]Bandomeer-System - Orsikos - vor dem Wingston Frachter - mit Nylia, Adrian, Kaiba, Breela´a und Chesara[
Nun huschte das Elend Bandomeers von nahem an ihnen vorbei. Es war ein Wasserinferno gewesen. Jibrielle hatte geglaubt, der Blick aus der Ferne sei das schlimmste, da man die großen Ausmaße am besten vom Himmel erblicken konnte. Doch der Schrecken lag im Detail, in den einzelnen, halb auseinandergerissenen Häuserhälften, in den am Straßenrand kauernden und verletzten Leuten, den auf den Weg gespülten leeren Kinderkrippen und Schaukelstühlen, den mit Tüchern in allen auftreibbaren Farben zugedeckten Körpern in den Gassen. Jibrielle schloss für einen Moment die Augen und atmete tief durch. Erneut ermahnte sie sich, die Fassung zu wahren. Sie musste ihr Herz vor dem Leid verschließen - zumindest für jetzt. Sie hatte wahrlich bei ihrer Ankunft auf Lianna nicht erwartet, nicht so schnell wieder vom Regen in die Traufe zu geraten, wieder so schnell so viel Furchtbares zu erleben. Aber so war vielleicht das Leben eines Jedi. Vielleicht war das gerade der große Unterschied zwischen Jedi und Anderen: Das die Jedi dafür lebten, soviele Qualen und Schrecken von fremden Schultern auf die eigenen zu legen, so oft und so sehr sie nur konnten. Die Padawan versuchte sich abzulenken und wieder im hier und jetzt zu sein. Sie saß auf dem Rücksitz des Wingston-Gleiters, während Chesara ihn steuerte und Adrian auf dem Beifahrersitz platz genommen hatte. Sie sprachen kaum. Die Stadt sagte alles, was es zu sagen gab.
Jibrielle schaute sich um und erblickte den Gleiter der anderen, der ihnen dicht folgte. Kaiba lenkte das geborgte Gerät und Nylia und Breela´a saßen bei ihm. Ob es so klug gewesen war, die ganzen Frischlinge in einen Gleiter zu stecken, dachte Jibrielle so, doch war es eigentlich auch egal. Sie würden bald da sein. Dann würde es ihnen nicht mehr viel Helfen den Ebenbürtigen nahe zu sein. Auf einmal war jeder mit sich selbst allein, wenn er vor einem tödlich verletzten kniete, egal wieviele drum herum standen. Plötzlich spürte Jibrielle wieder diesen kleinen Stich in der Brust und legte eine Hand auf ihr Sternum. Eigenartig dass sich dieser wohlbekannte kleine Schmerz jetzt wieder meldete, hatte sie ihn doch schon seit Monaten nicht gespürt - nicht einmal auf Ord Mantell.
"Wieviele Menschen ihr Zuhause verloren haben..."
sagte Chesara und Jibrielle schaute zu ihr nach vorne. Wieviel von all dem eine große Jedi wie sie schon gesehen haben musste? Wie groß konnte ein Herz werden, bevor es platzte?
Und dann waren sie auch schon da. Ohne Zeit zu verlieren stiegen alle aus und nahmen soviel von den Hilfsgütern zu Hand, wie sie tragen konnten. Ein paar Sicherheitsleute standen bei Fuß um die Gleiter zu bewachen und schnell wurden sie auch schon einiges von den mitgebrachten Kram an fleißige Helfer los, die wussten, wo es gebraucht wurde. Schnurstracks hielt schließlich die Jedi-Gruppe - die auf Grund ihres hohen Rookieanteils vermutlich weit kompetenter und heldenhafter aussehen musste, als sie tatsächlich war - auf die große Halle zu, die anscheinend notbehelfsmäßig zum Großlazarett umgestaltet wurden war. Doch plötzlich löste sich Chesara von der Gruppe, gab Adrian Zeichen weiter zu gehen und verschwand in der Menge. Jibrielle wunderte sich nur einen Moment. Es war nicht das erste Mal, dass sie sah, wie ein Jedi einer Machteingebung folgte. Sie selbst hatte es nicht nur einmal erlebt. Doch jetzt waren sie plötzlich ohne die große Chesara als Anführerin. Und von überall begannen sich hoffnungsvolle Augen auf sie zu richten. Es hatte sich irgendwie so ergeben, dass sie nun fast auf gleicher Höhe mit Adrian die Stadthalle betrat und die anderen hinterdrein trotteten. Das Netz der Blicke wurde enger, die Luft dicker und der Druck auf ihnen spürbar größer. Jibrielle wusste nicht genau, wie sie am besten wirken sollte, gucken sollte. Freundlich lächelnd? Oder ernst und zielgerichtet? Oder vielleicht mit einem ätherischen, allgegenwärtig selbstsicheren Blick der nichts sieht außer der Ferne? Verdammt, wie schaute Chesara bei solchen Ereignissen? Welchen Gesichtsausdruck erwarteten die Leute? Welcher Gesichtsausdruck würde ihre Hoffnungen nicht zerstören? Jibrielle wusste es nicht. Und so schwankte ihr Blick zwischen konzentriert nach vorne gerichtet und sich interessiert umschauend, während das ein oder andere Lächeln gestreut wurde. So war sie fast froh, als endlich etwas passierte und sie nicht mehr nur Galeonsfiguren der hellen Seite der Macht, des heiligen Beistandes der Republik waren.
Auf einmal gab es Krawall hinter ihnen und ein paar Männer kamen angelaufen, im Arm zwei Ithorianer. Die Träger schienen fix und fertig, waren Ithorianer doch recht schwergewichtige Wesen. Und diese beiden schienen obendrein schwer verletzt zu sein. Überall war Blut. Adrian hatte als erster reagiert und Jibrielle sah, wie in ihm die Verantwortung als Jedi-Ritter hämmerte. Schnell nahm er sich des ersten Ithorianers an, griff in die Macht und ließ ihn aus den Armen der Ersthelfer schweben. Er rief den anderen drei Jedi zu, sich um die verletzte Ithorianerin zu kümmern und Jibrielle nickte ihm nur kurz nach. Ohne zu zögern wandte sie jene Machtfähigkeit an, in der sie nie sonderlich gut gewesen war, doch reichte es. Die Ithorianerin erhob sich in die Luft. Jibrielle sah kurz zu Kaiba und Nylia. Wo war eigentlich Breela´a?
"Kommt!"
rief Jibrielle in Eile, während sie mit der Ithorianerin hinter sich schwebend durch die Reihen lief. Es waren wirklich alle Betten belegt. Doch wurden nicht mehr alle gebraucht. Jibrielle packte fest ihr Herz, drückte es schmerzhaft zusammen und überwandt sich. Auf einer nahen Liege lag eine blonde Menschenfrau. Sie hatte ein paar Piercings und starke Agne. Um ihren Hals lag eine Kette mit Brosche, in der bestimmt ein Foto steckte. Die Frau war weiß wie Kreide, ihre Lippen blau. Weil sie es keinem der anderen überlassen wollte und obwohl es sie zusätzlich anstrengte, eine weitere Levitation zu beginnen, erfasste Jibrielle die Leiche in der Macht und ließ sie behutsam aber zügig von der wertvollen Trage schweben. Es war nicht nur die Trage, sondern auch der Platz den sie brauchten. Die verletzte Ithorianerin wurde abgelegt und sofort sah Jibrielle auch, weshalb alles voller Blut war. Der Oberschenkel der Nicht-Menschenfrau war von einem dicken Stahlträger durchbohrt und ließ den Lebenssaft in Ströhmen davonziehen.
"Kaiba, du musst versuchen den Blutfluss zu stillen. Nimm ein Bactapflaster und drück es auf die Wunde. Genau! Druck ist ganz wichtig! Sie verblutet uns sonst!"
rief Jibrielle und sah auf einmal, dass er gar nicht mitgekommen war. Und Nylia auch. Das fluchen sparte sie sich. Stattdessen fiel ihr eine weitere wichtige Lektion eines lang vergangenen Erste Hilfe Kurses wieder ein. Sie schnappte sich eines der feuchten Handtücher, die um sie herum lagen, und wickelte es oberhalb der Wunde um das Bein. Mit aller Kraft zog sie den Knoten fest. Die Ithorianerin wimmerte nun immer deutlicher. Das Adrenalin, dass einen unmittelbaren großen Schmerz verhinderte, musste langsam seine Wirkung verlieren und die Höllenqualen beginnen.
"Sie braucht Schmerzmittel. Und einen Arzt."
Schmerzmittel! Verflucht, vorhin hatte sie noch eine Kiste davon getragen! Wo war sie jetzt? Was sollte sie nur tun? Sie war eine Jedi, eine Kriegerin, konnte stühle umherfliegen lassen und Gefühle lesen. Doch sie konnte verdammt nochmal nichts tun, um diese Frau zu retten.
Da tauchte auf einmal Nylia wieder auf, ein Arzt im Schlepptau. Unglaublich erleichtert und erfreut sah sie ihrer Padawankollegin entgegen. Und dem Arztz. Augenblicklich besah er die Verletzung der Frau. Er sagte, ihre einzige Hoffnung sei es, den zerfetzten Oberschenkel zu amputieren, weil die Frau sonst verbluten würde. Seine Worte drückten Hoffnung aus. Doch seine Körpersprache sagte Jibrielle, dass die Frau wohl so oder so schon so gut wie tot war. Aber was hatten sie für eine Wahl?
"Aber ohne Narkose kann ich ihr das Bein nicht abnehmen! Allein der Schmerz könnte sie töten!"
schrie der Arzt über das mittlerweile qualenvolle Geheul der Ithorianerin hinweg. Und da kam Jibrielle eine Idee.
"Das machen wir. Schneiden sie!"
rief Jibrielle ihm zu, schaute ihrer Padawankollegin in die Augen und legte ihre Hände auf die Stirn der Patientin.
"Spürst du ihren Geist? Kannst du ihre Gefühle ertasten, ein kleines bisschen? Ich werde in ihr Bewusstsein greifen und versuchen, ihre Sinne zu vernebeln und Gefühle zu beruhigen, sodass sie das hier gleich hoffentlich nicht spüren wird. Aber du musst mir helfen. Leg deine Hände auf meine und versucht diese Frau zu fühlen. Ich weiß dass du das auch kannst, wenn vielleicht auch nur ein bisschen. Versuch durch mich zu sehen, was sie spürt. Versuch es!"
rief Jibrielle wie von selbst, ohne es wirklich gedacht zu haben, ohne zu wissen, ob es reichen, ob es funktionieren würde. Sie hatte schon ein paar mal emotionale Manipulationen gemacht, sogar Nylia beruhigt. Aber konnte sie eine Narkose ersetzen? Bei der Macht! Aber es musste einfach klappen. Der Arzt setze das Skalpel an.
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