[Worldbuilding] Emmergens

In meinen älteren Geschichten kommen immer wieder Greife vor. Und ich finde Greife überaus albern. Hippogreife sogar noch alberner, einer davon hat es aber auch in eine meiner Kampagnen geschafft. Es war Zeit, das zu richten.

Also habe ich "Greif" für Emmergens umdefiniert. Jetzt sind das etwas normalere Tierchen, auch wenn Hippogreife immer noch recht seltsam sind ^^°

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Und der klassiche Greif konnte sogar auch noch eingebaut werden :kaw:
 
Die Helden von Cruhn hatten das Glück, aus einer sehr magielastigen Welt zu kommen. Sie erklärten sich somit viele technologische Wunder einfach mit der Anwendung von Zaubern. Laserpistole? Aha... scheint eine Art magisches Geschoss zu sein. Gleiter? Kutsche ohne Pferd, das mit Magie angetrieben wird und sogar fliegen kann.

Natürlich war das alles total zum Staunen für sie und vor allem die kulinarischen und unterhaltungsmedialen Dinge waren immer wieder für nen Hingucker wert, aber ein Frodo aus einem sehr mundanem Auenland hätte sich da mehr gewundert.

Der Gedanke kam mir auch, als ich an die Vermischung von Sci-Fi und Fantasy bei Pratchett denken musste. Ich versuche das ja ehrlich gesagt recht konservativ zu trennen, aber es birgt definitiv interessante Möglichkeiten.

Was ist denn an Greifen so albern?
 
Ich mag viele Hybridtiere nicht... wie auch Owlbears, die ich zwar knuffig finde, aber die ich nur mit genügend Erklärungshintergrund in meiner Welt sehen will. Auch ein Pegasus is mir zu zusammengestückelt ^^°
 
Die ersten Kostproben von den beiden Spielen, die ich aus Sprach- bzw Inhaltsgründen für meine Kids in der Arbeit konvertiere... und dann halt mal gleich für Emmergens nutze :braue

Zuerst meine Secret Hitler Adaption, die nun "Deeproot" heißt und in der der alte Vampir Gustav versucht, das verschlafene Dörfchen Deeproot (bekannt aus unserer "Geschichten von Staub und Schatten" Kampagne) zu unterwandern:

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Und dann meine Terrible Monster Adaption "Orksommer" in der zwei Orkstämme im guten, alten Magic-Stil versuchen, ihren Gegner auszumanövrieren... aber nur mit 16 Karten für beide Spieler!

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Wird alles noch fertig geinkt und koloriert ^^

Bin gespannt, wie meine Kids das gebacken bekommen :kaw:
 
Coolio! Bin bei beiden auf dein Endergebnis gespannt.

Wenn du mir allerdings den Orksommer schicken könntest, wäre das ganz großartig. Dafür bekomme ich sicher die beste Ehefrau von allen motiviert und kann es mit etwas Glück auch im Nachmittagsbereich an der Schule nutzen.
 
So, fertig geinkt. Zudem habe ich mich dafür entschieden, nur die Ränder von Orksommer zu kolorieren, da mir der Schwarz/Weiß-Stil von Frühlingskriege immer noch am besten gefällt. Und die Charaktere von Deeproot sollen auch S/W bleiben, das gefällt mir vor dem Hintergrund am besten so far...

Jetzt muss ich nur noch die Spielmatte für Deeproot designen, kleinere Zugehörigkeitskarten als Politikmarker erstellen und für beide Spieler eine Gebrauchsanleitung erschaffen, die auch was hermachen ^^

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Orksommer 1.jpg

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@Finarfin sobald ich das alles habe, schick ich dir die Dateien :)
 
Orksommer ist nun mit Regelnspickern, Minianleitung und Markern vollends fertig... als PnP Version kann man sich das auch prima selber ausdrucken und ausschneiden ^^

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Die Anleitung und die Regelspicker (der Richter und der Bürgermeister haben eigene Möglichkeiten im Spiel) für Deeproot hab ich auch bald fertig, dann kann ich das auch abhaken :D
 
Mal wieder ein Die Schatten Emeralds Kapitel... nach dem Krieg hat sich die Lage vorerst normalisiert, dann kam aber eine rivalisierende Organisation in Emerald zum Vorschein, die immer wieder gegen den Bund vorging. Die Bundschläger bekamen ihre Aufträge von einem namenlosen Bundsprecher zugeteilt, den der Verfasser dieser Berichte "Bundschwätzer" nannte (weil er ziemlich viel blabla von sich gibt) und so versuchen die Familien nun seit einiger Zeit, die Kontrolle in der Stadt zurück zu erlangen...

FAST EIN JAHR nach unserem ersten Aufeinandertreffen mit der seltsamen Organisation, die damals den Oger nach Emerald schmuggelten, wurde wenigstens dieses Mysterium gelöst. Wenn auch auf eine überaus unschöne Art und Weise:



Ich hatte mich in den letzten Monaten bedeckt gehalten und meine Verwundung durch den Elfenfresser Junis Porderki auskuriert, hatte Leo etwas in Ruhe gelassen und gehofft, dass sich die Sache um die gefundene Fee beruhigt.

Es hatte sich nicht viel getan. Das Leben in den Schatten der Stadt war weiter gegangen. Cesare hatte anscheinend nach sechs Jahren seine Schulden bei Guntram Rosenblatt fertig zurückbezahlt und fühlte sich deshalb entspannter und freier, als nach der ganzen Geschichte rund um seine Verwundung und den Rauswurf im Tempel, von der ich in Korbins Berichten gelesen hatte. Als Gegengewicht zum aufgedrehten Dichter hielt sich der Herr Astariel Von und Zu Großkotz bedeckt und ich will gar nicht wissen, was der so alles tat. Ist zwar meine Arbeit, das doch zu wissen, aber ich bin mir unsicher, ob das meinem Blutdruck gut tut.

Der Rest kroch von einem kleinen Mistauftrag zum anderen und es war einfach wunderschön, Teil einer so großen Familie wie dem Bund zu sein. Bäh.



Am 12. Mai 749 wurde ich und andere in die Schreibräume der Wasserrose geladen. Und nicht von irgendwem, sondern von Bundvater Throat höchstpersönlich. Und die wurde dann auch wieder von Guntram umworben, der sich genauso wie ich zwischen den ganzen Leibwächtern der Halborkin gesetzt hatte. Auch mit dabei waren Leo, Mo, Cesare und Trixxie.

Ein Tablett mit der neuen Pfefferbrause stand für unsere Erfrischung bereit, was ich Throat sogar hoch anrechnen muss. Nicht nur, dass das Zeug wirklich super lecker ist, es ist auch noch nicht einmal so billig mit seinen drei Kupferstücken pro Flasche. Hat sich in Cruhn als Alchemistenbrause wirklich gut verkauft und nun hatte es halt auch Tarleen und Emerald erobert; den Ort seiner Geburt.

...vielleicht sollte Trixxie in Zukunft aber nicht sooo viel davon trinken. Sie wirkte, als würde sie gleich explodieren, mit ihren weit aufgerissenen Augen und diesem leichten Zittern. Hui.



Also saßen Guntram und Leo und Mo und Cesare und die weiter ungesunde Energie aufbauende Trixxie vor Throat, die in ihrer Rolle als Bundvater noch Angst einflößender war, als sie das als Bundsprecher je hatte sein können und natürlich reagiert sie kein bisschen auf die schönen Augen, die ihr Guntram macht. Erstens muss er sie doch nicht nur anmachen, weil sie wie er ein Halbork ist und zweitens hat er bereits eine Freundin. Die arme Keera von Emralt hat doch schon genügend durchmachen müssen, da wäre ein gebrochenes Herz bestimmt nicht auch noch nötig.



Throat erklärte uns, dass eine lang vorbereitete Operation anstand. Das vor einem Jahr an Guntram ausgelieferte Päckchen war eines von vielen gewesen und ja: wir hatten ja auch eines im Haus von Jaemin Hestan gefunden, als wir seinen Mord untersuchen sollten. Sogar noch mehr dieser Päckchen waren vom Bund in Umlauf gebracht und an unterschiedliche Bundmitglieder verteilt worden. Alles eher öffentlich als geheim und alles so ohne jegliche Information, dass jemand darauf aufmerksam werden musste.

Denn die Bundväter, so erklärte Throat, gingen schon seit einiger Zeit von einem Maulwurf oder mehreren Maulwürfen im Bund aus. Von Verrätern in den eigenen Reihen, die den Griff der Organisation schwächen und vielleicht sogar brechen wollten. Zum Glück hatte weder ich die Aufgabe gehabt, die Päckchen für den RSWE einzusehen, noch hatten die Bundväter von meiner Bespitzelei erfahren.

Die Päckchen waren mit einem Zauber belegt und ich erinnere mich auch an Astariels Entsetzen, als er einen solchen Spruch bei Hestans Päckchen erkannt hatte. Sofort hatte er Guntram informiert und der sah gerade auch nicht glücklich drein, als Throat das alles darlegte. Dieser Zauber war nur dazu gesprochen worden, um die erwarteten Diebe später verfolgen zu können, haftete die Magie anscheinend nun auch an den Maulwürfen selber, die durch den ausgehängten Köder gelockt worden waren.



Mo wollte wissen, zu wem diese Maulwürfe gehören würden, und Throat erklärte, dass es eine gegnerische Organisation war. Cesare fügte hinzu, dass es vermutlich die selbe Organisation sei, die im vergangenen Jahr den Oger nach Emerald eingeschleust hatte und als Guntram neugierig nachfragte, beschrieb ich und Cesare die damaligen Ereignisse. Dass damals von diesem Mann in Schwarz gesagt worden war, dass die Zeit des Bundes abgelaufen sei.

Also hatte man Honigtöpfe ausgelegt und nun sollten wir der Spur folgen, umriss Leo. Sie fragte nach, wie sie die Spur überhaupt sehen konnten. Als Antwort wurde ihr von Throat eine kleine Schatulle gegeben, in der ein dunkelblauer Ioun Stein auf Samt lag. Ich konnte mir einen anerkennenden Ausruf nicht verkneifen, so schön sah er aus und so teuer war er zudem... das wusste ich. Dafür könnte man sich vermutlich eine Villa am Ufer kaufen.

Doch konnte Leo damit nicht viel anfangen, hatte sie nie den Umgang mit magischen Dingen erlernt und so wurde von einem zum anderen geschaut, bis sich schließlich Cesare meldete. Er könnte den Ioun Stein aktivieren und die Suche so anführen. Natürlich wusste ich, dass auch Trixxie dazu fähig war und ich beobachtete ihr schelmisches Grinsen genau, als sich der Dichter seufzend meldete. Anscheinend hatte sie keine Lust darauf, so im Mittelpunkt zu stehen und ein Ziel für eventuelle Gegenaktionen zu sein. Kluges, wenn auch boshaftes Mädchen!



Leo warf Cesare den wertvollen Stein zu und der setzte ihn einige Fingerbreit vor seine Stirn. Sofort begann der Ioun Stein seinen Kopf auf einer horizontalen Ebene zu umkreisen und später beschrieb er uns, dass er die Welt nun mit einem lila-blauen Schimmer sah, wie eine Überlagerung. Kurz blickte er auf und ich musste mich beherrschen, nicht zusammen zu fahren, denn er hatte mit der Sicht des Ioun Steins kurz eine Fee von mir entdeckt, die ich an der Decke der Schreibstube positioniert hatte.

Aber alle wirkten gerade etwas neben sich: Guntram wütend, Throat langsam gereizt, Trixxie immer noch durch die Pfefferbrause aufgedreht und Mo angespannt, aber kontrolliert.

Auch Cesare bemerkte, dass für Throat die Sache erledigt war, und meinte, wir sollten auf der Straße weiter nach der vorhergesagten Spur schauen. Ich nutzte die Gelegenheit, um mit meinem Regenschirm nach draußen zu zeigen, der anwesenden Fee so das Kommando zum Hinausfliegen zu übermitteln und mich dem Zuge anzuschließen.



Leo hielt mir die Türe auf, nannte mich "Herr Halbling" und ich bedankte mich und nannte sie "Frau Gnomin" und wenn das kein Turteln gewesen war, dann heiße ich Michel Brotlos. Nur am Rande bekam ich mit, dass sich Guntram noch kurz zu Throat beugte und ihr zu raunte, dass es in Ordnung sei, wenn er nach Absprache als Köder eingesetzt werden würde, aber eben nicht ohne solche Absprache und schon gar nicht in seinem Haus oder dem Haus seiner Liebsten.

Gerade konnte ich noch hören, dass Throat flüsterte, dass er schon lange kein Köder mehr sei und dass das Päckchen nicht mehr da lag, wo es von Guntram versteckt worden war. Also hatte der Maulwurf auch Guntrams Bündel gefunden? Die Sache wurde interessanter und interessanter. Ich wusste natürlich, dass er es in der Schachtwand eines alten, stillgelegten Brunnen in einem Hinterhof des Weinviertels vergraben hatte... das hatten meine Feen mit angesehen. Aber die Entwendung war mir entgangen.

Mit einem humorlosen Lächeln drehte sich Guntram ab und ich denke, das war dann auch das letzte mal gewesen, dass der Halbork Throat schöne Augen gemacht hatte.



Auf dem Brunnenweg erzählte uns Cesare kurz vor dem Huschen, das er in der Schreibstube gesehen hatte und ich war heilfroh, dass niemand das kleine Konstrukt erkannt hatte. Leos Fund letztes Jahr war schon schlimm genug gewesen. Ich tat so, als würde mich das alles aus anderen Gründen interessieren und ließ mir von Cesare die Richtung des Huschens, Größe und genaue Position beschreiben. Soll ja niemand merken, dass ich die Konstrukte kontrolliere.

Dann erklärte der Dichter, dass er die Straßen langsam abgehen und alles betrachten wollte, um den Ioun Stein richtig auszureizen. Leo wollte wissen, ob das nicht anstrengend war, doch beschrieb Cesare nur die seltsamen Farben und Leo meinte, dass einige dafür viel Geld bezahlen würden... aber da der Stein an sich schon so viel wert war, wollten wir uns lieber bedeckt in den kleinen Nebenstraßen und Gässchen halten. Sicher war sicher.



Wir gingen in Richtung Westen durch das Kastellanviertel hin zum Weinviertel und überquerten dann die Emer. Hinter der Weinbrücke schauten wir uns im Kutschenwerkviertel um und mussten einen traurig schauenden Cesare vom Mantel wegführen, da wir da nicht mit einem so teuren Artefakt wie dem Stein auftauchen wollten. Ob er erst seinen Magen untersuchen wollte, scherzte Leo, doch Cesare seufzte nur und gab dann zu, dass er eh nicht wissen würde, worauf er in dem lila Schein achten sollte. Wir sahen ihn skeptisch an.

Immer wieder sahen uns Bürger an, doch wurden sie von Mos und Guntrams Blicken schnell zum Weitergehen gedrängt und als Cesare vorschlug, den Ioun Stein abzunehmen, um weniger auffällig zu sein, landete ich einen Schenkelklopfer, als ich meinte, dass er einfach weniger schlechte Gedichte machen müsste, um normaler zu wirken. Ich Schelm.



Immer noch hatten wir nichts Außergewöhnliches entdeckt und wir waren uns schnell eilig, dass wir vermutlich am ehesten im Südlichen Viertel eine Spur finden könnten. Hier waren die Schatten noch tiefer, die Möglichkeiten auf ein Versteck noch besser und die Anwesenheit der Päckchendiebe noch wahrscheinlicher. Auf dem Nohtplatz, nahe des Schwalbennestes, entdeckten wir einige Kontakte von Mo, die er ansprechen wollte. Überall waren die Armen, Halunken und Verlorenen der Gesellschaft unterwegs und zusammen mit Trixxie und Leo sah ich leicht irritiert zu einer Gruppe Huren, die an der Straße auf Kunden warteten. Dai Di Dink war unter ihnen und wieder fand ich es traurig, wie ein Halbling so tief sinken konnte. Dirnenknabe war doch kein Beruf, der zu unseren Werten passt...

Ich schickte Mo eine Fee hinterher und eine kreiste über Guntram und Cesare, denen anscheinend kurzzeitig langweilig geworden war. Guntram wollte wissen, ob sich der Ioun Stein schneller drehen würde, wenn sich auch Cesare im Kreis bewegte und ja: das tat er und beide hatten eine Menge Spaß. Dann untersuchten sie auch noch, ob sich der anhalten könnte, wenn sich Cesare in die andere Richtung dreht und nein: er wurde nur entsprechend langsamer. Beide lachten. Kinder in Männerkörpern. Viel zu großen Männerkörpern.



Mo hatte sich mittlerweile mit einem gewissen Malino Lay still über die seltsamen Ereignisse in den letzten Wochen unterhalten. Der Informant hatte nicht nur bejaht, dass eine mysteriöse Organisation ihre Finger immer tiefer in die Emeralder Schatten grub, sondern dass auch magische Waren gehandelt und gefährliche Wesen geschmuggelt wurden. Ich muss dabei sofort an den Oger denken, der uns damals so überrascht hat.

Auch berichtete Lay von einigen verschwundenen Bewohnern des Südlichen Viertels, die über Nacht anscheinend einer solchen Bestie zum Opfer gefallen waren. Man hatte nur Blut gefunden, keine anderen Hinterlassenschaften. Und auch Ionas Langenhogg hatte es erwischt, einen weiteren Kontaktmann von Mo. War das wirklich die Handschrift der neuen Macht, die sich hier breit machte?

Mo übergab Lay mit einem Händedruck ein Silberstück als Bezahlung und genau in diesem Moment hatten sich Cesare und Guntram von ihrem Unsinn erholt und Cesare schaute in Richtung von Mo und seinem Kontaktmann. Aufgeregt flüsterte er uns zu, dass er da etwas hatte... er sehe einen goldenen Schimmer um die Hände der beiden Männer, nur flüchtig aber dennoch deutlich.

Als sich Lay in den Teerweg drückte, verlor Cesare den goldenen Schimmer aus den Augen und wir eilten dem Kerl hinter und fingen Mo ab, der wieder in unsere Richtung ging. Schnell erklärte ihm Cesare, was er beobachten konnte und Mo meinte, dass Lay zwar ein guter Informant wäre, aber eben schon als Dieb in Frage kommen würde.



Wir bogen in den Teerweg und mussten feststellen, dass wir Lay bereits verloren hatten. An einer Hauswand war ein blutiger Fleck und in einer Pfütze hatte sich davor Blut gesammelt. Einige Leute standen kopfschüttelnd davor und murmelten, dass die Stadtwache doch endlich etwas machen müsste und dass vermutlich die Spinnen zurück gekommen waren. Und ich muss zugeben, dass auch ich vor einer solchen Möglichkeit Angst habe. Überlebende Schattenspinnen im Südlichen Viertel, die Jagd auf Emeralder machen? Ich weiß, dass sich einige der Priesterinnen ergeben oder sogar am Ende mit der Armee Cromshells zusammen gearbeitet haben. Aber nicht alle hatten das Licht gesehen und wenn auch nur eines dieser Monster hier weiterlebt, haben wir ein großes Problem. Spätestens, wenn es Eier legt...

Mo meinte nur fluchend, dass an Lays Geschichte wohl wirklich etwas dran sein würde und Cesare wollte wissen, was er meinte. Mo erzählte von den nächtlichen Übergriffen und dass die Theorie bestand, dass der Oger nur der Anfang gewesen war.

In dem Moment bekam ich ein leises Signal von einer meiner Feen. Sie hatten Lay in eine Seitengasse verfolgt und ich rief allen zu, dass ich gesehen hätte, wohin unsere Zielperson gelaufen war. Damit habe ich auch einmal mehr meine Nützlichkeit bewiesen. Praktischer Rumbo!



Es war eine kleine Sackgasse, vollgemüllt mit morschen Kisten und zerfetzten Körben. Eine hohe Mauer verband zwei niedrige Häuser und schnitt uns von der dahinterliegenden Straße ab. Wir hörten nur noch eine Türe zufallen, einen entsetzten Ausruf und dann einen dumpfen Schlag, wie wenn etwas umgefallen war.

Guntram sprang an den Kisten vorbei und drückte die Türe ein, die ins linke Haus führte, doch musste selbst er als Halbork sich anstrengen, bis er sich Zutritt verschafft hatte. Wir sahen sofort, warum: die Leiche von Malino Lay lag mit durchschnittener Kehle auf dem schmutzigen Fußboden, ein zerbrochenes Fenster gegenüber der Türe zeigte nur noch einen kurzen Schatten. Leo sprang dem Schatten nach und blickte auf in die Gasse, die hinter dem Haus auf die Parallelstraße zum Teerweg führte, schwang sich dann hinaus und ließ auf die doch wieder mehr frequentierte Sichelscheiderstraße, wo sie nur kurz jemanden sah, der ich in die Menge wühlte. Sie lief ihm nach.

Auch Mo war aus dem Fenster geklettert, hatte sich dann aber umständlich auf eines der Dächer geschwungen und war Leo so eine Ebene höher gefolgt. Er sah anscheinend nicht, wem die Gnomin auf den Fersen war, aber konnte wenigstens als Verstärkung dienen.



Außer mir und Cesare hatten im Abbruchhaus alle ihre Waffen gezogen: Guntram seine Axt, und Trixxie ihre Armbrust und ich überlegte wieder einmal, ob ich mir doch einmal etwas Durchschlagskräftiges besorgen sollte. Mein Regenschirm war mit all den Feen-Kontrollen zu empfindlich, um als Waffe geführt zu werden. Zudem bezweifle ich, dass ich damit Schaden ausrichten würde.

Guntram beauftragte Cesare, die Leiche mit seiner Ioun Stein gespeisten Sicht zu untersuchen, doch der meinte nur, dass er den goldenen Schimmer nicht mehr sehen würde. War das alles eine falsche Spur gewesen? Ein Versehen? Aber warum war Lay dann nun tot?

Gerade ergab nichts einen Sinn. Und als Guntram dann auch noch zehn Platinmünzen aus dem Geldbeutel von Lay schüttelte, wussten wir gar nicht mehr, was hier los war... soviel Geld in den Händen eines einfachen Informanten aus dem Südlichen Viertel? War er nun ein Mitglied dieser seltsamen Organisation oder wurde er vom Bund so gut bezahlt oder hatte er einem reisenden Abenteurer einen Dienst erwiesen oder hatte die Stadtwache ihre Finger im Spiel. Nur selten habe ich mich so verloren gefühlt...

Ich sagte den anderen, dass wir bei der Leiche bleiben und warten sollten, was Leo und Mo herausfinden würden.



Mo war auf den Dächern unterwegs und sah, dass Leo aus der Sichelscheiderstraße in eine kleine Gasse bog, die wieder auf den Teerweg führte und dann zum Tatort zurückeilte. Machte der Verdächtige gerade einen Bogen, um zurück zu uns zu kommen? Anscheinend, denn schon zischte uns Trixxie zu, dass Gefahr drohte und drückte sich in die offene Türe. Ein Mensch in dunklem Mantel kam in die Sackgasse marschiert, eine Hand unter dem dicken Stoff seiner Kleidung verborgen. Sein Gesicht war nichtssagend und hätte ich ihn für einen Steckbrief beschreiben müssen, ich hätte es nicht geschafft. Zu "normal" sah er aus, sein Gesichtsausdruck war aber alles andere als herkömmlich. Er wirkte entschlossen, dunkel.

Eine kleine Armbrust zog er aus seinem Mantel hervor und meine Feen zeichneten den seltsamen Bolzen auf, der schussbereit in der Waffe gespannt lag: es war ein fein gearbeiteter Explosivbolzen, wie ihn nur die besten Gnomenalchemisten anfertigen konnten und hätte er da auch nur Trixxie gestreift, wäre es um sie geschehen gewesen.

Doch die Armbrust blockierte, als der seltsame Attentäter den Abzug betätigte und als der Fremde überrascht auf seine Waffe blickte, stürmte Guntram mit seiner Axt nach draußen und schlug damit dem Attentäter tief in den Oberschenkel. Der Verwundete stürzte mit einem schmerzerfüllten Grunzen, konnte seine Armbrust aber auf Guntram richten.



Trixxie zielte nun mit ihrer Handarmbrust einige Herzschläge, dann feuerte sie die Waffe ab. Der Bolzen durchdrang die Hand und Armbrust des Attentäters und machte jeden weiteren Angriff zunichte. Holzsplitter und durchtrennte Finger fielen auf den Boden.

Leo drückte sich an die Wand des Teersweges, alarmiert durch den ausgebrochenen Kampf und Mo sprang beherzt nach unten. Mit seinem Kurzschwert hieb er nach der Brust des Unbekannten und schnitt ihm das Hemd auf und mit Schrecken erkannten wir, dass sein Oberkörper mit seltsamen Phiolen und Drähten vernetzt war. Der Mann war eine lebende Bombe! Auf seinem Brustbein war ein kleines Symbol tätowiert worden: wie ein Blitz, dessen unteres Ende auf zwei schrägen Linien balancierte. Was war das? Das Zeichen der Organisation, die dem Bund Ärger bereitete? Das Zeichen einer Sekte? Eine neue Attentäterschule? Nur ein seltsamer Blitz, den der Mann sich in einer alkoholisierten Nacht aus Übermut hatte stechen lassen?



Ein kleiner Funke war zwischen den Drähten zu erkennen und Mo fluchte. Dann explodierte die Sackgasse in einem gewaltigen Feuerball, begleitet von Knochen- und Glassplittern.

Ich wurde durch die Wucht des Drucks gegen die Zimmerwand gedrückt und bekam nur mit, wie Cesare gerade noch einen Zauber hatte sprechen können, der ihn kurzfristig verschwinden ließ. Später erklärte er mir, dass dieser Spruch extra dafür konzipiert worden war, um den Nutzer zwischen der Realität und einer gewissen "Lichtebene" hin und her flackern zu lassen. So war er dem Schaden entgangen.

Auch die beiden Gnome hatten sich in Sicherheit drücken können und nur Mo und Guntram lagen nun blutend und ächzend am Boden. Sie waren noch vom Attentäter weg gesprungen, doch nicht allem hatten sie entgehen können. Sofort lief Cesare zu Mo und begann, ihn mit heilender Magie einzudecken.

Guntram rappelte sich wankend auf und wollte schon zu uns stolpern, als wir alle ein Husten und Blubbern hörten. Wir sahen entsetzt zu Boden und erblickten den zerrissenen Attentäter, der zu seinem Unglück noch lebte. Der Unterleib war weggerissen worden und Torso, Hals und Gesicht waren übel zugerichtet. Von den Armen fehlte das Meiste.



Schnell fauchte Guntram Cesare zu, dass dieser den Sterbenden heilen sollte, doch Cesare schüttelte nur verzweifelt den Kopf. Einen solchen Schaden konnten nur die mächtigsten Zauberer oder die Götter selbst richten.

Fluchend beugte sich Guntram über den verstümmelten Mann. Was seine Mission war, wollte der Halbork wissen, doch würgte der Sterbende lediglich ein "Schakal wird bald zuschlagen" hervor. Wo dieser Schakal zuschlagen würde, brüllte Guntram ihn an, doch lachte der Attentäter nur gurgelnd und ertrank dann an seinem eigenen Blut, das sich in Lunge, Kehle und Mund sammelte.

Nachdenklich richtete sich Guntram wieder auf und teilte uns mit, dass wir einen neuen Namen hatten, der uns nichts sagen würde. Schwarzschnabel... Schakal... bald hatten wir einen ganzen Bauernhof in Emerald.

Dass es mir gut ging, brachte ich nun endlich auch hervor und ich war heilfroh, dass auch Leo nichts passiert war.



Als Mo von Cesare versorgt worden war, legte der Dichter noch kurz seine heilenden Hände auf den Halbork, dann hörten wir auch schon die Rufe nach den Stadtwachen. Der Kampf und spätestens die Explosion hatte die Bewohner dieses Viertels alarmiert und nun hieß es, sich schnell zu verabschieden. Wir liefen zusammen los und ich blieb nur kurz stehen, um zwei Feen vom Boden aufzuheben, die von der Explosion getroffen worden waren und nun vibrierend am Boden lagen. Zum Glück hatten die anderen die beiden Konstrukte nicht gefunden!

Nur Mo sah kurz zurück, wo ich blieb und ich ließ die beiden Feen in meiner Jackentasche verschwinden, dann eilte ich allen nach, dem Stadtrand entgegen.



Wohin wir laufen sollten, wurde gefragt und Leo meinte nur, dass wir uns im Mantel treffen könnten. Dann schwang sie sich auf eines der Dächer und verschwand. Kurz brummte uns Guntram zu, dass er nach Hause eilen würde, war seine Kleidung doch zerrissen und voller Körperflüssigkeiten und schon wollten wir uns aufteilen, um ungesehen ins Kutschenwerkviertel zu kommen, als eine weitere Detonation die Stadt erschütterte. Was ging da vor?

Wieder der Ruf nach Wachen und schon hatte sich auch Trixxie in die Schatten gedrückt, um dem Chaos zu entgehen. Ich ließ Cesare und Mo hinter mir und lief einige Gassen entlang, um einen kleinen Umweg zum Mantel zu suchen.

Auf den Straßen war es unruhig. Viele Wachtrupps liefen durch die Menschenmengen und ich versuchte, möglichst nicht gesehen zu werden. Am Mantel angekommen, musste ich feststellen, dass Mo schon da war. Er hatte andere Kleidung an, die ihm nicht wirklich zu passen schien und ich konnte mir vorstellen, dass er sie von einer Wäscheleine auf dem Weg entwendet hatte.

Doch viel wichtiger war, dass der Mantel ein einziges Höllenloch war: die Türe war aufgerissen und mit Ruß verschmiert, die Tische und Stühle zu Schlacke verwandelt. Leichen und Verwundete lagen am Boden und Cesare kniete zwischen den Jammernden und heilte, so gut es ging. Ich fragte eine weinende Frau, was geschehen war, und die schluchzte, dass sich ein Mann in der Nähe des Tresens in die Luft gesprengt hatte. Zwei Bundväter waren zum Zeitpunkt des Anschlags in der Taverne gewesen, beide waren nun tot. Mit ihnen waren viele Agenten der Familien gestorben. Ich sah kurz erschrocken Mo an, der trat aber nur ein verkohltes Stück Holz beiseite und lief dann in Richtung seiner eigenen Unterkunft. Vermutlich wollte er sicher gehen, dass dort nicht auch ähnliches passiert war. Zu seinem Glück war der Gehängte in der Schandgasse unberührt.



Mehrere meiner Feen hatten Leo verfolgt. Ich weiß, dass ich nicht so viele auf sie ansetzen sollte, aber ein Halbling hat nun einmal auch Bedürfnisse. Und nun war es ganz gut, dass sie ständig von einer kleinen Gruppe Konstrukte begleitet wurde: über die Dächer war sie ebenfalls zum Mantel gelangt und hatte die Verwüstung gesehen. Schnell war sie abgebogen, hatte die Emer überquert, sich erneut auf die Dächer geschwungen und war so zur Wasserrose gelaufen, vor der sich schon ein Haufen Bundvertreter versammelt hatte. Hier hatte kein Anschlag stattgefunden, das war deutlich zu sehen.

Über dem Senatsdistrikt kräuselte sich Rauch in den Himmel und in der Ferne hörte man die Rufe von Klerikern und die Löscharbeit ihrer Wasserelementare. In der ganzen Stadt hatte es Angriffe gegeben.



Leo beobachtete den Aufruhr vor dem Badehaus, in dem mindestens vier Bundsprecher beteiligt waren und es wurde darüber gesprochen, dass in der letzten Stunde mindestens die Hälfte aller Bundväter getötet worden waren. Von Explosionen zerrissen oder gar von bis zu diesem Zeitpunkt überaus loyalen Bundagenten hinterrücks erschlagen. Der Bund hatte ein größeres Maulwurfproblem, als gedacht, das wurde uns da allen klar... und der Feind griff nun zu rabiateren Methoden!

Mit wachsender Sorge entdeckte Leo nun eine kleine Frau, die sich der Gruppe vor der Wasserrose näherte. Sie war in Schwarz gekleidet und ging zielstrebig auf die Agenten zu und Leo rief ihr ein lautes "hey!" zu.

Alle drehten sich zu der Gnomin auf dem Dach um, sogar die in Schwarz gekleidete Frau. Dann öffnete diese lächelnd ihren Mund, aber die Stimme, die aus ihrer Kehle dröhnte war nicht dir ihre, das erkannte man an der Tiefe und der seltsamen Lippenbewegung. Jemand anders sprach durch sie.



"Hallo. Ich bin Garýn Chakal. Diese Stadt gehört jetzt uns."



Die Worte hallten durch die Straße und dann explodierte die Frau. Viele der Bundmitglieder vor der Wasserrose wurden umgerissen, aber die meisten überlebten den Angriff. Nur zwei starben. Leo stand entsetzt auf die Straße schauend auf dem Dach.

Auch sie hatte die Stimme erkannt, die durch die nun tote Frau gedrungen war. Auch sie hatte diese Stimme zu hassen gelernt.



Garýn Chakal. Schakal. Es war der Bundschwätzer.
 
Für eine kleine Solo-Kampagne für @Dyesce in der sie einen Fuchs spielt, habe ich mal das Baumhaus der Halbling-Waldläuferin gezeichnet, in dem diese mit ihrem Tiervertrautem (dem Fuchs Tûp, nachdem auch die Kampagne benannt sein wird) wohnt.
Auf die Idee kam ich durch ein Comic-Cover und ein paar Elemente habe ich auch übernommen, ansonsten habe ich versucht, mein eigenes Ding durchzuziehen...

Baumhaus.jpg
 
Und wieder ein Kapitel für Die Schatten Emeralds - Verdeckte Ermittlung, der zweiten "Staffel" meiner kleinen Gangster-Kampagne:

NACH DER WELLE an Anschlägen hatte der Bund schnell herausgefunden, um wen es sich bei der konkurrierenden Organisation handelte: die Gilde, eine geheime Verbindung, die seit der Gründung des Königreichs Cromshells den Thron unterstützte. Als Geheimwache des Königshauses hatten sie im Krieg gegen Tarleen gegen die Priesterinnen gekämpft. Meist aus den Schatten heraus und oft auch alleine, auf selbstmörderischen Missionen in Feindgebiet und immer im Namen der Krone.

Wie sich die Gilde nun dazu hinreißen hatte lassen, dem Bund die Stirn zu bieten - und nicht etwa in einer militärischen Aktion des Kriegssiegers Cromshell, sondern als ebenfalls schattenhafte Verbindung mit zweifelhaften Methoden und Zielen - wissen vermutlich gerade nur die Gildenoberhäupter selber... mich würde wundern, wenn König Moonglance, der Herrscher Cromshells, davon Kenntnis hat. Die Gilde mutiert, wird zu etwas Dunklem und Bösen, und wenn es nur hier in Emerald ist. Aber vergleichen kann man diese jüngsten Vorfälle nicht mehr mit den ehemaligen Agenten der Krone, die königstreu über die Straßen zogen, um dem jungen Königreich Recht und Ordnung zu gewährleisten.

Der Bundschwätzer, Garýn "Schakal" Chakal, war von Anfang an einer von ihnen und er hatte die Familien des Bundes unterwandert... genauso wie dutzende andere, die am 12. Mai einen brutalen Schlag gegen die Bundväter vollstreckt hatten. Und keiner ist sich sicher, wie viele Maulwürfe immer noch in den Bundreihen auf ein Signal warten, erneut zuzuschlagen.

Der RSWE weiß Bescheid, wird sich aber nicht auf den Straßen einmischen. Die Gilde hatte dafür gesorgt, dass keine unbeteiligten Bürger zu Schaden gekommen waren, somit sieht der Senat es erst einmal als politische Aufgabe, den Botschaftern Cromshells besonnen und empathisch beizubringen, dass die Agenten der Krone hier über die Stränge schlugen. Wie und wann sie das machen, liegt im Ermessen der Senatoren.



Ich kann nur weiter beobachten und meine Rolle als Bundagent spielen... aber dennoch frage ich mich ernsthaft, wer noch alles in die Sache verstrickt ist. Greta O'Garl und ihr Gefolgsmann Loen? Wir haben ihn schließlich damals mit der Gruppe Gildenagenten gesehen. Hatte er ihnen den Oger verkauft? Ihn in die Stadt geschleust? Hatte sich er und Greta der Gilde angeschlossen oder hatten sie nur ein, zwei Aufträge für sie übernommen...?

An Tagen wie solchen wünsche ich mir ernsthaft ein ähnliches Orakel, wie Korbin damals zur Verfügung gehabt hatte. Das wäre schon äußerst praktisch.



Zwei Wochen hatte der Bund nun Zeit gehabt, sich von dem Angriff zu erholen. Zwei Wochen voller Angst, dass der Agent gegenüber eine Handarmbrust oder einen Dolch zieht und dich abschlachtet. Im Namen der Gilde.

Aber die überlebenden Bundväter hatten sich dazu durchgerungen, dass diese Kriegserklärung eine Antwort verdient hatte. Wollte der Senat nichts unternehmen, so waren wir nun die Soldaten, die im Kampf eingesetzt wurden. Nicht, um Recht und Ordnung zu verteidigen, sondern schlicht und einfach, um zu überleben. Doch waren die Familien geschwächt vom plötzlichen Schlag und so wurden einige Agenten am 30. Mai 749 in die Wasserrose gerufen. Nicht in die Schreibstube, sondern als "Gäste". Maleko übernahm als immer weiter in der Rangordnung des Bundes aufsteigender Sprecher (die Machtlücke, die die Anschläge gerissen hatten, zahlten sich wenigstens insofern für ihn aus) die Rolle als Gastgeber.

In einem der Dampfräume servierte er uns eine Obstplatte und goss immer wieder Wasser auf die glühenden Steine, um den gekachelten Raum mit noch mehr Hitze und Feuchtigkeit zu füllen. Ich war nur in ein nasses Leinentuch gehüllt, genauso wie der Don, Eztli und Maleko selbst. Dazu war Varinja anwesend, die anscheinend ihre erste eigene Aufgabe im Bund anging und ihrem ach so großen Herrn Sklavenmeister nacheiferte. Einige Leute rennen halt mit Fleiß ins Verderben... aber wer weiß, was da hinter den Mauern der protzigen Villa so alles abläuft. Ich will es mir eigentlich auch gar nicht vorstellen. Jetzt stell ich es mir vor... verdammt.



Der Bund brauchte Geld. Geld um die Lage zu sichern, um neue Agenten anzuheuern und vor allem schnell an möglichst viel Söldner zu kommen. Der Herr Astariel hatte natürlich schon seine eigene kleine Privatarmee schnell zusammen gekauft und lieh sie auch gerne und unter großem Selbstlob an die Bundväter aus, ließ nie vergessen, dass er die Kontrolle über diese Kämpfer hatte. Die Bundväter nickten grummelnd und schwiegen. Fürs Erste...?

Um selbst wieder erstarken zu können, brauchte der Bund nun ein anderes Einkommen und wie es die Natur von kriminellen Organisationen ist, kommt da sofort Diebstahl und Raub in den Sinn. Und genau das sollten wir nun durchführen:



In der Drunterstraße 40 im Senatsdistrikt lebte im ersten Obergeschoss eines alten Stadthaus die Witwe Liedrun Pastorius. Dem Bund war zu Ohren gekommen, dass sich ein vielversprechend wertvolles Juwel im Besitz der alten Dame war und dies hatten wir nun zu ändern. Wenn es nötig war auch mit dem Tod von Frau Pastorius. Solche Maßnahmen hatte ich befürchtet und wenigstens hatte ich die Hoffnung, dass die regelmäßigen Wachgänge im Senatsdistrikt meine nicht so ehrenwerten Kollegen abschrecken würden.

Maleko meinte auch, dass das Juwel leider in diesem Viertel zu finden war, aber wo sonst sollte ein solcher Schatz zu finden sein. Ich spielte mit und meinte enthusiastisch, dass die Antwort wohl der Bund wäre. Da sollte das Juwel sein.

Maleko lobte mich verspielt und alle sahen mich seltsam an, weil ich mir als Belohnung eine Apfelecke von der Obstplatte nahm. Oder weil ich schon so viele verdrückt hatte... aber ich hatte Hunger, die sollen lieber vor ihrer Türe kehren!



Varinja meinte voller jugendlichem Tatendrang, dass wir unser bestes geben würden und die kleine Eztli nickte ihr stolz zu. Was hatte sich da nur in den letzten Monaten aufgebaut. Eztli als Mitstreiterin/Schülerin von Astariel? Eztariel? Der neue Schrecken aller Vernunft und Zurückhaltung? Großartig...

Und warum wunderte sich anscheinend keiner über die Dienstmagd vom Herrn Großkotz? War es jetzt so üblich, seine verdrehten Bediensteten als Mörder in die Welt hinaus zu schicken? Hatten wir wirklich diesen Punkt erreicht?

Varinja wollte wissen, wie das Juwel aussehen würde, und Maleko erklärte, dass wir im Zweifelsfall einfach alles aus der Wohnung mitnehmen sollten, was in Richtung Schmuck ginge. Und wir sollten bald zuschlagen. Sehr bald. Das Geld aus dem Verkauf des Juwels wurde dringend benötigt, um der Gilde die Stirn zu bieten.

Doch Maleko gab auch offen und ehrlich zu, dass er ziemlich froh war, dass nicht er geschickt wurde, sondern nur den Auftrag vergab, war die Nachbarschaft des Senats wirklich kein gutes Jagdrevier für solche Sachen. Auch würde er sich darauf freuen, uns die recht reichliche Bezahlung zu übergeben. Varinja sagte nur leise "das glaube ich, Herr" und wieder frage ich mich, was Asti da mit seinen Leuten macht. Das ist doch Gehirnwäsche... oder er zieht solche Gestalten an und Varinja hatte schon immer einen Schaden.



Dann verließ uns Maleko, um seiner Nebenbeschäftigung als oberster Bademeister in der Wasserrose nachzukommen. Dass ihm der Laden noch nicht vollständig untersteht, wundert mich schon. Kurz erklärte er uns noch, wo wir Wasser trinken könnten, damit wir in der Hitze nicht umfallen und als ich meinte, dass das Obst doch saftig genug war, kamen wieder so anschuldigende Blicke. Ich hatte halt nicht gefrühstückt, und?

Zusammen saßen wir im Dampfraum und besprachen, wie wir die Sache angehen sollten. Der Don wollte direkt in die Drunterstraße und ich war auch dafür, es heute zu erledigen. Solche Aufträge machen mich immer total nervös und ich fühle mich unglaublich unwohl. Anderen Schaden zuzufügen gehört leider zu meiner Rolle und hilft letztendlich bei der letztendlichen Verhaftung der Bundväter, aber ich habe immer Angst, mehr Schaden zu verursachen, als wirklich nötig ist. Und ich kenne Frau Pastorius vom Sehen her. Eine nette, alte Dame. Die an solchen Abenden immer gerne ins Theater geht oder mit Freunden in einem edlen Bistro sitzt.

Das erklärte ich meinen Kollegen und setzte noch hinzu, dass es auch üblich war, als reiche Witwe die ein oder andere Liebelei zu pflegen. Ich wollte ihnen damit zeigen, dass es ein sicheres Unterfangen war, hier und jetzt zuzuschlagen und nicht erst seltsame Pläne mit Treppenstürzen oder dergleichen zu erdenken.

Aber Eztli musste ja natürlich wieder ihrem Alter weit voraus sein und mir unterstellen, dass ich mich mit Liebeleien und alten Damen auskennen würde. Während ich mich wunderte, was ein kleines Mädchen erlebt haben musste, um solche Gedanken zu haben, kämpfte Varinja mit ihrem Ekel, als der Don mit einer langen Fingerklaue einen Popel aus der dominanten Nase zog und ihn an eine der Fliesen schmierte. Wenn ich irgendwann einmal durchdrehe: hier ist der Grund dokumentiert! Das ist alles nichts für einen kleinen Halbling, der noch an das Gute in den Bürgern glaubt...



Ich versuchte Eztli klar zu machen, dass Frau Pastorius ein altes Mädel war, das auf großem Fuße lebte, was aber nur dazu führte, dass die Zurulerin Kaica als schön anzuschauende Ablenkung anheuern wollte. In welche Richtung denkt die?!

Nein, wenn dann würde ich Frau Pastorius ausführen. Kein Kaica und auch niemand anderes aus dem Bund. Ich wollte keinen Mord an meinen Fingern haben, nur weil wieder mal jemand übertreibt. Doch Varinja und Eztli verbündeten sich gegen mich und meinten, dass Frau Pastorius ja vermutlich einen guten Geschmack hätte und dann würde ich ja aus dem Raster herausfallen und hahaha alle haben wir gar köstlich gelacht. Und Eztli setzte noch einen drauf und meinte, dass die Frau Pastorius ja dann für den Herrn Großkotz nichts wäre, wenn sie einen solchen Geschmack hätte, weil der Herr Großkotz hat ja einen Standard und Varinja lächelte das dunkelhäutige Mädchen nur mit strahlenden Augen an und wäre nicht der Rammel verschmierende Don neben mir gesessen, hätte ich gedacht, ich wäre inmitten einer Asti-Anhängergruppe. Mir wurde etwas schlecht.



Ob wir sie mit einer falschen Einladung aus dem Haus locken konnten, fragte Don laut. Doch wenn - das war mir jetzt klar - wollte ich sie schon selber ausführen, somit hätte ich am meisten Kontrolle über das Wohlergehen der guten Frau. Ich hatte die nötige Ausstrahlung, das wusste ich. Das hätte ich nur nicht sagen sollen, ich erntete damit wieder einige seltsame Blicke.

Also entschieden wir uns nach einigen weiteren Ideen (der Don als Bote, wollte er doch endlich einmal seine gefälschten Papiere einsetzen, die er vor fünf Jahren wegen der Infiltration der Hauptwache anfertigen hatte lassen) direkt von der Wasserrose in den Senatsdistrikt zu gehen und mit Betäubungsgiften, die Varinja beisteuern wollte, einen Mord zu umgehen, sollte Frau Pastorius anwesend sein.

Eztli meinte nur grinsend, dass ich mir Sorgen um die alte Dame machen würde und ja: ich gab zu, dass ich menschlich handeln wollte. Und jaaaa: Varinja witzelte, dass ich als Halbing solche Sachen nicht sagen sollte und meine Güte... das sagt man halt so. Finde ich auch rassistisch, das das in der Alltagssprache so benutzt wird, aber man kann es auch übertreiben. Die steht ihrem doofen Herren echt in Nichts nach. Doof.



Es war schon dunkel, als wir in der Drunterstraße ankamen. Varinja hatte noch ein Mittelchen aus der Villa ihres Herren geholt und ich wusste, dass sie den Dolch dabei hatte, den wir aus der Sammlung des Elfenfressers erbeuteten. Auch war sie in ein seltsam anmutendes Kleid gehüllt, das einfach wirkte, aber es in sich hatte: es war die Spinnenseide, die der Herr Großkotz erbeutet hatte. Daran würde so manche Klinge abspringen, das haben wir im Krieg bei den Hexen mitbekommen... insofern war die Dienstmagd von Astariel besser ausgerüstet als so mancher Bundagent heutzutage.

Ich hatte mir beim Warten ein paar sehr gute Kekse von einem Händler gekauft und teilte sie mit dem Don, während wir die Lage überwachten: die Drunterstraße war zu diesen Stunden nur schwach durch Öllaternen beleuchtet und nur hin und wieder zog ein Trupp Stadtwachen vorbei. In Hausnummer 40 war nur im obersten der vier Obergeschosse Licht in den Fenstern zu sehen und als wir uns, wieder vereint, die Haustüre anschauten, erkannten wir zum einen, dass sie nicht verschlossen war (sehr fahrlässig, das muss ich schon sagen), und zum anderen lasen wir "L. und G. Pastorius" auf dem Namensschild des ersten Obergeschosses. Eztli meinte kurz, dass die alte Witwe also doch nicht alleine lebte, ich wusste aber von keinem anderen Lebensgefährten oder Verwandten und selbst Varinja mutmaßte, dass sie nach dem Tod ihres Gatten einfach noch nicht das Schild auswechseln lassen hatte.



Im Hausflur war das schwache, flackernde Licht von kleinen Öllämpchen zu sehen. Kurz kam Varinja auf die Idee, das ganze Haus anzuzünden, damit wir zwischen den Flammen ohne gestört zu werden das Juwel suchen konnten, doch wollte ich weder das Viertel abfackeln, noch die Kleriker mit ihren Wasserelementaren auf den Plan bringen. Sogar Eztli war dagegen, und das mag was heißen...

Eigentlich wollte ich mich aus dem ganzen Unterfangen soweit heraus halten, dass ich keinen unnötigen Mord mit ansehen musste. Also positionierte ich mich als Wachposten im unteren Treppenhaus und schickte nur unauffällig meine Feen nach oben, die letztendlich dabei sein mussten. Ich wünsche niemanden so eine Situation, in der man hin und hergerissen ist.

Eztli schwebte einfach das Treppenhaus nach oben... wie ein dunkler Engel, leicht verzerrt durch den gesprochenen Zauber, den sie wieder in zwei, drei seltsamen Worten hinaus presste. Wieder sah sie aus, als würde sie sich leicht verändern. Alle sahen ihr verstört hinterher. Dann schlichen ihr der Don und Varinja nach.

An der Türe der Wohnung lauschte Varinja einige Herzschläge lang, dann flüsterte sie den beiden anderen zu, dass sie nichts hören würde. Sie zückte einen Dietrich, der nicht in ihr Kleid passen konnte und versuchte, das teure Schloss zu knacken. Half aber nichts. Frau Pastorius hatte viel in ihre Sicherheit investiert.



Also wurde ich geholt, um diese Hürde zu überwinden. Von Eztli. Wieder schwebend. Und wieder aussehend, wie ein kleiner Höllendämon. Als wenn ich mich nicht schon unwohl genug gefühlt hätte. Ich schloss mich also unzufrieden mit dem Verlauf des Unterfangens den Versuchen an und konnte das Schloss schnell mit Varinjas Werkzeug öffnen. Als Dank bekam ich ein unheimlich in mein Ohr geflüstertes "Gut gemacht, Herr Rumbo" von Eztli. Darauf kann ich gut und gerne verzichten... bitte.

Varinja verlangte nun, dass ich mit in die Wohnung kam, um eventuelle Tresore zu öffnen. Ich argumentierte dagegen und neben uns sprach Eztli wieder einige Worte auf Zur und sie verschwand. Meine Feen konnten sie weiter verfolgen, wie sie durch den kurzen Flur in die Wohnstube von Frau Pastorius schwebte und sich dort umschaute. Zwei große Fenster, ein verglaster Wandschrank mit allerlei teurem Geschirr, ein niedriger Teetisch und ein Sofa. Dazu Flure und Türen in andere Räume.

Anscheinend hörte sie nichts, doch der Don, der immer noch bei Varinja und mir an der Wohnungstüre stand, konnte ein leises, hohes Schnarchen vernehmen, das auch meine Feen aufnahmen. Schnell zauberte er eine leise Flüsterbotschaft, um Eztli zu warnen, dann verebbte auch das Schnarchen.

Eztli konnte einen Schatten im Dunkeln eines kleinen Flures erkennen, dann zwei kleine, blitzende Augen, die sie anstarrten. Und schließlich schoss ein kläffender Hund auf sie zu. Nicht größer wie eine Katze, dürr und mit übergroßen, spitzen Ohren, hervorquellenden Augen und nadelspitzen Zähnen. Ein Garamor Tempelhund, teuer und in diesen Landen fast nicht zu bekommen. Seltsame Züchtung und unglaublich aggressiv.

Der Tempelhund schoss in die Wohnstube und wollte vermutlich zur Eingangstüre springen, sah er schließlich Eztli nicht und konnte er sie mit seiner Überzüchtung wahrscheinlich auch nicht riechen.



Kurz stockte Eztli, dann sprach sie wieder einige ihrer Machtworte: Eti cav itu... oder so. Und der Garamor Tempelhund explodierte in einem Schwall aus Blut und verdrehtem Fleisch. Stückchen blieben an Wänden, Möbel und Decke kleben und Varinja zog den Don nur aus dem Flur schnell ins Treppenhaus und schloss dann die Türe.

Aus einem der Zimmer, die von der Wohnstube weg führten, waren nun Schritte zu hören und eine unsichere Frauenstimme, die nach "Gürkchen" rief. Also war dies das "G." auf dem Namensschild gewesen, kein verstorbener Ehemann. Gürkchen hatte einen speziellen Platz in Frau Pastorius' Herzen, war nun aber nicht mehr dazu in der Lage, seinem Frauchen zu antworten.

Also übernahm das Eztli... und sogar recht überzeugend, das muss ich ihr lassen. Sie kläffte und schwebte immer noch unsichtbar in der Mitte der Stube (und warum sie nicht wie Astariel bei ihrem Angriffszauber wieder sichtbar geworden ist, muss mir auch einmal ein Magiekundiger verraten, das ist schon unerhört übermächtig), auf Frau Pastorius wartend.

Die öffnete schließlich die Schlafzimmertüre und sofort griff Eztli mit ihrer Magie nach der alten Dame.



Varinja hatte den Dolch feste in ihrer Faust, als sie die Türe wieder aufriss und mit uns in die Stube stürmte. Was wir sahen, ließ uns erstarren: Eztli war mit dem Blut von Gürkchen verschmiert, manches tropfte noch von der Decke auf ihr Gesicht und ihre schmalen Schultern. Sie murmelte vor sich hin, ihr Mund zu einem unnatürlich breiten Mund, der voll mit langen, spitzen Zähnen war. Ihre Augen waren kleine, blutrote Punkte in der Finsternis ihrer Miene und die Arme, die sie nach Frau Pastorius ausgestreckt hatte, wirkten so, als hätten sie ein paar Gelenke zu viel. Sie war nun doch wieder sichtbar und aus der alten Dame, die in ihrem magischen Griff hing, quoll Blut hervor. Aus Nase, Mund und nun auch den Poren. Hatte Eztli die Kontrolle verloren? Hatte sie das Blut des kleinen Hundes so in einen Strudel aus Macht gestoßen, dass sie nicht mehr denken konnte? Letztendlich war sie eine Blutmagierin aus Zurul und ich kannte so manche Geschichte über diese Leute.

Die Bluttentakel, die sich aus dem Körper von Frau Pastorius formten, waberten auf Eztli zu und während der Don und ich noch entsetzt stehen blieben, kam Varinja zu sich. Vermutlich hatte sie schon schlimmeres bei ihrem Herren gesehen. Sie rief Eztlis Namen und sprang an die Seite von Frau Pastorius, ritzte ihr mit dem Betäubungsmittel getränkten Dolch an der Wange.

Blinzelnd kam die Blutmagierin wieder zu sich und Frau Pastorius sackte zu Boden. Varinja war sofort über ihr und fauchte uns die Frage zu, wer helfen könnte. Sie war noch am Leben, wirkte aber, als hätte sie eine Kutsche frontal erwischt: ein riesiger Bluterguss, pfeifend atmend und zitternd.



Der Don eilte sofort zu ihr, während Eztli nur verwirrt flüsterte, dass der Hund sie erschreckt hätte. Ich stand nur da und war froh, dass wir die alte Dame nicht umgebracht hatten und der Pilõsan über gute Heilzauber verfügte. Dann stand plötzlich Varinja neben mir, berührte sanft meine Schulter und meinte, dass ich mich beruhigen sollte. Ich schluckte und nickte und sie sah mich an und meinte, ich sollte nach dem Juwel suchen. Ich nickte erneut und machte mich an die Arbeit.

Der verglaste Wandschrank bot in diesem Raum am meisten Potential für einen solchen Aufbewahrungsort. Ich ging alle Tassen und Teller durch, während Eztli begann, das Blut aus dem Teppich und von den Tapeten zu saugen. Wie kleine Fäden hob sich die Flüssigkeit ab und formte sich um die Magierin, die alles gierig aufnahm.

Der Don hatte sein Werk vollendet und Frau Pastorius atmete wieder normal, sah auch nicht mehr ganz so ramponiert aus. Was Varinja nun aber ändern wollte, sollte die Sache doch wie ein Unfall aussehen. Mit dem Griff ihres Dolches schlug sie der alten Witwe eine Platzwunde über dem linken Auge und zusammen mit dem Don wollte sie die ohnmächtige Dame schon zurück ins Schlafzimmer tragen, als ich das Versteck des Juwels fand. Ich konnte noch ein erleichtertes "Ha!" ausstoßen, dann klirrte etwas neben mir. Ein beißender Geruch und meine Welt kippte.

Anscheinend schlug ich mit dem Kopf zuerst am Wandschrank auf und rutschte dann zwischen die Glastüren und das Sofa, während sich alle anderen nach dem Geräusch umdrehten und nun sahen, wie es mir ergangen war. Eine Wolke aus gelblichen Nebel breitete sich von meiner Position aus und das Stubenfenster hatte ein kleines Loch, wo die Phiole ins Zimmer eingedrungen war.



Auch Eztli begann zu husten, war sie doch zu nahe an dem Gas, das auch mich zu Boden gerungen hatte und durch ein zweites Fenster brach Schwarzschnabel, kampfbereit und natürlich in Umhang und Schnabelmaske gekleidet. Er kam auf dem Teppichboden auf und wollte schon zu Varinja springen, als Eztli einige harte Worte hervor stieß und Schwarzschnabel krampfte. Er sammelte sich nach dem magischen Angriff und sah mit einer ruckartigen Bewegung zur Blutmagierin, der er dann eine Phiole entgegen schleuderte. Die zerbarst in tausende Scherben und der Raum wurde mit einem wabernden Nebel erfüllt. Eztli kam röchelnd ins Wanken und fiel hart neben Frau Pastorius, während die anderen würgend ihren Stand festigten.

Varinja ließ sich nicht beirren: Schwarzschnabel sollte sofort verschwinden oder sie würde die alte Dame töteten! Das rief sie dem dunklen Rächer zu und der antwortete nur mit einer unheimlich verzerrten Stimme, dass wir hier nichts zu suchen hatten.

Doch Varinja ließ sich nicht so leicht abfertigen. Sie meinte, dass wir der Witwe nichts tun hatten wollen und sie sogar geheilt hatten. Dass wir nicht einfach gehen könnten und wir das Juwel benötigten. Sobald wir ihn hätten, würden wir abziehen, aber nicht früher.



Einige Herzschläge lang sah Schwarzschnabel sie an, dann richtete er sich auf und schritt zum Wandschrank, wo ich immer noch sabbernd lag. Er sah kurz zu der Stelle, wo ich das geheime Fach in der Schrankrückwand entdeckt hatte und holte zum Schlag aus. Wollte er das Geheimfach aufbrechen und uns das Juwel geben? Damit wir Frau Pastorius in Ruhe ließen?

Aber Eztli sah das anders... sie würgte, immer noch am Boden kriechend, einige Zur-Worte hervor und deutete auf Schwarzschnabel. Ihre Finger schienen länger zu werden und Schwarzschnabel stockte in seiner Bewegung. Er zitterte schwach, konnte sich aber keinen Fingerbreit mehr regen.

Ein Zittern durchlief den verhüllten Körper, während sich Schwarzschnabel anscheinend gegen den Zauber der Blutmagierin wehrte, und schnell eilte Varinja zum Wandschrank, um sein Inneres zu untersuchen. Doch fand sie das geheime Türchen nicht, das im Holz eingelassen war und vermutlich bis tief in die Mauer der Wohnung führte.



Eztli lag immer noch am Boden und die Blutfäden schlängelten sich wie Lebewesen zu ihr, dennoch war sie schwach und konnte nur ein "Beende es! Bring ihn um!" heraus pressen. Doch Varinja zischte ihr zu, dass sie doch Zeit hätten und dass sie noch nach dem Juwel suchen sollten. Doch Eztlis verbissener Gesichtsausdruck ließ sie die Sache noch einmal überlegen und sie zückte ihren Dolch und stand zögernd vor dem regungslosen Schwarzschnabel. Dann forderte sie den Don auf, dass auch er seine Waffe ziehen sollte und sie es gemeinsam beenden würden. Sie hatte Angst.

Der Don nahm seinen Rapier in die Hand und gemeinsam kamen sie näher, doch immer noch zeigte Varinja Scheu... oder Neugierde? War sie fasziniert von der Kreatur, die ihren Meister schon seit geraumer Zeit beschäftigte? Eisig fragte sie Schwarzschnabel, was er überhaupt wollte, als er sich dem Schrank genähert hatte.

Ein leises Ächzen ertönte aus der Maske: er hatte uns wirklich das Juwel geben wollen. Doch war dies die Wahrheit? Oder ein falsches Spiel, um uns etwas anderes zu verpassen? Einen Schlag? Oder eine Kopie des wertvollen Steins? Das Juwel, mit einem Zauber belegt? Wir werden es nie erfahren, befürchte ich...



Wieder zögerte Varinja. Und das war ihr Fehler... Schwarzschnabel zuckte und fiel in sich zusammen, lag einen Herzschlag wie ein Haufen schwarzer Laken am Boden. Ich denke, dass Eztli Recht hat: Schwarzschnabel hat einen Mechanismus in seiner Rüstung, die ihm in einem Fall wie diesem einen äußerst potenten alchemistischen Trunk in den Körper jagen und ihn so resistent gegen magische Übergriffe machen. Die ihn aufziehen wie ein gnomisches Uhrwerk und gefährlicher machen, als wir es bisher kannten.

Varinja sah ihren Fehler und rief Don zu, dass er Schwarzschnabel erschlagen sollte, griff ihrerseits mit ihrem Dolch an. Doch schon rollte sich der eben noch wehrlose Kämpfer zur Seite und parierte den Stich des Pilõsans, dann schlug er selber nach den beiden Agenten, die ihn bedrängten. Der Don konnte zurück springen, doch Varinja traf er mit voller Wucht am linken Unterarm. Ihr Knochen splitterte und ein gellender Schrei entfuhr der Kehle der jungen Dienerin. Sie brüllte Schwarzschnabel entgegen, dass er einfach verschwinden sollte und schlug noch einmal nach dem dunklen Krieger, der aber sprang nur zum zerbrochenen Fenster (und fing sich dabei eine kleine Schnittwunde ein, als Varinja doch noch mit ihrem Dolch einen Treffer landen konnte), zog einen kleinen Orb aus seinem Mantel und schleuderte ihn in den verglasten Wandschrank... genau dahin, wo ich das versteckte Fach erkannt hatte. Dann ließ er sich nach hinten und aus dem Fenster fallen.

Doch Eztli hatte genügend Blut aufgenommen, um damit wieder einen Zauber weben zu können: sie griff nach Schwarzschnabel und konnte die Maske greifen. Ihr Arm wurde zu einer Klaue, mit mehreren Gelenken aber dennoch fast so wirkend, als hätte er keine Knochen. Kurz hielt sie Schwarzschnabel außerhalb des Fensters auf Höhe des Stockwerkes, dann riss ein Riemen und Schwarzschnabel fiel auf die Straße, während die Maske weiter im Griff des kleinen Mädchens ruhte. Eine Sollbruchstelle? Würde zumindest Sinn machen.



Draußen waren nur die schnellen Schritte von Schwarzschnabel zu hören, der sich eilig entfernte. Und die Rufe der Nachbarn nach den Stadtwachen. Das Bersten der Fensterscheiben hatte einige Leute alarmiert, das war klar. Und ich bin froh, dass es letztendlich so war, da so nicht noch mehr Schaden durch den Bund (durch uns) angerichtet werden konnte.

Varinja und der Don sprangen erschöpft zum Wandschrank, darin war aber nur noch ein glimmendes, stetig wachsendes Loch zu erkennen. Es würde kein Feuer ausbrechen, aber das Juwel war vernichtet. Schwarzschnabel hatte sicher gestellt, dass der Bund hier kein Geld verdienen konnte. Ziemlich bemerkenswert.

Ich wurde von Varinja hochgehoben und der Don sammelte Eztli auf, die schwach die Maske umarmte und sich aus der Wohnung führen ließ. Schnell gelangten wir nach unten und liefen in die Schatten der nächtlichen Straße (oder wurden eben getragen, so wie ich). Varinja trug mich zur Villa vom Herrn von und Zu und meine Feen konnten mir nicht folgen, hatte der Herr Großkotz doch irgendwelches Hexenwerk bewirkt und hatte ich schon zwei der kleinen Automatons an seine Schatten verloren, als sie ihn in den letzten Monaten ausspionieren sollten. Somit kann ich auch erst wieder von der Zeit berichten, als ich zu mir kam und ich mitbekam, wie Varinja leise mit ihrem Herren sprach. Anscheinend hatte der Don ihren Bruch geheilt und mit zornigem Blick lauschte Astariel den Erzählungen seiner Dienerin. Als sie von Eztlis Schlag gegen Schwarzschnabel berichtete, blickte er stolz zum schwachen Mädchen, das auf einer anderen Liege im selben Raum lag und sie sahen sich die Maske genauer an. Teure Linsen und andere Mechaniken waren darin verarbeitet und es war erstaunlich, was Schwarzschnabel (oder wer auch immer) da geschaffen hatte: ein Wunder der modernen Alchemie, soviel war nun deutlich.



Ich stärkte mich mit einer Dauerwurst, die ich stets in meiner Hosentasche für genau solche Notfälle mit mir führte und mischte mich nicht ein, als der Herr Von und Zu mit Eztli ein Abkommen traf: die Maske gehörte ihr. Es war ihre Trophäe und nichts sollte dies verändern. Aber sie sollte in dieser Villa bleiben, sicher vor dem Zugriff ihres Erschaffers (also war die Villa wirklich ein abgeschirmter Ort der Dunkelheit geworden, in die Schwarzschnabel nicht mehr vordringen konnte... oder meine Feen. Und ich lag hier herum und kaute Wurst. Ich bin ziemlich hart drauf, keine Frage) und für kommende Untersuchungen bereit.

Doch Eztli war unzufrieden. Sie hatten die Möglichkeit gehabt, Schwarzschnabel zu töten, und hatten sie nicht genutzt. Varinja entschuldigte sich kleinlaut und meinte, dass sie nicht geahnt hatte, zu was der dunkle Kämpfer fähig wäre. Sie hatte gedacht, dass sie mehr Zeit zur Verfügung hätte.

Eztli erklärte ihre Theorie von den Drogen, die ich schon zuvor in dieser Niederschrift erwähnt habe, und zog den Schluss, dass es etwa zehn Sekunden dauerte, bis sich Schwarzschnabel aus einer solchen Situation befreien könnte. Dies sollte in zukünftigen Kämpfen vielleicht von Nutzen für den Bund sein. Sie grinste ihr kleines, teuflisches Grinsen und kicherte, dass Schwarzschnabel nicht mehr unverwundbar war. Der Beweis lag neben ihr: die Schnabelmaske, die sie ihm entrissen hatte.



Zufrieden sahen sich alle an und Eztli und Varinja gaben sich die Hand. Es gab kein böses Blut zwischen ihnen und mir war klar, worauf diese Sache hinauslief: erneut hatte der Bund die Gefährlichkeit von Schwarzschnabel zu spüren bekommen und das in einer Zeit, in der sie sich keine Schwäche leisten konnten. Der Kampf mit der Gilde hatte erst begonnen und es gab nur eine Möglichkeit, sich abzusichern, dass Schwarzschnabel ihnen nicht erneut in die Suppe spucken würde: der mysteriöse Rächer musste beseitigt werden!
 
Die Spielerin der Die Schatten Emeralds Charaktere Trixxie hatte sich eine klassische Hintergrundgeschichte für ihre Schurkin ausgedacht und sogar eine kleine Kurzgeschichte dazu verfasst. Nun bat sie mich, der Rachequeste ihres Charakters einen Abschluss zu meistern und das tat ich dann auch...
Ich wollte aber keine klassische Aufarbeitung, sondern eher etwas seltsames, wie etwa Hellboys "Lost Year" in Mexiko, dem Dunke Blurr... ihr hats gefallen, @Dyesce mit ihrem Charakter Maleko auch und hier ist das Kapitel dazu:


Hierbei handelt es sich nicht um einen Bundauftrag. Somit interessiert es nicht unbedingt für meine Ermittlung gegen die Bundväter, ist aber für die Charakterisierung einzelner Bundagenten aber doch recht aussagekräftig. Dazu muss ich aber dennoch sagen, dass ich hier selbst nicht beteiligt war und auch meine Feen nicht vor Ort hatte. Ich erfuhr alles, als meine Späheinheiten ein Gespräch über die Ereignisse belauschten. Insofern ist dies doch recht fragwürdig und interpretationswürdig...



Eine Woche nach den Anschlägen auf die Bundführung kam Trixxie mit ihren Morgeneinkäufen an einer kleinen Wiese vorbei, auf der Kinder das seit dem Krieg in Tarleen sehr beliebten Mannschaftsspiel Drachenhort austrugen. Sie stutzte, als sie einen der Jungen erkannte und als sie ihn beobachtete, wurde auch er auf sie aufmerksam. Ungläubig sah er sie an und als sie auf ihn zukam, fiel er ihr um den Hals. Es war Boris Farenng, der Vetter ihres ehemaligen Verlobten. Dieser Verlobte, Rafael Farenng, hatte sie am Traualtar wegen einer anderen Gnomin sitzen lassen und das war anscheinend auch Trixxies Motivation gewesen, nach Emerald zu ziehen, dem Bund beizutreten und sich schließlich als Attentäterin ausbilden zu lassen. Sie hatte das Ziel, sich mit diesen Künsten an Rafael zu rächen, wenn der Tag gekommen war.

Und nun stand der junge Verwandte ihres ehemaligen Verlobten direkt vor ihr. Boris erklärte fröhlich, dass seine ganze Familie nach dem Krieg nach Emerald gezogen war, und als Trixxie direkt nach Rafael fragte, erklärte ihr der Junge, dass dieser in einem kleinen Ort vor Emerald ein Gasthaus gekauft hatte und mit seiner Frau führen würde.

Und ja: es war immer noch Gabriella, für die er Trixxie verlassen hatte, soviel war sicher und auch erzählte Boris von einer kleinen Tochter, die die beiden großzogen.



Beide verabschiedeten sich und Trixxie ging in Gedanken versunken nach Hause, wo Maleko schon von seiner Frühschicht im Badehaus zurückgekehrt war. Sie erzählte ihm von seiner Begegnung und von ihren wieder aufkeimenden Gefühlen und Maleko meinte nur, dass Gasthäuser gut brennen würden und er sich ihrem Unterfangen anschließen würde.

Doch hatte sie nicht nach dem Ortsnamen oder dem Namen des Gasthauses gefragt und so schlenderte Maleko zurück in die Wasserrose, da er genau wusste, dass einer der Bundinformanten zu diesem Zeitpunkt in der Schreibstube war. Für ein Platinstück wurden für ihn die gesammelten Akten aus den letzten Monaten durchforstet und letztendlich wurde ihm auch mitgeteilt, dass ein Rafael Farenng das Gasthaus Der Wanderer in Aalgrindt gekauft hatte.



Mit diesem Wissen kehrte er in die gemeinsame Wohnung zurück, wo Trixxie bereits gekocht hatte und beim gemeinsamen Mahl besprachen sie die nächsten Schritte: vor einigen Jahren hatte der Bund einige seiner Schläger nach Aalgrindt geschickt, um einen Geldtransporter auszurauben. Mein Kollege Korbin hatte in seinen Unterlagen davon berichtet und obgleich Maleko und Trixxie nicht direkt im Ort gewesen waren, sondern nur die Kutsche abgefangen hatten, wussten sie, wohin sie nun gehen mussten. Anscheinend war die Gaststätte die, in der Kaica und der Rest damals die Vorbereitungen für ihre Tat durchgeführt hatten und die damals Doro Saggrunts Vater Jeremia gehört hatte. Jeremia war gestorben und Doro im Krieg mit Kaicas Sohn nach Emerald geflohen. Und so hatte anscheinend Rafael Farenng den Betrieb übernommen.

Sie entschieden, noch am Vormittag los zu gehen, damit sie am Abend in Aalgrindt ankämen.



Sie verließen Emerald, überquerten den Hauptlauf der Emer über eine der vielen kleinen Brücken am nördlichen Stadtrand und fanden sich schnell auf der Straße in Richtung Aalgrindt wieder, wo vereinzelte Wanderer und Bauern ihnen entgegen kamen.

Bis zu einer kleinen Kapelle, die der Wegesgöttin Lagbartha geweiht war, wanderten sie und dort sahen sie eine alte Frau, die mit einem Bauchladen im Schatten des kleinen Häuschens zitterte. Ihre Augen waren milchig und ihre Stimme schwach und sie bat die beiden, ihr Feuerholz zu besorgen, waren die Nächste doch noch frisch und als Dank würde sie ihnen die Fleischspießchen geben, die sie heute nicht am Markt verkaufen hatte können. Maleko gab ihr ein Silberstück und wollte schon einige Stöcke einsammeln, als die alte Frau den beiden die Spießchen gab und freudig zusah, wie sie zu kauen begannen.

Doch erkannte Trixxie schnell den Geschmack eines potenten Giftes und beide wurden schwach auf den Beinen, ihre Gedanken träge und die Welt um sie herum verzerrt. Ohne sich wehren zu können wurden sie von der nun doch recht starken Alten in die Dunkelheit der Kapelle geschoben, wo sie anscheinend ein kleines Lager hatte und sie auf einen Haufen Stroh setzte, während sie Feuer unter einem Topf machte und Rüben und Lauch ins sich erhitzende Wasser schnitt.



Ob sie die beiden verspeisen wollte, wurde die Alte gefragt, und das gab sie mit einem Lächeln sogar zu, doch konnten sich weder Trixxie noch Maleko wirklich wehren oder einfach nur weglaufen. Sie lagen da und rochen die Brühe, die langsam zu kochen begann und als die Alte dann mit einem Messer und gierig zitternden Lippen auf sie zukam, fand Maleko doch die nötige Kraft, sein Kama zu ziehen und der Kannibalin die Finger abzuschneiden.

Sie schrie kurz auf und eilte ihrem Messer nach, das aus der Kapelle geschleudert worden war und als sie ins direkte Sonnenlicht stolperte, zerfiel sie zu Asche und Staub.

Ächzend halfen sich die beiden auf die Beine und Maleko zog sein Silberstück aus dem Aschehaufen, der von den vorbeigehenden Bauern seltsam beäugt wurde und da es hier nichts mehr von Interesse gab und sich der Schleier des Giftes an der frischen Luft langsam zu heben schien, zogen sie weiter Richtung Aalgrindt.



Nur wenige Minuten später sahen sie einen Bauern auf der Straße stehen, der vergeblich versuchte, seinen Esel zum nahen Hof zu ziehen, der zwischen einigen Feldern zu sehen war. Als Trixxie und Maleko ihn grüßten, bat er sie, ihm dabei zu helfen, das störrische Tier in seinen Stall zu bringen. Er zog erneut an dem Seil, das um den Hals des Esels befestigt war und nannte ihn Kornelius, der schüttelte aber lediglich seinen grauen Kopf mit den langen Ohren und blieb stehen.

Nun wollte Maleko dem Grauhaar gut zureden und ihn streicheln, doch der Bauer reagierte empört und meinte, dass nicht jeder seinen Esel liebkosen könnte. Er versprach sich beinahe und begann mit "meine" und Maleko sah kurz nach, ob es sich bei Kornelius vielleicht tatsächlich um eine Eseldame handeln würde. Und wirklich: es war eine Eselin.

Wieder streichelte Maleko das Tier am Kopf und zornesrot wurde der Bauer und meinte, er würde doch auch nicht die Gnomin einfach so anfassen. Da die Eselin aber nur näher an Maleko heranrückte, brüllte sie der Bauer an, dass sie ab nun geschiedene Leute wären und so stapfte er alleine zu seinem Hof und ließ das Tier bei Trixxie und Maleko stehen.

Grinsend fragte Maleko die Eselin, ob sie eine verwunschene Prinzessin sei, doch schüttelte das Grauhaar seinen Kopf und schrieb dann zur Verwunderung der beiden mit einem Huf in den Boden: verwunschene Prinzessin Ehefrau.

Die beiden staunten nicht schlecht und fragten, ob sie tatsächlich Kornelia hieß und die Eselin nickte. Kurz stupste sie beide freundlich mit der weichen Schnauze an, dann wanderte sie gelassen die Straße hinunter und über die Felder, weg vom Bauernhof ihres Gatten. Maleko rief ihr noch nach, dass sie jederzeit bei den beiden im Holzapfelweg 18 im Garten wohnen könnte, dann zogen sie kopfschüttelnd weiter. War das immer noch das Gift, das auf ihren Verstand wirkte? Ansonsten würde ich solche Vorfälle schon als äußerst seltsam bewerten. Aber über diese Dinge unterhielten sie sich letztendlich, als meine Feen sie belauschten.



Nunja... sie zogen weiter. Weiter die Straße entlang und vorbei an der Stelle, an der sie vor all den Jahren den Geldtransport überfallen hatten. An beiden Seiten des Waldes wuchsen mittlerweile die Bäume des Waldes, der Aalgrindt umgab und fast schon waren Trixxie und Maleko nicht mehr überrascht, als zwei Kinder auf der Straße standen. Die beiden hielten sich an den Händen und sahen sie mit großen Augen an und Trixxie erkannte mit flauem Gefühl, dass die Kinder wie sie und Rafael aussahen, als die beiden noch Spielkameraden waren.

Wie aus einem Mund jammerten sie, dass sie sich verlaufen hatten und dann rannten sie (immer noch Händchen haltend) in den Wald hinein. Trixxie und Maleko blickten ihnen nach und sahen sich fragend an. Sie ahnten, was auf sie zukommen würde und eigentlich wollten sie doch nur nach Aalgrindt, um Rafael den längst überfälligen und lethalen Denkzettel zu verpassen, auf den Trixxie die letzten Jahre hingearbeitet hatte.

Doch dann zuckte Maleko mit den Schultern und fragte seine Freundin, ob sie auch neugierig war, was die Kindern nun zu bieten hatten. Die Gnomin nickte und beide gingen in den Wald hinein. Durch Gräben und Farndickichte, Brombeerhecken und Schlangennester staksten sie und schließlich kamen sie zu einer ebenen Stelle im nicht allzu dichten Nadelwald. Aus dem Boden ragte nur die Spitze eines Tempelturmes und nur die roten Schindeln und die Glocke war zu sehen, doch führte eine Leiter den Turm hinab in die Tiefe.



Im Inneren des Gotteshauses war alles mit Erde und Wurzeln bedeckt und nur wenige Sonnenstrahlen drangen durch die kaputte Decke und Risse im Waldboden. Zwischen den Bankreihen standen die Kinder, immer noch Händchen haltend und wieder jammerten sie wie aus einem Mund, dass sie sich verlaufen hätten. Schon wollte Maleko einen Schritt auf sie zugehen, als er und Trixxie eine Geräusch hinter sich vernahmen. Das große Tor des Tempels war auf geschwungen und kein Erdreich war zu sehen, wie man es eigentlich erwartet hatte, sondern gleißender Schein. Verwundert drehten sich Trixxie und Maleko um und die beiden Kinder flüsterten ihnen wie Wind zu, dass sie ins Licht gehen sollten. Wieder sahen sie zu den Kindern, die waren jedoch nun wie zwei flackernde Flammen, nicht mehr wirklich humanoid, mit verzogenen Fratzen. Trixxie blieb stehen und ein Wehklagen entfuhr den beiden Flammen, die sich immer noch mit armgleichen Auswüchsen berührten.

Dann sah Maleko seine Freundin lächelnd an, zog sein Kama und lief auf die beiden zu. Doch weit kam er nicht, stolperte er doch über etwas, was im Boden begraben war und als er schwer zwischen den Bänken zu Boden fiel, ging eine Erschütterung durch den Tempel. Erdreich rieselte von der Decke und ein großer Spalt öffnete sich ächzend, ließ mehr Sonnenlicht ins Tempelinnere strömen.

Der Strahl traf die beiden Flammenkreaturen und mit einem hohlen Seufzen vergingen sie. Maleko rappelte sich auf und zusammen sah er mit Trixxie zum großen Tor, das nun wieder geschlossen war und mit Wurzeln überwachsen wirkte. Dort konnte man nicht mehr hindurch, der Spuk war gebrochen. Dann beugte sich der Bademeister nach unten und zog eine schöne Schatulle aus der Erde. Über sie war er gestolpert und vorsichtig öffnete er das kleine Kästchen.

Darin war ein Schlüssel ohne Bart und auf dem Deckel der Schatulle stand "Ein Schlüssel, der jedes Schloss zu öffnen vermag" und so steckte er beides ein und sie kletterten zusammen wieder die Leiter den Tempelturm empor, bis sie im Wald angekommen waren.



Es war schon Nachtmittag geworden, als sie wieder auf der Straße nach Aalgrindt waren und schon bald sahen sie einen Hund mitten auf dem Weg sitzen. Er wirkte etwas verlaust und ungekämmt und als Maleko ihm einen guten Tag wünschte, erwiderte der Hund den Gruß. Trixxie und Maleko seufzten. War immer noch das Gift am Werke? Der Hund erklärte mit gut gewählten Worten, dass er ein goldenes Ei benötigte, das in einem nahen Ententeich auf einem einsamen Seerosenblatt lag. Maleko wollte wissen, was der Hund mit dem Ei wollte, der meinte aber, dass dies niemanden anderen etwas angehen würde. Maleko pflichtete ihm zu und fragte seine Freundin, was sie von der Sache hielt. Die war ebenfalls neugierig, was nun schon wieder auf sie zukam und zusammen gingen sie zum Ententeich, der im Wald lag. Die Enten schwammen schnell davon und wirklich: inmitten des Teiches stand ein goldenes Ei auf einem einzelnen Seerosenblatt. Trixxie warf erst einen Stein und dann einen Käfer ins Wasser und beide Male brodelte das Wasser teuflisch und sie wussten nicht, wie sie sicher zum Ei gelangen sollten.

Als sie einen Stein nach den Enten warfen, flogen diese quakend davon und so konnten sie auch nicht herausfinden, warum diese Tiere sicher im Wasser schwimmen und tauchen konnten und da es dunkel wurde, verging ihre Lust auf dieses Abenteuer. Nun musste sich Maleko nach dem Tagesmarsch auch erleichtern und als sich die Flüssigkeit mit dem brodelnden Teichwasser vermischte, erhob sich ein schwefeliger Gestank aus dem Gewässer. Trixxie und Maleko rangen nach Luft und husteten und entschieden, dass es das alles nicht wert war. Sie kehrten zur Straße zurück und sahen dort auch keinen Hund mehr und so gingen sie in der Dämmerung weiter nach Aalgrindt.



Kurz sahen sie noch zwischen den Bäumen einen kleinen Halblingshof, auf dem ein Drachenwelpe Feuer spuckte und Vieh und Halbling in Brand steckte und hinter dem kleinen Drachen lief der Hund einher und feuerte ihn an, Rache zu nehmen und mit einem Seufzen erkannten die beiden Wanderer, dass jemand anderes dem Hund das Ei gebracht hatte und all das sein Plan gewesen war, doch wollten sie sich nicht mehr einmischen. Zu seltsam wirkte dies alles und zu spät wurde es hier auf der Straße.

Sie sahen nicht mehr zum brennenden Hof und schritten am Ortsschild von Aalgrindt vorbei, das versprach, dass ihr Weg nicht mehr allzu weit war.



Nur wenige Häuser waren in dieser Ortschaft zu sehen, nur eine schmutzige Straße führte durch Aalgrindt. Das höchste Gebäude war die Gaststätte und die wirkte dunkel und verlassen und als sich Trixxie und Maleko an der geschlossenen Türe zu schaffen machten, trat der Bademeister in einen Eimer und machte dabei eine Menge Lärm.

Ein Nachbar eilte herbei und entschuldigte sich für den geschlossenen Betrieb, war doch die Gabriella Farenng, Frau des Wirtes, mit ihrer Tochter Fiele zurück zu ihrer Mutter gezogen und hatte sie den Wirt Rafael alleine zurück gelassen. Er wünschte ihnen eine schöne Weiterreise und ließ sie alleine.

Die beiden öffneten die Türe und betraten den verstaubten Schankraum, schlichen dann leise die Treppe ins erste Obergeschoss hinauf. Dort war nur eine Türe angelehnt und aus dem Spalt drang Kerzenschein und das Wimmern einer verzweifelten Person. Sie blickten durch den Spalt und sahen Rafael, nur in Unterwäsche und schmutzig, ein Pergament umarmend und auf einer einfachen Matratze am Boden sitzend. Der bemerkte sie und fiel weinend auf seinen Bauch und heulte Rotz und Wasser und griff nach Trixxie, die angeekelt zurückwich.

Maleko hob ihn am Genick hoch und immer noch weinte Rafael und ließ sich schlapp hoch heben und lallend fragte er Trixxie, ob sie zu ihm zurück kommen würde. Er würde sie immer noch lieben, meinte er, doch sah Trixxie das Bild von Gabriella und einem kleinen Mädchen auf dem Pergament.



Maleko lachte und sagte, dass er vermutlich auch wegen dieser alten Liebe seine Ehe ruiniert hatte und fragte dann hungrig nach der Speisekammer. Doch hatte Rafael alles gegessen und wieder weinte er, dass niemand ihn wollte.

Lange überlegte Trixxie, was sie machen sollte und letztendlich ging sie zu Rafael, der immer noch im Griff ihres Freundes hing und weckte den Gnom, der eingeschlafen war. Sie erklärte ihm leise, dass sie nicht zurückkommen werde und er von ihr fern bleiben sollte. Ansonsten würde er sterben.

Rafael rollte sich in Malekos Griff zusammen und der Bademeister legte ihn auf die schmutzige Matratze, wo der schluchzende Gnom liegen blieb.



Sie verließen den Wanderer und gingen die lange Straße nach Emerald zurück und hier entdeckten meine Feen sie am emeralder Stradtrand und nahmen die Gespräche auf, die sie verwirrt führten. Das Gift hatte keine Wirkung mehr, aber war das alles dennoch wirklich geschehen? Auf der Rückreise hatte Maleko nach dem Aschehaufen der alten Kannibalin gesehen und in der Dunkelheit war er sich nicht mehr sicher gewesen, ob das nur Schmutz oder etwas anderes war. Den Schlüssel in der Schatulle hatte er noch, aber der Hund? Die beiden Flammenkinder? Und der Esel? Konnte das alles wirklich sein?

War das ein Teil des Fluches, den die alte Vettel Maleko vor dem Krieg auferlegt hatte oder doch nur ein Fiebertraum?



Trixxie dachte viel nach. Vermutlich über Rafael und ihre Gefühle. Über die abgebrochene Hochzeit vor all den Jahren und die Tränen des Mannes, den sie zu hassen gelernt hatte. Hatte sie ihre Rache bekommen? Oder tat er ihr nun nur noch leid? Ich kann nicht in Leute hineinsehen und auch meine Feen vermögen dies nicht zu bewerkstelligen.

Aber Trixxie wirkte müde und verwirrt und so bogen beide in ihre Straße ein und gingen zu ihrem Haus und sie staunten nicht schlecht, als vor ihrem Mietshaus in ihrem Gartenabteil eine Eselin wartete und sie freundlich mit einem Schnauzenstoß begrüßte. Sie konnte nicht schreiben und nickte nicht bei den Fragen, aber sie liebte anscheinend Gewürzkekse und so blieb sie bei den beiden wohnen.



Und was soll ich noch zu dieser Mär sagen, die als Racheaktion anfing und mit zwei verwirrten Bundschlägern endete? Ich habe keine Ahnung... aber vielleicht ergibt das für irgendjemanden irgendwann einmal wirklich Sinn.



Es wäre schließlich schade, wenn dies nur reine Papierverschwendung war, oder?
 
Das neue Kapitel von "Die Reisenden" ist am Wochenende fertig geworden:

VIER WINTER WAREN seit dem Kampf gegen den Höllendämonen in der Eisspalte vergangen. Die Orks waren zusammen mit der Schratin Shkut-yun zurück nach Dungor'tac gereist und Belesh hatte sich erneut in ihrem Turm zurück gezogen. Sie empfing kaum Besuch und nur Apu'tarok, der es wieder auf sich genommen hatte, Welpen und Krieger auszubilden, war wirklich bei ihr willkommen. Derkha Wredt genoss hohes Ansehen im Stamm, während das Triumvirat stolz auf ihre Helden blickte, die einen alten Feind dieser Welt erschlagen hatten.



Und dann erreichte der Zug aus Halbmenschen und Goblins Dungor'tac und in der Stadt brach Aufruhr aus. Seltsam sahen sie aus, mit orkischen Gesichtszügen, aber schmaler und schmächtiger. Mit weniger Haaren und kleineren Hauern, jedoch wachem, durchdringendem Blick. Warum sich ein stolzer Ork mit einem einfachen Menschen paaren wollte konnte sich keiner der herbeieilenden Schaulustigen erklären und ein stetes Raunen ging durch die Menge. Die Goblins an der Seite der Halbmenschen waren in feine Leinen gekleidet und wirkten ruhig und besonnen und sie erklärten mit einem seltsamen Akzent, dass sie aus Hållheim waren, einer großen Stadt der Faer. Mit großen Zugschlitten waren sie über die verschneiten Ebenen gekommen und sie fragten nach den Kriegern, die sich vor einigen Jahren dem Dämonen entgegen gestellt hatten. Mit ihnen solle der Frieden zwischen den Völkern ausgehandelt werden.

Also wurden Apu'tarok und Derkha Wredt und Shkut-yun geholt und Belesh in ihrem Turm sah den Boten nur lange stumm an und schritt dann mit einem dunklen Gefühl in ihrer Brust hinein nach Dungor'tac, um zu sehen, was vor sich ginge. Auf ihrem Schädelhelm waren die Zähne des Lindwurms wie Hörner angebracht und grausig war der Anblick der Kriegerin, die sich vor so langer Zeit selbst verloren hatte.

Und so standen die ungleichen Gefährten auf dem großen Platz in Dungor'tac und Derkha und Shkut-yun hatten die Rüstungen angelegt, die sie sich aus den Schuppen des Lindwurms hatten anfertigen lassen. Der Rüstungsbauer hatte eine geschnitzte Mammutzahnstatue aus dem Hort des Dämonen als Bezahlung erhalten und nur Apu'tarok wirkte alt und schwach, müde auf den Kopf seiner Kriegsaxt gestützt, als wäre es ein Gehstock.



Aus dem Schatten einer Hütte heraus sahen sie die Gruppe an, die aus Hållheim gekommen war und mit denen Karesh Dargon sprach. Der erfahrene Kriegsherr hatte es sich zur Aufgabe gemacht, den Willen des Triumvirats durchzusetzen und verhandelte nun mit ihnen. Um Proviant ging es und um das Recht, in einer der Hütten zu übernachten und die Händler aus der Nachbarschaft hatten sie zu ihnen gesellt, um sich die mitgebrachten Waren aus der Faerstadt anzusehen.

Einer der Halbmenschen sah in die Richtung der stummen Kameraden und mit einem Schnauben ging Belesh auf die Neuankömmlinge zu. Der Halbmensch wich ihrem Blick nicht aus und provoziert von seinem Starren blieb die Kriegerin nur wenige Fingerbreit vor ihm stehen. Alle waren zurückgewichen und die fremden Goblins hatten sich hinter den Schlitten und Beinen der Halbmenschen versteckt, doch der eine hatte an seinen Gürtel gegriffen und so zischte ihm Belesh zu, was diese Beleidigung zu bedeuten hatte. Doch der Halbmensch antwortete nicht und bevor Belesh ihrem Zorn freien Lauf lassen konnte, schritt Karesh Dargon dazwischen. Schließlich sprach der Halbmensch und meinte, er würde Armin heißen und Belesh spuckte hervor, dass dies kein Orkname wäre und drehte sich um, ging zu Apu'tarok und den anderen zurück.



Dargon begleitete sie und flüsterte der kleinen Gruppe zu, dass sich der Anführer der Hållheimer als Gunder Halvmensc vorgestellt hatte und das Triumvirat nun verlangte, dass Apu'tarok, Derkha und Shkut-yun mit ihnen in ihre Stadt gehen sollten. Und auch Belesh würde mit in Ferne ziehen. Denn dies war eine Möglichkeit, die die Stämme nicht ausschlagen konnten: seit einiger Zeit gewannen die Faer an Macht und Einfluss in diesen Landen und sollten die Städte der Reisenden nun wirklich einen Frieden anstreben, wäre es Irrsinn, die Einladung nicht anzunehmen. Sie sollten in den Nordwesten ziehen, nach Hållheim. Und selbst wenn es letztendlich keinen Frieden geben würde, konnten die Dämonentöter so wichtige Informationen aus einer der Städte zurück nach Dungor'tac bringen.

Ob es wirklich einen Frieden geben könnte, wollte Apu'tarok wissen und Dargon meinte, dass er es hoffen würde. Es sah nicht gut aus für die Stämme, die immer weiter zurück gedrängt wurden. Sie sollten sich fähige Krieger, Späher und Schamanen aussuchen, die mit auf die Reise gehen würden.

Nun wollte Belesh die stärksten Schlächter und Schamanen, die Kampfzauber wirken und Eiswürmer beschwören könnten, doch Dargon schüttelte seinen Kopf. Er empfahl besonnene Kämpfer und Heiler, die nicht hunderte Hütten niederbrennen, sondern sichere Pfade durch einen Schneesturm und tiefe Wunden schließen konnten. Sie sollten darauf achten, keine falschen Eindrücke zu erwecken und bei jedem Schritt vorsichtig sein.



Shkut-yun vertraute darauf, dass Apu'tarok die besten Krieger wählen würde, schließlich hatte er die meisten Orks, Schrate und Goblins in Dungor'tac selbst ausgebildet. Und sie versprach, weitere Schamanen für dieses Unternehmen zu gewinnen.

Derkha nickte, wusste er doch, dass er sich auf die beiden Gefährten verlassen konnte, auch wenn Apu'tarok seine Erfahrungen mit den Reisenden hatte, die sein Urteilsvermögen eventuell schmälern würden. Doch wollte der Jäger an die Möglichkeit glauben, Frieden zu schaffen und er setzte sein volles Vertrauen in den alten Ork.

Am nächsten morgen sollte die Reise nach Hållheim beginnen und sie alle wurden von Karesh Dargon eingeladen, in einer großen Gemeinschaftshütte die Nacht zu verbringen. Sie stapften durch den Schnee und Belesh flüsterte Shkut-yun dunkel zu, dass sie entgegen Dargons Wunsch sehr wohl Eiswürmer wollte und mütterlich lächelnd erklärte sie, dass im Notfall sie selbst einen der alten Würmer rufen könnte.

Dann verteilten sie sich, um alles Nötige vorzubereiten...



Am Abend saßen sie unter dem hohen Dach der großen Gemeinschaftshütte. Lange Bänke waren um das prasselnde Feuer in der Mitte des Gebäudes aufgestellt worden, daneben warteten schon dicke Felle auf die Anwesenden. Die Gruppe aus Hållheim saß an einem Ende der Halle und Gunder Halvmensc unterhielt sich leise mit Karesh Dargon, während die Helden der Eisspalte sich mit ihren Leuten am anderen Ende mit Met und Fleisch den Magen füllten. Zehn fähige Orks hatte Apu'tarok für die Sache gewinnen können und zwei Schamanen der Goblin Familien saßen zwischen ihnen und beobachteten über die Flammen hinweg neugierig ihre Verwandten aus der Faerstadt.

Auch die Hållheimer tranken Met und mit großen Augen sahen sie zwischen den Balken der Hütte umher, zu den dort zum Trocknen aufgehängten Kräuter und den feinen Schnitzereien, die alte Legenden aus der Mythologie der Orks, Schrate und Goblins zeigten. Wie eine Reise in ihre Vergangenheit musste es ihnen vorkommen, als sie all das aufsaugten und verarbeiteten und ehrfürchtig flüsterten sie einander zu.

Schließlich standen Apu'tarok und Shkut-yun auf und die Schratschamanin half dem alten Krieger hinüber zu Dargon und Halvmensc, zu denen sie sich setzten. Zu viert besprachen sie die Reise nach Hållheim, die für die Reise benötigten Vorräte und die Möglichkeit, mit Shkut-yuns Hilfe Kontakt mit dem Triumvirat aufzunehmen.



Belesh und Derkha blieben auf der anderen Seite des Feuers sitzen und die Kriegerin beäugte brütend Armin, der zwischen seinen Kameraden saß. Sie hoffte inbrünstig, dass der Halbmensch irgendwann einen Fehler machen würde. Dann kam einer der Goblins aus Hållheim zu ihnen, einen Becher Met in der einen und ein Stück Braten in der anderen Hand und er fragte freundlich, ob er sich zu den beiden setzen dürfte.

Belesh sagte nichts, doch Derkha Wredt nickte freundlich und schnell zog sich der Goblin einen Schemel heran und setzte sich umständlich mit seinen kurzen Beinen darauf, stellte sich dann lächelnd als Kogg Fiëlør vor. Seine Kleidung wirkte zu glatt und hatte ein seltsames Muster eingearbeitet, sein Haupthaar war auf eine ungewohnte Art geschnitten. Doch er prostete ihnen zu und meinte zufrieden seufzend, dass ihm der Honigwein ausgesprochen gut munden würde.

Derkha stieß mit ihm an und wollte dann wissen, wie es in der Stadt von Fiëlør war und wer dort leben würde. Größtenteils Menschen, Zwerge und Elfen, erklärte der Goblin, während er einen weiteren mundvoll Braten kaute. Aber es gab dort auch andere Völker, fügte er hinzu.

Dass es nicht dumm gewesen war, Halbmenschen und Goblins nach Dungor'tac zu schicken, musste Derkha Wredt zugeben und er fragte, ob es in Hållheim auch richtige Orks gäbe. Fiëlør schüttelte seinen runden Kopf und Belesh fragte nun grunzend, warum der Goblin dann überhaupt dort leben würde. Fiëlør erklärte, dass er dort Arbeit und Sicherheit hatte. Aber wie wäre der Goblin überhaupt erst dort hingekommen, fragte Belesh. Hatten die Faer seinen Stamm abgeschlachtet und ihn dort hin verschleppt?

Fiëlør lachte. Er war dort geboren und aufgewachsen. Er trank seinen Met aus und Belesh sah nur finster in die knisternden Flammen der Feuerstelle.



Derkha Wredts Neugier war jedoch noch nicht gestillt: wie viele Hütten es in Hållheim gab und wie die Bewohner dieser Stadt herausgefunden hatten, dass es ein Trupp aus Dungor'tac gewesen war, der vor vier Jahren dem Höllendämonen ein Ende bereitet hatte.

Entspannt saß Kogg Fiëlør neben den beiden Orks und beschrieb ein Meer aus Dächern, das mindestens dreimal so flächig war, wie die orkische Stadt. Dann erzählte er von den Suchmannschaften der Faer, die nach dem Ende des Kontaktes mit der Zwergenfeste das umliegende Land abgesucht hatten und auf die Spuren des Kampfes in den Höhlen unter dem Krater gestoßen waren. Der Rat von Hållheim war beeindruckt von soviel Mut und Kampfkraft gewesen und nach langer Beratung hatten sie mehrere Gruppen entsandt, die Dämonentöter zu finden.

Denn wer einem Höllendämonen mit nicht einmal einer Hand voll Leuten die Stirn bieten konnte - und mehr Fußabdrücke, die keinen Trollen oder Dämonenherren gehörten, hatten die Kundschafter in den eisigen Gängen nicht gefunden - würden auch für die wilden Völker sprechen können. Kurz blickte Fiëlør beschämt drein, als ihm diese Bezeichnung für die Stämme heraus gerutscht war, doch Derkha Wredt grinste nur amüsiert. Belesh hingegen zuckte bei den Worten zusammen und fragte nach einigen tiefen Atemzügen dann grimmig, ob man ihren Namen in Hållheim kennen würde.

Doch der Goblin musste sie enttäuschen, hatte man doch nur Spuren auf dem Eis gefunden und hatte sich die Suche auf den ganzen Norden erstreckt. Erst heute hatte man die Namen der Helden erfahren. Er lächelte dankbar, als ihm Derkha seinen Metbecher auffüllte.



Shkut-yun beobachtete Gunder Halvmensc genau. Das Menschenblut wirkte gelassen und wählte jedes Wort sehr genau und die Schamanin war davon überzeugt, dass Halvmensc alles, was er sagte, auch wirklich so meinte. Der alte Apu'tarok hatte ein Gespräch mit Halvmensc begonnen und sie diskutierten leise über einen möglichen Frieden zwischen den verfeindeten Völkern, die sich seit über viertausend Jahren im Krieg befanden. Sie wusste, dass Apu'tarok wirklich einem solchen Frieden entgegen sehnte. Vermutlich seit Anbeginn seines Lebens. Doch wusste sie auch, dass der alte Krieger an seinem Verlust zu nagen hatte und ein Schatten auf seinem Herzen lag. Wenn auch kein so tiefer und dunkler wie der Schatten auf Beleshs Seele.

Sie sah in die Flammen und hoffte, dass die Zukunft der Stämme nicht ebenfalls aus Feuer und Asche bestehen würde.



Später in der Nacht, als alle anderen schon schliefen, saßen Apu'tarok, Derkha Wredt, Shkut-yun und Belesh an der glimmenden Feuerstelle zusammen und flüsternd fragte die Kriegerin, was der alte Lehrmeister von all dem hielt. Der dachte kurz nach und sprach dann von Hoffnung, die er empfand. Aber auch mahnte er, dass man nicht alles glauben sollte, was die Reisenden ihnen sagen würden. Ob es sich bei all dem um eine Falle handeln würde, wollte Belesh wissen und Apu'tarok gab zu, dass dies eine Möglichkeit war.

Dass sie eventuell gerade selber Probleme mit Höllendämonen haben, gab Derkha zu bedenken, doch Shkut-yun bezweifelte dies, hatte es doch seit der Invasion nur wenige Zusammenstöße mit diesen Bestien gegeben. Eine neue Invasion stand nicht bevor. Sie glaubte eher, dass der Sieg in der Eisspalte einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte und die Faer tatsächlich die Krieger kennen lernen wollten, die den Dämonen erschlagen hatten.

Nachdenklich blickte Belesh in die Glut. Falls das alles stimmen sollte und der Frieden in die Welt einziehen würde, wäre der Turm ihr letzter Zufluchtsort. Dort würde sie bleiben und nicht mehr auf die Jagd nach Reisenden gehen und wo wäre dann der Sinn ihres Seins? Nicht, dass sie den Stämmen diesen Frieden nicht wünschen würde, aber sie konnte nicht vergessen, was ihr als Kind angetan worden war. Noch es den Reisenden verzeihen. Sie wollte es nicht verzeihen.

Stumm beobachtete Derkha die schweigsame Kriegerin und hoffte, dass Belesh irgendwann ihren eigenen, inneren Frieden fand.



Am nächsten Morgen standen sechs Wollnashörner auf dem großen Platz in der Mitte von Dungor'tac. Neben Zpesh, Ga'ar und der weißen Lanté warteten noch drei andere Reittiere auf die Abreise und eine gewaltige Menge an Anwohnern hatte sich versammelt, um Zeuge des Beginns dieses historischen Unternehmens zu werden. Shkut'yun half Apu'tarok auf ihr Wollnashorn und winkte den Leuten zu, die ihnen Erfolg und Glück wünschten. Dann zogen sie mit den Schlitten und genügend Proviant für die Reise los, Hållheim im Nordwesten entgegen und in den kalten Morgennebel hinein.

Viele Tage dauerte die Reise über die mit Schnee bedeckten Ebenen und immer noch beobachtete Belesh Armin genau. Nach seinem Blut sehnte sie sich, doch sah sie keine Gelegenheit, ihn zu erschlagen und die Schuld von sich zu stoßen. Alle Halbmenschen und Goblins aus der Faerstadt hätte sie am liebsten tot im Schnee zurück gelassen, doch immer enger wurden die Bande zwischen den Orks aus Dungor'tac und den Hållheimern und am nächtlichen Lagerfeuer saßen sie zusammen und lauschten den Geschichten von Apu'tarok. Er erzählte vom Bären und vom Marder und wie sie sich gegen die ersten Reisenden stellten und ihre Wälder verteidigten, vom rätselhaften Weg der Tanne und den Kindern Gnareks, von Pferdchen und vom Goblin Wildkind und von der befreiten Sklavin Berin Freesong und ihrem Feldzug gegen die alten Völker.

Ja, die Hållheimer sprachen oft in ihrer Sprache, sangen ihre Lieder und lachten über ihre Witze, die keiner der Orks und Goblins unter Apu'tarok lustig fand, doch bei den Legenden aus der Vorzeit der alten Stämme horchten sie gespannt zu und stellten Fragen, wie nur Welpen sie zu stellen vermochten und Apu'taroks Herz erwärmte sich für diese Wissbegierde. Er erklärte ihnen einige komplizierte Orkworte, die die Hållheimer nicht kannten und immer wieder gaben die Gesandten der Faerstadt kleine Leckereien, die sie sich aufgehoben hatten, an ihre neuen Begleiter und neugierig probierte Shkut-yun immer wieder von den seltsamen Köstlichkeiten, die kein Gegenstück in Dungor'tac kannten.



Belesh beobachtete diese Vermischung mit großem Missfallen, denn die Halbmenschen und Goblins aus der großen Stadt im Norden verhielten sich trotz der Zeit mit ihren freien Verwandten wie Faer. Doch sie wurden in den nächsten Wochen zu Brüdern und Schwestern und sogar zu mehr: die Kriegerin Lahcot, die Apu'tarok unter anderem aus den vielen Kämpfern von Dungor'toc für diese Reise ausgewählt hatte, verschwand des Nachts immer wieder mit einem der Halbmenschen in der Dunkelheit und sie kamen erst früh am Morgen wieder zurück zum Feuer geschlichen. Derkha Wredt fand dies belustigend, doch Belesh funkelte das Liebespaar nur finster an und Derkha war froh, dass Apu'tarok nichts von dieser Verbindung mitbekommen hatten. Wie Shkut-yun reagieren würde, wusste der Jäger jedoch auch nicht...



Am dreiundzwanzigsten Tag der Reise sahen sie die Mauern Hållheims aus dem Nebel der Schneeebene aufragen. Aus Stein war sie gemauert worden und an einigen Stellen mit dicken, zugespitzten Stämmen verstärkt, viermal so hoch wie ein Troll und mit Entsetzen erkannten die Besucher aus Dungor'tac, dass dies vermutlich nur mit Magie bewerkstelligt worden war.

Dächer und Türme ragten hinter den Mauern in den bedeckten Himmel und ein riesiges, mit Metall verstärktes Tor führte in die Stadt hinein. An großen Ketten wurde die schweren Torflügel nun aufgezogen und ein Signalhorn erklang, gab Kunde von der Ankunft der Gesandten. Die Ketten wurden von großen Mammuts gezogen, fellige Tiere mit langen Rüsseln und hohen Fettbuckeln, aus deren Mäulern lange, schön gekrümmte Stoßzähne wuchsen.

Belesh nahm dies alles mit offenem Mund auf und sprach dann zu Halvmensc, dass sie die Faer wirklich hassen würde. Warum waren sie an diesen Ort geführt worden? Der Halbmensch lächelte und meinte, dass sie das alles für den Frieden machen würden und Belesh versprach ihm, dass sie so viele der Hållheimer wie möglich mit in den Tod reißen würde, sollte sich das Ganze als Hinterhalt herausstellen. Doch dies war Halvmensc klar, lachte dieser, und seinen Herren war dies ebenfalls klar.



Weiter ritten sie auf das Tor zu und Derkha Wredt drehte sich auf dem Rücken seines Nashornes zu Kogg Fiëlør, der hinter ihm saß. Gegen was sich die Faer hier verteidigen würden, wollte er wissen, und der Goblin zwinkerte ihm zu. Belesh, die neben ihnen ritt, holte nur tief Luft und raunte dann, dass die Orkstämme die Gefahr waren, vor der sich die neuen Völker schützen wollten und Fiëlør zählte weitere Gefahren an seinen Fingern auf: Lindwürmer, Schneestürme und andere Schrecken des hohen Nordens, die ungenannt bleiben wollten.

Dann bemerkten sie die riesigen Menschen, die neben den Mammuts am Tor standen und die Zugtiere antrieben. Über drei Meter ragten sie in die Höhe und stämmig waren ihre Gliedmaßen. Erschrocken fragte Belesh, was dies für Kreaturen seien und Kogg Fiëlør erklärte, dass es sich hier um Mammuts handeln würde. Die Kriegerin sah den Goblin wütend an und deutete auf die riesenhaften Mammutführer und schnell meinte Fiëlør, dass dies Menschen waren. Einige Vertreter dieses jungen Volkes hatten sich über die letzten Jahrhunderte verändert und waren nun größer als ein Troll.



Dies alles war zu viel für Apu'tarok. Kurz vor dem Tor hielt er den Zug an und er weigerte sich, einen Schritt weiter in diese seltsame Stadt zu gehen. Er befürchtete, dass er niemals wieder die Mauern verlassen würde, und das sagte er auch zu Belesh, die ihn resigniert ansah. Auch sie befürchtete ähnliches, doch hatte sie beim Anblick dieses Bollwerks jegliche Hoffnung aufgegeben, dass die Stämme den Krieg gegen die Reisenden gewinnen könnten. Sie waren ihnen zu weit voraus.

Gunder Halvmensc trat an die Seite des alten Orks und redete ruhig auf ihn ein. Er versprach ihm Sicherheit für ihn und seine Begleiter, dass sie alle lebendig und ohne Schaden die Heimreise antreten konnten, sobald die Verhandlungen beendet waren.

Shkut-yun, die sich ebenfalls Sorgen machte, fragte Halvmensc, ob es Pflanzen in Hållheim gab. Halvmensc nickte und die Schratin schnupperte einige Augenblicke in den kalten Wind. Dann drehte sie sich zu Apu'tarok und versprach ihm, dass sie bei ihm wäre. Der alte Ork sah die Schamanin lange an und Kogg Fiëlør meinte aufmunternd, dass man leichter aus der Stadt heraus, als hinein kommen würde. Über Apu'taroks Gesicht huschte ein leichtes Lächeln, dann ging er seufzend weiter in die Stadt hinein. Der Zug setzte sich wieder in Bewegung.



Sie ritten hinein in die Stadt, durch den hohen, steinernen Torbogen hindurch und auf die Straße, die mit flachen, behauenen Steinen belegt war. Hinter ihnen schlossen sich donnernd die Torflügel.

Die Straße war breit und von hohen Häusern gesäumt. Bis zu vier Stockwerke hoch waren sie erbaut worden und einzelne Bäume mit niedrigen, steinernen Umrandungen waren neben einigen Türen gepflanzt worden. Verloren zwischen all diesem behauenen Stein sah sich Shkut-yun um und sah ein einzelnes Eichhörnchen, das von den Ästen eines Baumes auf ein nahegelegenes Dach sprang. Das Nagetier war kein guter Bote, um eine Nachricht nach Dungor'tac zu tragen, das wusste die Schratin. Die Reise über die winterliche Ebene würde das Eichhörnchen nicht überleben.

Dann fiel Shkut-yuns Blick aber auf die Raben, die dem Eichhörnchen hinterher krächzten und auf einem Giebeldach saßen. Mit ihrer Magie rief sie einen der Raben zu sich und sanft ließ er sich auf ihre nach oben gestreckte Pranke nieder. Sie zog ein kleines Stück Rindenbast aus einer Tasche hervor, ritzte mit einer Kralle Linien in das weiche Material und shob die Botschaft in den Schnabel des Rabens. Sie flüsterte dem Tier etwas zu und mit starken Flügelschlägen erhob sich der Vogel in die Lüfte und flog davon.



Viele Leute waren aus ihren Häusern auf die Straße gerannt oder auf ihrem Weg stehen geblieben und sahen nun zu, wie die Neuankömmlinge an ihnen vorbei zogen. Staunende Männer wichen zurück und verängstigte Kinder drückten sich an ihre Mütter, als Belesh mit ihrem wehendem, blutrotem Mantel und dem Angst einflößendem Schädelhelm an der Spitze der Gruppe ritt und mit gefletschten Zähnen betrachtete sie die Zwerge, Elfen und Menschen, die sie so abgrundtief hasste.

Derkha ritt neben ihr, doch sein Blick war besorgt und er starrte auf die kleine, steinerne Umrandung an den Bäumen, die am Rand der Straße wuchsen. War dies die Zukunft seines Volkes? Eingekesselt und nur mit einem kleinen Raum, um wirklich leben zu können? Kogg Fiëlør bemerkte den Blick, deutete ihn aber falsch. Stolz meinte er, dass dies wahrhaftig ein schöner Baum sei und erklärte Derkha dann, dass es sich um eine Birke handeln würde. Derkha reagierte nicht darauf und er schluckte die stumme Verzweiflung hinunter, die ihn zu überkommen drohte.

Allerlei Völker säumten nun die Straße und zwergische, elfische und menschliche Wachen waren in blau-silbernen Rüstungen unter den Schaulustigen und sorgten für Ordnung, während die Menge mit großen Augen und zum Teil Furcht in ihren Augen die Orks und Goblins der Stämme beobachteten. Kinder weinten, als sie die Krieger aus den wilden Ebenen sahen und einer der riesenwüchsigen Menschen schob sich aus einer Gasse und sah sie aufmerksam an. Sein wildes Haar war rot gefärbt und geflochten, der lange Bart mit Ringen und Bändern verziert und die Arme vor der gewaltigen Brust verschränkt.

Belesh schloss die Augen und griff mit ihren Sinnen nach ihm, doch fühlte sie dort keine Zauber, die die Größe verändert hatte. Lediglich das sanfte pulsieren der Erdmagie... hatten die Menschen sich seit der Ankunft in dieser Welt natürlich weiterentwickelt? Durch die Macht, die in diesen Ländern schlummerte und die die alten Stämme als Weltenseele verehrt hatten? Der Atem der Welt war mächtig, das wusste sie, doch wollte sie nicht wahr haben, dass die alte Göttin, die Shkut-yun immer noch anbetete, für solche Veränderungen verantwortlich war.



Die Stadt um sie herum wirkte pompös. Die Schindeln glänzten in der Sonne und und Schnitzereien verzierten Hausecken, Säulen und Türrahmen. Immer mehr Kinder eilten heran, um den Zug zu betrachten und Belesh konnte nicht anders, als sich zu wundern. Spürte sie Vertrauen in diesen Ort? Die Faer würden so viele Welpen nicht in Gefahr bringen. Waren sie sich bei diesem Treffen wirklich sicher? Hatten sie wirklich die besten Vorsätze? War dies tatsächlich keine Falle?

Dann bogen sie in eine kleinere Straße ein und schnell veränderte die Umgebung: hier lebten nur die großen Menschen und Mammuts waren in halb offenen Ställen zu sehen. Alles war riesig und auf den Körperwuchs der Bewohner ausgerichtet und dort standen sie auch am Straßenrand und sahen die Vorbeiziehenden stumm an, als würden sie sie hier nicht wollen.

Schließlich verließen sie auch diese Gegend und nun standen die Häuser enger zusammen und waren niedriger. Schmutz lag in den Straßen und ein stinkender Rinnsal rannte am Wegesrand entlang. Halbmenschen sahen dort aus ihren Fenstern und Türen oder standen auf der Straße und sahen dem Zug erstaunt nach. Und auch andere Völker waren zu sehen, die vor der Ankunft der Reisenden noch frei in den Wäldern der Mutter gelebt hatten: Ibixian und Vertreter des Rattenvolkes. Einige Schrate saßen vor einer Kiste und warfen auf ihr Würfel, während eine alte Menschenfrau mit gebeugtem Rücken einen Eimer voll Küchenabfälle zu einem dampfenden Verschlag brachte, aus dem aufgeregtes Quieken drang.

Eine Gruppe in Lumpen gekleideter Gnome lief neben den Wollnashörnern und den Schlitten her, bettelte in der Sprache der Faer mit ausgestreckten, schmutzigen Händen nach Essen.



Shkut-yun beugte sich vom Rücken Lantés hinab zu Gunder Halvmensc und fragte ihn leise, ob Halbmenschen in Hållheim niedere Einwohner waren. Halvmensch schaute traurig zu Boden und erzählte, dass in diesem Viertel hier alle arm seien und die meisten wirklich Orkblut hatten. Nun wollte Shkut-yun wissen, ob Gunder Halvmensc und seine Begleiter nach Dungor'tac geschickt worden waren, weil Halbmenschen entbehrlich waren. Nein, meinte Halvmensc. Sie waren ausgewählt worden, weil sie bei den Stämmen mehr Vertrauen als andere Faer wecken würden. Und auch würde er nicht in diesem Viertel wohnen und man wäre hier nicht gefangen, wenn man etwas aus seinem Leben machen wollte. Es war nicht unmöglich, sich in eine andere Gesellschaftsschicht hinein zu arbeiten, wenn auch schwer, das gab Halvmensc zu.

Belesh, die das Gespräch mitbekommen hatte, sah den Halbmenschen verwirrt an. Warum sollte es schwer sein, dieses Viertel zu verlassen? Halvmensc erklärte, dass nicht jeder Arbeit bekommen und manche Arbeit nur schlecht bezahlt werden würde. Belesh runzelte die Stirn. Sie verstand nicht viel von solchen Regelungen und sie fragte, warum ausgerechnet Halbmenschen dieses Schicksal traf. Doch Halvmensc kannte keine Antwort darauf und stumm ritten sie weiter durch die Stadt.

Apu'tarok sah sich das Elend an, das ihn umgab und schwer wurde sein Herz. Die Faer hatten hier großes bewirkt, doch hatten sie auch diejenigen vergessen, die hier in dieser Armut lebten. Neben ihm lief ein kleines Gnomenmädchen, das flehend eine Hand aufhielt und mit gemischten Gefühlen beobachtete er, wie einer der Halbmenschen unter Gunder Halvmensc ihr eine Münze zusteckte. Schnell lief die Gnomin davon und ließ Hoffnungslosigkeit zurück.



Bald hatten sie das Viertel durchquert und zwei große Straßen kreuzten sich hier. Ein großes Haus war an einer Seite der Kreuzung erbaut worden und die Straße hinunter sah man eine Anhöhe in der Mitte der Stadt. Die Anhöhe war mit einigen Bäumchen und Büschen bepflanzt und auf ihrer Kuppel ruhte ein flaches Langhaus aus Stein. Dort saß der Rat, erklärte Kogg Fiëlør und dort würde auch das Treffen stattfinden.

Die Gäste sollten nun nichts falsch auffassen, meinte Halvmensc, und er deutete auf das große Haus an der Kreuzung. Dies war ein Gasthaus, das der Rat für sie ausgewählt hatte und auch wenn es nahe am Halborkviertel lag, so war es dennoch sauber. "Keine Wanzen" hieß es, und es warb mit diesem Namen für die gut gepflegten Zimmer. Belesh, die die Schriftzeichen der Faer lesen konnte und das große Schild über der Türe beäugte, lachte humorlos. Sie rühmten sich hier mit Dingen, die in Dungor'tac und anderen Orksiedlungen selbstverständlich waren.

Ein Halbelf trat vor die Türe, begleitet von drei Halblingen und zusammen eilten sie auf die Gruppe vor dem Gasthaus zu. Eine tiefe Verbeugung machte der Halbelf und begrüßte alle in gebrochenem Orkisch. Schon wollten die Halblinge die Wollnashörner in Richtung des Stalles treiben, als die Orks und Shkut-yun sich vor ihnen aufbauten. Sie würden diese Aufgabe selber übernehmen, waren ihnen ihre Tiere doch zu wichtig, um sie in den Händen von Faer zu lassen. Die Halblinge verbeugten sich und zeigten den Gästen den Weg.

Kurz rief Gunder Halvmensc noch Apu'tarok zu, dass sie sich ausruhen sollten und er sie am nächsten Morgen wieder hier abholen würde, dann zog er auch schon mit Fiëlør und seinen Halbmenschen und Goblins in Richtung des Stadtzentrums von dannen.



Shkut-yun sah sich zufrieden im Stall des Gasthauses um. Trockenes Stroh bedeckte echte Erde, das Dach war hoch und dicht. Sie strich über das weiße Fell Lantés und ließ dann eine Beere aus ihrer Tasche auf zwischen die Wollnashörner fallen. Unter ihrem Gesang wuchs die Frucht zu einem vollen Beerenstrauch heran und genüsslich fingen die Tiere an zu fressen, während die Halblinge nur voller Staunen der Schamanin nachblickte, die ihren Begleitern in die Gaststube folgte.

Dort war ein großer Kamin und Platz für einige Gäste und schon brachte der halbelfische Wirt Wasser und Brot und fragte, was er seinen Kunden sonst noch gutes tun konnte. Derkha bestellte Wein, von dem er zuvor noch nie gehört hatte und Apu'tarok wollte einen Humpen dicken Zwergenbieres. Auch gab es Orkbrände und Belesh schaute dunkel drein, wusste sie doch, wie diese Brände nur in die Hand der Faer gefallen sein konnten und dennoch probierten einige der Krieger den Tropfen und rätselten darüber, von welchem Stamm er angefertigt worden war.

Fremd war es hier in der Stube, doch einigermaßen sauber und nachdem sich die müden Wanderer gestärkt hatten, verteilten sie sich auf Zimmer im ersten Obergeschoss, die ihnen der Wirt zur Verfügung stellte. Die Goblinschamanen zogen zusammen in einen Raum und auch Belesh zog es vor, mit Shkut-yun zusammen hinter einer Türe zu ruhen.



Am Abend saßen sie wieder zusammen im Schankraum und ein kleines Halbelfenmädchen sang liebliche Lieder, die sie selber mit einer Harfe begleitete. Fasziniert hockte Belesh vor ihr und sah mit glänzenden Augen dem Fingerspiel zu und das Mädchen errötete unter dem bewundernden Blick der Kriegerin und noch schöner spielte sie auf und noch tiefer versank Belesh in ihren Gedanken.

Die anderen saßen an den Tischen zusammen und aßen, was der Wirt ihnen zubereitet hatte und die Stimmung war gut, das Feuer warm. Dann öffnete sich die Türe zur Straße und Gunder Halvmensc und Kogg Fiëlør kamen aus dem Schneegestöber, das vor kurzem angefangen hatte, herein. Sie schüttelten ihre Mäntel ab und setzten sich zu Apu'tarok, Derkha Wredt und Shkut-yun. Während der Goblin beim Wirt zwei Met bestellte und sich von den Goblinschamanen am Nebentisch etwas Braten holte, bot Halvmensc den Gesandten aus Dungor'tac an, ihnen als Führer durch die Nacht zu dienen. Hållheim hatte viel zu bieten und Shkut-yun bat, die erwähnten Pflanzen besuchen zu können. Die eingesperrten Bäume wären doch noch nicht alles gewesen, hoffte sie. Halvmensc versprach, dass er sie zu einem Park führen würde und die anderen Helden der Eisspalte schlossen sich dem Spaziergang an.

Belesh, die sich von der Musik des Mädchens losreißen hatte können, mahnte einen der zurückbleibenden Krieger, dass sie Wachen aufstellen sollten. Sie würden sich nicht überraschen lassen, war doch noch ein Hinterhalt von den Faer geplant worden.



Durch die nächtlichen Straßen wanderten sie und die rauchenden Kamine über den verschneiten, hohen Dächern wirkten unwirklich unter den wenigen erleuchteten Fenstern dieser Stunde. Bis zu einem kleinen Wäldchen wurden sie von Halvmensc geführt und Shkut-yun erkannte mit einem Winseln, dass auch diese Bäume vom Stein der Straßen eingepfercht lagen. Kein Reh würde hier für lange Zeit leben können und kein Wildschwein. Doch waren immer noch Eichhörnchen auf den hohen Ästen unterwegs, vom Licht der Stadt wach gehalten und kopfschüttelnd fragte Belesh, wie dies alles möglich sei.

Halvmensc erzählte von der Kohle, die die Faer aus dem Erdreich holten und von Bäumen, die von der Tundra und aus Wäldern südlich dieses Landes herbei gebracht wurden. Oft kamen ganze Schiffe an der Küste an, die nur Holz für die Stadt lieferten. Belesh schüttelte sich bei der Vorstellung und sie fragte, ob neue Bäume für die gefällten gepflanzt worden waren. Doch der Halbmensch zuckte nur unwissend mit den Schultern.

Aber warum war dieser Wald überhaupt in der Stadt, wenn er doch nur eingezäunt war, erfragte nun Shkut-yun und ihr wurde gesagt, dass viele der Bürger Hållheims die Natur sehr wohl liebten. Die Schratin verstand nicht so recht, wie man das einem Wesen antun wollte, das man bewunderte, und sie schritt zu einem der Bäume und betete. In der Sprache der Pflanzen fragte sie den alten Giganten, ob es ihm hier gut gehen würde und der antwortete langsam und knarzend, dass man ihn pflegen würde. Manchmal schnitt man ihm einen Ast ab, der nicht krank war, aber alles in allem war es ein guter Platz zum Wachsen.



Die Schamanin drehte sich verwirrt zu den anderen und sah, wie ein Pärchen an ihnen vorbei spazierte, sie bemerkte und dann schnell davon eilte. Wachen standen an einigen Straßenecken und beobachteten sie, doch Halvmensc schien nicht alarmiert. Warum so viele Bewohner dieser Stadt auf Wachdienst wären, fragte Apu'tarok, und vor was sie Angst hätten. Vor sich selbst? Ihr Stadtführer wirkte amüsiert und meinte, dass Dungor'tac mehr Krieger und Jäger in voller Bewaffnung auf der Straße gehabt hätte. Apu'tarok legte seinen Kopf schief und erwiderte, dass dies etwas anderes sei. Schließlich waren sie in Dungor'tac aus anderen gründen mit ihren Waffen unterwegs, hier in Hållheim aber setzte man direkt Leute als Wachen ein, um ständige Kontrolle zu haben.

Wieder wusste Gunder Halvmensc nichts zu antworten und stattdessen fragte er seine Gäste, ob sie in dieser kalten Nacht Lust auf etwas Warmes hatten. Alle bejahten leicht skeptisch und der Halbmensch führte sie in eine kleine Straße hinein. Shku-yun raunte den anderen zu, dass die Bäume hier glücklich seien und Belesh rümpfte nur die Nase. Sie war es jedenfalls nicht...



Ein paar Straßen weiter wanderten sie und blieben dann vor einer kleinen Türe stehen, aus der Halblinge kamen. Diese baten die Gäste herein und gaben ihnen Tücher und wiesen ihnen Umkleidekammern zu und im Keller wurden sie dann in eine große Grotte mit dampfenden Steinen gesetzt. Belesh traute den Halblingen nicht und auch der Zwergin, die geschäftig Tücher umher trug, sah sie misstrauisch nach. Die Kriegerin hatte ihre Rüstung und ihre Waffen mit in das Schwitzbad genommen, wollte sie diese doch nicht oben alleine zurücklassen, und auch Apu'tarok hatte seine Axt neben sich, auch wenn er behauptete, es wäre ihm lediglich eine Gehhilfe.

Die Bewohner von Dungor'tac kannten Hütten gefüllt mit Dampf und heilenden Kräutern, doch war ein solches Erlebnis doch ein völlig anderes. Ausgebreitet wie ein nasser Pelz lag die Schratin auf einem erhitzten Stein und ächzte zufrieden.

Nach einer Stunde in der warmen und feuchten Grotte, wurden sie von den Halblingen wieder nach oben geführt und sie kleideten sich erneut an. Als sie entspannter und zugleich etwas müder vor Halvmensc standen, schlug der nun vor, dem Abend einen entsprechenden Ausklang zu geben.

Er führte sie zu einer Gasse, die noch hell beleuchtet war. Überall gingen Faer umher und Wachen standen gemütlich an einem Essensstand, naschten geröstete Kastanien und tranken heiße Getränke aus Tonbechern. Musik drang aus einer Taverne, Gelächter und die lauten Stimme der Feiernden. Sie folgten Halvmensc ins Innere und sahen im Schankraum, wie der Wirt gerade zwei sich schlagende Gäste packte und sie auseinander riss. Der Wirt war ein Halbmensch, fiel der kleinen Gruppe sofort auf und neugierig sahen sie sich um. Und auch bemerkten sie die Orks und Goblins, die im vorderen Teil der Taverne Bier tranken. Kogg Fiëlør tanzte auf einem ihrer Tische und sang lautstark und falsch zum Spiel der Musikgruppe, die aus Zwergen, Halblingen und Gnomen bestand.

Belesh machte einen wütenden Schritt auf die Mitglieder ihres Stammes zu und wurde nur noch aufgebrachter, als sie Lahcot und ihren halbmenschlichen Geliebten erblickte. Ihre Frage kam als bedrohliches Zischen hervor, als sie wissen wollte, ob im "Keine Wanzen" wirklich Wachen aufgestellt worden waren. Lahcot zitterte, als sie vor der Kriegerin stand und sie schwor, dass sie an die Anweisung gedacht hatten. Sie hatten sich nichts dabei gedacht, selbst ein wenig unter Fiëlør die Stadt zu erkunden. Belesh funkelte sie herausfordernd an, dann ließ sie Lahcot und die anderen unter sich und setzte sich finster dreinschauend zu den anderen.

Nur Derkha hatte sich sogleich zur Bühne vor gedrängt und war nun gefangen im ihm unbekannten Rhythmus des Liedes. Er tanzte, wie es ihm die Musik befahl, und mehrere Goblins aus Hållheim schlossen sich ihm an, bis letztendlich auch der Halblingsänger der Gruppe von der Bühne sprang und sich zwischen ihnen umher hüpfte.



Gunder Halvmensc war zu den Kriegern aus Hållheim gegangen, um sie zu beruhigen. Nach Beleshs Kritik sahen viele die Lage dunkler, als sie war, und Halvmensc wollte nicht, dass zu viel Spannung auf der Gruppe aus Dungor'tac lag. Das Treffen in Hållheim war zu wichtig.

Also saßen Apu'tarok und seine beiden weiblichen Begleiter alleine da und als sich ein gewaltiger, dunkler Schatten aus einer abgeschirmten Wandnische schob, drehten sie sich zu der riesigen Menschenfrau, die sich ihnen näherte. In der Wandnische sahen sie noch einen solchen Schatten, an einem Tisch hockend und sie mit im Fackelschein widerspiegelnden Augen beobachten. Das Gesicht der Frau war über und über tätowiert und ihr Haar war in einen dicken Zopf geflochten. Kaum konnte sie sich im Schankraum gerade hinstellen, so riesenhaft war ihr Wuchs und sie schob den vierten Stuhl am Tisch beiseite und setzte sich mit verschränkten Beinen zu den Helden der Eisspalte.

Als Gertra Wørmspyltar stellte sie sich in gebrochenem Orkisch vor und ihren Begleiter im Schatten der Nische als Garn Lorison. Belesh, die über die Jahre rudimentär die Faersprache zu verstehen gelernt hatte, fragte trocken, wie viele Würmer sie denn schon gespalten hätte und Gertra zeigte in einem breiten Grinsen ihre schwarzen, zerfressenen Zähne. Nicht sie, sondern ihr Vater hätte die Würmer gejagt und von ihm hatte sie den Namen geerbt. Belesh kannte die Traditionen der Faer nicht und so fragte sie verwundert, ob Gertras Vater nun auch Gertra Wørmspyltar geheißen hatte und kurz versuchte die große Faer das Prinzip von Familiennamen zu erklären.

Dann fragte sie nach dem Wetter der Gegend, aus der Apu'tarok und die anderen kamen. Wie es dort im Sommer und im Winter war und ob es dort noch Platz für neue Siedlungen gab. Belesh wurde hellhörig und fragte, warum Gertra dies alles wissen wollte und die meinte nur mit grollender Stimme, dass sie und einige ihrer Begleiter weg von den Mauern von Hållheim wollten. Es war nicht ihre Stadt, sondern die Stadt des Rates und sie fühlten sich diskriminiert von den anderen Völkern, die schon lange nicht mehr für sie sprechen würden. Sie konnten nicht jeden Posten in der Stadt besetzen und nun wollten sie weg von den Menschen, die immer mehr Einfluss erlangten. Weg vom Rat, der nur diskutierte und nicht handelte.



Apu'tarok hörte der Ausführung von Gertra Wørmspyltar still zu und als sie endete, fragte er direkt nach dem Rat. Wer saß dort und welche Macht hatte er? Gertra meinte, dass es fünf Vertreter des Volkes gab: einen Menschen, einen Elfen, einen Zwerg und zwei Beisitzer in Form eines Gnomes und eines Halblings. Apu'tarok nickte. Er hatte also richtig vermutet, dass der Rat lediglich ein Spiegelbild des Triumvirats war. Doch das Triumvirat vertrat alle Völker, die in Dungor'tac und den benachbarten Siedlungen lebten. Warum hatte der Rat nur fünf Völker in seinen Reihen?

Und warum fühlte sich Gertra nicht vom Rat vertreten, wenn doch dort ein Mensch saß. Dies wollte Belesh nun mit Unverständnis in ihrer Stimme wissen, doch Gertra Wørmspyltar sah sie nur gelangweilt an. Nein, sie sahen sich nicht mehr als Menschen. Vor langer Zeit waren ihre Vorfahren wohl wirklich Mitglieder dieses Volkes, doch nun waren sie etwas anderes. Bürger zweiter Klasse mit einem eigenen Viertel in der Stadt. Man hatte ihnen früher einen Spottnamen gegeben und diesen würden sie selbst nun auch verwenden: Riesen. Sie waren keine Menschen mehr, kein Teil von Hållheim oder den anderen Städten der Faer.

Belesh seufzte. Wenn man stark genug war, um sich Land anzueignen, sollte man es eben versuchen. Und wenn die alten Stämme sich wehren würden, sollte die Göttin der Schlachten entscheiden, wem der Preis letztendlich zustand.

Doch Shkut-yun gefiel diese Ansage zum Kampf nicht und sie erklärte ruhig, dass im Norden noch viele Landstriche vollkommen frei lagen. Große Würmer würden dort unter dem Eis wandern und die Riesen könnten sich mit Walfang versorgen, ihre Mammuts auch noch genügend Nahrung in den kargen Wäldern und unter dem Schnee in Form von Flechten und Moosen finden.

Gertras Augen leuchteten auf, als die Schratin vom Norden berichtete und ohne ein weiteres Wort stand sie auf und ging zurück zur Nische, in der Garn Lorison auf sie wartete.

Spät war es geworden und die drei entschieden sich, zurück zum Gasthaus zu wandern. Sie verabschiedeten sich von Gunder Halvmensc und von Derkha Wredt, der immer noch tanzte und trank und gemeinsam gingen sie durch die nächtlichen Straßen einer Stadt, die sie faszinierte und zugleich einschüchterte.



Zum Frühstück im "Keine Wanzen" wurde den Gästen geröstetes Brot, Rührei und gebratene Würstchen serviert und die Orks und Goblins und auch die einzige Schratin der Gruppe waren doch sehr angetan von dem gewürzten Fleisch und dem ungewöhnlich zubereiteten Teig. Die Ziegenmilch war ihnen vertraut, aber der Einstieg in den Tag hätte angenehmer nicht sein können.

Als dann schließlich Gunder Halvmensc kam, um Apu'tarok und seine drei Begleiter abzuholen, bestimmte Belesh unter den zurückbleibenden Orks einen Verantwortlichen. Sie wählte einen der Krieger, der am Vorabend im Gasthaus geblieben war und Wache geschoben hatte. Auf die Orks aus der Taverne war sie erst einmal nicht gut zu sprechen.

Dann führte Halvmensc sie die Straße entlang hin zum Anhöhe, auf der das große, steinerne Langhaus stand. In dieses Bürgerlanghaus wurden sie gebeten und durch lange, polierte Gänge wurden sie geführt, von denen unzählige Türen und weitere Flure abzweigten. In einem großen Saal blieben sie stehen, dessen Boden mit glänzenden Mosaiksteinen verziert war. Wachen und Hausdiener standen an den Wänden und warteten, während sich Halvmensc und die Gäste aus Dungor'tac vor den hohen Podesten aufstellten, auf denen die Ratsmitglieder hinter Tischen saßen. Nur das Klacken von Apu'taroks Axtgriff auf dem Boden war zu hören und das Gemurmel der Hausdiener.

Belesh sah sie herausfordernd an und ihr Blick unter dem furchteinflößendem Schädelhelm ließ die Hausdiener zurückweichen. Shkut-yun stand mit wachen Augen neben ihr, versuchte mit Ruhe die Wut der Kriegerin auszugleichen. Beleshs Zorn sollte kein Hindernis für den Frieden sein, das hatte sich die Schratin geschworen.



Halvmensc trat vor und sprach mit lauter Stimme, benannte die Mitglieder des Rates von Hållheim: in der Mitte saß die Menschenfrau und Ratsvorsitzende Karim von Håll und zu ihrer Rechten die Elfenfrau Tharis Ingwandiël. Zur Linken der Menschenfrau blickte der Zwergmann Ulfkant Ishopt die Gesandten aus Dungor'tac finster an und an den Seiten saßen der Halblingsbeisitzer Darin Hornbückler und der Gnomenbeisitzer Severyl Ganitar Go Hoscht. Der schrieb ohne die Gäste anzusehen ständig mit einem langen Kohlestift auf die Papiere, die vor ihm lagen. Erst als sich Shkut-yun räusperte, blickte er kurz auf.

Dann wandte sich Halvmensc an die Ratsmitglieder und stellte nun Apu'tarok und seine Mitstreiter vor und erstaunt erkannten die, dass sie auch diese Worte verstanden. Ein Zauber war in die Hallen des Langhauses eingebettet worden, der jede Sprache zu übersetzten vermochte. Diese Faer waren auch in dieser Hinsicht mächtiger, als die Stämme es ihnen zugetraut hatten...



Karim von Håll erhob sich und begrüßte die Abgesandten und ohne Scheu fragte Shkut-yun, ob die Menschenfrau nach dem Ort benannt war oder der Ort nach ihr. Kurz war Karim von Håll verwirrt, dann lächelte sie warm und erklärte, dass ihre Familie den Namen der Stadt trug. Shkut-yun nickte dankend und Apu'tarok erhob seine feste Stimme. Warum waren sie nun hier, wollte der Greis wissen und neugierig wurde er von Ishopt gemustert, während Hoscht nun doch endlich von seinen Schriften aufsah und amüsiert grinste.

Die Elfin Ingwandiël meinte mit kaum unterdrücktem Stolz, dass die Möglichkeit auf Frieden bestand und sie die Dämonentöter eingeladen hatten, um sich ihre Bedingungen anzuhören. Bevor Apu'tarok etwas erwidern konnte, fauchte Belesh dem Rat zu, dass die Faer sich von den Siedlungen der Stämme fern halten sollten.

Eisige Stille beherrschte für die nächsten Herzschläge den Saal und bevor jemand anderes einen weiteren diplomatischen Fehltritt machen konnte, befahl Karim von Håll, dass die Hausdiener Stühle für die Gäste herbei bringen sollten. Nachdem alle Platz genommen hatten, wurden neue Fragen aufgeworfen: warum nicht alle Völker im Rat vertreten waren, wollte Shkut-yun wissen und die Menschenfrau erklärte, dass die Beschlüsse eh schon kompliziert genug waren. Würden noch mehr Sitze abstimmen, würde es kein Ende mehr für die Diskussionen geben.

Shkut-yun hob ihre dichten Augenbrauen und schlug vor, die Elfen aus dem Rat zu streichen und dafür Halbmenschen einen Sitz zu geben. Das Gesicht von Tharis Ingwandiël wurde vor Wut rot und dem Zwerg entfuhr nur ein kurzer, trockener Laut der Belustigung. Der Halbling Darin Hornbückler erklärte beschwichtigend, dass die fünf Mitglieder des Rates nun einmal Vertreter der fünf größten Volksgruppen waren und der kleine Mann erkannte erst die Ironie seiner Aussage, als ihn alle erwartungsvoll ansahen. Nur Belesh schnaubte verächtlich. Halblinge waren kleiner als Orkwelpen nach ihrem dritten Sommer. Wie man daraus nun aber soviel Aufmerksamkeit schaffen konnte, während wichtige Dinge ausgehandelt werden sollten, wollte sie nicht verstehen.



Derkha Wredt schien es ähnlich zu gehen, denn er führte das Gespräch fort: er forderte Grenzen für die Gebiete der Faer und der Stämme und der Rat versicherte ihm, dass sie zwar nicht im Namen aller Städte des Nordens sprechen könnten, ein solcher Schritt aber auch in ihrem Interesse lag. Auch sie würden nicht für alle Stämme sprechen, gab Shkut-yun zu Bedenken, doch versprach Derkha, dass sie sich mit dem Triumvirat austauschen würden. Das Triumvirat würde dann Kontakt zu den anderen Stämmen aufnehmen.

Ungläubig schaute die Elfin die Schamanin an. Würden nicht die Stärksten und Gefährlichsten für die wilden Stämme sprechen? Die, die den meisten Schaden anrichten konnten? Wieder schwang Arroganz in ihrer Stimme mit.

Shkut-yun seufzte und schüttelte traurig ihren Kopf. Dann sah sie warnend hinüber zu Belesh, die die Elfin hasserfüllt anfunkelte. Die Schratin befürchtete, dass dies noch eine Menge Arbeit in Anspruch nehmen würde, während Apu'tarok resigniert versuchte, dem Rat zu erklären, dass die Stämme sehr wohl kompliziertere Politik machten, als in Hållheim vermutet wurde.

Doch der Schaden war schon angerichtet: Belesh atmete schwer und ihre Fäuste zitterten und ballten sich immer wieder, während die Wachen, die an der Wand bereit standen, sie nicht aus den Augen ließen und der Gnom Severyl Ganitar Go Hoscht alles Gesagte mitschrieb.

Besorgt von den Entwicklungen versprach nun Derkha Wredt, sich beim Triumvirat für den Rat auszusprechen und erleichtert bat ihn Karim von Håll, den Anführern der Stämme auszurichten, dass sie die größte Hoffnung auf das Ende dieses langen, blutigen Konfliktes hatte. Es gab noch andere Gefahren, die man am besten als Verbündete bekämpfen sollte.



Nun lachte Belesh auf und sie rief, dass sie selbst doch genau eine solche Gefahr gebannt hatten und das ohne die Hilfe der Faer. Die Stämme waren sehr wohl in der Lage, sich diesen Dingen auch alleine zu stellen. Ulfkant Ishopt nickte der Kriegerin zu und bedankte sich für diesen Dienst, der die Welt von einem weiteren Übel befreit und seine zwergischen Brüder gerächt hatte. Doch war es eben nun sehr wohl das Ziel dieses Treffens, einen sicheren Frieden zu schmieden und wenn er nur bewirkte, dass die Völker nebeneinander leben könnten, ohne sich ständig gegenseitig zu schwächen.

Shkut-yun stimmte der Aussage des Zwerges zu, aber dennoch sei noch einiges zu bereden, was ihr und auch den Orks auf der Seele lastete. Wie etwa, dass ihr Stamm kein Wolfsrudel war, in dem der Stärkste herrschte. Sie sah die Elfin herausfordernd an und die blickte stolz zurück und warf der Schratin entgegen, dass diese sehr wohl zugeben musste, dass solche Eindrücke leicht entstehen konnten. Bis jetzt hatten sich die Stämme so verhalten, als wäre alles in ihrer Kultur von Stärke dominiert.

Das selbe galt für die Faer, erklärte Shkut-yun und deutete mit einer Kralle auf Ingwandiël. Hier durften nicht einmal die schwächeren Volksgruppen bei politischen Entscheidungen mitsprechen. Sie ließ die Worte wirken, während das Gesicht der Elfin immer wütender wurde. Dass dies etwas anderes ist, zischte ihr die Elfenfrau entgegen. Wenn einige Bewohner der Städte nicht so viel Glück in ihrem Leben haben, sie ihnen aber dennoch Schutz hinter den Mauern geben würden, wäre es doch nicht mit der Vorgehensweise der Stämme zu vergleichen, die wehrlose Bürger überfielen, vergewaltigten und mordeten.

Karim von Håll versuchte verzweifelt, ihre elfische Kollegin zu beruhigen, die aber wollte nicht ablassen.



Belesh aber sah Tharis Ingwandiël nur boshaft grinsend an und gab zu, dies alles schon sehr oft mit den Reisenden getan zu haben, die über ihr Land gewandert waren. Sie badete sich im aufgebrachten Gemurmel der Faer im Saal und fing leise an zu lachen, als die Elfin sich trotz der Anstrengung der menschlichen Vorsitzenden erhob und Belesh weiter anschrie, dass dies noch lange kein Grund wäre, Kinder abzuschlachten. Karim von Håll wich mit einem entsetzten Ächzen zurück. Um sie herum zerfielen die Verhandlungen noch am ersten Tag und die Elfin nahm gerade genauso viel Schuld auf ihre Schultern wie die Orkin, die amüsiert vor ihnen saß.

Belesh spielte mit ihren Fingern an der Halskette, an der auch die Zähne von Halblingen und Menschenkindern hingen und ihre Hauer blitzten im Sonnenlicht, das durch die hohen Fenster des Saales fiel. Dass die Faer dies auch mit den Welpen der Stämmen täten, warf sie in einem dunklen Singsang ein und sie erhob sich von ihrem Stuhl und ging auf das Podest der Ratsmitglieder zu.

Sie hätten sich lediglich gegen die Übergriffe der Orks und anderen Völker verteidigt, warf Ingwandiël aufgebracht zurück und nun schrie Karim von Håll beide an. Sie sollten schweigen und das Gespräch nicht weiter mit ihrem Hass stören. Sie schlug hart auf den Tisch und erschrocken blickten die anderen Ratsmitglieder zu ihr.

Apu'tarok und Shkut-yun sahen sie mit wachsender Bewunderung an. Und auch Derkha Wredt hatte anderes als Vergeltung im Sinn und als er sich in der folgenden Stille zu Wort meldete, hörten alle seine leise, ruhige Stimme. Es wäre auf beiden Seiten unnötiges Blut geflossen und wer in der Vergangenheit nach Schuldigen suchte, konnte im Jetzt keinen Frieden finden. Karim von Håll nickte und ließ sich erschöpft in ihren Stuhl sinken. Sie mussten eine Lösung finden, meinte sie, die ein Fundament für die Zukunft darstellen konnte.

Sie sah Derkha Wredt dankbar an.



Langsam stand Apu'tarok auf und ging schwerfällig zum Podest, bis er Belesh um einen Schritt überholt hatte. Dort blieb er stehen. Dann richtete er sich auf und alle sahen, was für ein stolzer Krieger er vor all den Jahren gewesen sein musste: hoch und drahtig, nicht die gekrümmte Gestalt, die der Greis in den letzten Jahrzehnten dargestellt hatte. Schon öffnete er seinen Mund, um seine Worte an den Rat zu richten, als Belesh lautstark nieste. Shkut-yun konnte ein amüsiertes Grinsen nicht verkneifen, während Apu'tarok die junge Orkin nur erstaunt ansah.

Der Zwerg wünschte Belesh beste Gesundheit und einige Augenblicke überlegte Apu'tarok nun, was er wichtiges hatte sagen wollen. Dann sprach er, immer noch etwas verwirrt, dass er dem Triumvirat alles Besprochene mitteilen würde. Die meisten Ratsmitglieder sahen ihn zufrieden an und Gunder Halvmensc, der das Gespräch von seinem Platz neben der Türe verfolgt hatte, trat neben Apu'tarok und versprach Karim von Håll, dass die Gesandten aus Dungor'tac die besten Absichten verfolgten. Er würde für die Gäste bürgen.

Darin Hornbückler nickte und erklärte, dass am morgigen Tage ein weiteres Gespräch zwischen dem Rat und den Vertretern der Stämme angesetzt wäre. Sie würden sich wieder im Bürgerlanghaus treffen und er persönlich würde einige Karten der nördlichen Regionen besorgen, damit sie mit ihnen arbeiten konnten. Alle sollten sich Gedanken machen und Halvmensc würde die Gäste wieder am Morgen aus ihrer Unterkunft hier her geleiten.

Als alle aufstanden, drehte sich Shkut-yun noch einmal zum Rat und bat dessen Mitglieder, dass auch die anderen Völker, die in Hållheim lebten, einen Vertreter beim morgigen Gespräch bekommen sollten. Schon wollte der Zwerg und die Elfin ihren Mund öffnen, doch Hornbückler war schneller. Der Halbling versprach, dass dies möglich sei und verbeugte sich vor der Schratin.

Dann führte Gunder Halvmensc die Helden der Eisspalte aus dem Saal...



Schon zur Mittagszeit saßen sie wieder ohne ihre hållheimer Führer im "Keine Wanzen" und brüteten über dem Geschehenen. Zwei weitere Gäste, ein Zwerg und ein Mensch, waren im Schankraum anwesend und sahen die Orks eingeschüchtert an, während Belesh sie nur boshaft anstarrte. Schnell setzten sie sich zuerst einige Tische weiter weg, dann zogen sie doch lieber unter dem verzweifelten Blick des halbelfischen Wirtes weiter und verzichteten auf die bestellten Zimmer.

Leise besprachen die anderen bei einem Krug Met, was die Stämme für Forderungen hatten: feste Grenzen, um sich vom Territorium der sich sonst weiter ausbreiten Faer abzutrennen. Ein breites Niemandsland zwischen den Gebieten, in dem regelmäßige Treffen in einer Hütte gewährleistet wurden. Diese "neutrale Zone" sollte Übergriffe verhindern und eventuell konnte hier sogar eine ganze Stadt entstehen, in der die alten und neuen Völker zusammen lebten. Und vielleicht konnte so der Handel zwischen den Stämmen und den Faer initiiert werden. Botschafter sollten mit bestimmten Zeichen für ihre Sicherheit sorgen, verschiedene Benimmregeln wären zudem angebracht.

Viel überlegten sich die Gesandten aus Dungor'tac bis in den späten Nachtmittag hinein und erst als Gunder Halvmensc wieder zu ihnen stieß, beendeten sie ihr Gedankenspiel. Sie brauchten eine Pause und Ablenkung, der morgige Tag sollte anstrengend genug werden.



Erneut nahmen sie das Angebot von Halvmensc an, sie durch die Stadt zu begleiten und zusammen mit Shkut-yun und dem Hållheimer wanderte Apu'tarok durchs Halborkviertel. Er saugte das Elend mit allen Sinnen auf und sprach lange mit einer großen Gruppe des Rattenvolkes, die sich um die drei scharte und schnuppernd nach Kleinigkeiten bettelte. Bewegt ließ Shkut-yun einen Beerenbusch in der Mitte der Ratten wachsen und mit offenen Augen zogen sie weiter. Sie sprachen mit Halbmenschen und Schraten, einigen Goblins und sogar den Mitgliedern einer kleinen Bande Hobgoblins, die zuerst so taten, als wären sie die heimlichen Herren des Viertels. Später verrieten sie der Schamanin ihre Ängste, nie aus der Armut heraus zu kommen und als unwichtige Randnotiz der Geschichte vergessen zu werden.

Sie waren wie Welpen in den Stämmen. Das erkannten der alte Ork und die Schratin schnell. Die meisten Bewohner dieses Viertels waren unsicher, nicht in der Wildnis überlebensfähig und in ihrer eigenen kleinen Welt vergraben. Sie zu befreien wäre ein schweres Los für die Befreiten.

Während sie aus dem Armenviertel hinaus zogen, fragten sie ihren halbmenschlichen Begleiter nach den Ursprüngen der Halbmenschen in Hållheim und schnell wurde klar, dass der Vermischung der Blutlinien schon Generationen zurück lag und meist friedlichen Ursprungs war. Gunder Halvmensc zeigte den beiden schöne Werkstätten und Geschäfte, Märkte und große Wohnhäuser. Sie waren beeindruckt vom Reichtum, der neben so viel Leid existierte und sahen das Potential, das im Handel mit den Faer lag.

Schließlich endete ihr Weg im Dampfbad, wo die Halblinge sie schon begrüßten und der Rest des Abends aus heißen Steinen und eiskalten Wassergüssen bestand.



Belesh wanderte unterdes alleine durch die Gassen des Halborkviertels. Sie wusste, dass die anderen ihr vertrauten. Ihr vertrauen mussten. Was sollten sie auch sagen? "Geh nicht alleine, du könntest eine Dummheit begehen"? Sie bloß stellen? Ihren Zorn entfachen?

Als wenn sie nicht schon zornig genug war... dieser Ort verwirrte sie, machte sie krank. Sie wollte zurück zu ihrem Turm und im Blut der Faer baden. Sie wollte Rache für all die Toten, für all das Leid, das die Stämme ertragen mussten.

Ein junger Ibixian, der an einer Hauswand hockte, stand mit hoch erhobenen Hörnern auf und sah herausfordernd in ihre Richtung, wurde aber von seinen Freunden weggezogen, bevor er einen tödlichen Fehler beging. Belesh sah im hasserfüllt nach. Was wollte sie hier? Warum hatte sie sich hier her locken lassen?

Weiter führte sie ihr Weg durch die stinkenden Gassen. Bei einem Menschenmann, der mit einigen Brettern die Türe seines Hauses reparieren wollte, blieb sie stehen. Warum zog er nicht weg? Nicht in ein anderes Gebäude dieser Stadt, sondern hinaus in die freien Lande? Dort konnte er im Reichtum leben, da die Ebenen alles boten, was man benötigte. Doch der Mann sah sie ängstlich an und meinte in schlechtem Orkisch, dass er nicht jagen könnte, dass er dort ohne Schutz erfrieren musste.

Konnte es sein? Waren ihre erbitterten Gegner wirklich so unfähig, ein eigenes Leben aufzubauen? Verwirrter als je zuvor ging Belesh weiter in die Dunkelheit, die sich langsam über der Stadt ausbreitete. Die Nacht hüllte sie ein und sie sehnte sich nach einem Kampf. Sie sehnte sich nach Blut. Nach Krieg. Sollten Apu'tarok und Shkut-yun und sogar Derkha Wredt doch versuchen, ihren Frieden durchzuringen. Sie brauchte keinen Frieden. Sie brauchte Macht, um ihre Feinde zu erschlagen. Vor vier Jahren hatte sie diese Macht beinahe in den Händen gehalten, doch der verfluchte Höllendämon hatte sie verraten.

Nicht, dass sie ihn nicht auch letztendlich verraten wollte... aber die Bestie war ihr zuvor gekommen und hatte ihr soviel Möglichkeiten gekostet, den Faer auf andere Art auf dem Schlachtfeld zu begegnen.



Ihr Weg führte sie zurück zum Gasthaus und lange stand sie vor dem Eingang. Sie wollte nicht in dieses unorkische Konstrukt, wollte nicht Zwergenbier oder von Menschen gemacht Matratzen. Sie wollte in ihren Turm. Wollte, dass sie jetzt und hier jemand überfiel, damit sie einen Grund hatte, ihn auszuweiden.

Einen frustrierten Schrei unterdrückend, öffnete sie das Tor zum Stall und lehnte sich zitternd an Zpesh. Ihr Wollnashorn schnaubte zuversichtlich und sie genoss die Wärme des großen Körpers, das Auf und Ab der Seite bei jedem Atemzug. Das kehlige Grunzen des einzigen Lebewesens, das sie auf lange Zeit in ihrer Nähe duldete.

Kurz verkrampfte sie sich, als die Tiere im Stall nervös Laut gaben und ein kleines Erdbeben die schweren Balken zum Knarzen brachte. Dann entspannte sie sich wieder. Solche Beben gab es von Zeit zu Zeit auch in ihrem Land. Die verhasste Faerstadt würde davon nicht einstürzen... leider.



Derkha Wredt spürte nichts vom nächtlichen Beben. Seine ganze Welt pulsierte im Rhythmus der schnellen Lieder, die die elfische Gruppe in der Taverne spielte. Schon am Abend zuvor hatte er hier den Tanz mit den Fremden genossen und auch jetzt versank er in der Bewegung und den Klängen, auf die er sein ganzes Leben gewartet hatte.

Ihm war egal, dass der Goblin neben ihm kein Orkisch konnte. Ihm war egal, dass seine Tanzpartnerin ihn mit halbelfischen Augen anlächelte. Ihm war egal, dass die menschlichen Besitzer der Taverne in der Sprache der Faer anderen Gästen zuriefen, auf ihn zeigten und lauthals lachten.

Es war nicht alltäglich, dass ein Jäger der Stämme mit ihnen feierte. Sich unter die Leute mischte, die sonst Schauermären über sie flüsterten. Er bewunderte den Herzschlag von Hållheim, auch wenn er viele Aspekte der Stadt befremdlich und beunruhigend fand.

Er hatte hier Freunde gefunden, wenn auch nur flüchtige. Derkha erhob seinen Metkrug und stieß einen heulenden Schrei aus, der aus dutzenden Kehlen beantwortet wurde.



Als die Sonne aufging, waren die Helden der Eisspalte schon mit Gunder Halvmensc auf dem Weg zum Bürgerlanghaus.Dort angekommen wurden sie nicht zum Saal gebracht, in dem sie am Tag zuvor mit dem Rat gesprochen hatten, sondern zu einem kleineren Raum, in dem ein runder Tisch stand. Auf diesem standen Wasserkaraffen und Obst bereit und nicht nur die Ratsmitglieder warteten auf sie, sondern auch ein einheimischer Halbmensch und ein Schrat.

Mit schief gelegtem Kopf fragte Shkut-yun, wo die anderen Vertreter der Völker aus Hållheim waren... die Goblins, die Ratten, die Ibixian, die Riesen und all die anderen. Niemand anderes wollte an den Verhandlungen teilnehmen, erklärte der Halbling Darin Hornbückler, während er die Schriftstücke vor sich sortierte. Und die Riesen würden als Menschen von Frau Karim von Håll vertreten werden.

Ob dies im Sinne der Riesen wäre, wollte Shkut-yun wissen und der Halbling nickte zuversichtlich. Seufzend senkte die Schamanin ihren Blick. Sie sah dies anders, wusste es anders. Schon wollte sie etwas sagen, als ein kurzes, schwaches Beben die Becher auf dem Tisch zum Zittern brachte. Ein Apfel rollte aus der Obstschale und fiel auf den Boden.

Kurz redeten alle durcheinander, dann sammelten sich die Anwesenden und setzten sich. Von einem solchen Naturphänomen wollten sie sich nicht ablenken lassen. Die Verhandlungen begannen schleppend, die gestrigen Anschuldigungen immer noch wie ein Schatten auf der Versammlung liegend. Immer wieder zeigte Belesh ihren Unmut und nur einige wenige male meldete sich der aus der Stadt dazu geholte Schrat zu Worte, wurde aber vom Rat Hållheims nicht wirklich wahrgenommen. Kurz versuchte Shkut-yun mit ihm auf Schratisch zu sprechen, erkannte aber entsetzt, dass der Hållheimer kein Wort der Sprache seines Volkes verstand. Der Halbmensch sagte gar nichts und erst, als er angesprochen wurde, erklärte er leise, dass er sich innerhalb der Mauern sicher fühlte und dass er für einen Frieden zwischen den Völkern war. Die Abgesandten aus Dungor'tac sahen ihn stumm an.



Dann rollte der Halbling seine Karten aus und viel wurde hin und her diskutiert, wo die Grenzen zwischen den Ländern verlaufen könnten und nach einer Stunde schüttelte die Elfin Tharis Ingwandiël vehement den Kopf. Die Grenzen, wie Apu'tarok und Derkha Wredt sie sich vorstellten, waren in ihren Augen nicht realisierbar. Es gab mehr Faer als Vertreter der Stämme und dadurch musste auch die Landaufteilung entsprechend angepasst werden.

Die Überbevölkerung der Faer würde sich ändern lassen, zischte Belesh grinsend in die Runde und alle erstarrten. Dann erhob sich die Elfin in einem Sturm des Zorns und brüllte der Kriegerin entgegen, dass sie sich nicht einschüchtern lassen würde. Doch Belesh nickte nur zufrieden. Ingwandiël drehte sich zu Karim von Håll, die ihr Gesicht in den Händen begraben hatte, und deutete zitternd auf Belesh. Orks würden weniger Platz als die anderen Völker brauchen, rief sie über den Tisch, doch nun mischte sich auch Apu'tarok mit ein. Mit ruhiger Stimme erklärte er, dass diese Annahme der Elfin nicht stimmen würde.

Doch, es gab weniger Orks als es Menschen und Elfen und Zwerge gab, schrie Ingwandiël wütend und Belesh antwortete, dass sich Orks dafür schneller vermehren konnten. Das Gesicht der Elfin verzog sich zu einer dunklen Grimasse und fast spuckte sie ihre Worte hervor: "Vielleicht wollen wir genau das nicht!"



Der Halbmensch, der für die Verhandlungen an den Tisch gebeten worden war stand entsetzt auf und jeder Blick im Raum ruhte nun auf Tharis Ingwandiël. Um das Schweigen zu brechen, das nun wie ein ohrenbetäubendes Tosen auf der Besprechung lag, stand Apu'tarok mit einem greisen Ächzen auf und schlug den Griff seiner Axt mehrere Male gegen den Steinboden. Dann sprach er leise in die Stille hinein, dass er und seine Kameraden gehen würden, wenn dies der Inhalt der Diskussionen sei.

Bleich entschuldigte sich Karim von Håll für die Übertretung ihrer Kollegin und sah die Elfin dann tadelnd an. Ingwandiël solle den Besprechungsraum sofort verlassen, befahl die Menschenfrau und nur kurz wollte die Elfin protestieren. Dann beugte sie sich wütend der Anweisung und stürmte mit stolz erhobenem Haupt durch die Türe hinaus auf den Gang.

Keiner wusste etwas zu sagen und peinlich berührt sahen alle auf die glänzende Tischplatte und rangen nach Worten. Schließlich wagte Derkha, das Gespräch erneut ins Rollen zu bringen. Seine feste Stimme brachte die Gedanken der Verhandlungsteilnehmer wieder zurück in den Raum und er beschrieb die Wanderzüge der Tierherden, die beim Grenzverlauf bedacht werden mussten, sollten die Stämme keinen Hunger leiden... dann bebte die Welt und Teile der Decke fielen auf den schweren Tisch und zerbrachen ihn in einer Wolke aus Staub und Schreien.



Der erste, den eine große Platte erschlug, war der Gnom, der bis jetzt fleißig alles aufgezeichnet hatte und auch Apu'tarok und Shkut-yun wurden durch herabfallende Steine leicht an Schulter und Seite verletzt. Zwei Hausdiener verschwanden unter einer Lawine aus Schutt und von draußen draußen erklangen nun panische Rufe. Das große Fenster war zu Bruch gegangen und dennoch war dort die Sicht durch dicken Rauch und Geröll versperrt.

"Die wilden Völker greifen an!" klang es aus dem Chaos heraus und "Die Orks sind da!" hallte wie ein Donnerschlag durch die Wahrnehmung von Apu'tarok und seinen Begleitern.

Shkut-yun drehte sich, die angeschlagene Seite haltend, zu Karim von Håll, die komplett überfordert neben dem erschlagenen Severyl Ganitar Go Hoscht stand, und rief ihr zu, dass sie nun die Stadt verlassen würden. Doch Karim von Håll wollte davon nichts wissen: sie sollten hierbleiben und sie selbst würde alles regeln, die Verhandlungen wären essentiell.

Doch Shkut-yun schüttelte nur mit schmerzverzerrtem Gesicht ihren Kopf. Nein, die Faer würden nun ihnen die Schuld geben und nicht einmal Karim von Håll würde sie in Schutz nehmen können. Sie würden nun gehen. Dann drehte sich die Schratin um und humpelte zum Ausgang des Raumes, durch den gerade Belesh auf den Gang huschte.

Die Menschenfrau schrie laut und beinahe weinend nach den Wachen und ein großes Stück des Daches fiel hinter ihr zu Boden, versperrte den Fluchtweg durch das eh schon verschüttete Fenster noch mehr.



Belesh stand auf dem Gang des halb zerstörten Bürgerlanghauses und ihr Blut pulsierte mit dem Schmerz, der sie umgab. Vor ihr lag die gestürzte Tharis Ingwandiël, die gequält aufschrie, als ein Hausdiener, der ihr auf die Beine helfen wollte, von einer großen Deckenplatte zerquetscht wurde. Überall liefen Wachen durch Seitengänge und eine dicke Staubwolke rollte auf sie zu. Belesh glaubte, die Umrisse von Gunder Halvmensc zu erkennen, der sich vom Eingang des Gebäudes ihnen näherte.

Diabolisch grinsend nahm sie einen kopfgroßen Brocken der Deckenplatte, die den Hausdiener erschlagen hatte, und ging damit einen Schritt auf die Elfin zu. Die versuchte, von Belesh weg zu kriechen und hielt abwehrend ihre Hand nach oben. Sie flehte um ihr Leben, doch hob die Kriegerin nur den Stein und ließ ihn dann hart auf den Kopf der anderen Frau fallen. Dann sah sie von der sich ausbreitenden Blutlache auf und erblickte ihre Gefährten, die den Besprechungsraum verließen. Schnell sprang sie zu ihnen und nickte Halvmensc zu, der ihnen mitteilte, dass der Haupteingang mittlerweile versperrt war. Er würde sie zu einer Dienstbotentüre und dann zum Gasthaus führen.

Durch einen hellen Gang an der Seite des Langhauses führte er sie und durch die vielen Fenster sahen sie das Chaos in der Stadt unter der Anhöhe. Überall loderten Flammen aus Häusern und Gestalten kämpften in den Straßen, die vom Qualm der Brände verdunkelt waren. Beim Laufen konzentrierte sich Shkut-yun auf ihre magische Verbindung mit Lanté und sie schickte ihrem Vertrauten das Gefühl von Dringlichkeit. Das Nashornweibchen sollte mit allen anderen Reittieren und den Begleitern aus Dungor'tac zu ihr eilen.



Ein Splittern. Zischen. Gunder sackte leblos gegen die Wand und dann zu Boden, drei Pfeile in Wange, Hals und Schulter steckend. Knurrend beobachtete Belesh das Fenster, das durchschossen worden war und Derkha Wredt und Apu'tarok eilten zum toten Halbmenschen. Die Pfeile waren keine Orkwerke. Auch Goblins und die anderen Stämme fertigten keine Geschosse dieser Art, mit struppigen Federkiel und leicht verdrehten Schaften. Dies waren Koboldwaffen und alle Anwesenden wussten, was sie von diesem Volk zu halten hatten...

Zu Beginn der Kämpfe gegen die Reisenden waren die Kobolde Verbündete der alten Orkstämme gewesen, doch nach der Ankunft der reptiloiden Drachen in der Welt hatten sie schnell die gewaltigen Echsen als neue Herrscher und Götter angebetet. Unter den bösesten der schuppigen Giganten dienten sie nun der Raffgier und der Dunkelheit und führten Krieg gegen alle anderen Wesen, obgleich sie immer noch schwach und klein waren und nur Halblinge und Gnome Probleme gegen vereinzelte Koboldgruppen hatten.

Mit hängenden Ohren hob Shkut-yun den toten Halvmensc auf ihre Schultern und trug ihn schleppend ihren Kameraden hinterher, die zur nahen Seitentüre schlichen. Sie schlugen die Türe auf, sprangen nach draußen und sahen dort Tod und Verderben Einzug in Hållheim halten. Der schwarze Qualm hatte den Tag zur Nacht gemacht und nur die brennenden Häuser waren eine Lichtquelle in der Finsternis, die von Schreien und Waffenlärm erfüllt war.



Vier Wachen bogen um die Ecke des Bürgerlanghauses und liefen mit erhobenen Waffen auf die kleine Gruppe zu, die sich aus dem Gebäude gerettet hatte. Ihre Worte wurden nicht mehr vom Zauber des Hauses übersetzt, doch sie klangen anschuldigend und alarmiert. Belesh sprang ihnen entgegen und erschlug zwei in einem Rausch aus Blut und angestautem Zorn und die anderen flohen wehklagend.

Pfeile schossen aus den Rauchfetzen herbei und schlugen einige Handbreit von ihnen in den Boden. Auch sie hatten die Merkmale von Koboldwaffen und als sich Apu'tarok mutig an den Rand der Anhöhe stellte, sah er in den Straßen die kleinen Echsenwesen umherlaufen. Sie schlachteten alle ab, was ihnen in die Quere kam, trugen lange Schilde, Speere und kleine Bögen, schrien ihren Opfern gellend entgegen und hinter ihnen schob sich eine gewaltiger, schuppiger Körper zwischen den Häusern hindurch. Die Schuppen spiegelten die heißen Flammen wieder, doch der alte Ork erkannte, dass sie eigentlich weiß waren. Dies war kein Lindwurm, mit dem sich die Kobolde verbündet hatten... dies war einer ihrer Drachenmeister!

Es war Smugat, ein großer Weißer aus dem Hohen Norden, der zusammen mit dem Schwarzkammstamm nach Reichtümern jagte, um seinen Hort zu vergrößern. Und Smugat war ein mächtiger Drache, denn er und die Koboldschamanen der Schwarzkämme hatten einen Zauber gewoben, der die Verteidiger von Hållheim Schatten und Trug sahen ließ. Verwirrt durch die Künste der Echsen dachten sie nun, die Stämme griffen alle gemeinsam an und während sie den einen oder anderen Kobold erschlugen, konnte das Chaos weiter um sich greifen.



Shkut-yun trat neben Apu'tarok und hob ihre Hand in die Luft und ein gewaltiger Blitz schoss aus dem Qualm herab und schlug in das Haupt von Smugat, der aufschrie und durch die Häuser zu ihnen brach. Seine Flügel breiteten sich zu ihrer vollen Größe aus und Wirbel aus Rauch und Funken entstanden um ihn herum.

Derkha Wredt deutete auf weitere Wachen des Bürgerlanghauses, die auf sie zuliefen und Apu'tarok schrie ihnen entgegen, dass die Kobolde und Drachen ihre wahren Feinde waren, doch verstanden diese Wachen die Sprache der Stämme nicht und griffen die einstigen Gäste der Stadt an und so schlug Belesh auch auf sie ein.

Weitere Blitze schlugen in den Drachen ein, hinterließen kleine, glühende Male auf dem Berg aus Muskeln und Schuppen und näher kam er an die Anhöhe heran. Apu'tarok rief Belesh zu, dass sie sich um das Reptil kümmern sollte. Dass sie eins nach dem anderen tun würde, fauchte ihm die Kriegerin entgegen und erschlug die letzte Wache, dann warf sie zischende Magiegeschosse aus ihren Fingern in Richtung des dicken Drachenhalses. Sie schlugen in einer Fontäne aus zerbrechendem Horn und Blut ein und Smugat schrie gequält auf. Belesh grinste blutrünstig.

Schon griff Derkha nach zwei Speeren, die neben den toten Wachen lagen, und wollte an Beleshs Seite gegen den mächtigen Feind antreten, als die Erde erneut erzitterte und neben ihnen ein zweiter Weißer aus dem Boden explodierte. Mit einem ohrenbetäubenden Schrei ließ er Hållheim wissen, dass nun auch er an der Schlacht teilnahm. Yïndarcaïs hatte sich ihrem Bruder Smugat angeschlossen...



Shkut-yun beschwor einen Hagelsturm, der die Augen der beiden Drachen mit schmerzhaften Stichen eindeckte und Apu'tarok schrie allen zu, dass sie sich zum Gasthaus zurückziehen mussten. Eilig liefen sie los, während die Blitze weiter auf Smugat einprasselten. Sie hörten die Todesschreie der Faer, als sie durch die Gassen hetzten und sahen die Opfer der Kobolde. Mit viel Geschick wichen sie Pfeilen aus, die auf sie abgefeuert worden waren und immer wieder versuchten sie, größeren Koboldtruppen aus dem Weg zu gehen.

Dann sahen sie auf der Hauptstraße, zu der sie parallel in Richtung des Halborkviertels liefen, Yïndarcaïs zum großen Stadttor hin preschen. Auf seinem Weg tötete er Menschen und Zwerge und erst, als Riesen mit gewaltigen Waffen aus den Gassen heraus sprangen, kam der Drache ins Stolpern. Einem der Riesen biss er das Gesicht weg, dann wurde er schon von drei anderen gepackt und zu Boden gerungen. Ein Bein brach hörbar, während einer der gigantischen Menschenabkömmlinge das Gelenk zu weit nach hinten bog. Yïndarcaïs schrie vor Schmerz laut auf und die Gefährten liefen weiter, vorbei am Stadtpark, zwischen dessen Bäumen Kobolde und Verteidiger Hållheims unerbittlich fochten.

Müde erweckte Shkut-yun mit alten Schratengesängen einen der Bäume zum Leben und er zerquetschte die Kobolde ohne zu zögern. Doch als sich nun auch die Wachen der Stadt gegen ihn stellten und die ersten Schwertklingen die dicke Rinde durchschlugen, griff der Baum auch sie an und mit einem Seufzen gab ihm die Schamanin einen letzten Befehl: hatte er hier keine Gegner mehr, sollte er zu einem der Drachen gehen und sich ihm stellen. Sie hörte, wie seine stampfenden Schritte zum Bürgerlanghaus hin verschwanden, als sie den anderen folgte, immer noch den toten Halvmensc auf ihren Schultern.



Doch dann brach Lanté aus einer der Querstraßen und ihr folgten die anderen Wollnashörner, auf denen die Orks und Goblins aus Dungor'tac saßen. Nur einer der Krieger fehlte und Ga'ars Seite war voller Koboldpfeile. Der Goblinschamane, der auf dem Vertrauten Derkhas saß, lag auf dem breiten Rücken des Tieres und presste schon heilende Magie in die geschundene Flanke. Ein weiterer Orkkrieger wurde vom zweiten Goblin geheilt. Anscheinend hatte es am "Keine Wanzen" ebenfalls Kämpfe gegeben.

Schnell schwangen sie sich auf die Rücken ihrer Nashörner und Shkut-yun zog Apu'tarok hinter sich, legte den Leichnam des getöteten Halbmenschen vorsichtig vor sich auf den Fettbuckel von Lanté. Dann stürmten sie auf die Hauptstraße und hin zum großen Tor.

Zpesh und Ga'ar liefen voran und links und rechts fielen Kobolde, Stadtwachen und selbsternannte Helden der Faer unter den Klingen, Speerspitzen und Hörnern der tödlichen Vorhut. Ein Riese stellte sich ihnen kurz entgegen, doch wurde von einem der anderen Nashörner durchs Bein gestoßen und Riese und Reittier stürzten mitsamt den drei Orkkriegern, die auf dem Rücken gesessen waren. Sie blieben im Schnee liegen.

Am Tor angekommen wurde den Fliehenden klar, dass der obere Torbogen durch die Beben abgebrochen war und nun als Schutthaufen den Weg versperrte. Schnell sattelten sie ab und führten ihre Tiere über die großen Mauerstücke hinweg.



Ein Pfeil traf Belesh im Gesicht, doch prallte er an ihrer potenten Magie ab und mit einem Schrei erschlug sie die zwei Wachen, die von der Seite ebenfalls auf die Sperre geklettert waren und als sie die Hände nach dem Bogenschützen ausstreckte, suchte der Elf das Weite. Schnell führten sie die Wollnashörner auf der anderen Seite hinab auf die Ebene und ritten dann weg von der brennenden Stadt.

Als sie nach einigen Minuten anhielten und sich umdrehten, sahen sie noch einige Hållheimer, die ebenfalls ihren Weg über den Schuttberg gefunden hatten, dann aber von Pfeilen in den Rücken getroffen wurden und zurück in den Rauch des Kampfes fielen. Die Flammen loderten hoch über die Mauern und der Lärm der Schlacht wehte bis zu ihnen herüber. Die Gier der Drachen nach dem Gold der Faer hatte den Friedensverhandlungen ein jähes Ende bereitet. Der Eifer der Kobolde hatte das geschafft, was weder der Zorn von Belesh noch die Arroganz von Tharis Ingwandiël bis jetzt erreicht hatten: die Hoffnung auf Frieden war verweht, wie Asche im Sturm.



Shkut-yun hatte den toten Körper von Gunder Halvmensc vor sich in den Schnee gelegt und betete nun laut zur Weltenseele. Sie sollte den Verstorbenen zurückführen in dieses Leben, ihm eine zweite Möglichkeit geben, sein Werk zu vollenden. Die Schamanin würde für ihn sorgen, ihn falls nötig gegen das Triumvirat verteidigen. Denn sie hatte den Glauben an ein friedliches Ende dieses Konfliktes noch nicht aufgegeben.

Halvmensc zuckte, dann öffnete er schwerfällig seine Augen und sah in den bedeckten Himmel empor. Seine Brust hob sich, als sich seine Lungen erneut mit Luft füllten, dann erhob er sich wankend und stand neben den anderen. Sie blicken zu den Mauern Hållheims und fragten sich, was die Zukunft ihnen bringen würde.


DER ALTE GESCHICHTENERZÄHLER sah die Welpen erwartungsvoll an. Schließlich sprach Cemghem, ein Mädchen, das bis jetzt still zugehört und sich mit einer schön bestickten Decke umwickelt hatte. Ihre Stimme war tief und angenehm.



"Haben sie es noch einmal versucht?"



Der Geschichtenerzähler lächelte. "Frieden mit den Faer zu suchen?"



"Ja."



"Das haben sie, Welpe."



Zufrieden nickte Cemghem, aber ihr Gesicht verdunkelte sich, als der Geschichtenerzähler weiter sprach.



"Die Faer jedoch wollten nicht hören. Shkut-yun selbst reiste nach einem Jahr in der Gestalt eines großen Vogels nach Hållheim, um den Rat selbst um weitere Treffen zu bitten. Doch sie wurde beschuldigt, Teil des Angriffs gewesen zu sein und in ihrer Wut und ihrer Verzweiflung verwandelte sie das steinerne Bürgerlanghaus des Rates in Schlamm und während die Faer noch nach ihr suchten, grub sie sich durch die gefrorene Erde hinaus in die verschneite Weite und entkam dem Zorn der neuen Völker."



Nervös rutschten die Welpen auf ihren Plätzen herum.



Giruum, ein älterer Junge, meldete sich zu Wort. Er sprach leise, wie zu sich selbst, doch alle hörten ihn. "Es dauerte nur noch sechs Jahre bis zum großen Kampf. Bis das Orkbündnis von den Faer geschlagen wurde."



"Aber in den sechs Jahren hätte Apu'tarok, Derkha Wredt und Belesh doch viel ausrichten können." Azun sah den Geschichtenerzähler voller Hoffnung an.



"Das taten sie, kleiner Stier. Das taten sie. Aber sie kämpften gegen eine Flut an und obgleich sie das Bündnis festigten, das sich auf den Eisebenen gegen die Faer stellten, war der Lauf der Dinge schon seit langem entschieden..."



"Von wem?" Die Frage drang fordernd durch die Nacht und alle sahen sich um.



Kurz blieb der Blick des Geschichtenerzählers an den Augen des Mädchens hängen, welches die Frage gestellt hatte. Dann lächelte er den Welpen zu.



"Von der Technologie der neuen Völker. Von ihrem Drang nach Eroberung. Von Faktoren, die Euch nicht interessieren werden und letztendlich vom Schicksal selbst." Er schüttelte seinen ergrauten Kopf. "Und glaubt mir: dieser letzte Kampf war einer der blutigsten, den diese Welt je sah."
 
Und wenn wir schon in der Vorzeit der Orks waren, schwenken wir nun zur Endzeit dieser Welt, die ich nächste Woche das erste Mal auch richtig meistern werde. In dieser Zeit ist die Sonne am sterben und die Bewohner von Emmergens versuchen verzweifelt, einen Ausweg aus dieser Lage zu finden, während sie Anschläge von Kultisten und Angriffe von Höllendämonen abwehren.
Diese Kurzgeschichte ist ebenfalls am Wochenende fertig geworden:

Eine Kurzgeschichte zum Buch "Sonnenfeuer"

von Minza

nach einer Idee von Conquistador





EISKALTE LEERE UMSCHLOSS das Schiff. Hohle, dumpfe Klänge, die man auf der Welt nicht vernehmen konnte, aber die hier oben bei den Sternen laut und allgegenwärtig waren. Wie das Heulen von körperlosen Bestien, das zu einem Lied des Wahnsinns verschmolz.

Abertausende Lichter pulsierten hier oben und doch war alles schwarz und nur die Strahlen der sterbenden Sonne warfen schwache Bänder aus Licht auf den Bug des Schiffes, hart und beinahe gefroren wirkend. Die Sterne bildeten Muster, die man seit unzähligen Generationen kannte und schon in uralten Tagen als Geister verehrt hatte. Ihr Schein war weit, weit weg.

Unter der schweren Hülle des Schiffes arbeiteten Generatoren ohne Unterbrechung, um Wärme zu erzeugen. Und den Antrieb, der das ungelenke, hässliche Konstrukt zurück zum Weltenband trieb. Ruhelos und unendlich langsam, betrachtet man die Distanz zwischen der äußeren Schale und dem feinen Streifen in der Ferne, auf dem sich Resham und die anderen Kontinente der Welt befanden.



Die äußere Schale. Sie hatte nicht nachgegeben. Ihre Geheimnisse nicht preisgegeben. Mit den modernsten Maschinen hatte die Mannschaft der Gimbahtin versucht, die harte Außenschicht der Welt zu durchstoßen, an der die Sterne wie Seepocken hingen. Krater neben Einschlagskrater übersäte die endlose Fläche, die sich als Orb um das bekannte Universum schloss. Winzige und riesige Körper, die im All trieben, hatten seit dem Anbeginn der Welt diese Narben hinterlassen, doch kein Bohrer, kein Geschoss und kein gebündelter Energiestrahl hatte das seltsame Material auch nur angekratzt.

Sogar den ein oder anderen Zauber hatte Lord Magister Craund zu weben gewagt, doch das mysteriöse Feld der Verzerrung, das das dünne Weltenband ab einer bestimmten Höhe umgab, hatte jeden Versuch wie den kindlichen Versuch eines Anfängers erscheinen lassen. Jede weitere Anwendung der arkanen Künste wäre ein Risiko für das gesamte Unternehmen gewesen.

Ein Teleportationszauber, der den langen Weg von der Schale zum Weltenband abkürzen würde, war vollends ausgeschlossen. Erst wenige hundert Kilometer über der Welt war es wieder sicher, Magie zu weben und dann war es eh schon zu spät, um auf solche Mittel zurück zu greifen. Der Antrieb pumpte weiter ohne Unterbrechung Energie in die Schubdüsen, die die Gimbahtin näher und näher zum Zielhafen an der Westküste des Resham Megaplexes drückten.



Kapitän Seric O'Coor saß vor dem großen, projizierten "Sichtfenster" der Brücke. Das Kunstleder des Sessels hatte die Kälte des Schiffsinneren angenommen, während die Systeme mehr und mehr Energie von den Lebenserhaltungsprotokollen abzogen. Die Gimbahtin bereitete ihre Mannschaft auf den langen Schlaf vor, der sie die Reise überdauern ließ. Warum mehrere Monate ausharren und dehydrierte Nahrung zu sich nehmen, wenn man diese Zeit auch in einer Kältekapsel und im traumlosen Schlaf verbringen konnte...

Das Weltenband vor der schwachen Sonne war noch nicht sichtbar, doch O'Coor sah die vielen Lichter des Megaplexes bereits vor seinem inneren Auge. Er war müde. Müde von der langen Reise. Müde von der Enttäuschung, keinen Erfolg erzielt zu haben. Müde vom Gedanken, wieder in den Kälteschlaf zu gehen und erneut Zeit zu verlieren, in der andere ihr Leben leben konnten. Die letzten Jahre dieser Welt genießen konnten.

Verdammt, sie brauchten eine Lösung. Als Wissenschaftler die äußere Schale entdeckten, war das Entsetzen groß gewesen, hatte man doch gedacht, mit großen Schiffen die sterbende Welt verlassen zu können und sich eine neue Welt zu suchen, die man besiedeln konnte. Doch all die Sterne dort oben waren keine Sonnen. Es waren Lichter in einer Gefängniswand, die mit Versprechen lockten, doch nichts hergaben.

Portale in andere Welten konnten nur so und so viele Bewohner von Emmergens in eine andere Realität retten und lag es anscheinend jetzt an den Gelehrten, die das flackernde Sonnenfeuer wieder in Gang setzen wollten, das bekannte Universum zu retten.



O'Coor vergrub sein Gesicht in einer großen, kräftigen Hand und massierte sich den Frust aus den schmerzenden Muskeln. Er hatte dieses Kommando übernommen, in der Hoffnung, einen Erfolg zu erzielen. Nun konnte er nur darauf warten, seinen Vorgesetzten von der großen Enttäuschung zu berichten. Er blickte hinaus in die riesige Leere, die ihn von seiner Heimat trennte. Er hatte orkisches Blut in sich, das wusste er, und dieser Teil seiner Vorfahren hatte einen interessanten Namen für einen räuberischen Pilz gehabt, der im warmen Sonnenlicht der uralten Wälder unbeschreiblich schön anzusehen gewesen war: die verzehrenden Farben...

Dass er das Nichts um sich herum schon bei der Reise zur Schale "die verzehrende Leere" genannt hatte, hatte nach der Erkenntnis über ihre Ausweglosigkeit einen weiteren, ironischen Geschmack angenommen. Leere. Hoffnungslosigkeit. Der Untergang einer Welt.

O'Coor lehnte sich zurück und schloss die Augen. Bald würden sie schlafen und erst wieder aufwachen, wenn sie nahe genug am Weltenband waren, damit Lord Magister Craund einen Teleportationszauber wagen konnte, der das gesamte Schiff in seinen Zielhafen katapultierte. Vielleicht hatte irgendjemand dann eine Lösung gefunden. Die Mannschaft der Gimbahtin hatte jedenfalls bittere Kunde.



Das grelle Blinken eines pulsierenden Signallichts auf der Konsole vor ihm ließ ihn wieder seine Augen öffnen. Kurz danach erklang ein leises Summen, das mit dem Licht im Einklang aufblühte und abklang. Er drückte auf eine Schaltfläche.



"Was?"



"Sir." Die Stimme seiner Kommunkationsoffizieren Daeriel Moonglance drang leicht verzerrt auf die Brücke. Die Halbelfin klang nervös. "Sie sollten hier runterkommen. Es gibt Ärger. Parm hat noch alles im Griff, aber ich weiß nicht..."



"Ich bin auf dem Weg." Er ließ die Schaltfläche los und die Verbindung wurde beendet.



Fast schon knurrend stieß er sich aus dem kalten Sessel und ging zum Vertikaldurchgang, der die verschiedenen Ebenen des Schiffes miteinander verband. Warum jetzt? Hatten sie nicht schon genügend Probleme?



***​



Miat O'Lys stand auf einem der Plastikstühle des kleinen Freizeitraumes. Sein hochrotes Gesicht war zu einer wütenden Maske verzogen und die geflochtenen Bartspitzen wurden mit jeder Geste, mit jedem Schrei von Seite zu Seite geworfen. Vor dem zwergischen Piloten standen Pat Nunyun und Emian Craund, stolz und vorwurfsvoll, die Arme verschränkt und mit einer Aura der Überheblichkeit umgeben, die O'Coor schon seit Beginn des Projektes immer wieder in Berichten angesprochen hatte.

Nunyun war eine fähige Schiffsärztin, ja. Aber sie war eine dieser Vertreter des alten Schlages, die jedem mitteilen wollten, dass die menschliche Rasse der Beginn der Zivilisation und vermutlich auch das Ende der selbigen war. Craund hatte eine ähnliche Einstellung, auch wenn die psychologischen Gutachten vermutlich den Begriff "menschliche Rasse" durch "Magienutzer" ersetzen würden.

Und O'Lys war einfach nur durch und durch ein Zwerg... Kapitän O'Coor fluchte leise. 'Warum jetzt?' musste er nicht fragen. Er wusste, dass die Lage eine extrem angespannte war. Aber er hatte gehofft, dass sich der Frust anders entladen würde. Dass die aufgestellten Protokolle und die Gutachten der Personaldienststelle wenigstens einige Früchte tragen würden.

Neben Nunyun stand Iasabil Goldud, die Technikerin der Gimbahtin. Die Gnomin schluchzte unkontrolliert und hielt sich immer wieder eine zitternde Hand vor das durch Tränen aufgequollene Gesicht.



"Und du blöde Sau hörst jetzt endlich auf rumzuheulen!" O'Lys' Schrei füllte den Freizeitraum wie eine unsichtbare Macht aus.



"Hey hey!" Narin Parm ging einen Schritt auf den Zwerg zu und hob beide Hände.



Beide Pranken. Sie war Ork durch und durch und gerade wirkte sie so, als könnte auch sie die Beherrschung verlieren. Was nicht gut war, schließlich war sie für die Sicherheit an Bord zuständig. Doch wollte sich O'Lys nicht beruhigen lassen und machte einen angedeuteten Armschwinger in Richtung der Orkin.

In einer Ecke des Raumes stand Daeriel Moonglance mit verschränkten Armen, eher sich beruhigend umarmend als alles andere. Auch sie hatte geweint, erkannte O'Coor. Neben ihr, ruhig und wie immer gelassen wirkend, Miad. Der amphibische Chikchik verfolgte das Geschehen nur mit großen, feuchten Froschaugen und nur an der empathischen Art, wie der zweite Techniker des Schiffes sein felliges Schaumäffchen Luma streichelte, konnte man seine Anteilnahme an der Situation erkennen. Das Schaumäffchen zwitscherte nervös und drückte sich enger an sein Herrchen, als O'Coor im Eingang aufbaute.



"Das Ganze endet jetzt. Sofort!" Die feste Stimme des Kapitäns ließ keinen Widerspruch zu.



Eigentlich... denn der kam trotzdem: "Fick Dich, Seric. Fick dich und die ganze Drecksmission!" Ein kleiner, dicker Zwergenfinger schoss wie eine Waffe in Richtung des Orkbluts. "Is' doch eh alles scheißegal. Wir krepieren doch eh alle!"



Die Gnomin begann wieder zu schluchzen.



"Halts Maul, halts Maul, halts Maul!"



Parm knurrte O'Lys drohend an und machte einen weiteren Schritt auf ihn zu. Dann stockte sie, als ein wirres Kichern von Goldud erklang. Die anderen drehten sich ebenfalls zur gnomischen Technikerin und sahen sie entsetzt an.



Die wischte sich mit dem nackten Unterarm Rotz von der Oberlippe. "Sie hatten Recht..."



Kapitän O'Coor hatte genug. "Es reicht."



Doch Lord Magister Craund sah dies anders. "Wer hatte mit was Recht?" Er sah die Gnomin mit besorgt in Falten gelegter Stirn an.



"Die Kirche." Ein Zittern. "Sie sagten, dass alles vergeblich ist."



"Goldud?!" O'Coor legte ungläubig den Kopf schief. Seine Stimme war wie Sandpapier.



Ausnahmsweise fand O'Lys keine Worte. Er sah die Technikerin nur entsetzt an.



Die murmelte weiter, immer an der Grenze zum Hysterischen. "Sie sagten, dass das Ende kommt und das ist das Ende das ist das Ende oh bei den Göttern das ist das Ende warum warum warum?"



Parm ließ O'Lys auf dem Stuhl stehen und trat vor Goldud. "Es ist genug." Sie legte der Gnomin eine Pranke auf die schmale Schulter.



Die andere Schulter wurde von Lord Magister Craunds Hand bedeckt. Er beugte sich zu Goldud hinunter. "Welche Kirche, Iasabil?"



Sie blickte ihn mit zitternder Lippe an, zwischen einem Grinsen und dem nächsten Zusammenbruch hin- und herpendelnd. "Sie sagen, der Herr Nafrit wird die ewige Nacht bringen und Nigal Hagurath kehrt auf seinen Thron zurück..."



Ein kollektives Ächzen durchdrang den Freizeitraum und alle wichen einen Schritt von der Technikerin zurück. Nur Miads gelb-schwarz gefleckte Haut färbte sich dunkler, wurde unebener. Ein wütender, anschuldigender Blick bei den Chikchiks, das wussten alle seine Schiffskameraden. In den letzten Monaten hatten immer wieder schwere Attentate die Zuruler Region erschüttert und im Amzea Plex, der Heimat von Miad, hatte es hunderte Tote gegeben. Jeder wusste, wer dafür verantwortlich war. Die Schuldigen schrien ihre Taten wie eine Siegesabsprache in die Weiten des Megaplexes: die Gefolgsleute der Höllendämonen, die für die Rückkehr des Nigal Hagurath in diese Realität kämpften...

Doch war Iasabil Goldud wirklich eine der Sektenanhänger? Hatte die Interne Sicherheit und das Inquisitorium derart geschlampt, als sie ihren Hintergrund durchleuchteten?

Parm baute sich vor der Gnomin auf, ihre wachsamen Augen nicht mehr von der kleinen Gestalt nehmend. Die Sicherheit des Schiffes war ihre Aufgabe. Auch wenn sie ihre Mission nicht erfüllen hatten können. Auch wenn nun alles verloren schien.



Die leise, harte Stimme des Kapitäns schnitt durch die Stille. "Bereitet Euch auf den Kälteschlaf vor. In einer Stunde steigen wir in die Kapseln." Er blickte Goldud kalt an. "Um alles andere wird sich das Inquisitorium kümmern."



"Aber..." Moonglance sah Kapitän O'Coor vorwurfsvoll an.



Der funkelte nur warnend in Richtung der halbelfischen Kommunikationsoffizierin. "Eine Stunde."



Dann verließ er den Raum und die anderen blieben schweigend zurück.



***​



Die Isolation der Kältekapseln war ein Segen. Sie bewahrte die Besatzung vor Gesprächen, die sie nicht führen wollten. Vor Blicken, die sie hier nicht austauschen konnten. Schräg um eine zentrale Diagnosebatterie aufgereiht, boten die Kapseln einen langweiligen Ausblick auf die weißen Wände der kleinen Kammer.

O'Coor schloss müde die Augen. Er war müde vom Misserfolg an der Schale. Müde vom Streit, der durch den Frust der Mannschaft entbrannt war. Der die unschöne Wahrheit über Iasabil Goldud hervorgebracht hatte. Die Gnomin ruhte in der Kapsel neben ihm, vielleicht schon schlafend. Von Dämonen träumend oder was auch immer sie in ihrem seltsamen, kleinen Kopf hatte.
Zu seiner Verdrossenheit mischte sich die chemische Substanz, die Alchemisten über die letzten Jahre perfektioniert hatten: über einen kleinen Schlauch, der mit einer Nadel an einer eingesetzten Buchse in seiner Armbeuge angeschlossen war, pumpte langsam eine bläuliche Flüssigkeit, die seine Körperfunktionen übermannten. Die dumpfen Geräusche des Schiffes wurden noch dumpfer, verzerrt und nicht mehr greifbar, die Gedanken unfokussiert. Je grotesker sich die Laute der Reise anhörten, umso unwichtiger wurden sie für den abgelenkten Geist, der sich kurz noch an den letzten Funken Vernunft und das schwindende Bewusstsein klammerte... und dann in einen Malstrom aus Nichts stürzte.

***​

Keine Musik, keine störenden Schiffssysteme begleiteten das Aufwachen nach dem langen Schlaf zwischen der Hülle und dem Weltenband. Sie hatten noch nicht einmal den Mond erreicht und würden es auch in den nächsten Tagen noch nicht tun. Erst dann konnte Lord Magister Emian Caund seinen Zauber wagen.
Frische Luft wurde in den Raum geleitet, in dem eine Kapsel nach der anderen automatisch aufschwang und warmes Licht die schweren Augen der Schlafenden animierte.

"Das isses nicht wert..." Pat Nunyuns hustete. Die Stimme der Ärztin klang rau.

"Es wäre es wert gewesen. Wenn wir was geschafft hätten," kam das Brummeln vpm Miat O'Lys aus einer anderen Kapsel heraus. Dann das Geräusch von nackten Füßen auf dem Plastikboden.

Seric O'Coor öffnete langsam die Augen, badete in der Wärme, die die Schiffssysteme in den Raum pumpten, um die starren Muskeln wiederzubeleben. Der Schlauch in der Armbeuge hatte sich schon von selbst abgenabelt. Ein einsamer Tropfen der Wachwerde-Droge hing noch an der kleinen Nadel und zitterte, als der Kapitän der Gimbahtin die Seiten der Kapsel feste packte und sich ins Freie zog.
Seine Beine drohten kurz nachzugeben, dann setzten die Stimulantia ein. Er richtete sich auf und füllte seine Lunge mit Sauerstoff. Ein Pulsieren in seinen Ohren wurde lauter und lauter, dann ebbte es langsam ab. Nackt, wie er in die Kälteschlafkapsel gestiegen war, sah er sich um.
O'Lys war gerade dabei, in seine Unterwäsche zu schlüpfen, der zwergische Bart um einen Fingerbreit länger, die rote Farbe am Ansatz bereits dem natürlichen braun weichend. Neben ihm stand Narin Parm und stützte sich an der Wand ab, während sie mit der anderen Hand ihre Stirn rieb. Der Kälteschlaf hatte ihr schon immer zu schaffen gemacht. Sie würde sich wieder erholen.
Pat Nunyun saß auf einem kleinen Hocker und schlüpfte schon in ihre schweren Lederstiefel, die beinahe immer und überall trug, während Daeriel Moonglance und Lord Magister Emian Craund leise besprachen, wer den Kah-Phee zubereiten sollte. Das Los fiel an Craund, der ein Händchen für die kleinen Bohnen hatte. O'Coor schmatzte laut und zog dann seine Nase lautstark hoch, räusperte sich, sich beinahe verschluckend.
Er drehte sich um und sah dort Miad, stumm und mit fahler Haut das Fell seines Schaumäffchens kraulend. Luma schnurrte leise und gleichmäßig, die dicken Finger des Chikchiks hörbar genießend.

Kurz runzelte O'Coor die Stirn und blickte dann zur offenen Kapsel von Iasabil Goldud. Die Gnomin hatte sich noch nicht bewegt und einen Schritt kam der Orkblut näher, dann erkannte er schon die eingefallenen Augen und Wangenknochen, die zurückgezogenen Lippen und aschgraue Hautfarbe. Einige Sekunden blickte er auf die Leiche der Gnomin, die seltsam zur Seite gesunken an ihrem Platz stand, dann sah er mit einem Ruck zu Miad, dessen Schlafplatz neben dem von Goldud gelegen hatte.

Miad bemerkte den Blick. "Was?"

Dann blickte auch der Chikchik zur Kälteschlafkapsel der Gnomin und wirkte einen Augenblick erschrocken. Er sprach nicht, öffnete nur kurz seinen Mund und schloss ihn dann wieder, während er Luma feste an sich drückte. Das Schaumäffchen quiekte und fing an, sich frei zu strampeln.
Miads Blick wanderte von Iasabils Leiche zurück zu O'Coor und das Gesicht des amphibischen Technikers verzog sich zu einer müden, angewiderten Maske. Er schien zu wissen, was auf ihn zukam.
O'Coor legte drohend den Kopf schief und deutete mit einem Finger auf den Froschmenschen. Schon wollte er ihn der Tat beschuldigen, als hinter ihm ein heller Schrei erklang. Als er sich umdrehte, erkannte er Moonglance, die beide Hände an den Mund gepresst hatte. Ihr Gesicht hatte jegliche Farbe verloren.
Seufzend ließ O'Coor seinen Kinn auf die Brust sinken und er schloss tief einatmend die Augen.

Dann sah er zu den anderen, die durch den Schrei des Kommunikationsoffizierin alarmiert worden waren und nun zum Teil ebenfalls mit Entsetzen die Leiche anstarrten. "Wir haben ein Problem."

***​

"Wir haben ein Problem."

Sie saßen am ovalen Tisch des Besprechungsraumes, nur Nunyun und Miat O'Lys eine Tasse kalt gewordenen Kah-Phee vor sich stehend. Miad streichelte mit grimmigen Gesichtsausdruck sein Schaumäffchen, während Parm mit gezogener Pistole neben ihm saß und den Chikchik stets aus dem Augenwinkel heraus beobachtete. Der Techniker kannte die Systeme der Kältekapseln wie kein anderer auf diesem Schiff. Nur Iasabil Goldud selber hatte mehr Wissen über die komplizierte Technik, die in den Geräten steckte. Und er hatte den kürzesten Weg aus seiner Kapsel zur Kapsel der nun toten Gnomin gehabt. Dazu die vielen Toten seiner Heimat, die durch die Kultisten ums Leben kamen, mit denen Goldud nun eventuell sympathisiert hatte.
Natürlich war der Verdacht auf ihn gefallen...

"Anscheinend habe nur ich ein Problem," grollte Miad kaum hörbar und drückte Luma an seine glatten Lippen. Das Schaumäffchen krallte sich sofort an die Seite des großen Chikchikkopfes und blieb dort hängen.

Kapitän O'Coor sah den Techniker durchdringend an. Dann drehte er sich zu Parm. "Nimm ihn und frier ihn wieder ein. Sollen sich die Zuhause den Kopf darüber zerbrechen."

Das Räuspern von Lord Magister Emian Craund ließ ihn zum Zauberer blicken.

"Kapitän," begann Craund: "den anderen die Aufklärung unserer Fragen zu überlassen hat uns bis jetzt lediglich eins eingebracht: das Ableben von Iasabil." Er sah von einem zum anderen. "Zudem bezweifle ich, dass unser Kollege Miad der einzige ist, der einen Hass auf die Untergangssekten hat oder die Systeme manipulieren kann..."

Innerhalb eines Augenblickes wurde das grimmige Zwergengesicht von Miat O'Lys hochrot. "Was wollt Ihr damit sagen?"

Craund sah O'Lys nur stumm an.

Moonglance schüttelte ungläubig den Kopf. "Wollen wir das wirklich tun?"

"Was?" Parm. Die Orkin wirkte verwirrt.

"Das hier!" Moonglance deutete von Craund zu O'Coor. "All das!"

"Was wollen wir stattdessen tun?" Craund, ruhig und gelassen. "Jemanden anderen einfrieren? Zu den Göttern laufen und mit dem Finger auf jemanden zeigen, in der Hoffnung, sie nehmen uns unsere Bürden ab?"

O'Coor öffnete kurz seinen Mund, schloss ihn dann aber wieder. Er warf Craund nur einen warnenden Blick zu.

"Wie wäre es," mischte sich Pat Nunyun ein: "wenn wir gar niemanden mehr einfrieren. Glaubt Ihr wirklich, es ist gesund, ständig da rein und raus zu springen und sich mit diesen Chemikalien vollzupumpen?"

Kurz sahen sie alle schweigend an. Dann deutete der zwergische Pilot auf die Ärztin. "Die kennt sich aber auch mit den Systemen aus."

"Was?!" Hervor gestoßenes Entsetzen. Nunyun war von ihrem Stuhl aufgesprungen und beugte sich zu O'Lys, beide Arme zitternd auf der Tischplatte abgestützt.

"Du weißt genau, was ich meine." Der Zwerg verschränkte seine Arme vor der Brust.

"Du kleiner..."

"Genug!" Noch bevor Parm in ihrer Rolle als Sicherheitsoffizierin reagieren konnte, beendete O'Coor den Ausbruch.

"Aber Kapitän..." Nunyuns Unterlippe bebte.

"Nein. Keine Diskussionen." Er blickte zu O'Lys. "Und keine weiteren Anschuldigungen!"

"Ha." Ein trockenes, humorloses Lachen von Miad, der aufgesetzt entspannt auf seinem Stuhl saß, einen fleckigen Arm über die Rückenlehne geschwungen.

Ein kurzer, eiskalter Blick von O'Coor. Dann: "Kommen wir erst einmal alle ein bisschen zur Ruhe, bevor wir weiter schauen, was wir machen. Parm?"

Die Orkin nickte ihrem Kapitän zu.

"Sperr ihn in seine Kabine."

Die Orkin nickte erneut und erhob sich. Miad legte sein müdes Gesicht in die feuchten Hände.

***​

"Es war ein programmierter Ausfall der Systeme." Pat Nunyuns Stimme war leise und sie sah hinüber zu Miat O'Lys, der auch im Gang stand und sie und O'Coor skeptisch beobachtete.

"Das bleibt erst einmal unter uns beiden, verstanden?"

"Ja, Sir."

"Und Nunyun?"

"Ja?"

Ein kurzes Zögern des Halborks. "Nichts. Ist okay."

Nunyun sah ihren Vorgesetzten prüfend an. Dann ging sie den Korridor hinunter und drückte sich am Zwerg vorbei.

***​

Die Schläge gegen die Kabinentüre hallten durch die Gänge der Gimbahtin.

"Lasst mich raus!" Immer und immer wieder. "Ihr Mörder!"

Die Schläge pulsierten durch die Zwischenböden, durch die dicken Rohre und Lüftungsschächte. Kapitän O'Coor saß an seinem Schreibtisch, sein breites Nasenbein massierend.

"Du hättest es nicht töten sollen." Keine wirkliche Anschuldigung. Eher ein Seufzen, das über diese Worte einen Kanal suchte.

Narin Parm stand vor ihm, ihr Blick eine Mischung aus Schuld und Wut. "Es versuchte mir die Augen auszukratzen, Sir."

O'Coor sah die Orkin lange an. Sie hatte die tiefen Kratzer nicht verbunden, die das Schaumäffchen ihr über Stirn und Schläfe gezogen hatte. "Miad wird uns das nie verzeihen."

"Damit kann ich leben, Sir." Parm war angespannter als sonst. Eiskalt. O'Coor machte sich Sorgen.

"Riegel die Lebenserhaltungssysteme und die Zugänge zum Hauptreaktor ab und behalte die Zugangsdaten. Kopiere sie mir, schau aber zu, dass kein anderer sie bekommt. Primär O'Lys. Und Nunyun."

Die Liste an Verdächtigen wuchs. An verdächtigem Verhalten. Und erkannte er ein misstrauisches Funkeln im Blick von Parm? Er setzte sich aufrechter in seiner Stuhl. "Das wäre alles."

"Sir."

***​

Daeriel Moonglance wühlte sich durch die Daten, die ihr auf dem Bildschirm angezeigt wurden. Die Halbelfin hatte sich im Wartungsraum eingeschlossen und ein langer Schraubenzieher lag neben der Tastatur. Sollte es zu einem Angriff kommen, würde sie sich mit ihm verteidigen können. Kurz hielt sie inne, als sie die schweren Schritte von O'Lys auf dem Gang hörte. Warum war der Pilot an diesem Ende des Schiffes unterwegs? Kurz griff Moonglance nach der improvisierten Waffe, dann legte sie ihre Finger wieder auf die Tasten und durchforstete die Datenbänke der Gimbahtin weiter.

***​

"Ich lasse mir von Euch doch nicht sagen, wie ich verrecken darf!" Ein weiterer Schuss löste sich und schlug in die Korridorwand ein. Kurz gab es eine kleine Fontäne aus extrem gekühlter Druckluft, dann verschlossen die Notfallsysteme des Schiffes das Leck.

Hinter einer Ecke waren O'Coor, Parm und Lord Magister Craund in Deckung gegangen.

"Woher hat er eine Waffe?" Der Kapitän sah die Sicherheitsoffizierin herausfordernd an.

Das schwere Schnaufen von Miat O'Lys war zu hören, das hektische Nachladen der Waffe.

"Vermutlich aus einem Sicherheitsfach der Zwischensektion. Ich habe keine Ahnung, wie er den Alarm umgehen konnte." Parm blickte um die Ecke und erhaschte einen kurzen Blick auf den Piloten, der erneut seine Waffe auf den Gang richtete. Schnell zog sie ihren Kopf zurück.

"Es ist eine Waffe aus einem Sicherheitsfach," bestätigte die Orkin und nickte.

O'Coor sah sie einige Augenblicke an. "Schalte ihn aus."

"Sir?"

"Jetzt."

"Wir brauchen ihn, um zu landen..." Parm fing an zu schwitzen.

"Tun wir das?" O'Coor blickte zu Craund, der bis jetzt mit geschlossenen Augen an der Wand gelehnt hatte.

Der Lord Magister öffnete langsam seine Augen. "Es sollte schwer werden, die Gimbahtin mit einem Zauber in ihren Hafen zu führen. Vielleicht ein kontrollierter, mit Magie unterstützter Absturz vor der Küste...?" Craund räusperte sich. "Aber soweit muss es nicht kommen, Kapitän."

"Sagt bloß, Ihr könnt jetzt schon wieder zaubern." Hoffnung schwang in der Stimme mit.

"Nicht wirklich. Das wäre immer noch ein zu großes Risiko," gab Emian Craund lächelnd zu. "Aber unser Herr Zwerg hat sich in Gang 13 verbarrikadiert. Schnittstelle 6A."

O'Coor runzelte seine Stirn, dann öffnete er überrascht seinen Mund, als die Worte Craunds plötzlich Sinn ergaben. Narin Parm war offensichtlich im gleichen Moment ein Licht aufgegangen.

Sie deutete den Gang hinab, aus dem sie sich dem wütenden Piloten genähert hatten. "Ich nehme den nächsten Zugang."

Der Kapitän nickte.

***​

Nunyun beugte sich über den stinkenden Körper des Zwerges. Immer noch zuckte er hin und wieder unkontrolliert, Augenlieder und Lippen waren geschwollen und die Haut wirkte wie ein einziger großer Bluterguss.

"War das nötig?" Die Ärztin bereitete eine Spritze vor und sah nur kurz zu Parm, die genervt neben ihr stand.

"Er hat auf uns geschossen!"

"Kein Grund ihn zu rösten..."

"Er lebt, oder nicht?" O'Coor betrat den hellen Praxisraum.

"Das tut er."

"Na dann." Er sah zu Parm. "Hast du die Waffe sicher gestellt?"

Wieder ein kurzes Zögern. "Ja..."

"Gut. Behalte sie bei Dir, Narin."

Keiner sagte etwas und alle sahen den halborkischen Kapitän nur an.

Dann drehte er sich zu Lord Magister Craund. "Können die Spulen an 6A repariert werden?"

"Eher ausgetauscht, aber ja."

"Gut." Er atmete tief ein. "Und habt Ihr schon Moonglance gefunden?"

Parm schüttelte ihren Kopf. "Wir wurden von O'Lys' kleinem 'Zwerge und Goblins' Spiel unterbrochen..."

Mit einem schelmischen Lächeln sah Craund sie an. "Heißt das nicht eigentlich 'Zwerge und Orks'?"

Er erntete einen kalten, bösen Blick und sah erneut hinunter zum Piloten, der nun gleichmäßig atmend auf dem Bett lag. Die Spritze von Nunyun hatte ihre Wirkung erzielt. Wenn sie Glück hatten, konnte der Zwerg sie auf der großen Plattform des Raumzentrums sicher absetzen.

O'Coor berührte Craund fast schon kameradschaftlich an der Schulter. "Und jetzt suchen wir Moonglance."

***​

Am Rand der Türe gab es einen letzten, kurzen Funkenregen, dann öffnete sie sich mit einem lauten Zischen. Daeriel Moonglance packte mit einem angsterfüllten Wimmern den Schraubenzieher und fuhr herum. Sie blickte in die Mündung von Parms Pistole.

"Lass es fallen, Moonglance."

Ihre Finger öffneten sich und das Werkzeug fiel mit lautem Klappern auf das Bodengitter. Hinter Parm schoben sich O'Coor und Craund in den kleinen Raum.

"Was machst Du hier?" Die Stimme des Kapitäns klang wie das Knurren eines Raubtieres.

"Sir," begann die Kommunikationsoffizierin und schluckte trocken. Sie leckte sich mit der Zunge über die Lippen. "Ich habe etwas..."

Sie hatte sich schon halb zum Bildschirm herumgedreht, als Parm sie anbrüllte. "Hände nach oben und weg von der Tastatur! Sofort!" Spucke flog vorbei an den großen Hauern und aus dem Mund der Orkin.

"Bitte, ich..."

"Jetzt!"

Moonglance ließ geschlagen ihren Kopf hängen und fing an zu schluchzen. Ihre Arme hielt sie weiter in die Höhe, doch saß sie nun wie ein Häufchen Elend auf dem drehbaren Hocker vor der Konsole. Parm packte die Halbelfin an der Schulter und zog sie durch die kleine Türe in den Gang hinaus, während sich O'Coor über den Bildschirm beugte. Craund schaute ihm neugierig über die Schulter.

"Moonglance," drang die ruhige, fragende Stimme des Lord Magister über das panische Schluchzen der Kommunikationsoffizierin. "Moonglance? Ist das wahr?"

Parm drehte sich mit ihrer Gefangenen zurück zum Wartungsraum und sah den Zauberer fragend an, der immer noch neben dem lesenden Kapitän stand.

"Ist das hier alles wahr?"

Die Halbelfin atmete tief aus und blinzelte ihre Tränen von den rot geschwollenen Augen. "Ja..."

O'Coor wendete seinen Blick vom Bildschirm ab und setzte sich schwer auf den kleinen Hocker. Er legte seine Hände auf das verschwitzte Haupthaar.

Lord Magister Emian Craund sah Daeriel Moonglance eine lange Zeit an, bevor er sich entschieden hatte. Dann schloss er seine Augen und berührte Moonglance mit zwei Fingern an der Stirn. Langsam öffnete er seine Augen wieder. "Sie sagt die Wahrheit, Kapitän."

O'Coor sah Parm müde an. "Lass sie gehen, Narin." Er wirkte älter. Ausgezehrter. "Lass sie gehen."

Parm ließ die schluchzende Moonglance zu Boden sinken und schüttelte verwirrt den Kopf. "Was steht da alles?" Sie deutete auf den Monitor.

Ein kurzes Lächeln huschte über das Gesicht des halborkischen Kapitäns. Dann entfuhr auch ihm ein zitternder Laut, als ihn die Anstrengung der letzten Stunden einholte. "Sie hat ihre Kapsel vor dem Kälteschlaf umprogrammiert. Iasabil hat ihre eigenen Systeme sabotiert."

Craund ging in die Hocke und legte seine Hände tröstend auf die Schultern von Moonglance, während er zu Parm nach oben sah, die immer noch mit dem Sinn hinter den Worten rang. "Es war Selbstmord..."

***​

Die Gimbahtin flog durch die verzehrende Leere, das Weltenband schon soweit sichtbar, dass sich einzelne Kontinente darauf abzeichneten. Die schwache Sonne beleuchtete den Rumpf des Schiffes, das nach langer Reise von seiner Mission wiedergekehrte. Es hatte keine neue Hoffnung gefunden. Keinen Weg aus der sterbenden Welt.
Das Feuer der Treibwerke wirkte wie Abermillionen Sterne, die kurz aufflammten... und dann verglühten.
 
Eine kleine Kurzgeschichte, die zur Zeit des Falls des Sternes spielt, das meine Welt zurück in dunkle Zeiten schleuderte... aber auf einem Kontinent, den ich bis dato nur sehr kurz bedacht habe. Zudem könnte diese Geschichte auch der Quell einer neuen Kampagne sein:

DER STINKENDE REGEN, der seit einigen Monaten vom schwarzen Himmel fiel, prasselte unaufhörlich gegen die Fensterscheibe, die an einigen Stellen bereits feine Blasen bildete. Mit der Kante seiner Hufe fuhr Professor Vighrrea Ru über die Innenseite des Glases und zuckte zurück, als es hell klirrend einen Sprung bildete. Er beugte seinen langen, eleganten Hals und senkte sein Haupt, schloss betend seine Augen.

Wie lange musste Crealles diese Prüfung noch bestehen? Wie lange konnte dieses Land noch in solchen Umständen überleben? Geschweige denn die ärmeren Länder Tarmyns, die vor dem Dunklen Regen schon mit Hunger und Unruhen zu kämpfen hatten?



Der alte Vicugnar sah zu seinem Schreibtisch hinüber, auf dem unzählige Berichte, Anfragen und Analysen gestapelt waren. Bis jetzt wusste niemand, was genau das Unglück ausgelöst hatte. Was die dichten Wolken verursacht und den schwarzen Regen erzeugt hatte. Das Beben, das kurz zuvor einige Häuser in Hida, der nahen Hauptstadt von Crealles, zum Einsturz gebracht hatte, war bei weitem nicht so stark gewesen, um für ein Unglück dieser Ausmaße die Schuld zu tragen... oder?

Vighrrea Ru ballte seine verhärteten Fingerhufe zu einer Faust und schlug sachte gegen die Wand neben dem Fenster. Der Stein, aus dem sein Turm errichtet worden war, würde seine Arbeit und ihn eine Zeit lang vor dem Regen schützen. Soviel war sicher.

Doch was war mit den Unglücklichen, die in den modernen Falthäusern lebten? Jeden Tag kamen Berichte über durchdrungene Wohneinheiten und von den Heilern versorgte Opfer zu den Stapeln hinzu, die langsam den Arbeitsraum des Gelehrten zu übernehmen drohten. Eine Kolonie der friedlichen Sijm am Fuße des Kleaadgebirges war anscheinend schon vollends dem stinkenden Regen erlegen, wenn die Aufzeichnungen der zuständigen Mitarbeiter der Staatlichen Agentur für Volksüberwachung die Anzeichen richtig interpretiert hatten. Nicht, dass zwischen den einfachen Strohhütten Leichen gefunden worden waren. Die Sijm konnten einfach nicht mehr gefunden werden...



Die Wolken waren aus dem Osten gekommen, soviel stand fest. Hatten die hohen Herren der Sonnenscheininseln diesen bösen Geist beschworen? Die Schamanen derPilõsan, die immer noch die vorzeitliche Weltenseele anbeteten? Nein, dies fühlte sich falsch an. Soviel Macht lag nicht in den Händen der Inselbewohner.

Noch weiter im Osten lag der Kontinent Resham und dort vermutete Vighrrea Ru schon eher die Quelle dieses Übels. Zwar wussten die Gelehrten und Könige von Tarmyn nicht allzu viel über die Reiche dieses weit entfernten Landes, doch waren die wenigen Informationen beunruhigend genug: ein riesiges Kaiserreich hatte die meisten Reiche vereint und nur wenige Hafenstädte hielten sich standhaft gegen die politischen und wirtschaftlichen Übergriffe des Throns. Technologie hatte schon lange die angeborene Verbindung mit der Natur gekappt und Magie wurde in Kristalle gezwängt, verbogen und so exzessiv benutzt, dass immer wieder kleine Energiewellen an der Ostküste der N'derischen Föderation aufgezeichnet werden konnten. Erst kürzlich hatte er wieder mit dem orkischen Außenminister der NF über Fernkabel gesprochen. Auch der hatte keine Antworten für Vighrrea gehabt und nur vermuten können, was auf dem Nachbarkontinent geschehen war. Was hatten die Mächtigen von Resham nur angerichtet...



"Verdammte Narren." Ein resigniertes Flüstern, nur ein Hauch von wirklichem Zorn.



Vighrreas behaarte, lange Ohren fuhren herum, als der Signalton seines Fernkabels fiepte. Der ergraute Kopf folgte. Schnell trat er an den Hörer des Kommunikationsgeräts heran und bestätigte den Anruf.



"Professor Vighrrea Ru..."



"Professor," drang es aus der Leitung. Es war die Stimme seines Kontaktmannes beim Crealles Luftraumschutz, ein ambitionierter, junger Halbelf mit dem Namen Gelth Fieterian.



"Ah, Gelth. Ich habe auf einen Anruf von Euch gewartet. Wie schaut es im Schutzzentrum aus?"



"Wie in den letzten Wochen, Professor." Er klang aufgeregt, außer Atem. "Ich habe Daten über den Absturz."



"Welchen Absturz."



"Der Absturz des unbekannten Objekts. Das in Resham aufgeschlagen ist."



Vighrrea Ru versuchte etwas zu sagen, konnte aber keine Worte finden. Er blinzelte einige Male verwirrt.



"Professor? Sie müssen nach Lendmarg kommen. Die Daten mit analysieren. Hier versammeln sich gerade alle Spezialisten südlich des Pahrawe."



Endlich schaffte es Vighrrea Ru trocken zu schlucken. "Gelth... welche Daten? Welcher Aufschlag?"



"Der Aufschlag in Taarlian. Unsere Mannschaften haben die Sonden über N'dun geborgen, die beim ersten Sturm ausfielen. Die Aufzeichnungen zeigen deutlich einen Schweif, der das Festland trifft und einen Aufschlag, der das halbe Land in ein Inferno verwandelte..."



"Wir haben Gerät, das weiter als bis zu den Sonnenscheininseln reicht?"



"Das ist nicht..."



"Wir bespitzeln das Imperium?"



"Professor!"



"Aber..."



"Die Daten liegen hier und warten auf Euch, Professor. Der Aufschlag. Und die Wolken. Das Beben, Professor. Das Beben! Ihr habt doch die These verteidigt, dass die Wolken aufgewirbelter Staub sei. Ihr hattet Recht, Professor!"



"Ich hatte Recht..." Vighrrea Ru ließ den Hörer sinken.



"Professor?"



Der Vicugnar führte das Fernkabel wieder an sein Ohr. "Ich habe verstanden, Gelth. Ich danke Euch." Dann beendete er die Verbindung, am anderen Ende nur der abgerissene Laut einer versuchten Kommunikation.



"Ich hatte Recht."



Langsam ging er auf seinen langen, geschwungenen Beinen zum Panoramafenster, das einen bestmöglichen Ausblick auf Hida ermöglichte. Die Stadt lag unter den schwarzen Wolken an den Fuß des Lufrah geschmiegt, die äußersten Bezirke weit in die Wellen vor der Küste hinein gebaut. In der Dunkelheit des giftigen Regens wehten verschwommen die Lichter Hidas zu Vighrrea Rus Turm hinauf.



"Wir haben die Tracon überlebt. Wir werden auch das hier überleben..."



Fast siebentausend Jahre war es her, seitdem die ersten Drachen in Tarmyn angekommen waren und eine Spur der Versklavung und des Krieges zurück gelassen hatten. Die Vicugnar und die Sijm, die Orks und die neuen Völker - alle hatten sich gegen die Echsen erhoben und ihre Freiheit erkämpft. Warum sollte jetzt eine Katastrophe, die vor allem das weit entfernte Resham betraf, den stolzen Völkern von Tarmyn mehr Schwierigkeiten verschaffen?

Vighrrea Ru verzog seine Schnauze. Wie gerne würde er dies alles glauben. Aber der ätzende Niederschlag vernichtete Ernten, tötete die Tiere des Waldes und der Meere. Und vor nur einer Woche hatte man die ersten seltsamen Mutationen am Strand angespült gefunden. Eine Breitschwanzlanguste mit drei Schweren und einigen Auswüchsen, die an die Fangarme von Kraken erinnerten. War dies die Zukunft? Und durfte er vor ihr denn keine Angst haben?

Er sah nochmals hinab nach Hida und drehte sich dann zur Türe um. Der Flug nach Lendmarg würde wenige Stunden dauern. Eine, wenn er einen ambitionierten Flügelpiloten finden würde.



Der Boden kippte unter ihm, als der Turm auf seinen Grundmauern ins Wanken gebracht wurde. Die Erde und das Gestein des nahen Berges ächzte und die Luft aus den nahen Deriinquellen entwich mit einem hohlen, in den Knochen spürbaren Ton. Das neue Beben ließ Vighrrea Ru schwer auf seine Seite fallen und sein Kopf schlug hart auf dem unter der Kraft der Erdstöße splitternden Boden auf. Ein heißer, stechender Schmerz schoss durch seinen Schädel, dann wurde kurz alles um ihn herum verschwommen und dunkel.

Als sich der alte Vicugnar wieder aufzurichten versuchte, kam das stetig andauernde Beben zu einem neuen Höhepunkt und erneut fiel Vighrrea Ru, diesmal auf seinen Rücken. Lange Augenblicke wartete er. Er schloss seine Augen und atmete stockend ein und aus, ließ den Schmerz in seinem Kopf abklingen, das Beben verstummen. Staub rieselte von der an einigen Stellen gerissenen Decke auf ihn hinab.



Was war geschehen? Ein erneuter Aufschlag? Diesmal näher? Auf den Sonnenscheininseln oder an der Ostküste von Tarmyn? Ungelenk hievte sich Vighrrea Ru auf seine Hufe, als erneut die Welt ins Wanken kam, ein tiefes Grollen den Turm zum Erzittern brachte. Konnte es wirklich sein?

Dann erhellte der Feuerball einer Explosion den Bereich außerhalb des Fensters. Über Hida erblühte eine Flammenkuppel, dann eine weitere, kleinere am Rand des Hafenbeckens. Eine dritte und vierte folgten, diesmal in der Nähe der Hänge, während das Beben unaufhörlich an Gewalt gewann. Ein unterschwelliges, pulsierendes Auf und Ab wurde erkennbar, das wie der Atem der Welt selbst den Turm und die Stadt durchzog. Ein tiefes Erzittern, dann ein weiteres. Ein weiteres und ein weiteres und entsetzt lief Vighrrea Ru zum Fenster, das nun einen gewaltigen Sprung quer durch die Scheibe aufwies.

Durch den dichten Regen sah der schwer atmende Vicugnar hin zum nahen Gebirge und im Schein der brennenden Stadt konnte er einen großen Teil des Hangs ausmachen, das sich löste und in Richtung der Stadt rutschte... nein! Der Hang rutschte nicht ab und war auch kein Teil des bewaldeten Felsens. Es war ein gigantisches Wesen, das sich zwischen den Armen des Gebirges hinaus ins Freie und mit mächtigen Schritten an Hida vorbei schob.

Dicke, schuppige Haut. Ein Kopf, so groß wie ein Haus. Schwanz und Gliedmaßen, auf denen ganze Züge fahren könnten.



Entsetzt starrte Vighrrea Ru auf den massiven Schatten, der sich aus dem Gebirge schälte. Sein Volk sang einen alten Mythos, der aus der Zeit der ersten Stämme herrührte. Aus einer Zeit, als die Weltenseele noch zwischen den Vicugnar, Sijm und Orks wanderte. Ein Mythos von einer legendären Bestie, die unter dem Fels von Tarmyn schlummerte und bei seinem Erwachen das Land verschlingen würde.

Das Lied des Wals. Der Landwal. Größer als jeder Drache, größer als jedes Luftschiff. Ein Koloss aus alten Tagen, in denen die Welt noch jung und ungezähmt war. Oaupoc.



Oaupoc war erwacht...
 
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