- Coruscant – City – Straßen -
Sie hatte vier Stunden Zeit, ehe sie sich wieder mit Adrian am Easport-Raumhafen treffen würde um von dort wieder gemeinsam mit ihm nach Lianna zurück zu fliegen. Eigentlich sollte dies Zeit genug sein, beschloss Chesara, holte ihr Komlink hervor und nahm Verbindung zu Ketaki Yen auf, dem Jedi-Ritter, der sie auch beim letzten Mal zum Zweitsitz der Defender und damit auch in Pierres Gefängnis, begleitet hatte. Der Twi'lek antwortete sofort, sagte zu sie mit dem Gleiter, den die Jedi des Widerstandes benutzten, abzuholen und fuhr schon zwanzig Minuten später genau vor der Parkbank vor, auf die Chesara sich inzwischen unweit des Skydomes gesetzt hatte, um zu warten. Adrian hatte sich längst auf den Weg zur Residenz der Wingstons gemacht und Chesara konnte sich die Freude auf dem Gesicht seiner Mutter ausmalen, wenn sie so überraschend ihren Sohn in die Arme schließen konnte. Ketaki Yen hatte in den Wochen, die er jetzt schon im Untergrund Coruscants aktiv war, nichts von seiner lockeren Art eingebüßt. Er grinste Chesara zur Begrüßung entgegen, als sie in den Gleiter stieg.
“Willkommen zurück, Ma'am.“
Scherzte er, während Chesara die Tür hinter sich schloss.
„Nicht für lange.“
Erwiderte die Jedi-Heilerin und schob ihren Hut ein kleines Stück zurück, um dem Twi'lek in die Augen blicken zu können. Die gemusterten Streifen auf seinen Lekku hatten sie schon immer fasziniert, doch sie hatte ihn bisher nie gefragt, welche Bedeutung sie wohl haben mochten.
„Wie geht es im Untergrund voran?“
Wollte sie wissen. Sie wartete eigentlich täglich auf eine Nachricht von Jace Chorios oder dem Widerstand, bezüglich der Ladung an Waffen und Ausrüstung, die der schmuggelnde Pilot beschaffen sollte. Ketaki zog eine Schulter hoch, während er den Gleiter durch den Verkehr steuerte.
“Es geht voran. Langsam. Zur Zeit liegt der Fokus darauf, die Bevölkerung mobil zu machen und Zweifel am Imperium zu streuen.“
Erklärte er und Chesara nickte langsam.
„Haben die Defender versucht Nutzen aus les Grays Entführung zu ziehen?“
Ketaki schüttelte den Kopf.
“Nicht wirklich. Sie haben der Presse zwei Fallbeispiele zugespielt, die belegten, dass Teile eines Konzerns, den les Gray kontrolliert, absichtlich Schadstoffe in die unteren Ebenen geleitet haben, um die eigenen Entsorgungskosten zu minimieren. Davon abgesehen... nichts.“
Der Jedi-Ritter warf Chesara von der Seite einen prüfenden Blick zu.
“Rätin, unser Plan ist, les Gray dort heraus zu holen, stimmt's?“
Fragte er. Chesaras Blick war geradeaus gerichtet, doch sie nickte.
„Ja, das stimmt.“
Antwortete sie und spürte weiterhin Ketakis fragenden Blick.
“Und was, wenn er gar nicht mehr lebt?“
Bisher hatte Chesara diesen Gedanken von sich geschoben. Realistisch betrachtet konnte sie nicht ausschließen, dass Pierre tot war, doch sie wollte diese Möglichkeit nicht zulassen. Es war ihre Verantwortung ihn zu befreien und sie hätte es schon viel früher tun müssen. Wenn er jetzt tot war, war es ihre Schuld.
Sie erreichten dass baufällig erscheinende Gebäude in den Unteren Ebenen und Ketaki stellte den Gleiter am Straßenrand ab. Chesara hatte während der Fahrt darüber nachgedacht, was sie Jared Grant oder Baes Hawot sagen würde, auch wenn sie nicht damit rechnen konnte, dass einer der beiden im Zweitsitz der Defender anwesend sein würde. Bei ihrem letzten Besuch hatte sie es nicht geschafft, sie davon zu überzeugen, dass eine Entführunt les Grays moralisch nicht zu rechtfertigen war und dem Widerstand mehr schaden als nutzen würde. Jared Grant, so hatte Chesara das Gefühl gehabt, hatte sie einfach reden lassen ohne sich viel aus ihren Worten zu machen. Baes Hawot hingegen mochte ihren Standpunkt durchaus verstanden haben... und teilte ihn dennoch nicht. Zeitgleich stiegen der Twi'lek und die Menschenfrau aus und Chesara spürte bereits prüfende Blicke auf sich, obgleich sie selbst niemanden sehen konnte. Die Späher der Defender waren überall. Wenn sie inzwischen eines über die Widerstandsgruppe wusste, dann war es, sie nicht zu unterschätzen. Mit einem Nicken in Richtung der Eingangstür gab Chesara Ketaki zu verstehen, dass sie dorthin gehen würden. Da sie jedoch keine Einladung erhalten hatten und keinen Zugangscode besaßen, blieb ihnen nichts anderes übrig als zu warten, bis sich jemand der Defender zu erkennen geben würde. Chesara ließ ihren Blick über die nahe gelegenen Häuser schweifen. Kaum merkbar stieß Ketaki sie mit dem Ellbogen an und als sie seinem Blick folgte, konnte sie eine deutliche Bewegung hinter einem der Fenster im gegenüber liegenden Gebäude ausmachen. Wie sie sich gedacht hatte, sie wurden bereits beobachtet. Bis sich jemand zu ihnen gesellte, dauerte es jedoch noch ein paar Minuten, dann erst öffnete sich die verriegelte Eingangstür und vor ihnen erschien ein Humanoide, den Chesara keiner Rasse zuordnen konnte.
“Jedi?“
Fragte er einsilbig. Entweder er war nicht besonders gesprächig, oder sein Basic gab nicht mehr her. Chesara und Ketaki nickten gleichzeitig und der Humanoide winkte sie hinein. Es ging durch die Tür und eine Kellertreppe hinunter ins Untergeschoss, vorbei an zwei Wachen. Die Wände waren feucht und an einigen Stellen war der Putz bereits abgebröckelet. Einmal war Chesara bisher hier gewesen und wenn es nach ihr ging, dann würde der heutige Besuch auch ihr letzter sein. In dem großen Kellerraum, unmittelbar von der Zelle, in der man Pierre das letzte Mal gefangen gehalten hatte, standen zwei weitere Defender, ein kräftiger Mann und ein Twilek, dessen Haut eine blaugraue Färbung aufwies und wie sie dort standen und Chesara und Ketaki anblickten, sah es fast so aus, als hätten sie nur auf die beiden Jedi gewartet. Man hatte sie beobachtet, seit sich ihr Gleiter genähert hatte. Vielleicht, oder sehr wahrscheinlich sogar, hatten die Defender alleine den Gleiter schon als das Gefährt der Jedi identifiziert. Chesara sah sich um. Weder Baes Hawot, noch Grant waren anwesend, ganz wie sie vermutet hatte, und auch sonst war kein Widerstandskämpfer anwesend, den sie vom Namen her bereits kannte. Viel wichtiger war jedoch, was sich hinter der stählernen Tür verbarg, die die Zelle markierte. Nervös hatte Chesara ihren Blick gegen die Wand gerichtet, durch die sie nicht hindurch blicken konnte. War Pierre noch am Leben? War er noch hier, oder hatte man ihn woanders hin gebracht? Beinahe fürchtete sie sich davor, ihre Machtfühler auszustrecken um nach der Wahrheit zu tasten, bis sie unerwartet eine flüsternde Stimme neben sich vernahm.
“Er ist noch da.“
Sprach Ketaki leise und Chesara schaute ihn überrascht, aber ebenso dankbar an. Dann wandte sie sich wieder den Defendern zu, die sie inzwischen recht neugierig, aber auch misstrauisch beobachteten.
„Ich bin ChesaraSyonette.“
Mit neu gewonnenem Mut erhob sich Chesaras Stimme in dem stillen Kellerraum. Pierre lebte noch, sie fühlte es jetzt auch, doch seine Präsenz war schwach und wenn sie weiterhin leuchten sollte, hatte er nur eine Chance: er musste hier weg.
„Und ich suche General Grant.“
Sie wusste, dass die Widerstandskämpfer Jared Grant mit einem imaginären Titel ausgestattet hatten, den er niemals offiziell verliehen bekommen hatte. Chesara hatte keine Ahnung, ob er überhaupt je der Republik gedient hatte. Außer, dass er der Anführer der Defender war, wusste sie nichts über ihn. Der menschliche Widerstandskämpfer trat einen Schritt vor.
“Der General befindet sich im Hauptquartier. Er kommt nie hier her.“
Klärte er Chesara auf.
„Was ist mit Baes Hawot?“
Nach dieser Frage wechselnden der Mensch und der Twi'lek einen Blick. Dafür, dass sie eigentlich Verbündete waren, herrschte in diesem Raum kein Vertrauen zwischen den Defender und den Jedi. Es war unübersehbar, dass die Widerständlicher genaue Anweisungen hatten. Vielleicht hatten sie sogar damit gerechnet, dass Chesara sich noch einmal auflehnen und Pierres Entführung diskutieren würde. Die Sache war, sie war nicht hier um zu diskutieren, sie war hier um Pierre mitzunehmen.
“Der General würde gerne mit Ihnen sprechen.“
Sagte plötzlich eine dritte Stimme, die von einem Mann kam, der bisher in einer etwas dunkleren Ecke gesessen hatte. Chesara hatte ihn beim Hereinkommen bemerkt, ihm jedoch keine weitere Aufmerksamkeit zukommen lassen. Jetzt erst sah sie, dass er ein Komlink in den Händen hielt. Sein Finger presste sich auf einen der Knöpfe und der Projektor erschuf das blaue leuchtende Bild Jared Grants. Chesara trat einen Schritt näher.
„Mr. Grant.“
“Rätin.“
Die anwesende Jedi und der zugeschaltete Anführer der Widerstandsgruppe sahen sich an. Ein höfliches Lächeln umspielte Grants Mundwinkel.
“Wie überraschend...“
„Sie haben nicht auf meine Nachrichten reagiert.“
Fiel ihm Chesara ins Wort, ehe er seinen Satz beenden konnte. Dieses Mal ließ sie sich nicht durch seine höflichen Fassade abweisen. Es ging um ein Leben, ein Leben das in seinen Augen nichts wert war, doch das unschuldig zur Puppe im Krieg zwischen Imperium und Republik gemacht worden war. Pierre les Gray hatte seine Fehler. Er hatte Dinge getan, die nicht richtig waren. Er stand auf Seiten des Imperiums. Er war einst imperialer Gouverneur von Coruscant gewesen. Rechtfertigten diese Punkte, ihn zu entführen, einzusperren wie ein wildes Tier und ihn zu foltern? Chesara wusste nicht, was sie ihm angetan hatten, doch sie hatte ihm beim letzten Mal gesehen. Er war geschunden gewesen, sein Gesicht und seine Hände blutig. In diesem Krieg stand sie auf Seiten der Republik, doch als Jedi konnte sie nicht zulassen, wie dieser Mann, imperial oder nicht, behandelt wurde. Man konnte ihn als Geschäftsmann für die Dinge, die er verschuldet hatte, zur Rechenschaft ziehen, jedoch nicht auf diese Weise.
„Ich möchte, dass Ihre Leute die Zellentür für mich öffnen.“
Sagte Chesara.
„Ich werde Mr. Les Gray in meine Obhut nehmen.“
“Les Gray ist nicht Eure Sorge, Rätin.“
Grants Stimme beinhaltete eine winzige Spur an Schärfe und in seinem Blick lag etwas warnendes. Chesara jedoch konnte ihm Stand halten.
„Ich bestehe darauf.“
Sagte sie und nach einer Pause seufzte Grant leise.
“Ich fürchte, dass kann ich nicht erlauben.“
„Warum nicht?“
“Weil er eine wichtige Figur in unserem Kampf gegen das Imperium ist, Rätin. Der Kampf, den auch Ihr kämpft. Habt Ihr das vergessen?“
„Nein.“
Chesara schüttelte den Kopf und Grant hob die Hände.
“Seht Ihr, wir stehen auf der gleichen Seite.“
„Nicht in dieser Sache. Ihr mögt ein Stratege sein, Mr. Grant, doch Zivilisten sind keine Schachbrettfiguren, die Ihr nach Euren Plänen stellen könnt wie Ihr wollt.“
“Les Gray ist kein Zivilist!“
„Oh doch, das ist er!“
Sich gegenseitig fixierend schauten Grant und Chesara aneinander hat. In Grants Blick lag etwas unnachgiebiges, in Chesaras Entschlossenheit. Ohne Pierre würde sie nicht wieder gehen.
„Ist das Euer letztes Wort?“
Fragte sie. Einen Moment schwieg er, dann nickte er.
“Das ist mein letztes Wort. Als Verbündete akzeptieren wir Eure Regeln, Rätin. Akzeptiert unsere in unseren Mauern.“
Es war der Versuch eines Friedensangebotes, gleichwohl es nicht Chesaras Absicht war, das Bündnis zwischen Widerstand und Jedi zu zerschlagen. Dies war der Grund, warum sie so vorsichtig vorgehen musste. Es stand viel auf dem Spiel. Die Jedi straffte die Schultern.
„Ich bedaure diesen Entschluss, Mr. Grant.“
Sagte sie ehrlich.
„Aber wir nehmen Mr. Les Gray trotzdem mit. - Ketaki?“
Und mit einem widerwilligen Ächzen riss die altmodische Zellentür, hinter der Pierre les Gray sein Dasein als Gefangener fristete, aus den Angeln, als Ketaki Yen die Macht fokussierte. Begleitet von einem unangenehmen, viel zu lauten metallischen Kratzen, schleifte die Tür über den Boden, sodass die beiden Wachen erschreckt zur Seite sprangen. Der Weg war frei. Ketaki Yen ließ seine Hände sinken. Sein Brustkorb hob und und senkte sich von der Herausforderung der Machtkonzentration und das nächste, das Chesara sah, waren die Waffen, die mit einem Mal auf sie und den Jedi-Ritter gerichtet waren. Sie wandte sich zu dem Hologramm zu.
„Wir haben nicht vor zu kämpfen, Mr. Grant.“
Versicherte sie ihm.
„Coruscant ist unser gemeinsames Ziel. Lassen Sie uns vernünftig bleiben.“
Der Anführer der Widerstandsgruppe erwiderte nichts und auch von den umstehenden Defendern regte sich niemand. Alle warteten auf Grants Befehl. Chesara wandte sich um. Ihre festen Schritte trugen sie in die Zelle hinein. Dort war es nicht mehr stockdunkel, wie bei ihrem ersten Besuch. Es stank längst nicht mehr, es war wärmer. Man hatte ihre Anforderungen erfüllt und sich besser um Pierre gekümmert. Er lag auf der Pritsche, die Beine an den Körper gezogen, die Augen weit offen. Nicht gut genug. Chesara ging geradewegs auf Pierre zu, sachlich und ohne zu zögern griff sie nach seinem Arm. Dieses Mal würde sie sich nicht von ihm zurück weisen lassen – doch zu ihrer Verwunderung machte er auch gar keine Anstalten dies zu tun. Er sah sie nicht direkt an, doch er ließ sich von ihr hoch ziehen.
„Pierre, ich bin hier um dich mit zu nehmen. Kannst du laufen?“
Fragte sie ihn, doch sie erhielt keine Antwort. Beinahe Apathisch stand Pierre auf. Er wirkte gekrümmt, war beinahe leichenblass. Stand er unter Medikamenteneinfluss? Die Jedi-Rätin griff nach seinem Arm, versuchte ihn zu stützen. Ketaki stand draußen, außerhalb der Zelle und als Chesara und Pierre durch den leeren Türrahmen nach draußen traten, übernahm er den Gefangenen an Chesaras Stelle. Noch immer waren alle Waffen auf die beiden Jedi gerichtet. Jared Grants Hologramm funkelte sie aufgebracht an.
“Tut das nicht, Rätin. Ich warne Euch.“
Und seine Stimme klang in der Tat nach einer Warnung. Chesara wandte sich ihm zu.
„Was wollen Sie tun? Mich erschießen?“
Ihre Worte wandte sie an Grant, doch zweifellos waren die Männer im Raum mehr angesprochen als er. Grant schüttelte den Kopf.
“Nicht Euch, Rätin, aber ihn. Feuer auf les Gray!“
Es blitzte mitten im Raum. Grelle Lichter schossen aus allen Richtungen auf sie zu. Chesaras Kopf flog herum. Eine Sekunde währte fast wie eine Ewigkeit. Vor ihrem inneren Auge sah sie Pierre zusammen brechen, sah ihn fallen und ihn sterben, wie in ihren Visionen. Das Licht der Blasterblitze blendete ihre Sicht und für einen Augenblick, der nur einen Herzschlag lang währte, schien es, als wäre alles entschieden – bis das gleißende Licht reflektiert wurde von einem hellen, warmen Schimmer, der in den Farben des Regenbogens leuchtete. Wachsam schaute ChesaraSyonette von einer Seite zur anderen. Sie hatte sich schützend vor Pierre les Gray gestellt, ihr Lichtschwert aktiviert in ihrer Hand. Der Kellerraum schwieg, einzig die Luft summte von dem monotonen Vibrieren ihrer Energieklinge. Es dauerte Minuten, so schien es Chesara, bis endlich wieder jemand sprach. Es war Jared Grant.
“Lasst sie passieren.“
Brachte er hervor und in seiner Stimme hallte die Spur einer Niederlage wider. Ein letztes Mal für diesen Tag begegnete Chesrara seinem Blick. Jared Grant verlor nicht gerne. Dann wandte sie sich ab und führte Ketaki und den kraftlosen Pierre hinaus ins Freie.
- Coruscant – Untere Ebenen – Gleiter – Mit Ketaki und Pierre -