich ein großer Mann vor ihnen, sichtlich orkblütig und mit einem verkrusteten Schlagring bewaffnet. Er verlangte all ihr Habseeligkeiten und selbst als Maleko ihm zugrollte, dass dies eine schlechte Idee war, wollte der noch deutlich größere Mann nicht von seinem Raub ablassen.
Noch bevor Kaica und ein auflachender Gremaldi ihre Waffen ziehen konnten, schoss ein Bolzen aus den Schatten hervor und grub sich tief in das nachgebende Knie des Orkbluts. Schreiend kippte er zur Seite.
Kaica und Maleko konnten noch eine dunkle Gestalt auf einem der Dächer erspähen, dann war sie verschwunden und Maleko packte Trixxie und alle liefen los, als die ersten Nachbarn, geweckt durch die Schreie des Halunken, nach der Wache riefen und sich lautstark darüber beschwerten, dass sie keine Nacht durchschlafen könnten.
Als sie am Heiligen-Martin-Platz ankamen, erkannte sie sofort, dass sie auch hier nicht alleine waren. Der Platz ist klein und eigentlich nur ein L-förmiges, schmales Loch zwischen einigen Wohnhäusern, das mit einigen Sitzbänken und halbwegs großen Grünflächen mit einigen Büschen und Bäumen gefüllt ist, aber genau das macht den Platz sehr attraktiv für Obdachlose. Einer dieser Männer hatte es sich auf einer der Bänke gemütlich gemacht und wurde gerade von drei Beamten des RSWE umringt, die ihn zu wecken versuchten.
Maleko, immer noch seine gnomische Freundin tragend, wollte nun nicht, dass die Wachen Verdacht schöpften und kehrte so nicht um, standen sie doch schon zwischen den Grasflächen des Parkes. Stattdessen schlenderte er auf eine andere Gasse zu, die nach Norden weg führte und die anderen folgten ihm.
Ob es nicht zu spät für ein kleine Kind sei, rief einer der Wachen ihm nach und dass sie stehen bleiben sollten. Maleko stellte Trixxie auf ihre Beine und zwei der Nachtwachen kamen auf sie zu, grüßten sie und entschuldigten sich dann, als sie ihren Irrtum erkannten. Trixxie nickte nur entlastend.
Kaice meinte, dass sie noch auf einer Feier waren und einen Barden bei sich hatten, meinte dann zu Gremaldi, er solle etwas anstimmen. Doch bevor der zu einem seiner Gedichte ausholen konnte, wurde er von einem der RSWE Beamten gebeten, nicht noch mehr Lärm zu machen, die Anwohner hier wollten letztendlich schlafen.
Auch sollten sie aufpassen, immer noch würden vereinzelte Untote die Nacht unsicher machen, am besten würden sie nach Hause gehen. Die Bundagenten bedankten sich und wünschten den Nachtwachen noch eine ruhige Schicht, dann verschwanden sie in einer der Gassen.
An einer ruhigen Ecke blieben sie stehen. Wollten sie weiter zum Senatsdistrikt, um auf dem Platz der Republik nach Kunden zu sehen? Oder zum Teodus-Eufrit-Platz zurückkehren? Gremaldi meinte nur, dass sie besser erst nächste Nacht weiter machen sollten, was Kaica unterstützte. Maleko sah sie grimmig an, wollte er die ganze Aktion nicht unnötig hinauszögern. Doch war die Stimmung der Halunken mittlerweile nicht die beste und Kaica versprach, auf das Tchalc aufzupassen. Am nächsten Tag sollten sie sich bei Sonnenuntergang am Teodus-Eufrit-Platz treffen und dort weitermachen, wo sie aufgehört hatten.
Zufrieden mit sich stapfte der Cromsheller mit dem ledernen Sack in Richtung Emer, wo seine Wohnung lag.
Maleko wollte die Nacht noch nicht zu ende gehen lassen: er lud Trixxie zu einem Ausflug zum Platz der Republik ein und versprach ihr, dass sie heute wieder bei ihm übernachten könnte. Als sich nun auch Gremaldi anschließen wollte, den Senatsdistrikt auszuspähen, meinte Maleko nur kalt, dass der Barde besser heim gehen sollte. Gremaldi hatte den nächtlichen Verkaufszug unterbrochen und wollte nun doch weiter umherziehen? Dies wollte Maleko nicht akzeptieren...
Kurz versuchte sich Gremaldi noch gegen den muskulösen Mann zu wehren, dann gab er aber nach, als sich Maleko vor ihm aufbaute und immer näher rückte. Seufzend verschwand der Barde in den nächtlichen Straßen.
Zusammen schlenderten Trixxie und Maleko über den nächtlichen Platz und wirklich auffallen tat die Gnomin und der tätowierte Mann nicht. Denn selbst in dieser Zeit der Untotenplage waren hier noch mehrere Dutzend Heranwachsender und Freidenker zugegen, die Gedichte vortrugen, Wein tranken und besseres zu tun hatten, als einer gesunden Arbeit nachzugehen.
Nur einige Wachtruppen waren unterwegs, um die Senatsgebäude und den Platz zu sichern und als sich die beiden zu einer kleinen Gruppe stellten, wurde ihnen Wein aus der Flasche angeboten und sie lauschten kurz den Diskussionen über nervige Eltern, die neue Ausbildung, das Ausziehen von Zuhause und den verstorbenen Onkel, den man eigentlich gerne mochte.
Maleko mischte sich weiter in das Gespräch und meinte, ob sich die Anwesenden nicht einmal richtig entspannen wollten. Eine junge Frau meinte, dass dies nicht mehr gehen würde, da überall Zombies unterwegs wären und es keine Drogen mehr zu kaufen gäbe. Maleko grinste Trixxie an und erklärte, dass der Handel wieder ins Laufen kommen würde. Er wurde seltsam angeschaut und als ein junger Mann den Kopf schüttelte, erklärte Maleko, dass am Teodus-Eufrit-Platz an diesem Tage wieder Tchalc angeboten worden war. In der nächten Nacht würde dies wieder so sein.
Die Heranwachsenden schauten sich erfreut an und bedankten sich für die Information, dann verabschiedeten sich die beiden Bundagenten und wanderten zu Malekos Haus, um dort gemeinsam die Nacht zu verbringen.
Kaica war mit dem Sack voller Tchalc-Döschen beinahe schon am Mietshaus an der Emer angekommen, in dem er seine Wohnung gekauft hatte. Es ging auf die dritte Stunde nach Mitternacht zu und das Weinviertel war in den Wohnstraßen still wie ein Grab. Schon konnte er die Seitenwand des großen Gebäudes sehen und beschleunigte lächelnd seinen Schritt, als er von hinten mit etwas hartem am Kopf getroffen wurde und seine Welt wurde schwarz...
...als er wieder zu sich kam, graute schon der Morgen und er sah gerade noch, als er so im Dreck der Straße lag, wie ein barfüßiges, in Lumpen gekleidete Mädchen mit seinem Geldbeutel davon lief. Schon tastete er ächzend nach dem ledernen Sack, als er die gepanzerten Stiefel zweier RSWE Beamter vor sich zum Stehen kommen sah. Eine weibliche Stimme fragte ihn, ob es ihm gut ginge.
Er fühlte vorsichtig seinen Hinterkopf und stellte erleichtert fest, dass es sich nur um eine Beule handelte, ächzte dann mit trockener Kehle, dass er überfallen worden war. Was er vermissen würde, wurde gefragt und er meinte, dass er einen Sack vermisse. Was darin wäre, war die nächste Frage und Kaica log, dass es sich um kleine Käselaibe handelte.
Die Wachfrau reichte ihm einen Wasserschlauch und half ihm empor, während ihr Kollege einen kleinen Kohlestift und ein Notizbüchlein heraus holte und Stichworte aufschrieb, wie es im RSWE normale Vorgehensweise war, gab es einen solchen Zwischenfall. Kaica gab den Namen Roland an, wollte er doch nicht erneut in den Akten auftauchen und er wollte weder zur nächsten Wachstube geführt werden, noch eine Anzeige machen.
Als er nach anderen gestohlenen Dingen gefragt wurde, gab er seinen Geldbeutel mit sechs oder sieben Silberstücken an. Sein restliches Geld hatte er zum Glück in seiner Wohnung. Die Wachfrau brachte ihn noch bis zur Haustüre, dann bedankte er sich und winkte jede weitere Hilfe ab.
Er hörte noch, wie sich die Frau enttäuscht darüber äußerte, dass er ja eigentlich recht süß gewesen wäre (und ja: Kaica ist für sein gutes Aussehen bekannt, aber wenn schon RSWE Beamte sich davon blenden lassen... nein!), dann setzte er sich in seinen Sessel und überlegte mit dem Kopf in den Händen, was er nun machen könnte.
War er vom selben Kerl überfallen worden, der zuvor das Orkblut mit dem Bolzen ausgeschalten hatte? Und wie sollten sie dem Bund diese Entwicklung beibringen? Er hatte nicht genügend Geld, um das Tchalc vollends zu ersetzen. Nach einer Stunde legte er sich in sein Bett und versuchte zu schlafen.
Als er aufwachte, fühlte sich sein Kopf besser an, aber ihm war immer noch leicht schlecht. Er verließ seine Wohnung und suchte die Straße nach Hinweisen über den Überfall ab, fand aber in den nun gut frequentierten Häuserschluchten nichts. Also wanderte er gedankenverloren zum Teodus-Eufrit-Platz, wo die Marktstände Gemüse, Obst, gegrillte Spießchen und Töpferware verkauften, Kinder spielten und ältere Bürger Tauben fütterten (leider, die Taubenplage konkurrierte in dieser Zeit tatsächlich schon beinahe mit der Wiedergängerplage und der RSWE versuchte verzweifelt, solche Fütterungen zu unterbinden).
Er setzte sich auf eine der Bänke und dachte suizide Gedanken.
Gremaldi, der vor dem Treffen noch einige Münzen verdienen wollte (schließlich zahlte er immer noch seine Schulden an Guntram Rosenblatt zurück), sah den Cromsheller dort sitzen und leistete ihm Gesellschaft. Als Kaica ihn um einige Kupfermünzen bat, da er all sein Geld in den Wirren des Tages zuhause vergessen hatte, kramte der Barde die Münzen hervor und fragte dann, was überhaupt mit Kaica los sei. Der erzählte zögerlich von seinem Missgeschick und bleicher und bleicher wurde das Gesicht Gremaldis.
Wortlos kaufte Gremaldi beiden etwas zu essen, dann saßen sie stumm auf der Bank, während Stadtwachen Tauben fütternde Bürger ermahnten und Mütter ihre Kinder von den Bänken wegzogen, als diese Kaica erklimmen wollten.
Maleko hatte diesen Tag keine Arbeit im Badehaus. Er verbrachte ihn mit Trixxie und als die Sonne hinter den Häusern verschwand, wanderten die beiden zum Teodus-Eufrit-Platz und entdeckten die beiden Männer zu ihrer Überraschung zwischen den gerade schließenden Ständen und nach Hause gehenden Bewohnern des Viertels.
Leise und ängstlich erkärte Kaica, was geschehn war. Maleko sah ihn nur an und meinte dann nüchtern, dass dies schlecht sei... dann berührte er die Beule an Kaicas Hinterkopf, um sicher zu stellen, dass der Mann den Raub nicht erdacht hatte (und um Kaica auf diese Art zu bestrafen). Kaica schrie schmerzerfüllt auf.
Was sollten sie nun machen? Neues Tchalc aus ihrer eigenen Tasche besorgen und dem Bund nicht sagen, was passiert war? Die bekannten Plätze überwachen und den Täter beim Verkauf der Drogen erwischen? Oder war dies zu riskant für die Kunden, die der Bund nicht verlieren wollte? Und an diesem Abend würden noch mehr Kunden auftauchen, dank Malekos Werbegespräch in der letzten Nacht.
Gremaldi meinte, dass einer der Kunden vielleicht sogar ein Spitzel gewesen war und die Lage für den Raub ausgekundschaftet hatte. Und tatsächlich hatte er zum Teil Recht: es war tatsächlich ein Spitzel unterwegs gewesen, aber nicht so, wie sich Gremaldi das ausgedacht hatte...
Sie entschieden sich, dass Trixxie und Maleko zum Platz der Republik mit offenen Augen zum Platz der Republik gehen sollten. Gremaldi Aufgabe war die Überwachung des Heiliger-Martin-Platz und Kaica sollte am Teodus-Eufrit-Platz warten, bis sich etwas Auffälliges ereignete. Würde sich gar nichts mehr drehen lassen, würden sie alle zusammen legen, um eine neue Ladung Tchalc für den Bund zu kaufen und die Kunden zu beliefern.
Schon wollten sie aufteilen, als sie erstarrten. Durch die sich ausdrünnende Menge auf dem Platz kamen Pipetta und die Zwergin Umm auf sie zu, die kleinere Frau in einen dunklen Umhang gehüllt und unter dem Stoff mit etwas hantieren. Sie wussten, dass die zwergische Diebin stets mit allerlei Klingen und Handarmbrüsten ausgerüstet war und sie zu nutzen wusste.
Pipettas düsterer Gesichtsausdruck war für die Bundagenten schwer einzuordnen, Umm jedoch wirkte offen aggressiv. Leise fluchte Maleko, dann stellte er sich schützend vor die Gruppe.
Wie die Verkäufe vorangingen, wollte Pipetta mit eisiger Stimme wissen. Stockend, antwortete Maleko. Pipetta hob erwartungsvoll eine Augenbraue und Maleko schluckte, deutete dann auf Kaica, der bedrückt hinter ihm stand. Als sich Pipetta und Umm zu ihm drehten, murmelte er zögerlich, dass er den Beutel verloren hatte. Er beschrieb kleinlaut, was ihm zugestoßen war und schnell fügte Maleko hinzu, dass sie bereits einen Plan hatten, den Schaden wieder gut zu machen. Trixxie und Gremaldi sahen nur erstarrt Umm an, die immer noch Kaica anfunkelte und etwas unter ihrem Mantel hielt.
Sekunden vergingen, ohne dass jemand auch nur ein Wort sagte. Maleko nickte Pipetta optimistisch zu. Die Spannung zwischen den Bundmitgliedern staute sich für alle Beteiligten weiter an.
Dann grunzte Pipetta verächtlich und zischte, dass sie froh sein konnten, dass Umm den Strauchdieb gefunden und ausgeschalten hatte und der Sack mit dem Tchalc unbeschadet wieder im Besitz des Bundes war. Sie drehte sich um, Umm nach einem drohendem Blick einige Augenblicke später und über ihre Schulter meinte Pipetta nur, dass sie ihre Bezahlung vergessen könnten.
Zusammen mit Umm verschwand sie vom Teodus-Eufrit-Platz und ließ die zitternden Halunken zurück. Und wirklich: sie waren zwar dem Zorn des Bundes entgangen, hatten aber nun dennoch einen Schandfleck und wussten, dass sie in Zukunft näher überwacht würden oder sich einen erneuten Fehltritt nicht erlauben konnten.
Hätte Umm jedoch nicht die ganze Nacht auf der Lauer gelegen (ja, die Zwergin war es gewesen, die immer wieder als Schatten gesehen worden war und die dem Orkblut den Bolzen durchs Knie gejagt hatte), hätte sie den Bund-fernen Gauner Bubu Ganelli nicht beim Raub des Tchalc beobachtet und wenige Minuten später den leblosen Körper in der Emer versenkt. Aber so wurde wieder ein Kleinkrimineller dem organisierten Verbrechen in Emerald geopfert und die Schatten in der Stadt mit Blut und dem Leid ahnungsloser Bürger gefärbt.
Mögen die Götter Mitleid mit all denen haben, die dem Tchalc verfallen sind und möge das Licht der Ordnung die Geister der verblendeten Schurken erhellen, die ihr eigenes Heim in einen Platz des Chaos verwandeln.
Die Hoffnung treibt mich an.
Ignazom Korbi