[Coruscant, Casino Coruscant Royal, Spieltisch]- Pierre, Baron Vort Dudley, Cris „Jim Velturi“ Sheldon
Langsam glitt Pierres Daumen über die nichtssagende Rückseite seines Stab-Commander, bevor er die Karte mit einer betont lässigen Bewegung in sein Interferenzfeld schob – dem Feld also, dass der in unregelmäßigen Abständen zuschlagende Zufallsgenerator die Wertigkeit der Karte nicht zu einem ungünstigen Zeitpunkt verändern konnte – und einen prüfenden Blick auf den sich in der Mitte des Tisches eindrucksvoll anhäufenden Pott warf. Der Abend war lang gewesen und die sich immer weiter hochschaukelnden Einsätze dieser finalen Runde verrieten nicht nur ihm, dass dies definitiv auch seine letzte Runde sein würde. Dennoch musste er zugeben, dass ihm selten eine Runde dieses geradezu klassischen Spiels in jüngerer Vergangenheit so viel Vergnügen bereitet hatte. Schließlich konnte er es sich sogar leisten, die geschätzten Zehn Millionen in der Mitte des Tisches nicht mit nach Hause zu nehmen… wie auch Dudley, doch dessen Blick verriet äußerste Unzufriedenheit. Fast schon Hass.
„Vorsicht ist besser als Nachsicht, nicht wahr, Direktor les Gray?“
Dieser Einwurf des zweitjüngsten Spielers am Tisch – Jim Velturi – sorgte dafür, dass Pierres Miene sich schlagartig verfinsterte. Kaum dass Velturi herausgefunden hatte, mit wem er es zu tun hatte, war er dazu übergegangen, Pierre ausnahmslos mit Direktor und Dudley mit Baron anzusprechen. Eine auf Dauer entnervende Angewohnheit. Viel irritierender an ihrem mysteriösen Gegenspieler erschien Pierre jedoch, dass dieser dem Geld in der Mitte des Tisches ebenso leidenschaftslos gegenüber stand wie er selbst. Fast so, als war es gar kein Geld, das Velturi suchte.
„Ich habe das Gefühl, ich habe einen guten Lauf heute Abend…“, fuhr der junge Spieler fort und schnippte beiläufig einen weiteren Hunderttausender neben eine dicke Millionenkarte, die Pierres persönliche Reserven vor Kurzem verlassen hatte.
Dudley schnaubte angewidert, ging jedoch mit, wie auch die übrigen drei verbleibenden Männer am Tisch – ein steifer, pensionierter Admiral der imperialen Flotte, dessen hageres Gesicht von Zeit zu Zeit Anflüge echter Panik verriet, ein distinguiert wirkenden Großindustriellen (der vermutlich nicht einmal wusste, dass sein Unternehmen über eine kaum überschaubare Anzahl an Beteiligungen ohnehin Pierre gehörte) und schließlich ein eher nüchtern als prunkvoll gekleideter Präfektensohn, dessen an einen fantasielosen Buchhalter erinnerndes Gesicht ab und an misstrauische Blicke in Richtung des Droidencroupiers warf.
“Dann vertrauen Sie auf Ihren Lauf, Mister Velturi. Wer weiß, wie schnell er sie wieder verlässt…“
„Oh, natürlich. Man muss wissen, wann man aufhören sollte. Admiral Chambers wird mir darin sicher zustimmen.“
Chambers war natürlich genau der Spieler, dessen Chipstapel am deutlichsten an Substanz verloren hatte. Entsprechend feindselig gestaltete sich auch der Blick, den er Velturi zuwarf. Bevor seine Karten auf den Tisch geschleudert wurden und er vom Tisch verschwand.
“Nun, ich schätze, man sollte nicht sein gesamtes Ruhestandskapital auf einen Schlag verspielen…“
„Wohl gesprochen, les Gray.“
Der Industrielle ließ sich vom Croupier eine weitere Karte aushändigen, überlegte kurz, ehe auch er sie in seinem Interferenzfeld verschwinden ließ.
„Setze 500.000. Wer geht mit?“
Diese Runde verlief anders als die vorherigen. Bisher hatten die Spieler sich gegenseitig beharkt, waren mit kleineren Gewinnen aus den Geplänkeln hervorgegangen, wobei sich einige besser (Pierre, Dudley und überraschenderweise Velturi), andere schlechter (Chambers) angestellt hatten. In dieser Runde jedoch würde sämtliches Geld in der Mitte des Tisches landen – und nur ein Spieler als Sieger vom Tisch gehen.
“Ich setze alles“, kündigte Pierre mit emotionsloser Stimme an, was den Industriellen deutlich erblassen ließ. Offenbar war das Vertrauen des guten Mannes in seine Karten begrenzt. Pierres indes war grenzenlos – mit der letzten Karte, die der Croupier ihm zugeteilt hatte, hatte er dieses Spiel praktisch gewonnen. Zudem wusste er, dass in imperialen Kasinos der Zufallsgenerator in verlässlicheren Intervallen zuschlug als auf anderen Welten. Dieses Intervall war noch nicht vorbei – die Restunsicherheit machte den Nervenkitzel dieses Spiels aus. Ein Nervenkitzel indes, der Pierre kaum mehr zu reizen vermochte. Ein Geldgewinn bescherte ihm kaum nutzen – höchstens die persönliche Befriedigung, über einen Stutzer wie Velturi zu triumphieren.
Genüsslich nahm Pierre einen Schluck aus dem Whiskeyglas, dass er nun wiederholt von der Bedienung hatte nachfüllen lassen. Auch hier hatte er sehr wohl bemerkt, dass Velturi der einzige am Tisch war, der keinem alkoholischen Getränk frönte. Doch das würde ihm nichts mehr nützen.
“Zu viel für Sie, meine Herren?“
Der milchgesichtige Präfektensohn war der Erste, der den Tisch verließ, doch mehr überraschte es Pierre, als Baron Dudley sich mühsam aus seinem Stuhl empor wuchtete, ohne seine Karten eines weiteren Blickes zu würdigen.
„Spielen Sie ruhig weiter, les Gray. Ich brauche jetzt etwas anderes…“
Pierre verzog keine Miene. Welches Etablissement Dudley nun auch aufsuchen würde – die Damen dort waren zu bemitleiden. Das verriet bereits der frustrierte Gang, den der massige Körper des Barons auf der Suche nach einem Ausgang anschlug.
Der Industrielle hatte mit leicht zitternden Händen mitgehalten, wie auch Velturi, der – seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen – ebenso gut hätte wertlose Dezicreds über den Tisch schieben können, wie die tatsächlichen Millionenbeträge.
“Nun gut. Dann wollen wir Mal.“
Die Offenbarung seiner Karten hatte teilweise den gewünschten Effekt. Als er Pierres reinen Sabacc erblickte, wäre der Industrielle allem Anschein nach beinahe in Ohnmacht gefallen. Er machte sich nicht einmal die Mühe, seine eigenen Karten aufzudecken. Velturi allerdings schien zu zögern und studierte die leicht glitzernden Karten mit vagem Interesse.
Dann flogen seine Karten auf den Tisch. Münz-Zwei. Stab-Drei. Der Narr.
Eine Narrenreihe.
Für einen Augenblick hatte Pierre das Gefühl, dem Whiskey eindeutig zu sehr zugesprochen zu haben. Doch auch nach mehrmaligem Blinzeln wollte der höhnisch grinsende Narr sich nicht wie das Traumgespinst auflösen, das er gerne in ihm sehen würde…
„Gratuliere, Mister Velturi… ein so unverschämtes Glück…“
Der Industrielle rang sichtlich mit seiner Fassung, zuckte dann jedoch zusammen, als Pierre sich abrupt erhob. Selbigem fiel sofort der natürlich prompt unterdrückte, aber dennoch für ein geübtes Auge erkennbare Reflex des Jüngeren auf. Der Reflex, nach einer Waffe greifen. Der Reflex eines Soldaten.
Die Augen des reichsten Mannes Coruscants verengten sich zu Schlitzen. Was steckte hinter diesem mysteriösen Spieler?
Kurz darauf verwarf er diesen Gedanken jedoch wieder. Die kümmerlichen Geheimnisse anderer Leute interessierten ihn nicht. Und zumindest in einer Beziehung hatte er mittlerweile feststellen müssen, dass sein Alkoholkonsum an diesem Abend tatsächlich erheblich gewesen sein musste…
Ohne dem Gewinner oder seinem neuen Fan auch nur ein Wort zu gönnen, machte Pierre auf dem Absatz kehrt und verschwand in Richtung der Erfrischungszellen…
[Coruscant, Casino Coruscant Royal]- Pierre