- Coruscant - City - Cloés und Jespers Wohnung - Mit Jesper –
Wütend war nicht das richtige Wort. Noa war nicht wütend. Sie war stinksauer. Bei Jespers Worten war sie so abrupt aufgesprungen, dass der Sessel, in dem sie gesessen hatte, sich ein Stück nach hinten geschoben hatte. Mit großen Schritten hatte sie die Wohnung durchquert und mit ihrer flachen Hand so heftig auf den Türöffner gehauen, als könnte sie durch bloße Kraft das Öffnen der Türen beschleunigen. Wenn Cloé bei Wingston war, dann musste sie sich beeilen. Dieser Mann war zu allem fähig.
“Noa, jetzt warte doch mal!“
Jesper war hinter ihr her gehetzt. Aufgebracht drehte Noa sich zu ihm um.
„Was ist?“
Zischte sie ihn an. Beruhigend hob der Freund ihrer Schwester die Hände.
“Sag mir erst mal, was du vor hast. Du kannst doch nicht einfach los stürmen.“
„Ach, kann ich nicht?“
Das war Noa neu. Ihre Schwester hatte die glorreiche Idee gehabt, sie bei ihrem Date zu vertreten und sich mit Exodus Wingston zu treffen. Was sollte sie wohl davon abhalten, diesem Unsinn ein Ende zu bereiten? Cloé hatte ja nicht die geringste Ahnung, mit wem sie sich da eingelassen hatte. Jesper seufzte.
“Kannst du natürlich schon.“
Lenkte er ein.
“Musst du aber vielleicht nicht unbedingt.“
„Ach, und was schlägst du stattdessen vor? Hier sitzen und warten bis sie wieder kommt?“
Schnaubte Noa. Wie schön, dass außer ihr alle so eine Seelenruhe hatten. Warum eigentlich?
“Das wäre nicht die schlechteste Idee.“
Stimmte Jesper zu, der diesen Vorschlag sofort ernst nahm.
“Besser, als durch die Stadt zu irren und Staub aufzuwirbeln. Schau mal auf die Uhr, der Abend ist sowieso fast vorbei.“
Staub aufzuwirbeln? Noa glaubte, sich verhört zu haben. Vielleicht mochten sie alle für hysterisch halten, aber sie machte sich eben Sorgen, wenn ihre Schwester mit einem ehemaligen Sith Lord unterwegs war. Das konnte nicht gut gehen und es war unverantwortlich, sie sich selbst zu überlassen.
„Jesper.“
Noa schüttelte den Kopf.
„Weißt du überhaupt, mit wem sich Cloé trifft?“
Etwas unsicher hob Jesper die Schultern. Die Frage schien ihm eher peinlich zu sein als ihm Sorgen zu bereiten.
“Ja, mit einem sehr bemühten Verehrer von dir. Sie hat mir alles erzählt…“
„Sein Name ist Exodus Wingston!“
Noa raufte sich die Haare. Vorsichtiges Erkennen flackerte in Jespers Augen auf.
“Wingston. Der Typ war mit dir auf Abregado, oder nicht? Und er hat auch mit der Wingston Corporation zu tun.“
„Ja!“
Erwiderte Noa ungeduldig. Allmählich hatte sie das Gefühl, dass sie die einzige auf diesem Planeten war, die die Nachrichten verfolgte, abgesehen von ihrem Vater, ihren Brüdern und Grant und Hawok vielleicht. Aber Jesper hatte nur eine blasse Idee, wer Wingston in Wirklichkeit war und obwohl sie bereits Luft geholt hatte, um ihm eine Erklärung zu geben, hielt Noa im letzten Moment inne – und schwieg. Jesper konnte ohnehin nichts ausrichten. Er würde tun, was er auch Noa vorgeschlagen hatte, so oder so.
„Jesper, ich geh‘ sie jetzt suchen.“
Teilte sie ihm ihre endgültige Entscheidung mit und trat durch die Wohnungstür, die während der Dauer ihres Gesprächs die ganze Zeit über offen gestanden hatte. Frischer Duft drang aus dem Treppenhaus. Jemand hatte am frühen Abend die Böden geputzt.
„Ruf kurz durch, sollte sie nach Hause kommen bevor ich sie gefunden habe.“
Anstatt die Treppen zu benutzen, rief Noa per Tastendruck den Lift. Sie hatte keinen Nerv sich die Beine zu vertreten. Wenn das hier vorbei war, brauchte sie sowieso eine große Schachtel Pralinen um ihre Nerven zu beruhigen. Da konnte sie sich die Bewegung zum Kalorienverbrennen auch gleich sparen.
“Mach ich.“
Versprach Jesper.
”Sei aber nicht zu streng mit ihr, wenn du sie findest. Ich habe ihr gesagt, dass es eine blöde Idee ist…“
Grimmig verdrehte Noa die Augen.
„Hat ja offenbar nicht viel genutzt.“
Antwortete sie und betrat den Lift, als dieser seine Türen für sie öffnete. Während sie auf der Straße ihr Speederbike entriegelte, rief sie auf ihrem Komlink Wingstons letzte Nachricht ab. Das Restaurant „Victorias“ hatte er als Treffpunkt vorgeschlagen. Sie hatte nie vor gehabt, ihn dort wirklich zu treffen und trotz aller Bemühungen musste sie jetzt doch dorthin. Das Navigationssystem ihres Speederbikes fand die Adresse innerhalb von wenigen Sekunden und Noa machte sich startklar. Auf Cloés Erklärung war sie gespannt. Das Restaurant war nur schwach beleuchtet und selbst nach einem genauen Blick durch die Fenster konnte Noa keinen Gästebetrieb feststellen. In ihrem Magen begann sich ein unangenehm grober Klumpen zu formen. Wenn dies der Ort des Geschehens war, wo waren dann die Akteure? Wo war Wingston und wo zur Hölle war ihre Schwester? Mit festen Schritten marschierte Noa auf die Eingangstür zu, war aber nicht sonderlich überrascht, diese verschlossen vorzufinden. Der Klumpen in ihrem Magen wuchs und mit ihm die Sorge. Als ihre Augen eine Bewegung im Inneren des Gebäudes erspähten, hämmerten ihre Hände ganz von selbst gegen die Scheibe. Ein vorbei geeilter Kellner wandte den Kopf in ihre Richtung und Noas Hämmern wurde bestimmender.
„Hey!!“
Rief sie laut und zwei Passanten drehten sich in ihre Richtung. Im Inneren des Restaurants wurde das Licht etwas heller gedreht, der Kellner kam eiligst auf die Tür zu und entriegelte diese. Sein Gesicht war höchst besorgt.
“Miss, ich muss Sie eindringlich bitten sich zu mäßigen! Unser Haus verfügt über eine Klingel für dringende Notfälle.“
Wies er sie zurecht und deutete auf den entsprechenden Türsummer in der Wand, neben dem sich eine prachtvoll blühende Pflanze das Gemäuer empor rankte. Verächtlich stieß Noa die Luft aus. Die war ja nicht gerade gut zu erkennen.
„Ich suche meine Schwester.“
Sagte sie knapp. Bedauernd neigte der Kellner den Kopf.
“Ich fürchte, heute Abend bewirten wir eine geschlossene Gesellschaft, Miss. Natürlich könnten Sie morgen gerne…“
„Ist Wingston hier?“
Für einen kurzen Moment war auf dem Gesicht des Kellners ein Ausdruck von Irritation zu erkennen, bevor er sich wieder fing und Noa höflich belehrte:
“Mr. Wingston ist ein gern gesehener Gast im Victorias, über seinen Verbleib jedoch sind wir nicht befugt Auskunft zu erteilen, daher, Miss, empfehle ich Ihnen dringend…“
„Das reicht.“
Ärgerlich und mit Hilfe ihrer Ellbogen verhalf sich Noa zu einem Weg an dem Angestellten vorbei.
“Heeee!! Was erlauben Sie sich! Miss, ich bestehe darauf…“
Doch Noa dachte gar nicht daran ihm zuzuhören. Wenn Wingston hier war, dann war auch Cloé hier und die konnten sich beide auf etwas gefasst machen. Suchend sah sie sich um. Das Restaurant war menschenleer.
„Ich muss mit ihm sprechen. Wo ist er?“
“Miss, wirklich, Sie bringen mich in extreme Schwierigkeiten!“
Allmählich lief dem Kellner der Schweiß von der Stirn, doch Noa wurde immer ungeduldiger.
„Drauf geschissen.“
Erwiderte sie bissig, wandte sich um und stapfte quer zwischen Tischen und Stühlen vorbei. Wenn dieser Mann ihr nicht half, half sie sich eben selbst. Wie groß konnte so ein Laden schon sein? Ein paar Räume vielleicht und irgendwo mussten die beiden ja sein – immer vorausgesetzt, Wingston spielte fair. Sollte er ihrer Schwester auch nur ein Haar gekrümmt haben, würde Blut fließen. Vor Noa Chanelle Cortina öffnete sich eine stilvoll gravierte Tür und ein in Dunkelheit getauchter und nur durch einzelne Kerzen erleuchteter Saal tauchte vor ihr auf. Ihr suchender Blick schwenkte von links nach rechts und auf einen einzelnen Tisch, der durch die Kraft einer einzigen hellen Lampe in den Mittelpunkt gerückt worden war. Dennoch fehlte noch immer jede Spur von Cloé und Wingston. Im Eilschritt lief Noa die langgezogenen Stufen hinunter, die in den Saal führten und noch ehe sie den Tisch erreicht hatte, erspähte sie Cloés Tasche, die an ihrer Stuhllehne hing, und nur einen Augenblick später die Tür auf der anderen Seite des Saals, die hinaus in den Hof führte.
„Na also.“
Murmelte Noa bestätigend zu sich selbst. Es ging doch. Ohne Zeit zu verschwenden marschierte die Widerstandskämpferin weiter und gedämpfte Stimmen drangen bereits an ihr Ohr, noch bevor sie die Tür erreicht hatte: Cloé! Ärger und Sorge reichten einander die Hände und es fiel Noa schwer zu entscheiden, auf wen sie wütender war: ihre Zwillingsschwester, weil diese ungefragt ihre Identität annahm und sich in Gefahr brachte, indem sie mit einem früheren Sith Lord schäkerte; oder Wingston, dafür, dass er überhaupt die Frechheit besessen hatte sie einzuladen, sie mit Nachrichten zu bombardieren und hierher zu locken. Als sie hinaus in die frische Nachtluft trat, eingerahmt von der schwach beleuchteten Tür hinter ihr, sah Noa Exodus Wingston und ihre Schwester am Geländer einer lieblichen Terrasse stehen, die Blicke gen Himmel gerichtet. Der Vizepräsident der Wingston Corporation hatte seinen Arm um Cloés Taille gelegt und ihr zum Schutz vor der Kälte sein Jackett überlassen. Sie boten ein klassisches Bild an Kitsch.
„Komme ich ungelegen?“
Noas klare Stimme durchbrach die Stille der Dunkelheit und damit die romantische Atmosphäre, die sie selbst sich zwar kaum vorstellen konnte, die Cloé mit all ihren Kerzen und Sternen jedoch vollkommen überlistet haben musste. Beide, ihre Schwester sowie Wingston, wandten sich gleichermaßen zu ihr um und erst in diesem Moment fiel Noa auf, das sie vollkommen unbewaffnet war. Zu dumm eigentlich, aber andererseits machte Wingston nicht den Eindruck, als wäre er dabei gewesen Cloé zu entführen. Ganz sicher konnte man da bei einem Sith allerdings nie sein. Noa sah Cloés Züge entgleiten und Verwirrung auf Wingstons Gesicht. Wäre dies ein Holofilm, wäre das ihr großer Auftritt gewesen.
“Noa!“
Entfuhr es ihrer Schwester und die Journalistin hatte das dringende Bedürfnis, Cloé am Arm zu packen und mit sich zu ziehen.
„Ich fasse es nicht!“
Rief sie laut auf und ihr wütend funkelnder Blick vermochte sich nicht zwischen dem Vizepräsidenten und ihrer Schwester zu entscheiden. Cloé machte einen Schritt nach vorne.
“Uhm, ich kann das erkären.“
Setzte sie an, doch Noa verdrehte nur genervt die Augen. Was gab es da zu erklären?
„Ja, blablabla, was auch immer! Hab ich alles schon gehört.“
Erwiderte sie hitzig.
„Hast du überhaupt eine Ahnung, was du hier machst?“
Ihre Stimme wurde lauter.
“Das was du nicht machst, offensichtlich.“
Erwiderte Cloé, doch im Gegensatz zu ihrer Schwester war ihre Stimme ruhig.
„Ja, und das hat auch einen guten Grund!!“
Ohne Zurückhaltung starrte Noa vorwurfsvoll in Wingstons Richtung, während Cloé so aussah, als wollte sie am liebsten im Erdboden versinken.
- Coruscant - City – Restaurant “Victorias” Mit Cloé und Exodus –