ICH WURDE AM 06. Mai in die Schreibstube der Wasserrose geladen und war erstaunt, welche Gestalten der Bund dieses Mal ins Boot geholt hatte: neben der immer gruseligen Eztli und der Halbelfin Aniya saßen nun auch eine Frau in schwerer Lederrüstung und mit zwei Äxten an ihren Seiten, einer schweren Brandnarbe quer über ihrem Gesicht tragend, und ein Pärchen, dass schon seit einiger Zeit in Emerald arbeitete, bis jetzt aber noch nie mit dem Bund zu tun gehabt hatte. Er war eine Ratte aus der Stadt Unterweg, mit größeren Augen und Ohren als die üblichen Vertreter dieses Volkes, und sie war eine Goblin (vermutlich die einzige, die in der Hauptstadt residierte). Zusammen unterhielten sie die Ermittlungsschreibstube S&L. "Finden, beschaffen und mehr" stand über ihrem kleinen Laden in der Steinstufen Gasse 17 im Weinviertel und wenn man etwas in Emerald und Umland gefunden haben wollte, sich aber nicht gerne mit dem RSWE unterhielt, waren sie die richtigen Ansprechpartner.
Ich mochte sie nicht. Die Goblin Lumpa verstand zuckersüß aufzutreten und zu tun, als wäre sie ein kleines, unschuldiges Mädchen. Aber sie war ein Goblin und wir wissen, zu was diese Rasse fähig ist. Lumpa heißt soviel wie Regenpfütze in der Sprache dieses garstigen Volkes, habe ich mir von einem Linguisten der Stadtwache erklären lassen. Regenpfützen sind auch garstig. Ganz untypisch für Goblins war sie in ein leichtes Sommerkleid und einen blumigen Hut gewandet, was um so grotesker wirkte. Ich fühlte mich unwohl.
Slithik war noch eine ganz andere Ebene von Boshaftigkeit: sadistisch, jähzornig und unzuverlässig, stets in einen schweren Ledermantel mit hohem Kragen und einem Kutscherhut gekleidet und mit Waffen ausgerüstet, die exotischer nicht sein konnten. Anscheinend hatte er alte Baupläne gefunden, die aus der Zeit vor dem Stern stammten. Ähnlich wie die Schatulle, in der meine Feen die Zeit überdauert hatten. Aus diesen Plänen hatte er einen langen und einen kürzeren Stock gefertigt, die mit Schwarzpulver Steine über große Distanz sehr genau ins Ziel schleudern konnte. Haben unsere Vorfahren wirklich mit solchen Dingen hantiert, bevor der Fallende Stern die Zivilisation in die Schatten warf? Unglaublich... und ich möchte mir nicht vorstellen, was passieren würde, wenn der Bund Hand an solche Waffen legen würde. Wenn Nemaides und andere dieses Potential für die Bundväter nutzen könnten... beängstigend.
Die vernarbte Frau hieß Thuêban Aq Ramin und sie kam aus einem kleinen Tal in der Ödnis. Sie hatte anscheinend Gharoodo Wurzeln und stellte sich später als Hexenjägerin heraus, eine Art Kopfgeldjägerin, die sich auf magische Ziele eingespielt hatte.
Neben den drei Unabhängigen saßen nun ich, Aniya und Eztli vor Maleko, der Aniya auf eine sehr seltsame Art und Weise ansah. Fast so, als hätte er Mitleid. Er übergab ihr das Wort und mit schwerem Atem erzählte die Halbelfin von einem Auftrag, den sie am Vorabend im Südlichen Viertel für den Bund erledigen hatte sollen. Mit ihr waren die Bundagenten Dino Donelli und Hozeda (ebenfalls Rattenvolk, aber vom Emeralder Schlag) auf der Jagd nach einem mutmaßlichen Gildenagenten, der sich schnell durch die Straßen der ärmeren Gegend arbeitete. Ein gewisser Jare Brae war dem Bund aufgefallen und nun hatte er versucht, sich außerhalb der Stadt in Sicherheit zu begeben. Doch Aniya und ihre Komplizen waren ihm dicht auf den Fersen gewesen.
Als Brae von der Lintenstraße in die Südstraße einbog, schickte Aniya den spürbar unter dem Einfluss einiger aufputschender Substanzen stehenden Hozeda hinterher, wurde aber kurz danach von einem gurgelnden Schrei alarmiert. Als sie mit dem äußerst nervösen Donelli hinterher eilte, sah sie einen vollends von innen nach außen umgestülpten Brae, einen ebenso zugerichteten Hozeda und konnte gerade noch fliehen, als sich eine große Gestalt hinter ihnen aufbaute und auch Donelli massakriert wurde.
Als Aniya dies fertig erzählt hatte, sahen wir sie schweigend an. Maleko erklärte uns dann, was wir zu tun hatten, war der Bund doch alles andere als zufrieden mit dieser Bluttat. Natürlich war ein Gildenagent gestorben, aber sie hatten ebenfalls Leute verloren und dies war nicht das erste Mal. Schon seit letzten Jahr waren immer wieder Bewohner des Südlichen Viertels auf ähnliche Art gestorben, unter anderem der Bundinformant Ionas Langenhogg. Zudem wurde der RSWE nach solchen Taten immer sehr neugierig und im Krieg gegen die Gilde konnte sich der Bund eine solche Ablenkung schon dreimal nicht leisten. Darum war nun externe Unterstützung eingeschaltet worden und wir waren die Gruppe, die den Südviertelmörder ausschalten sollten. Mir wurde etwas schlecht.
Slithik und Lumpa hielten die ganze Besprechung über Händchen und Slithik flüsterte seiner Frau nun etwas zu, was meine Feen aufzeichnen konnten. Er hatte Eztli von den Steckbriefen erkannt, die überall um die Hauptwache herum aufgehängt worden waren. Frau Federhuts Aussage hatte wirklich Früchte getragen und es war ein Platinstück Belohnung auf jeden Hinweis ausgesetzt worden, der zu Eztli führen könnte. An den Blicken von Thuêban erkannte ich, dass auch sie die Steckbriefe kannte. Anscheinend hörte Eztli auch einige Fetzen der geflüsterten Unterhaltung, sie sah das Ehepaar nämlich gar nicht mal so nett an.
Thuêban meldete sich zu Wort und verlangte stoisch mehr Geld aus dem versprochenen Topf von achtzig Platinmünzen, doch nun fing Eztli an mit ihr zu streiten, sah sie ein Bevorteilen der Jägerin doch gar nicht ein.
Maleko wurde das alles zu doof und er verließ die Schreibstube, bat uns nur, nichts während unserer Diskussion kaputt zu machen. Ich versuchte, noch kleiner auf meinem Stuhl zu werden und den beiden wütenden Raubtieren nicht in den Weg zu kommen. Doch während die beiden weiter diskutierten, wer warum und ob überhaupt jemand mehr verdient hätte, wurde ich neugierig. Was steckte hinter dem Südviertelmörder, der mittlerweile so etwas wie eine Stadtlegende geworden war? Ich fragte Aniya leise nach einigen Details, die sie am Vortag gesehen haben könnte, die aber erzählte nur von der Brutalität und einer großen Masse, keiner humanoiden Gestalt. Slithik kicherte bei der Beschreibung und Eztli wurde von ihrem Streit abgelenkt. War wirklich so viel Blut im Spiel gewesen? Sie als Blutmagierin hatte ihr Interesse an dieser Information und Aniya gab auch zu, dass sie kurz an den Mord an Wayprecht denken musste, als sie die Opfer gesehen hatte. Kurzzeitig hatte sie gedacht, das kleine Mädchen aus Zurul wäre an der Tat beteiligt...
Was wussten wir noch? Die Morde geschahen lediglich Nachts. Seit ungefähr einem Jahr. Und es waren sowohl Bundklingen, Gildenagenten und normale Bürger, die zu den Opfern zählten. Also formte sich nun der Plan, dass man den Täter mit leichten Opfern ins Freie locken sollte. So wie damals mit Schwarzschnabel. Nur doof, dass ich dieses Mal einer dieser Köder sein sollte. Und auch Lumpa und Aniya, weil die Goblin klein und schwach und die Halbelfin (so wie ich) normal wirkte. Doch niemand fragte mich, ob ich überhaupt in diese Rolle schlüpfen wollte und auch Slithik zog nun seine lange Waffe und meinte, dass seine Frau für ein solches Spiel nicht bereit stand.
Ich versuchte die Lage zu beruhigen. Wirklich. Ich meinte, dass uns Maleko uns doch darum gebeten hatte, hier nichts anzustellen. Gezogene Waffen wären genau das Gegenteil von all dem. Eztli blickte mich nach dieser Aussage derart seltsam an und wieder sah ich das Monster, nicht das Mädchen. Und ich muss zugeben, dass ich in diesem Augenblick ein bisschen die Kontrolle über meine Blase verlor. Nicht viel, aber immerhin und bei den Göttern, war mir das peinlich und ist es immer noch. Ich hoffe, nicht alle haben das mitbekommen.
Thuêban streichelte nur seltsam lächelnd ihre beiden Äxte, die an ihren Seiten hingen und beobachtete die Situation, während ich mich kurz entschuldigte und auf dem Örtchen meine Hose mit einem Tuch trocknete. Als ich zurück kam, hatte sich die Lage beruhigt.
Eztli fragte Lumpa gerade, was sie so machen würde. Die Goblin erklärte ihr von ihrer Ermittlungsschreibstube und Slithik quiekte, dass man ihn "Spaltohr" nennen sollte. Und ja: sein rechtes Ohr war gespalten. Anscheinend fand Eztli zumindest Lumpa unglaublich niedlich. Ein seltsames Mädchen durch und durch.
Slithik und seine Frau fingen sich nun über das Beschaffen von Ködern zu unterhalten an und anscheinend reichte es Thuêban. Sie wollte nicht hier diskutieren, sondern handeln. Das tat sie, indem sie eine Axt vom breiten Lederkummerbund zog und sie in eine der Holzbalken der Schreibstube schleuderte. Alle sahen sie entsetzt an. Sie starrte uns nur kurz mit ihrem verbrannten Gesicht an, warf den schweren Haarzopf mit dem eingewobenen Goldring an dessen Ende zurück und holte sich dann ihre Waffe wieder zurück.
Slithik hatte alarmiert erneut seine Waffe gezogen, feuerte sie aber nicht ab.
Erneut meinte ich, dass ich keinen guten Köder abgeben würde. Schon deshalb, weil ich diese Aufgabe nicht übernehmen wollte. Eztli meinte nur, dass ich doch bei den Stadtwachen anheuern sollte, wenn ich einen gemütlichen Arbeitsplatz hinter einem Schreibtisch bevorzugen würde, und ich sah sie nur dunkel an. Ahnte sie etwas? Ich glaube nicht...
Sie würde als Opfer bereit stehen, meinte Eztli trotzig und Lumpa fragte, ob sie sich das wirklich antun würde. Also eigentlich sagte sie "Aber Kindchen, möchtest Du das wirklich tun?" und wirkte dabei eher wie eine Frau Federhut als ein Mitglied einer wilden, boshaften Rasse. Eztli meinte nur stolz, dass sie kein Kind wäre. Oh doch, das war sie. Dreizehn Jahre alt zu sein bedeutet vielleicht im Zuruler Urwald was anderes als hier, weil man da schon einem Düsterwasserbüffel mit bloßen Zähnen das Herz rausbeißen muss. Aber hier ist sie noch ein Kind. Ein Monsterkind, aber ein Kind!
Also entschieden wir uns erst einmal, den restlichen Vormittag zu nutzen, um Informationen einzuholen. Schließlich war das Lumpas Beruf und auch ich sollte los, um meine Ohren zu spitzen. Mit mir wollten Thuêban und Aniya gehen, was ich gar nicht gut fand, weil ich mittlerweile wirklich keine Lust darauf hatte, mich für den Bund dermaßen auszuliefern. Ich wollte nachhause und auch wenn ich meine Untersuchung begann, überlegte ich schon, wie ich aus der Sache herauskommen könnte. Lumpa meinte, dass sie eventuell bis dahin Kuchen backen würde und wir wollten uns an der Kreuzung treffen, an der in der Nacht Aniya ihre Kameraden verloren hatte.
Mit Lumpa gingen Slithik und der wollte Eztli dabei haben, da er Aniya und Thuêban als "Ungeziefer" beschimpfte, vermutlich eine Sache mit der Größe. Sie zogen durch das Südliche Viertel und befragten mal die und mal die und schließlich sprach Lumpa lange mit einer Gruppe alter Frauen, die an auf einer kleinen Bank saßen und Tauben fütterten. Die alten Damen meinten, dass der Mörder regelmäßig zuschlagen würde und man im Südlichen Viertel schon wusste, wann man auf die Straße gehen konnte und wann nicht und dann fingen sie zu zanken an, ob diese Phasen mit dem Kalendermonat übereinstimmen würden oder nicht. Eztli und Lumpa flüsterten sich zu, dass sie das alles sehr an den Monatszyklus einer Frau erinnerte und als Eztli fragte, wie denn gerade der Mond stehen würde, hätte sie doch auch ihren Zyklus, meinte Slithik nur trocken, dass er den Mond seltsam finden würde. Und darum arbeite ich nicht mit solchen Leuten!
Ich hatte mittlerweile meine Begleiter in ein Bistro eingeladen und weiter ein paar Fragen an die Bevölkerung gestellt und sah nun den perfekten Zeitpunkt gekommen: ich gab vor, Bauchschmerzen zu bekommen und schob dem Schmalzkringel die Schuld zu, den ich im Bistro gegessen hatte. Doch Thuêban glaubte mir nicht und hob mich hoch und meinte, dass ich weiter machen sollte und als ich mich einfach hängen ließ. Also brachten mich Aniya und Thuêban zur Wasserrose zurück und warteten im gegenüberliegenden Bistro, während ich wie ein Schüler in der Schreibstube saß und Maleko erklärte, dass ich Krämpfe hätte und ich den Auftrag gefährden würde. Maleko glaubte mir. Und während ich einen Tee bekam und meine Feen den beiden Frauen auf der Straße nachschickte, wurde denen von einem der Badediener die Nachricht überbracht, dass ich aus der ganzen Sache raus wäre.
Aniya beschwerte sich, dass sie "solche Sachen" nie gemacht hätte und Thuêban lästerte über Männer und auch wenn ich zugeben muss, dass ich das ganze aus Sorge um meine eigene Sicherheit einfädelte, fühlte ich mich durchaus angegriffen. So etwas muss doch wirklich nicht sein unter Kollegen...
Alleine zogen die beiden zurück ins Südliche Viertel und besuchten dort einige Tavernen. Letztendlich blieben sie bei einem Betrunkenen hängen, der die Morde in der letzten Nacht anscheinend beobachtet hatte. Er beschrieb eine große Halbelfin und merkte in seinem Suff nicht, dass Aniya direkt vor ihm stand und auch beschrieb er eine große Masse aus Blut, den Schleimen in einigen Kerkern der Wildnis nicht ungleich.
Seine Kumpane meinten zwar, er wäre selber Schuld, hatte er doch von dieser Gefahr gewusst und wäre dennoch auf die Straße gegangen, der Mann war aber so betrunken, dass die beiden Frauen ihn sogar vom Sturz vom Thresenhocker bewahren mussten. Mehr brachten sie nicht aus ihm heraus.
Um sieben Uhr Abends trafen sie sich mit Lumpas Gruppe in der Lintenstraße. Der RSWE hatte die drei Stellen, an denen in der Nacht die Morde geschahen und immer noch verkrustete Blutlachen zu sehen waren. Die Pfützen waren mit in den Dreck der Straße gerammten Pfählen abgesperrt worden. Kurz wollten die anderen wissen, wo ich war und wieder fielen Beleidigungen, die ich hier nicht dokumentieren möchte.
An den vorderen beiden Blutlachen standen nur zwei Wachen, dort wo Brae gestorben war aber eine gute Hand voll und zwei Ermittler waren zur Spurensuche ebenfalls vor Ort. Mit einem gurgelnden Machtbefehl wurde Eztli unsichtbar und bewegte sich zu der ersten Blutlache an der Kreuzung hin (dort, wo Donelli starb) und berührte mit ihren nun herauswachsenden Fingertentakeln die schwarz-rote Suppe. Und auch Slithik schlenderte einfach am Tatort vorbei und schnupperte, roch sowohl die junge Zurulerin als auch die Hinterlassenschaften der Toten. Dann machten sich beide wieder zu den anderen auf.
Lumpa hatte zwar keinen Kuchen gemacht, aber belegte Brote dabei und Slithik gierte schnell einige herunter. Toll, wenn man nach so einem Anblick auch noch Hunger hat. Glückwunsch an die abgestorbene Emotion.
Eztli meinte, dass es sich um einen Blutmagier handeln würde, der hier sein Unwesen trieb. Blutkonstrukte bauten sich nicht alleine und nach all der Information, die bis jetzt in Erfahrung gebracht worden waren, wurden die Morde eben durch Blutkonstrukte begangen: großer Haufen Sonstirgendwas. Abgehakt. Große Blutlachen. Abgehakt. Kleines, verstörendes Mädchen, das so etwas erzählt, als wäre es ganz normal. Abgehakt!
Lumpa fragte, woher Eztli das alles wissen würde und die meinte nur lächelnd, dass sie aus Zurul geflohen war, wo überall Blutmagier herumlaufen würden. Ihre Eltern hätten sie dort opfern wollen. Lumpa meinte entsetzt, dass ihr das leid tun würde und Eztli lachte nur und sagte, dass sie genügend Blutmagier noch umgebracht hätte... ob das stimmt, ist wieder eine andere Sache. Zumindest hat die Kleine einen gehörigen Schaden von der ganzen Erfahrung davon getragen und das kann ich ihr nicht einmal verübeln.
Slithik bot Eztli an, noch mehr Blutmagier zu töten. Sie mussten den Täter in Emerald finden und damit auch seine Konstrukte ausschalten. Eztli meinte, dass dies einfacher war, als sie sich das vorstellen würden. Wenn sie nur ein Konstrukt sehen würde, könnte sie die magische Linie zu ihm zurück verfolgen.
Lumpa roch jetzt seltsamerweise an Eztli und meinte, dass ihr der Geruch gefallen würde und jetzt war Thuêban an der Reihe, einfach mal Beleidigungen auszuteilen: Eztli würde genauso stinken, wie "alles andere magische Gesocks" und wieder streichelte sie über ihre Äxte. Alles Fälle für die Heiler eines Irrenhauses. Und ich muss mit ihnen arbeiten.
Es war schon Abend und so wollte man die Wachen weiter im Auge behalten. Slithik erklomm ein nahes, zweistöckiges Haus und legte sich auf eine Gaube, um über die Zielvorrichtung seiner Waffe zu blicken. Thuêban und Aniya blieben in der Lintenstraße, hatten aber einen guten Blick in die Südstraße, während Lumpa und Etzli über einen kleinen Hinterhof in die Nähe des dritten abgesperrten Tatortes kamen. Die Ermittler waren mit vielen Wachen abgezogen und nur vier Beamte des RSWE waren noch vor Ort. Machte aber nichts, Eztli und Lumpa wurden dennoch gesehen, als sie quer über die Südstraße in einen weiteren Hinterhof flitzten. Eine der Wachen rief ihnen nach und ging dann in ihre Richtung.
Wenn er gewusst hätte, dass Eztli gerade krampfte und ihr übel wurde, hätte er es sich vermutlich nochmals überlegt, diese Schritte zu gehen. Sie wusste nicht, was ihr geschah und keuchte nur ein "Angriff" heraus, Slithik auf dem Dach und die anderen konnten und wollten aber nicht reagieren.
Thuêban sah sich das alles genau aus der Entfernung an. Ihre Reputation spricht von einer erhöhten Sensitivität für magische Spuren und anscheinend konnte sie hier genau sehen, wie von Eztli astrale Stränge abgingen und in die Blutlachen auf der Straße fuhren. Ein weiterer Magiestrang schoss in das Haus, auf dessen Dach Slithik lag und dort gab es ein lautes Scheppern und Poltern, als würden Möbel und Geschirr umher geschleudert werden.
Alle Wachen schauten in Richtung des Gebäudes und Lumpa nutzte die Gelegenheit, Eztli zurück in den Hinterhof zu ziehen. Dann waren drei der Beamten schon an der Haustüre und pochten dagegen und einer von ihnen schrie nach Verstärkung, während der vierte nur unsicher auf die Blutlache starrte, die er bewacht hatte. Sie hatte zu brodeln begonnen.
Thuêban zog ihre Äxte und nach einigen leisen Worten begannen sie zu glühen und auf dem Dach des Hauses schulterte Slithik seine seltsame Waffe und kroch durch das offene Fenster der Gaube in den Dachboden. Lumpa konnte Eztli nicht festhalten, als die nun ebenfalls auf das Haus zu wankte und der Wachmann an der mutierenden Blutlache zu schreien begann. Die anderen Blutlachen hatten ebenfalls begonnen, sich nach oben zu stülpen und kleine Tentakelärmchen auszubilden, und da nun Lumpa ihren Mann nicht mehr auf dem Dach sah, schrie sie laut "Spaltohr". Klar, Angst und so sind eine Sache. Aber mitten während einem Auftrag gegen die Stadtwache (wenn auch inoffizielle) Namen durch die Gegend plärren? Naja, sind ja keinen Bundklingen, sondern freischaffende Ermittler. Vielleicht dürfen die sich sogar so etwas leisten...
Aniya zögerte nicht lange. Sie hatte ihr Schwert gezogen, sprang auf die Kreuzung und hieb das kleine Blutwesen entzwei, das sich aus Donellis Überresten ziehen wollte. Mit einem feuchten Platschen sackte das Blut zurück auf den Boden. Die Wachen hatten mittlerweile die Türe aufgebrochen und zwei eilten ins Innere, während der dritte nun erkannte, dass sich die Blutlachen selbstständig machten. Er schrie lauter nach Verstärkung. Was im Südlichen Viertel so eine Sache ist. Ganz toll.
Thuêban rannte herbei und eine geworfene Axt traf den kleinen Blutspross, der sich in Hozedas Pfütze bildete. Die Waffe blieb im zuckenden Konstrukt hängen und wieder schlug Aniya zu und so verging auch dieses unnatürliche Wesen.
Im Obergeschoss des Hauses war mittlerweile ein übles Gemetzel im Gange: die Familie Brennbauer war eben noch am Abendtisch gesessen, als der Zauber die Mutter getroffen hatte. Sie hatte anscheinend Blutungen oder dergleichen, da sich ohne Probleme ein riesiges Blutkonstrukt aus ihrem Schoß formen und ihre gesamte Körperflüssigkeit als Nährboden nutzen konnte. Die von Innen heraus zerfetzte Lorette Brennbauer blieb tot auf dem Boden liegen, während Hubert Brennbauer mit seinen beiden Töchtern Suzania und Ingemarie panisch in eine Ecke der Stube zurück wich. Doch auch die ältere Tochter Suzania erwischte das Konstrukt und in diesem Moment kam Slithik aus dem Dachboden nach unten geschlichen und sah das Unglück. Er zielte mit seiner langen Waffe und ein Schuss löste sich und traf einen der Tentakel des Blutwesens und sofort zuckte es nun in Richtung des Rattenmannes. Der abgetrennte Tentakel verwuchs erneut mit der großen Masse und eine Art Speer formte sich aus seinem unförmigen Leib und bohrte sich durch Slithiks Schulter und in die Wand. Die Ratte quiekte und versuchte sich mit einem Messer frei zu schneiden und mit einer kürzeren Schusswaffe gegen die Tentakel zu drücken, die ihn weiter festhielten. Doch war alles umsonst.
Eztli grollte auf der Straße einige dunkle Worte heraus und wuchs wieder zu einem schlaksigen, dunklen Biest mit langen Krallen und Zähnen und sie sprang zum letzten kleinen Konstrukt und in alle Richtungen spritzte das Blut. Die Wache, die immer noch verängstigt daneben gestanden hatte, wich zurück und Lumpa, die einen Schwall von Eztlis Magie abbekommen und größere Augen bekommen hatte, eilte ihr hinterher.
Als das kleine, wachsende Blutkonstrukt unter Eztlis Angriff zerfiel, entfuhr der Masse ein durchdringendes Kreischen und mit einem Schlag zerflossen alle Blutkonstrukte, die noch Form hatten. Sogar das große Konstrukt in der Stube der Brennbauers gab einfach nach und Slithik fiel verletzt auf die Stufen zum Dachboden. Außer einem See aus Blut und den Leichen der beiden getöteten Frauen blieb nichts zurück. Die Gefahr war vorerst gebannt.
Eztli wankte, würgte ein paar mal und wurde dann von Lumpa gestützt. Dann umklammerte das Mädchen plötzlich die Goblin kräftig und mit einigen dunklen Worten flog sie mit ihrer neuen Freundin gerade nach oben, in die Schatten der Nacht hinein. Schon über den Dächern waren die beiden, mindestens zehn Meter hoch, als eine der Äxte von Thuêban Eztli traf. Die Hexenjägerin hatte die Zurulerin getroffen, war der Frau aus der Ödnis doch auch klar geworden, dass die Blutkonstrukte eine Manifestierung Eztlis waren. Und selbst wenn ungewollte Manifestierungen, waren sie dennoch tödlich. Ich denke, dass es wirklich mit Eztlis Zyklus zu tun hatte und das würde sich auch mit den Aussagen der alten Damen überschneiden, dass die Bestien in regelmäßigen Abständen durch das Viertel streifen würden... immer wenn Eztli blutete. Ich sagte ja, dass sie gefährlich ist!
Slithik, der wieder auf dem Dach des Brennbauerhauses angekommen war, hatte die geworfene Axt gesehen und einen Schuss darauf abgegeben, doch wollte der schnell fliegende Stein die Waffe Thuêbans nicht treffen und so sah der Rattenmann verzweifelt zu, wie nun auch seine Ehefrau weiter in Gefahr gebracht wurde.
Noch kritischer wurde es, als Thuêban einen Zauber formte und einen Säurestrahl nach oben schickte, der Eztli und Lumpa trafen. Die Goblin schrie nur auf, als ihr einige Spritzer die Haut verätzten, Eztli aber wurde durch den Schmerz kurz besinnungslos und fiel wie ein Stein zu Boden.
Thuêban drehte sich auf der Kreuzung um, als sie das Heraneilen von Verstärkung hörte und wurde von einem weiteren Schuss des Rattenmannes am Kopf getroffen. Schädelknochen splitterten und Blut spritzte, als der Stein durch die Kopfseite schlug, aber durch reine Willenskraft blieb die Hexenjägerin stehen, wo sie war und hielt sich nur die Wunde, die ihr die eine verbrannte Gesichtshälfte weiter verunstaltet hatte. Lumpa war derweil über den leblos daliegenden Leib von Eztli gebeugt und weinte bitterlich.
Slithik sprang vom Dach und packte seine Frau, zog sie von der Blutmagierin weg und vorbei an der immer noch komplett machtlosen Stadtwache, die sich die ganze Zeit nur gegen die Hauswand gedrückt hatte. Lumpa schrie und versuchte noch nach Eztli zu greifen, doch ihr Mann ließ nichts zu.
Auch Aniya hatte sich nun in Bewegung gesetzt und floh in die Schatten der Nacht, während zwei fremde Abenteurer auf die Kreuzung liefen, gefolgt von der Wache, die nach Verstärkung gerufen hatte. Es waren zwei Reisende, die in Emerald kurz ihr Lager aufgeschlagen hatten: die Zwergin Ungir Wormgart aus dem Hohen Norden, mit Tätowierungen am Kinn und einer scharfen Klinge in der Faust. Und ihr Begleiter Serisvan Kohlkessel aus Gothog, der nicht an seiner unvorteilhaften Topffrisur beurteilt werden sollte. Mit Streitkolben und schwerem Schild bewaffnet war er ein ernstzunehmender Kämpfer und der RSWE hatte den Auftrag bekommen, mit den beiden Abenteurern zu kooperieren, ihnen aber auch etwas auf die Finger zu schauen. Jetzt halfen sie der Nachtschicht der Wache, wie es schien...
Sie funkelten kurz die blutende Thuêban an, sahen aber keinerlei Fluchtverhalten und liefen an ihr vorbei ins Haus der Brennbauer, während die anderen Wachen weiter nach Unterstützung riefen und Thuêban auf Eztli zeigte und nur kalt meinte, dass dies ihr gesuchtes Monster sei.
Lumpa hatte nun Slithik doch noch mit ihrem Weinen überzeugen können, Eztli aus dem Griff des RSWE zu lösen. Der Rattenmann betete leise zur Schwarmmutter und den anderen abstrusen Göttern seines Rattenpantheons, lud in einer dunklen Gasse seine Waffe nach und lief mit Lumpa zurück. Als Lumpa zwischen den Wachen auftauchte, die um Eztli herum standen, war deutlich, dass endlich Verstärkung eingetroffen war.
Doch verwirrt sahen die Beamten die Goblin an, dann tauchte Slithik neben ihr auf und warf eine Rauchbombe, die die Südstraße vernebelte und alle Wachen zum Husten brachte.
Der Hauptmann, der gerade Thuêban verhören wollte, schrie Befehle und die Hexenjägerin sah dem Treiben nur mit hochgezogenen Augenbrauen zu, krümmte aber keinen weiteren Finger. Warum auch immer...
Thuêban wollte nun zur Wachstube gebracht werden, während die Beamten des RSWE feststellen mussten, dass Eztli nicht mehr auf der Straße lag und auch die Ratte und der Goblin verschwunden waren. Sie wurde zur Hauptwache begleitet, während Lumpa und Slithik Eztli in den Norden des Südlichen Viertels schleppten, wo sie einen Kontakt hatten, der sich mit Heilung auskannte.
Uha Golgordhin von "Yehsyn, Golgardhin und Töchter" öffnete ihnen die Türe ihrer Wohnung, als sie im Gang des Mietshauses standen und um Einlass baten. "Ich wieder" meinte Slithik nur kurz. Golgordhin sah sie mit großen Augen an und bat sie dann herein, erkannte Eztli sofort als das Mädchen, das vor zwei Jahren mit Astariel als Tochter und Vater mit ihr gesprochen hatte und sie wurde neugierig und fragte Lumpa, woher sie das Mädchen kannte. Wie es ihrem Vater ginge? Dass sie ihre Familie nicht kannte, meinte Lumpa und dass Eztli alleine nach Tarleen gekommen war. Golgardhin sah sie eindringlich an, verarztete aber dann dennoch die Wunden an Eztli und Lumpa. Nur Slithik verband selber seine durchstochene Wunde, während er neben den Frauen saß und grimmig vor sich hin brütete.
Als Lumpa die immer noch ohnmächtige aber mit allerlei Salben beschmierten Eztli zu ihnen nach Hause bringen wollte, protestierte Slithik kurz. Er wollte sie lieber in das "mit ungeziefer versuchte Badehaus" bringen, die Alchemistin von YG&T sah ihn bei dieser rassistischen Bemerkung nur vorwurfsvoll an.
Doch Lumpa konnte sich durchsetzen und so schleppten sie Eztli in die Steinstufen Gasse, wo sie eine kleine Wohnung hinter ihrer Ermittlungsschreibstube hatten.
Auf der Hauptwache am Gürerplatz wurde Thuêban derweil von einem Kleriker des St. Piads versorgt und anscheinend genoss sie die Behandlung, lächelte sie den Mann doch überaus freundlich an. Dann setzte sich Letho Jiorc zu ihr in die Verhörstube und der Spezialist für solche Dinge unterhielt sich einige Minuten lang mit der Hexenjägerin. Sie erzählte freiwillig vom Bundauftrag und von ihrer Berufung und dass die Gefahr der Blutkonstrukte aus den Bundreihen gekommen war. Sie schimpfte auf Emerald und die Inkompetenz der Stadtwache und Jiorc wurde leicht sauer.
Er erklärte, dass sie mit der Annahme dieses Auftrages eine Straftat begangen hatte und auch wenn Thuêban anmerkte, dass sie ja vom Bund noch kein Geld bekommen hatte, wollte sich Jiorc nicht beruhigen. Dann konterte Thuêban, dass sie aber alles freiwillig erzählt hätte und somit freies Geleit aus der Stadt hinaus verdient hätte. Jiorc ließ sie alleine und nach einer halben Stunde betrat ein ungerüsteter Wachmann mit einem offiziellen Schreiben die Stube und meinte, Thuêban hätte einen Tag, um Emerald für immer zu verlassen.
Sie verabschiedete sich, kaufte sich am Rand des Weinviertels ein Pferd und ritt nach Osten davon.
Eztli lag die Nacht über auf dem Sofa der kleinen Ermittlungsschreibstube und Lumpa saß neben ihr und kümmerte sich, flößte ihr Wasser ein und tupfte ihre Stirn ab. Doch Eztli wollte nicht wach werden und so ging Slithik am nächsten Morgen in die Wasserrose und erzählte von den Geschehnissen der Nacht. Nur von der Verbindung der Blutkonstrukte mit Eztli konnte er nicht berichten, hatte er doch die magischen Bande nicht gesehen.
Er verlangte mehr Geld, hatte er doch Eztli vor dem Zugriff des RSWE gerettet und nach einer kleinen Diskussion mit Maleko sprach ihm der Bademeister zehn Goldstücke mehr zu. Vermutlich mehr aus Resignation gegenüber dem wild quiekendem Rattenmann, als aus wirklicher Überzeugung.
Ansonsten bekam er einen Teil des versprochenen Lohnes als Anzahlung (ich war ja aus der Rechnung ausgeschlossen worden, hatte ich doch "krank" meine Zeit im Bett und vor dem Herd verbracht... eine weit aus bessere Wahl, wenn man mich fragen würde!), den Rest sollten sie in einigen Wochen bekommen, falls die Blutkonstrukte nicht wieder auftauchen würden.
Einer nach dem anderen holten sich die Klingen nun ihre Bezahlung ab und nur Thuêban blieb der Stadt fern und ward nicht mehr gesehen. Und vor der Türe von der Ermittlungsschreibstube S&L stand kurze Zeit später Astariel und holte Eztli ab. Der ach so tolle Herr Von und Zu versprach Lumpa, Eztli in seiner Villa besuchen zu dürfen und ich frage mich, was dieses Horrorhaus noch so alles braucht... einen Menschen verschlingenden Schatten, unzählige Tote, eine komatöse Blutmagierin und eine Goblin im Sommerkleidchen und mit Blumenhut. Grotesk, kann ich da nur sagen. Grotesk.
Jetzt sitze ich hier und erhole mich von einem schweren Sturz in meiner Wohnung, den ich beim Aussitzen dieses Bundauftrages erleiden musste (auf einem Stückchen Butter, mit dem ich meine Hühnchenflügel anbraten wollte, sei angemerkt) und wahrhaftig ist in den letzten Wochen nichts weiter im Südlichen Viertel vorgefallen, was auf Blutmagie hinweisen würde. Sollte Eztli nie wieder aus ihrem Koma erwachen, ist das dann halt der Preis, der für einen solchen Frieden gezahlt werden muss. Ich bin damit einverstanden.