Horatio
Gerissenster Strippenzieher der Galaxie
[ Coruscant-System | Imperial City (Coruscant) | Regierungsbezirk | Verwaltungstrakt | Büro des Gouverneurs | mit Mr. Smith ]
Klopf. Klopf. Klopf. Leise prasselte der Regen gegen das Fenster. Jeder einzelne Tropfen hinterließ einen ganz individuellen Gruß an die Person, die im Trockenen saß. In einem recht überraschenden Eiltempo hatte eine Schar dunkler, fast schwarzer Wolken das Regierungsviertel erreicht und in ein tristes Grau gehüllt, nachdem sie knapp eine Stunde zuvor erst am Horizont aufgetaucht waren. Sie trennten sich nun von der recht schweren Last, die sie hunderte, gar tausende Kilometer geschleppt hatten. Dazu zuckten blaue Blitze kurzzeitig durch die finsteren Himmelsgebilde. Einige von ihnen suchten sich die gewaltigen Wolkenkratzer der kolossalen Stadt als Ziel aus, während andere Blitze bloß von einer Wolke zur nächsten sprangen. Für einen kurzen Moment hatte es den Anschein, dass die Natur wieder die Macht über das gesamte Gebiet inne hatte.
Doch im Inneren störte man sich nicht an diesem alltäglichen Schauspiel. Völlig seelenruhig saß der Herrscher über den Planeten Imperial City, den man landläufig ebenso unter dem Namen Coruscant kannte, hinter seinem riesigen Schreibtisch aus exotischen Hölzern. Eine Tasse dampfender Caf war stets in Griffreichweite, während sich gleichzeitig auch ein chaotisches System aus Akten, einzelnen Blättern beschriebenes Flimsiplast und diversen Datapads vor dem Mann ausbreitete. Jedoch schien der adrett gekleidete Mann, der in einem bequemen Sessel saß, weiterhin den kompletten Überblick zu haben. Fast routiniert sondierte er knappe Berichte seiner Untergebenen oder Kommuniqués, die öffentlicher Natur waren. Zufrieden wirkte der Mächtige, der scheinbar alle Fäden in seinen Händen sah. Nicht nur das: im Augenblick sah er sich sogar als eigentlicher Mittelpunkt des Planeten.
Ruhig griff er nach der dampfenden Tasse. Fest umschloss seine rechte Hand den gehärteten Ton. In einer äußerst eleganten Bewegung führte er das altmodische Trinkgefäß zu seinem Mund und nahm schnell einen kräftigen Schluck heißen Caf. Die vielen Bitterstoffe, die in der schwarzen Flüssigkeit enthalten sind, ließen ihn kurzzeitig die seriöse Miene verziehen. Recht lose Fetzen der letzten, sehr heißen Nacht tauchten auf einmal in seinem Geist auf. Ihre zärtliche Stimme säuselt in sein Ohr, ihr blondes Haar spürt er kurz auf seinem Gesicht und dazu die sanften Spielereien ihrer Hände in dem Nacken des Mächtigen. Zu schnell war die letzte Nacht vergangen – das bemerkte er nun Stunde für Stunde. Noch einmal nahm er einen kräftigen Schluck, während sich sein ganzes Bewusstsein noch ein bisschen mehr mit der attraktiven Alderaanerin beschäftigte. Noch immer roch er ihr Parfüm. In seinen Nasengängen schien sich der süße Duft verfangen zu haben.
„Gouverneur Kraym...“, die zögerliche Stimme riss ihn plötzlich aus seinen Gedanken an die letzte, sehr heiße Nacht. „Wie steht es um die Subventionen?“
Schlagartig kehrte seine seriöse Natur zurück. Eiskalt wischte er die Erinnerungen an Ariana Celchu zur Seite. Ließ sie schnell im Hintergrund verschwinden. Dann richtete er seinen Blick auf die recht dürre, menschliche Gestalt, die in seinem Büro stand. Horatio Kraym I. musterte den fremden Mann äußerst genau. Jeder einzelne Zentimeter wurde begutachtet. Seelenruhig stellte er die warme Tasse, die er noch in der Hand hielt, zur Seite. Als absoluter Herrscher über den urbanen Planeten kam es oft vor, dass sich diverse Unternehmer oder Leute aus der oberen Gesellschaftsschicht in einer ganz privaten Audienz an ihn wandten. Oft baten sie den Adligen um verschiedene Kleinigkeiten, die er natürlich großzügig erfüllte. Nachdem der imperiale Gouverneur den recht schmächtigen Bittsteller ganz genau gemustert hatte, griff er wieder nach dessen Akte. „Medical Limited“ stand in ziemlich großen, schwarzen Lettern auf dem Umschlag. Das Kleinunternehmen vertrieb, in Zusammenarbeit mit der Zaltin Corporation, diverse Bacta-Produkte in den mittleren Ebenen des Planeten. Doch der hiesige Schwarzmarkt wurde mehr und mehr zu einer Belastung für den Unternehmer.
„Mr. Smith, natürlich erhält Ihr Unternehmen vom Imperium eine tatkräftige Unterstützung“, sagte der Adlige und lehnte sich in seinen Sessel zurück. „Gerade Unternehmen Ihrer Größe sind für uns, die planetare Bevölkerung, und das gesamte Imperium das echte Rückgrat. Durch Ihre Kooperation mit Thyferra erhält auch der einfache Bürger einen kleinen Teil vom Bacta-Monopol. Ihre Arbeit ist für das Imperium – speziell 'Imperial City' – somit von allerhöchster Priorität. Hiermit genehmige ich Ihnen zusätzliche Subventionen und mehr Präsenz der Sicherheitskräfte.“
Nur selten war Horatio Kraym I. so großzügig, doch seit der Verstaatlichung der Kleinunternehmen, die er als Gouverneur – kurz nach seinem Amtsantritt – selbst initiiert hatte, musste er eine gewisse Solidarität zeigen. Ebenso konnte er auf diese Weise gleichzeitig der ansässigen Kriminalität weiter zusetzen. Freudig bedankte sich der Kleinunternehmer, während der Gouverneur recht wohlwollend nickte und sein typisches Lächeln aufsetzte. Blasiert funkelten dessen braune Augen, nachdem Mr. Smith das Büro dankend verlassen hatte. Sofort kehrten seine Gedanken an die Frau zurück, die ihn in der letzten Nacht so schnell in ihren Bann gezogen hatte. An ihren bezaubernden Körper, dem er so nah gekommen war. An ihre leidenschaftlichen Küsse, die er noch immer auf seiner Haut – unter dem Stoff seiner oliv-grauen Uniform – spürte. An ihre sehr wilden Bewegungen und die lustvollen Schreie als sich beide vereint hatten. Wieso hatte sich diese kurze Nacht so sehr in sein Bewusstsein gebrannt? Wieso musste er fast jede Minute an sie denken? Lag es daran, dass sie so schnell wieder verschwunden war? 'Ariana...', dachte er sich und seufzte leise.
Plötzlich klopfte es. Sofort zerbrach die Erinnerung, die er vor seinem geistigen Auge hatte, und die Realität gewann wieder etwas mehr an Aufmerksamkeit. Nach einem „Herein“, das ziemlich gefasst klang, trat seine engste Vertraute, Präfektin Sally Terrik, ein. Gewohnt verneigte sie sich, anstatt ihn mit einer höflichen Floskel zu begrüßen. Dann schritt die brünette Coruscanti auf ihn zu. Dabei hielt sie in ihrer Hand einen dicken Aktenordner. Flüchtig musterte Horatio das Gesicht der sehr schönen Dame. Die typische Professionalität, die er von seinen Untergebenen erwartete, zeigte sich in ihrem hübschen Gesicht. Bloß eine wilde Strähne schien das perfekte Bild – das sie zeigte – zu stören. Der adlige Verwalter ließ sich davon aber nicht stören. Beiläufig ordnete er das Chaos, das sich auf dem riesigen Schreibtisch ausgebreitet hatte. Irgendetwas musste er gegen die Kriminalität unternehmen, die von den unteren Ebenen langsam auf die mittleren übergriff. Zur Abwehr hatte er momentan die planetaren Sicherheitskräfte und den imperialen Zoll zur Verfügung. Reichten diese Kräfte aus oder musste er etwa auch einen Teil der Coruscant Guards mit dieser Aufgabe betrauen? Sally Terrik gab ein höfliches Räuspern von sich, um seine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen.
„Legatin Aealo möchte Sie sprechen, Sir“, teilte die Präfektin mit. „Sie hat einen Vorschlag für eine Umfunktionierung. Hier sind erste Unterlagen für Sie.“
„Geben Sie mir eine Stunde, Mrs. Terrik“, entschied der Gouverneur nach kurzer Bedenkzeit, bevor er den Aktenordner entgegennahm. „... Ach, und schicken Sie einen Blumenstrauß an diese Adresse. Hier haben Sie noch die Karte, die beigelegt werden soll.“
Draußen peitschte der eiskalte Wind die letzten Tropfen gegen den Transparistahl. Die letzten Blitze erhellten zur selben Zeit ein letztes Mal den finsteren Himmel. Dann brach die dunkle Wolkendecke mehr und mehr auf. Kleine Risse wuchsen innerhalb von ein paar Minuten zu riesigen Löchern. Ein paar Sonnenstrahlen verwandelten sich im gleichen Atemzug zu einer wahren Flut. Mit dem selben Tempo, mit dem das Unwetter gekommen war, verschwand es auch wieder. Nun schillerten die paar Regentropfen, die noch an den unzähligen Fenstern klebten, in der grellen Sonne. Sämtliche Häuser, die sich in diesem Bezirk in den Himmel streckten, schienen mit funkelnden Diamanten überzogen zu sein. Bald verschwand die finstere Wand wieder am Horizont. Nur ein paar kleinere Wolken, die mit dem Unwetter gekommen waren, hielten eisern die Stellung. Sie waren nun die Überreste; das letzte Anzeichen für ein Gewitter. Bald sollten auch sie nach und nach verschwinden – so waren die Regeln dieses natürlichen Schauspiels.
[ Coruscant-System | Imperial City (Coruscant) | Regierungsbezirk | Verwaltungstrakt | Büro des Gouverneurs | mit Präfektin Terrik ]