Bericht 5
Ein dunkles Geheimnis
Persönliche Aufzeichnung zu den Ereignissen im Emeralder Widerstand am 17. und 18. August 747 nGS
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Ich hatte einige Agenten des Bundes in den Lindenweg geladen, um dem Geheimnis der Hexen nun endlich auf den Grund zu gehen. Ich wusste, dass sie besondere Fähigkeiten hatten, der Sache auf den Grund zu gehen und ich hatte mir meine Gedanken gemacht, wen ich aus welchen Gründen in diese Operation einbinden würde: persönliche Erfahrungen, Loyalität und Sachverstand.
Freilich ist Loyalität hier eine Sache für sich, sprechen wir immer noch von Mitgliedern des Bundes und ich denke, dass sie diesem zu aller erst die Treue halten, nicht mir. Aber der Bund ist nun mal Teil des Widerstandes und ich vertraue, dass die Bundväter darauf achten, dass sie das Ziel mit all ihrer Kraft verfolgen.
Auch Guntram Rosenblatt, den Sohn meiner Gastgeberin, hatte ich einbestellt und da er die Nacht bei der Frau verbracht hatte, mit der er seit dem Winter eine Beziehung pflegte, führte ihn sein Weg an diesem überaus heißen Vormittag vom noblen Viertel Am Ufer über die Lowanna-Brücke, wo elf sichtbar zu Tode gefolterte Männer und Frauen aufgebunden waren. Mit Entsetzen erkannte Rosenblatt die drei Orks, die seinen Vater und den orkischen Schamanen nach Emerald begleitet hatten und auch den Ork Sunsun, einer der Männer von Greta O'Garl (siehe Akte #776-5202a-e). Neben ihnen hingen Nicantis Teleri (siehe Akte #776-328a-f), der elfische Säuberer des Bundes, und eine Frau mit Brandnarben im Gesicht, die Rosenblatt nach schnell als eine Bundsprecherin erkennen konnte, die nur unter dem Namen "die Vermummte" aufgetreten war. Wieder daneben hingen Bundvater Mundo, Bundvater Darliun Sbhekt und drei niedere Bundagenten, die Rosenblatt vom Sehen kannte.
Rosenblatt war erleichtert, dass sein Vater Chansomps anscheinend den Klauen der Weiber entkommen war und erreichte wenig später das Haus seiner Mutter.
Die anderen - die gnomische Diebin Trixxie, der "Dichter" Cesare Gremaldi, die feline Sturmbarbarin Tiarbejeh (oder auch Chitani) aus der östlichen Steppen (und dieses mal gezielt ohne ihre Tod und Chaos bringende Schwester!), der Pilõsan Esteban del Rio Cerveza (der sich immer noch Don - "Herr" in der Gemeinsprache - nannte) und der Halbelf Nemaides - warteten schon dort im Keller auf ihn, in den ihn seine Mutter nach einer herzlichen Umarmung schickte und dort hatte ich schon allen Tee angeboten und mir finstere Blicke von Nemaides eingefangen... aber auch ihn brauchte ich für meinen neuen Plan. Vor allem ihn.
Ich erklärte schnell, dass mir der Kriegszustand Kopfzerbrechen verschaffte und dass ich endlich hinter die Motive und den Ursprung der Priesterinnen kommen wollte, die als Mitglieder des "Weges des Schicksals" in Emerald ihren Anfang genommen hatten. Ich erläuterte, dass ich viele Nächte neben dem grotesken Körper Tikvahs verbracht und sie zu den Hexen befragt hatte und natürlich verriet ich ihnen nicht, dass ich auch Fragen über sie als Bundagenten gestellt hatte und mir Tikvah half, diese Sammlung an Berichten zu erstellen, zu denen ich meine Aufzeichnungen aus dem Widerstand heften werde.
So manches Rätsel über die Verbrechen der letzten Jahre wurde so gelüftet, doch über ihre alten Kameraden wollte oder konnte mir Tikvah nichts sagen.
Nur, dass eine gewisse Carthya im Fleischtempel (vermutlich der Bluttempel auf dem Johb-Feld) saß und die Hexen alles vertilgen würden, könnte man sie nicht aufhalten.
Und dann verriet ich ihnen, warum ich sie alle hier her gebeten hatte: ich brauchte eine lebendige Hexe, um sie zu verhören. Nemaides grinste mich wie ein hungriges Raubtier an und kurz überlegte ich, ob es vielleicht ein Fehler gewesen war, direkt ihn mit einer solchen Aufgabe zu behelligen.
Rosenblatt wollte wissen, ob jemand wüsste, wo der Rabe wäre und als Gremaldi nachfragte, wen der Halbork meinen würde, erklärte Rosenblatt ihm von der schattenhaften Gestalt, die seit einigen Wochen sein brutales Recht in den Straßen der Hauptstadt vollstreckte und immer wieder Hexen und deren Gehilfen ermordete. Der in den Schatten vor allem unter dem Namen "Schwarzschnabel", "der Rächer" oder eben auch "Rabe" bekannt war.
Doch niemand hatte wirklichen Kontakt mit dem Unbekannten gehabt und einige hatten ihn nur kurz in Aktion gesehen.
Nemaides änderte schlagartig das Thema, als er von mir wissen wollte, wie verletzt die Hexe sein dürfte. Ich meinte, dass ich auf seine Erfahrung bauen würde, schließlich sollte er das Verhör übernehmen und wieder wirkte der Halbelf eher wie ein tollwütiger Wolf, als ein zivilisiertes Wesen.
Wohin sie die gefangene Hexe bringen sollten, wollte Tiarbejeh wissen und ich sagte "hier in den Keller". Rosenblatt sah mich entsetzt an und fragte, ob seine Frau Mutter davon wüsste und damit einverstanden sei und ich versicherte ihm, dass ich sie konsultiert hatte und in ihrem völligen Einverständnis handelte.
Und so machten wir uns an das Erstellen eines Planes: mit einem als Bettler verkleideten Gremaldi wollten sie einen kleinen Trupp anlocken, reagierten die Hexen doch eher empfindlich auf das Auftreten von Gesindel und in einem Hinterhof sollte es geschehen, wo keiner so schnell ein kleines Scharmützel mitbekommen würde. Dort wollten sie eines der Weiber betäuben und immer abenteuerlicher wurden die Gedanken der Agenten.
Mit Bärenfallen und herabhängenden Haken, mit Netzen und Knüppeln, mit Fußangeln und vergifteten Nagelbrettern wollten sie die Hexe ausschalten und die Beamten des RSWEs, die mit ihr gingen, durch einstürzende Torbögen und Pfeile aus Bögen und Armbrüsten aus dem Weg räumen.
Im Südlichen Viertel sollte dies ungestört gehen, warf ich ein und mit Stroh wollten sie den Boden des Hofes überdecken, damit die Fallen nicht frühzeitig entdeckt werden sollten.
Kurz kippte die Stimmung, als Nemaides zu Bedenken gab, dass eine Bärenfalle so eingestellt werden sollte, das keine zufällig vorbeilaufende Katze sie auslösen würde, und Tiarbejeh ihn mit kalten, funkelnden Katzenaugen anstarrte, dann aber gab Rosenblatt zu bedenken, dass ihm der Plan nicht gefiel. Dass ihm dies alles zu kompliziert und übertrieben vorkam.
Wir sollten uns nur auf eine Falle und die mitgeführten Waffen beschränken, meinte er vorwurfsvoll. Er hatte Recht. Es war sinnlos, eine Ansammlung von Spielereien aufzubauen, nur damit die Hexen ohne Probleme darauf aufmerksam wurden.
Wir entschieden uns, die Falle so einfach und effektiv wie möglich zu gestalten und del Rio Cerveza erzählte, dass er aus der Zeit seiner Ankunft in Emerald noch einige Gassen und Hinterhöfe des südlichen Armenviertels genauer kannte. Er erinnerte sich an einen Hinterhof, der durch einen improvisierten Übergang noch mehr von der Frauenstraße abgeschnitten war, als üblich und falls dieser Hof noch existierte, würde er seine Kameraden dort hinführen.
Während sich der Pilõsan schon mit Nemaides und Tiarbejeh auf den Weg ins Südliche Viertel machten, eilte Rosenblatt zu einem Gemischtwarenladen im Weinviertel, dessen kleines Regal für Jagdartikel tatsächlich zwei schwere Bärenfallen präsentierte und zusammen mit einem dünnen, gut gearbeiteten Seil aus elfischer Manufaktur und einigen Goldstücken weniger machte er sich zum Kellerrestaurant "Grigors" auf, um im dort beheimateten Widerstandnest zwei Bögen und einige Wurfpfeile zu beantragen.
Auch Gremaldi und Trixxie waren los gewandert und hatten die Apotheke von Ingor Mattamilc aufgesucht und während die Gnomin an der Türe Ausschau nach unliebsamen Besuch hielt, erklärte Gremaldi dem alten Mediziner selbstbewusst, dass er ein Betäubungsmittel für seinen Lieblingsochsen brauchte. Doch Mattamilc sah Gremaldi nur skeptisch an und meinte, er sollte vorsichtig mit solchen Mittelchen sein, das Tier könnte bei falscher Anwendung sterben.
Das wäre schade, meinte Gremaldi traurig drein blickend und Trixxie verdrehte schon ächzend die Augen, als Mattamilc überraschend in seinen Schrank griff und beim Abfüllen eines weißen Pulvers erklärte, dass man zur Betäubung eines etwa siebzig Kilogramm schweren Ochsens nur eine Messerspitze voll Pulver brauchte. Anscheinend wusste er genau, dass der erwähnte Ochse viel eher eine der Hexen sein würde, aber er spielte das Spiel mit.
Gremaldi setzte noch einen drauf, als er fragte, wie man das Pulver bei einer direkten Injektion in den Blutkreislauf dosieren musste und kurz gab der Apotheker Auskunft.
Dann gab er das kleine Päckchen Gravis (eine wirklich potente Droge) an den breit grinsenden Mann, Trixxie bezahlte mit einem tiefen Seufzen die zehn verlangten Goldmünzen und zusammen gingen sie zur Wohnung von Trixxie und ihrem Freund Maleko, um den Bademeister der "Wasserrose" auch noch um seine Meinung zu bitten (und in Trixxies Fall, um ihren Liebsten einige zusätzliche Stunden nahe zu sein... wieder ist es beruhigend, dass auch solche Schurken noch Gefühle wie Liebe und Zärtlichkeit empfinden können).
Die drei Agenten, die den Hinterhof auskundschaften wollten, hatten den Rand des Kutschenwerkviertels erreicht. Wegen der Hitze des Sommers und den gelegentlichen Wachtrupps unter den Hexen waren die Straßen nicht so voll wie gewohnt und nur vereinzelte Angereiste aus dem Umland (einige davon Flüchtlinge, die glücklicherweise nicht in einer größeren Gruppe anreisten) und hart arbeitende Händler und Lieferanten quälten sich durch die staubigen Straßen.
Dann sahen die drei an einem heruntergekommenen Haus die Halbling Greta O'Garl mit dem Echsenmenschen Matiu und dem Tiefling Loen stehen, wie die Halbling an der Türe klopfte und ihr geöffnet wurde. Wie Matiu den Bewohner einfach zurück ins Haus drückte und O'Garl ihnen nachging, hinter ihr die Türe wieder schloss und Loen an der Hauswand gelehnt in die Sonne blinzelte.
Hatte O'Garl schon von der Ermordung ihres Kumpanen Sunsun gehört? Vermutlich nicht und Rosenblatt hatte auch niemandem die Identität der Hingerichteten genauer erläutert und so gingen del Rio Cerveza direkt auf Loen zu.
Tiarbejeh blieb einige dutzend Meter vom Haus an der Wand einer Taverne stehen und beobachtete die Lage, schnupperte genüsslich am offenen Fenster der Küche und sah zu, wie Nemaides den Tiefling in ein Gespräch verwickelte: ob sie hier gemeinsame Interessen verfolgen würden und ob sie helfen könnten, wollte er wissen, doch Loen winkte nur ab und meinte, dass es keine Sache des Widerstands wäre.
Del Rio Cerveza trat an die Türe und obgleich Loen schon protestieren wollte, klopfte der pelzige Barde mit seinen langen Krallen laut an und Matiu öffnete ihm mit gefletschten Reißzähnen. Wie es ihm gehen würde, wollte der Pilõsan wissen und fragend hob Matiu eine schuppige Augenbraue, dann blickte del Rio Cerveza schon an den Beinen des schwerfälligen Echsenmenschen vorbei und erkannte, wie O'Garl halb auf dem Bett, halb auf der Brust eines ihm (und auch mir) unbekannten Kleinwüchsigen stand und ihm immer wieder mit der Faust ins bereits blutige Gesicht schlug.
Der fellige Barde fragte, ob sie das etwas angehen würde und Matiu antwortete, dass dem nicht so sei. Dann schloss der Echsenmensch die Türe vor dem langen Rüsselmund.
Neugierig wandte sich Nemaides an Loen und fragte, ob sie Probleme hätten, schließlich wäre alles zur Zeit sehr gefährlich und man hätte ja erst heute Morgen einige Bundmitglieder hingerichtet. Loen wirkte bei dieser Neuigkeit nervös und stotterte, dass jemand O'Garl Geld schulden würde. Enttäuscht rollte Nemaides seine Augen und ging an den anderen vorbei, war die Sache weder für den Widerstand, noch sonderlich aufregend in seinen Augen und zusammen mit seinen beiden Begleitern ließ er das Haus hinter sich.
Ich möchte nicht wissen, was passierte, als O'Garl und ihre Männer herausfanden, dass Sunsun einer der Toten dieses Tages waren...
Als Nemaides eine neugierige Tiarbejeh über die Natur des Besuchs von O'Garl aufklärte, schüttelte sie sich nur kurz und meinte, dass dies keines ihrer Probleme war. Sie gingen weiter del Rio Cerveza nach und gelangten so ans südliche Ende der Frauenstraße, wo der Barde vor einem verwilderten Hinterhof zum Stehen kam, auf dessen Fläche vor einigen Jahrzehnten sichtbar ein mittlerweile abgerissenes Wohnhaus gestanden hatte. Zwischen dem Knie hohen Gras und den dort abgestellten und nie abgeholten Kisten und Fässern ragten alte Balken in die Höhe und ein halber Ochsenkarren bot Nistplatz für Igel und Vögel. Daneben ein ausgetrockneter Teich, der im Frühsommer durch Regen entstanden war.
Alle Türen und Fenster, die vom Hinterhof in die anliegenden Häuser führten, waren mit Brettern vernagelt und so machten sich Tiarbejeh und Nemaides daran, das Gerümpel in die eh schon schmale Einfahrt unter den improvisierten Übergang von Nebenhaus zu Nebenhaus zu stellen, um eine noch engere Gasse zu erzeugen.
Del Rio Cerveza hielt unterdes Wache auf der Straße, schaute interessiert eine tote Ratte und ein ebenfalls totes Huhn im ausgetrockneten Straßengraben an und blinzelte nur verschlafen, als ein in Lumpen gekleideter Mann leise brabbelnd vor dem Hof stehen blieb, den Kopf schüttelte und dann davon wankte.
In der Zwischenzeit hatte Nemaides einige Türen und Wandbretter in den mittlerweile aufgebrochenen (und zum Glück verlassenen) Häusern entfernt und somit einen beinahe kreisrunden Durchgang rund um den Hinterhof geschaffen, den sie in ihrer Falle nutzen wollten und als sie nach über einer Stunde mit ihrer Arbeit fertig waren, machten sie sich auch wieder zu Frau Rosenblatts Schneiderei auf, wo ich bereits wartete.
Trixxie war mit Gremaldi auch bereits von ihrer Wohnung aufgebrochen und hatte von Maleko noch einige gute Ratschläge zum Umgang und der Anwendung mit Gravis erhalten, der halborkische Sohn meiner Gastgeberin war auch schon mit der neuen Ausrüstung im Lindenweg angekommen und hatte sich mit seiner Mutter über die angespannte Lage und mich unterhalten. Ich fühle mich geschmeichelt, dass Frau Rosenblatt ein gutes Wort für mich einlegte und mich als "angenehmen Zeitgenossen" beschrieb...
Mit Tee und Keksen warteten wir in der Wohnstube, dass alle wieder von ihren Erledigungen zurück kehrten und als es langsam zu dämmern begann, waren wir wieder alle beisammen und konnten uns weiter besprechen.
Wir tauschten uns aus und warteten auf den Einbruch der Nacht und während uns Frau Rosenblatt einen kleinen Karren und einen Leinensack für den Abtransport der gefangenen Hexe aus ihrer Werkstatt kramte, erzählte del Rio Cerveza von dem seltsamen Kerl, der kopfschüttelnd den Hinterhof inspiziert hatte.
Wütend fauchte Nemaides ihn an, warum er nicht sofort Alarm gegeben hatte, doch meinte der Pilõsan nur müde lächelnd, dass Nemaides und Tiarbejeh zum Zeitpunkt des ungewöhnlichen Besuches in den leeren Häusern waren und dort gearbeitet hätten. Nemaides sah ihn lange vollends verwirrt an, dann drehte er sich entnervt ab.
Noch einmal gingen wir alles durch: Gremaldi sollte als Bettler auf sich aufmerksam machen und die Hexe in den Hof locken. Alle anderen würden in den Häusern warten, Tiarbejeh und Trixxie auf den Dächern der niedrigen Häuser. Die Stadtwachen unter der Hexe sollten dann in einem gezielten Schlag ausgeschaltet werden.
Ich schlug vor, dass Gremaldi husten oder leise um Hilfe rufen sollte, um die Hexe in den Hof zu ziehen, man entschied sich dann aber doch, dass er auf der Straße herum lungern und erst beim Auftauchen des Wachtrupps zwischen die Häuser fliehen sollte.
Die beiden Fallen, die Rosenblatt erstanden hatte, sollten die Hexe im besten Fall soweit schwächen und festsetzen, dass sie mitgenommen werden konnte. Das Gravis, das Nemaides unter Trixxies Aufsicht auf die Schneiden der Bärenfallen und die meisten Klingen, Pfeilspitzen und Wurfpfeile strich, sollte dies zudem ermöglichen.
Rosenblatt gab noch zu Bedenken, dass auch Schwarzschnabel am Schauplatz auftauchen könnte. Sollten die Widerstandskämpfer den mysteriösen Rächer erblicken, wäre es sinnvoll, ihn daran zu hindern, die Hexe zu töten. Im Idealfall könnte man Schwarzschnabel sogar für unsere Sache rekrutieren.
So begann Operation "Kesselflicker", wie del Rio Cerveza unser Vorhaben aus welchem Grund auch immer taufte und niemand von uns ahnte, dass der verwilderte Unbekannte, den der Pilõsan zuvor gesehen hatte, zu seinem (in seinen Augen vollends verunstalteten) Zufluchtsort zurück gekehrt war, in beiden Händen einen Eimer voll altem Speiseöl. Er durchsuchte die nun offenen Häuser nach den Eindringlingen, erblickte natürlich keine und begann dann, das Öl in den umliegenden Zimmern zu verteilen.
Wenn seine Zuflucht entweiht wurde, konnte er diesen Ort auch dem Erdboden gleich machen...
Während ich nun im Keller der Schneiderei wartete und mich mit Tikvah besprach (letztendlich kommen durch sie immer wieder interessante Details zum Vorschein), machten sich die anderen auf, um im Südlichen Viertel ihre Position zu beziehen.
Nemaides versteckte sich im vorderen aufgebrochenen Hauseingang, der noch zu Frauenstraße führte, Rosenblatt in einem Hauseingang des Hinterhofes und Tirabejeh und Trixxie erklommen das brüchige Dach, um sich dort auf die Lauer zu legen. Und während del Rio Cerveza hinter einigen Brettern und einer losen Türe in einer Ecke des Hofes verschwand, machte sich Gremaldi, verkleidet als bettelnder Vagabund, vor dem Eingang des Hofes sicht- und hörbar zu schaffen.
Nur Nemaides entdeckte das Öl, das auf dem Boden des unaufgeräumten Raumes verteilt war, konnte aber weder Geruch noch Konsistenz der Flüssigkeit zuordnen und als er schon den anderen Bescheid geben wollte, um alles näher zu untersuchen, gab Gremaldi einen leisen Warnlaut von sich: ein Wachtrupp war in die Straße eingebogen und schritt auf den Hinterhalt zu.
Doch waren es nicht eine Hexe und vier RSWE Beamte, wie sie in dieser Zeit so häufig auftreten, sondern zwei Hexen und sechs Stadtwachen. Gremaldi verlor die Nerven. Er zischte in den Hinterhof, dass sie den Plan verschieben müssten, machte einige schneidende Handbewegungen mit der Handkante an seiner Kehle. Doch sahen die anderen dies nicht und erstaunt sah sich Gremaldi, der in den Schatten des Hofes versinken wollte, um, als die Hexen "Da sind sie!" riefen und die Straße hinunter zeigten.
Doch nur die Wachen liefen die Frauenstraße hinunter, die Hexen nahmen sofort Gremaldi ins Visier und stürmten ihm hinterher und schnell lief er durch das zuvor erbaute Nadelöhr und an den beiden im hohen Gras gut versteckten Bärenfallen vorbei.
Schnell gab er mit einem Fingerzeichen noch an Rosenblatt weiter, dass ihm zwei Feinde folgen würden, dann kauerte er sich schon zwischen den Unrat, der im Innenhof verteilt lag.
Vorsichtig schlich Nemaides aus dem Hauseingang, als er die Wachen an seinem Versteckt vorbei laufen hörte und verwundert sah er, wie sie einige Häuser weiter die Straße hinunter einen Mann, dessen Aussehen auf del Rio Cervezas Beschreibung passte, mit ihren Waffen bedrohten und ihn aufforderten, Eimer und Fackel fallen zu lassen. Er war zurück gekehrt, um sein Werk zu vollenden und nur mit Glück hatten die Widerstandskämpfer den Hinterhof und die umliegenden Häuser nicht schon lichterloh aufgefunden. Irgendjemand schien den RSWE oder die Hexen auf die geplante Brandstiftung aufmerksam gemacht zu haben und nun meinten die Hexen, auch Gremaldi würde dazu gehören.
Doch veränderte dies im Grunde nur, dass sich die Agenten nicht um die Wachen kümmern mussten und während die nun dem fliehenden Feuerteufel durch das Südliche Viertel hinterher jagten.
Die erste Hexe, die den Hinterhof stürmte, eilte weiter auf Gremaldi zu, die andere blieb zögernd im engen Eingang stehen und sah skeptisch auf das vorbereitete Schlachtfeld, spürte sie doch, dass etwas im Schilde geführt wurde und so wurde sie von hinten überrascht, als Nemaides ein vergiftetes Wurfmesser auf ihren nackten Knöchel schleuderte und sie verwundete. Taumelnd drehte sie sich um und hielt sich gerade noch an den dort aufgetürmten Fässern fest, bevor sie zur Seite kippte.
Sie konnte das andere Weib nicht mehr warnen, bevor diese auf eine der Bärenfallen stieg und sie auslöste. Doch konnte sie sich mit einem Sprung noch zum größten Teil aus den zuklappenden Klammern retten und wurde lediglich am Fuß aufgerissen, während sie nach vorne fiel und sich mit dem rechten Arm am Boden abstützen wollte. Doch zu ihrem Unglück erwischte sie die zweite Fall und das schwere Eisen zertrümmerte ihren Ellbogen und Oberarm, was einen gellenden Schrei aus ihrer Kehle trieb.
Schnell spannte Trixxie auf dem Dach den Bogen, den Rosenblatt ihr besorgt hatte, und traf mit einem vergifteten Pfeil die Ferse der schreienden Hexe. Sie griff mit ihrer freien Hand nach hinten, um das Projektil aus ihrem Fleisch zu ziehen, sackte dann aber über den Fallen zusammen und blieb reglos liegen.
Nur die stark wankende Hexe am Eingang blieb noch eine Gefahr und so zog Nemaides seinen Rapier und hieb auf das Weib ein, doch war sie mit ihren Kräften noch nicht am Ende und sie schlug nach ihm und trat und versuchte, seine Kehle mit Fingern und Zehen aufzureißen, genauso wie seinen Bauch. Doch hatte das Gift seine Arbeit zumindest soweit erledigt, dass der Halbelf sich nur leicht nach hinten lehnen musste und die Hexe ins Leere traf.
Dann durchzog ein greller Lichtblitz den Innenhof. Del Rio Cerveza hatte sich in den Kampf eingemischt und wollte die die Priesterin vor Nemaides blenden, doch sah diese nicht in die Richtung des Barden und so verdampfte der Zauber wirkungslos an den geschlossenen Augenlidern der Agenten, die immer noch hofften, dass nicht noch mehr Wachen herbei eilen würden.
Tiarbejeh warf noch einen Dolch nach der Hexe, die erneut verwundet gegen Nemaides taumelte und kläglich versuchte, ihn zu töten, dann traf im gleichen Moment ein Armbrustbolzen Trixxies (sie hatte die Waffen gewechselt, fühlte sie sich mit ihrer Handarmbrust doch sicherer) den Nacken des taumelnden Weibes, während ein Pfeil von Rosenblatt in die nahe Wand einschlug. Gremaldis aufmunternde Rufe waren kurz zu hören, dann sackte die Hexe leblos gegen Nemaides und blieb in seinen Armen liegen.
Schnell schleifte ein herbei eilender del Rio Cerveza sie unter den alten, kaputten Wagen und ließ sie dort liegen, während sich die anderen im Hof versammelten. Nur Tiarbejeh und Trixxie blieben auf dem Dach stehen und beobachteten die Umgebung. Die Stadtwachen und der Brandstifter waren bereits in den Gassen des Viertels verschwunden.
Vorsichtig beugten sich die Agenten zur ohnmächtigen Hexe herunter und bevor sie aus den Fallen befreit wurde, brach Nemaides ihr sicherheitshalber auch den unverletzten Arm und durchschnitt ihr die Sehnen an den Fersen. Dann fesselte sie Rosenblatt mit dem mitgebrachten Seil und knebelte sie mit ihrer Robe, stopfte sie in den Leinensack seiner Mutter.
Dann hievten sie das Bündel auf den Karren von Frau Rosenblatt und zusammen mit Nemaides zog der Halbork die Beute möglichst unauffällig und ungesehen durch die Gassen der Stadt, über die Weinbrücke und zur Schneiderei seiner Mutter, während Trixxie und Tiarbejeh ihnen zum Großteil über die Dächer folgten. Nur Gremaldi und del Rio Cerveza bogen in andere Straßen ein und suchten sich einen alternativen Weg, um möglichen Hexentrupps zu entgehen.
Bald waren wir alle wieder im Keller versammelt. Während Nemaides die immer noch bewusstlose Hexe an einem Deckenbalken des Kellers an ihren gebrochenen Armen aufknüpfte, fragte ich die Anwesenden, ob sie wirklich bei dem kommenden Verhör anwesend sein wollten. Trixxie, Tiarbejeh und del Rio Cerveza entschieden, dass sie sich dies alle nicht ansehen wollten und gingen die Treppe zu Frau Rosenblatt hoch, um sich dort bekochen zu lassen.
Ich blieb mit den anderen weiter im Keller und wir warteten vor der nackten, blutenden Hexe, bis etwa eine Stunde später zu sich kam. Sie wirkte desorientiert und voller Schmerz und kurz hatte ich den Eindruck, als wäre sie ein normales, fühlendes Wesen, kein kalter, emotionsloser Tyrann ohne jegliche menschliche Züge.
Doch dann erkannte ich erneut, dass Nemaides ebenfalls auf diese Beschreibung passte, reagierte der Halbelf auf meine erste Frage "Wie heißt du?" und ihr Schweigen (sie spuckte auch in Richtung von Nemaides) mit dem erneuten Knebeln der Frau. Dann [Anmerkung fürs PSW: dies ist kein FSK18 Forum und darum lasse ich diesen Teil mal weg]
Endlich sprach die Hexe und sie nannte ihren Namen: Zha. Dann folterte Nemaides sie weiter. [Anmerkung von Minza: ebenfalls fürs Forum zensiert] All dies unterlegte ich mit Fragen über die Herkunft und die Ziele der Hexen, doch antwortete sie auf keine dieser Nachforschungen und als Nemaides ihr erklärte, dass er kreativ wäre und gerade erst angefangen hätte, verfiel die übel zugerichtete Frau in ein gurgelndes Lachen.
Rosenblatt, der wie Gremaldi mit gezogener Waffe am Rand des Geschehens wartete, meinte nur leise, dass die Hexe Ruhe und Wasser bräuchte und ich nickte Gremaldi zu: er sollte das dunkle Weib heilen, damit wir sie später weiter verhören konnten, ohne dass sie uns starb.
Doch krampfte sie unter den heilenden Händen des jungen Mannes und Nemaides stolperte überrascht nach hinten. Er fasste sich an die Schläfen, verdrehte seine Augen und wurde kurz ohnmächtig, während die Hexe weiter in Krämpfen und Zuckungen an der Decke hin und her schwang.
Dann riss ihre Haut und aus dem geschunden Leib schälten sich schwarze, haarige Spinnenbeine, aus ihrer Seite weitere Gliedmaßen und letztendlich lag Haut und Fleisch in blutigen Fetzen auf den Roben, die Rosenblatt zuvor unter der Gefangenen ausgebreitet hatte, und von der Decke baumelte eine tote Riesenspinne, aus der gelblich-grüner Schleim tropfte.
Gremaldi war bis zur Kellerwand zurückgewichen und starrte den grotesken Leib der Spinne schwer atmend an, während Rosenblatt und ich Nemaides hoch halfen. Der kam zögerlich zu sich, schrie dann geifernd, schnappte sich das Messer, das er Sekunden zuvor fallen gelassen hatte und hieb nun auf den toten Körper ein, schrie und weinte unkontrolliert.
Durch Tikvah, die im Nebenraum das Chaos mitbekommen haben musste, weiß ich nun, was Nemaides gesehen hatte: eine Flut aus Zähne, Klauen und Trauben voller Augen, die in der Dunkelheit warteten und alles zu verschlingen drohten. Kälte und unausweichlicher Tod konnte Nemaides in dieser Vision erkennen und irgendetwas in der Seele des Halbelfen brach noch mehr, als es eh schon zerbrochen war.
Als er die Spinne nun vollends ausgeweidet hatte, brach er zitternd zusammen und ich redete neben ihm hockend auf ihn ein, dass dieses Geheimnis (ich meinte hier tatsächlich nur die Tatsache, dass die Hexen anscheinend Gestalt wandelnde Spinnen seien, nicht die Vision) in diesem Keller bleiben musste. Weder die Bevölkerung, noch der Widerstand durften dies vorerst erfahren, war damit zu viel Panik verbunden. Und auch die bösen Weiber durften nicht wissen, dass wir ihr Geheimnis gelüftet hatten... ihre Vergeltung durfte wohl komplette Zerstörung mit sich bringen.
Alle Anwesenden versprachen, dass sie nicht über das Geschehene sprechen würden und während Gremaldi und Rosenblatt die tote Spinne in ihrer Robe verstauten, Blut und Fleischreste aufwischten, führte ich Nemaides in die Wohnstube von Frau Rosenblatt, wo er sogar Tee trank (was zeigt, wie schlecht es ihm ging) und die dort anwesenden etwas mit seinem Zustand beunruhigte. Da schon alleine del Rio Cerveza neugierig nachfragte, erklärte ich ihnen, dass Zha tot war und wir nichts herausgefunden hatten. Zwar merkte ich, dass sie mir nicht vollends glaubten, doch ließen sie das Thema zum Glück erst einmal ruhen.
Ich hoffe, ich werde in den nächsten Tagen die Möglichkeit haben, mich näher mit diesem Mysterium zu befassen und neue Pläne auszuarbeiten. Ich bete zu den Göttern, dass mir Tikvah doch noch verraten wird, woher dieses Grauen kommt. Letztendlich ist sie offensichtlich Teil des Schreckens, auch wenn sie nun auf unserer Seite ist... oh, dieser Schrecken.
Ignazom Korbin