Noa Chanelle
girl in black
- Coruscant – Mittlere Ebenen – Megablock 887 – Mit Cris –
Rufen? Ja, rufen war eine gute Idee.
“LEANDRO!!!!“
Laut und von einem dringlichen Echo begleitet, hallte Noas Stimme durch den langen Gang vor ihr. Cris Sheldon hatte die Tür zum Hausflur des Gebäudes einfach eingerammt, sodass sie aus ihren Angeln und auf den Boden gefallen war. Rücksichtslos waren der Geheimdienstagent und die Widerstandskämpferin über sie hinweg gestiegen, wie über eine Brücke, nur um im nächsten Moment fast über eine am Boden liegende Leiche zu stolpern, mitsamt einem darüber gebeugten Chadra-Fan, der gerade dabei war die Taschen des Toten auszuleeren. Vor Schreck über das Eindringen der beiden Menschen verschwand der kleine Nichtmensch in der Dunkelheit und stattdessen bückte sich nun Sheldon zu dem leblosen Körper hinunter. Was für ein Drecksloch. Was auch immer ihr Bruder hier trieb, sie konnte nur für ihn hoffen, dass er eine verdammt gute Erklärung dafür hatte. Im Grunde war es nichts Besonderes für die Cortina-Geschwister, sich in den mittleren oder den unteren Ebenen herum zu treiben. Noa war zwischen allen Ebenen Coruscants aufgewachsen. Während sie in den Oberen Ebenen gelebt hatten, hatte sie ihre großen Brüder immer wieder hier hinunter begleitet, war ihnen gefolgt und später auch alleine an zwielichtigen Orten herum gestreift. Der Unterschied war, dass gerade nicht der richtige Zeitpunkt war, um sich alleine hier unten herum zu treiben. Das Wort „Krieg“ war zwar noch etwas übertrieben, um den aktuellen Zustand Coruscants zu beschreiben, doch sie befanden sich mit Leichtigkeit in einer Phase, die genau diesen über kurz oder lang einläuten würde.
Aufs Noas Ruf antwortete Stille. Keine Antwort erschallte, keine Tür öffnete sich. Wenn überhaupt möglich, war es jetzt noch leiser um sie herum geworden als zuvor schon. Mit einem großen Schritt stieg Noa über die Leiche neben der Tür und hatte dabei das Gefühl, mit ihrem Schuh in etwas Flüssiges zu treten. Halbherzig schaute sie nach unten und die von Sheldon geschaffene Lichtquelle bestätigte ihre Vermutung.
“Na super. Was für eine Sauerei…“
Noa Chanelle streifte ihre Schuhsohle an einer der Wände ab, wo das dunkle Rot wie ein kunstvolles Muster auf der grauen Wand wirkte. Sheldon ging direkt hinter ihr, als sie an den ersten Wohnungstüren vorbei ging. Alles in allem wirkte das Wohnhaus ziemlich verlassen, so verlassen und feindselig, dass dagegen sogar der Gebäudekomplex am Raumhafen, in dem Noa ihre Wohnung hatte, herrlich einladend gewirkt hätte – zumindest bei Tageslicht. Am Ende des Ganges führte eine Treppe nach oben, deren Stufen von einem hastig flackernden Licht schwach beleuchtet wurden. An den Türen der Turboliftkammer hing ein „Defekt“-Schild. Noch immer war niemand zu sehen, selbst der Chadra-Fan war längst über alle Berge.
“Leandrooo? Bist du hier?“
Rief Noa noch einmal in der selben Lautstärke und drehte sich, als wieder keine Antwort ertönte, zu Sheldon um.
“Klappt ja fantastisch.“
Brummelte sie vorwurfsvoll, als sei es seine Schuld, und stieg die Treppenstufen hinauf. Noch gab sie nicht auf. Leandro konnte noch immer irgendwo hier sein, es sei denn Cert hatte sie angelogen, was nicht sehr wahrscheinlich war. Welchen Grund hätte er dazu schon gehabt? Außerdem hatte Sheldon ihn voll im Griff gehabt. Sheldon war sowieso ziemlich tough, stellte Noa immer mehr fest. Er hatte nicht lange gefackelt und sich einfach Zutritt zu dem Gebäude verschafft, indem er die Tür quasi eingerammt hatte. Nicht schlecht. In dem Moment hatte er sie ein bisschen an Brayne Perry erinnert, ihren Lieblingsagenten im Holo-TV. Nicht, dass Noa seine Serie regelmäßig verfolgte…höchstens ab und zu, wenn nichts anderes lief oder sie nicht anderweitig beschäftigt war. Allerhöchstens einmal in der Woche, wenn überhaupt und sie hatte auch noch nie nächtliche Fantasien über ihn gehabt!
Die Treppe mündete in die zweite Etage, wo die Deckenlichter zuverlässiger flackerten. Vor einer der Türen lag eine abgenutzte Fußmatte auf dem Boden, auf eine andere Tür war ein Stück Flimsiplast geklebt, auf dem in krakeliger Handschrift eine Nummer geschrieben war. Zumindest die Fußmatte machte einen bewohnten Eindruck. Noa legte ihr Ohr an die Tür und horchte. Dann klopfte sie auf gut Glück an. Der Wohnkomplex stand nicht völlig leer, soviel war klar. Zuerst schien sich im Inneren der Wohnung nichts zur regen. Erst, als Noa schon genervt ein zweites Mal klopfen wollte, glitt die Tür plötzlich zur Seite und ein kräftiger, mit einem schmuddeligen Hemd bekleideter Cathar öffnete die Tür. Ohne etwas zu sagen musterte er zuerst Noa von oben bis unten, anschließend beäugte er Sheldon ebenso abweisend. Noa hob zum Gruß ihre Hand.
“Hi. Wir suchen jemanden.“
Setzte sie freundlich an. Mit einem ungeduldigen Kopfschütteln unterbrach der Cathar sie jedoch schon nach dem ersten Satz.
“Dann sucht besser woanders.“
Erwiderte er und war bereits wieder im Begriff die Tür zu schließen, als Noa hastig ihren Fuß dazwischen schob.
“Ich brauche nur eine kurze Antwort!“
Rief sie flehentlich und zog, dem drohenden Blick des Nichtmenschen folgend, ihr Bein zögerlich wieder zurück.
“Ganz kurz nur, wirklich. Ich suche meinen Bruder: ein Mensch, groß, kräftig gebaut, lange dunkle Haare, Bart…“
“Habe ich nicht gesehen.“
Antwortete der Cathar und sein Blick sagte ganz deutlich: wer auch immer dieser Mann war, den sie suchten, er selbst wollte damit nichts zu tun haben. Noa trat einen Schritt zurück, die Tür schloss sich und sie und Sheldon waren wieder alleine auf dem weiten Gang und genauso schlau wie vor. Die Journalistin starrte geradeaus. In den mittleren Ebenen war man nicht besonders hilfsbereit. Niemand interessierte sich dafür, was die Nachbarn taten, es sei denn man konnte davon profitieren. Sie verstand das. Wenn man nichts hatte außer der Angst, in einer dunklen Gasse erdrosselt und von niemandem vermisst zu werden, ergriff man automatisch jede Gelegenheit, die einem selbst zu Gute kam, während man sich aus den Angelegenheiten anderer heraus hielt. Probleme hatte man selbst genug. Wenn also niemand bereit war ihr zu helfen, musste sie Leandro eben so finden.
“LEANDRO!!!!“
Begann sie wieder zu rufen, stapfte vorwärts und rief immer wieder laut den Namen ihres Bruders. Jetzt hörte sie Stimmen in den Wohnungen zu ihrer Linken und Rechten. Das Gebäude war alles andere als verlassen, die Bewohner verhielten sich lediglich so ruhig wie möglich. Es ging hinauf ins dritte Geschoss. Laut pochte Noa an eine der Türen. Inzwischen war ihr egal, wen sie damit stören würde und mehr als einmal folgten auf ihr Klopfen wütend nach draußen gerufene Erwiderungen. Die einzige Person die, abgesehen von dem Cathar, wagte die Tür zu öffnen, war ein Rodianer.
“Hört auf, so einen Lärm zu veranstalten!“
Schimpfte er wütend.
“Und macht, dass ihr fort kommt!“
Er ließ den beiden Menschen nicht einmal Gelegenheit, ihr Anliegen vor zu bringen. Deprimiert ließ Noa die Schultern hängen, während sich ein paar Wohnungen weiter unverhofft eine andere Tür öffnete. Ein blond schimmernder Haarschopf lugte um die Ecke herum.
“Psssst, ihr da!“
Überrascht sah Noa auf, spürte neue Hoffnung aufkeimen und bewegte sich zu besagter Wohnung hinüber. Eine junge Humanoide einer menschenähnlichen Spezies, sie war etwa zwei Köpfe kleiner als Noa, sah sich vorsichtig um, scheinbar um sich zu versichern, dass niemand sonst in der Nähe war.
“Ihr sucht jemanden? Einen jungen Mann?“
Wollte sie wissen. Noa fühlte sich, als hätte ihr gerade jemand in den Magen geboxt.
“Ja!“
Bestätigte sie und ratterte noch einmal Leandros Beschreibung herunter.
“Haben Sie ihn gesehen?“
“Nicht direkt.“
Gestand die andere Frau mit leiser Stimme.
“Versuchen Sie es in Stockwerk 9, Nr. IB4. Vielleicht haben Sie Glück.“
Mit einem wissenden Blick nickte sie Noa zu, sah sich noch einmal um und schloss dann ihre Tür so schnell wieder, als fürchtete sie, bei etwas Verbotenem ertappt zu werden. Noa atmete tief aus. Stockwerk 9. Langsam drehte sie sich zu Sheldon herum.
“Mir gefällt das alles überhaupt nicht.“ Stellte sie fest.
Sie setzten ihren Weg nach oben fort und mit jeder weiteren Treppe war Noa ein Stück langsamer geworden. Warum musste auch dieser blöde Lift defekt sein? Viel hatte sich von Etage zu Etage nicht verändert, außer dass ihnen zwischendurch tatsächlich mal jemand auf dem Gang entgegen gekommen war. Noa hatte jedoch davon abgesehen, den finster starrenden Zabrak mit seinem auf den Rücken geschnallten Vibroschwert anzusprechen. Ihr Ziel war erst einmal klar: Stockwerk 9, Wohnung Nr. IB4. Als sie dort endlich angekommen waren, atmete sie tief ein und aus und versuchte, auf alles vorbereitet zu sein, doch war das überhaupt möglich? Letzten Endes wusste sie nicht, was sie erwarten würde. Sie hoffte nur, dass sie Leandro in einem Stück sehen würde. Angesichts der Umgebung und er Leiche im Erdgeschoss war nicht einmal das selbstverständlich.
“Ich hoffe, Sie halten ihre Waffe schussbereit.“
Sagte Noa an Sheldon gewandt, ehe sie zwei kräftig gegen die Tür klopfte. Keine der Wohnungen in diesem Gebäude war mit einem separaten Türsummer versehen. Auf der anderen Seite der Tür regte sich nichts, dafür schlug Noas Herz umso heftiger. Stumm zählte sie die Sekunden von zehn herunter, ehe sie noch einmal klopfte, fordernder diesmal. Und noch mal.
“Hallo?? Ist jemand da?“
Rief sie schließlich und vernahm genau in diesem Moment ein rumpelndes Geräusch direkt hinter der Tür. Automatisch tastete Noa nach ihrer Waffe, zog den Blaster – und schaute im nächsten Augenblick in das hübsche Gesicht einer Zeltron, deren dunkle Augen sie ungeduldig anstarrten. Ihre tiefschwarzen Haare fielen ihr in weichen, voluminösen Wellen über die Schultern. Sie war praktisch nackt, abgesehen von einem dünnen Laken, das sie um ihren schlanken Körper gewickelt hatte.
“Ja, bitte?“
Ihre Stimme war überraschend tief. Noa Chanelle Cortina war für einen langen Moment aus der Bahn geworfen. Sie war auf eine Horde betrunkener Männer vorbereitet gewesen, auf zwielichtige Drogendealer, halluzinierende Junkies, einen Schlägertrupp, sogar darauf, dass sie mitten in eine Falle des Imperiums tappten… jedoch nicht auf eine halbbekleidete Zeltron, die offensichtlich frisch aus ihrem Bett geklettert war – mit wem auch immer sie dort gelegen hatte.
“Ähm. Ja, hallo.“
Unauffällig schob Noa ihre Waffe dorthin zurück, wo sie hin gehörte.
“Sorry wegen der Störung…“
Die Lippen der Journalistin formten ein Lächeln. Sie konnte sich vorstellen, wie ungelegen dieser Besuch kommen musste. Aber es half nichts. Das hier war Nr. IB4 und angeblich sollte Leandro hier sein, oder zumindest jemand, der ihn kannte oder gesehen oder mit ihm gesprochen hatte oder der sonstwie mehr Informationen hatte. Die Möglichkeiten war schier unendlich.
“Die Sache ist die, ich suche meinen Bruder und er soll sich hier irgendwo aufhalten. Du hast ihn vermutlich nicht gesehen, weil du anderweitig beschäftigst bist…na ja, er ist groß und kräftig gebaut, hat dunkle lange Haare, trägt einen Bart…“
Gab Noa zum gefühlten hundertsten Mal ihre Beschreibung ab. Die Zeltron lehnte sich lasziv gegen den Türrahmen, das Laken, das ihre Blöße bedeckte, nur mit einer Hand festhaltend.
“Der Typ kommt mir bekannt vor.“
Raunte sie amüsiert. Noa schien im gleichen Moment ein Stein vom Herzen zu fallen.
“Wirklich? Hast du ihn gesehen? Wo?“
Fragte sie eilig, als aus dem Inneren der Wohnung ein Rufen erklang.
“Baby, alles OK da draußen? Wo bleibst du?“
Noa Chanelle Cortina erstarrte innerhalb einer Zehntelsekunde. Oh nein. Sie kannte diese Stimme. Sie wusste, wem sie gehörte und sie war froh, sie zu hören. Aber nicht hier. Das konnte unmöglich sein. Leandro würde sicherlich nicht... in einer solchen Umgebung...
Den ersten Schock abschüttelnd stürzte Noa an der grazilen Fremden vorbei und hinein in die Wohnung. Der bestürzte Blick der Zeltron sprach Bände.
“Leandro?“
Rief Noa, wandte sich in den Raum rechts von ihr, sondierte die Lage, wandte sich nach links – und dort lag er, ausgestreckt auf einem riesigen Bett, eingerahmt von dicken Kissen. Die Beleuchtung war auf ein Minimum herunter gedreht. Erschreckt fuhr Leandro Cortina in die Höhe.
“Noa? Was zur… oh shit, was machst du hier?“
Entsetzt blickte Noa ihren Bruder an. Leandro war aufgesprungen, hatte von irgendwoher nach seiner Hose gefischt und war nun im Begriff diese anzuziehen. Er war groß, genauso wie sie ihn beschrieben hatte, ein Schrank von einem Mann. Die dunklen Dreadlocks, von der gleichen Farbe wie Noas Haare, reichten bis knapp über seine Schultern. Die Muskeln in seinen Oberarmen waren von beeindruckendem Umfang, sein Bauch ein wohl trainierter Sixpack. Daran hatte die Zeltron sicherlich ihre Freude gehabt.
- Coruscant – Mittlere Ebenen – Megablock 887 – Wohnung IB4 – Mit Cris, Leandro, Zeltron –
Rufen? Ja, rufen war eine gute Idee.
“LEANDRO!!!!“
Laut und von einem dringlichen Echo begleitet, hallte Noas Stimme durch den langen Gang vor ihr. Cris Sheldon hatte die Tür zum Hausflur des Gebäudes einfach eingerammt, sodass sie aus ihren Angeln und auf den Boden gefallen war. Rücksichtslos waren der Geheimdienstagent und die Widerstandskämpferin über sie hinweg gestiegen, wie über eine Brücke, nur um im nächsten Moment fast über eine am Boden liegende Leiche zu stolpern, mitsamt einem darüber gebeugten Chadra-Fan, der gerade dabei war die Taschen des Toten auszuleeren. Vor Schreck über das Eindringen der beiden Menschen verschwand der kleine Nichtmensch in der Dunkelheit und stattdessen bückte sich nun Sheldon zu dem leblosen Körper hinunter. Was für ein Drecksloch. Was auch immer ihr Bruder hier trieb, sie konnte nur für ihn hoffen, dass er eine verdammt gute Erklärung dafür hatte. Im Grunde war es nichts Besonderes für die Cortina-Geschwister, sich in den mittleren oder den unteren Ebenen herum zu treiben. Noa war zwischen allen Ebenen Coruscants aufgewachsen. Während sie in den Oberen Ebenen gelebt hatten, hatte sie ihre großen Brüder immer wieder hier hinunter begleitet, war ihnen gefolgt und später auch alleine an zwielichtigen Orten herum gestreift. Der Unterschied war, dass gerade nicht der richtige Zeitpunkt war, um sich alleine hier unten herum zu treiben. Das Wort „Krieg“ war zwar noch etwas übertrieben, um den aktuellen Zustand Coruscants zu beschreiben, doch sie befanden sich mit Leichtigkeit in einer Phase, die genau diesen über kurz oder lang einläuten würde.
Aufs Noas Ruf antwortete Stille. Keine Antwort erschallte, keine Tür öffnete sich. Wenn überhaupt möglich, war es jetzt noch leiser um sie herum geworden als zuvor schon. Mit einem großen Schritt stieg Noa über die Leiche neben der Tür und hatte dabei das Gefühl, mit ihrem Schuh in etwas Flüssiges zu treten. Halbherzig schaute sie nach unten und die von Sheldon geschaffene Lichtquelle bestätigte ihre Vermutung.
“Na super. Was für eine Sauerei…“
Noa Chanelle streifte ihre Schuhsohle an einer der Wände ab, wo das dunkle Rot wie ein kunstvolles Muster auf der grauen Wand wirkte. Sheldon ging direkt hinter ihr, als sie an den ersten Wohnungstüren vorbei ging. Alles in allem wirkte das Wohnhaus ziemlich verlassen, so verlassen und feindselig, dass dagegen sogar der Gebäudekomplex am Raumhafen, in dem Noa ihre Wohnung hatte, herrlich einladend gewirkt hätte – zumindest bei Tageslicht. Am Ende des Ganges führte eine Treppe nach oben, deren Stufen von einem hastig flackernden Licht schwach beleuchtet wurden. An den Türen der Turboliftkammer hing ein „Defekt“-Schild. Noch immer war niemand zu sehen, selbst der Chadra-Fan war längst über alle Berge.
“Leandrooo? Bist du hier?“
Rief Noa noch einmal in der selben Lautstärke und drehte sich, als wieder keine Antwort ertönte, zu Sheldon um.
“Klappt ja fantastisch.“
Brummelte sie vorwurfsvoll, als sei es seine Schuld, und stieg die Treppenstufen hinauf. Noch gab sie nicht auf. Leandro konnte noch immer irgendwo hier sein, es sei denn Cert hatte sie angelogen, was nicht sehr wahrscheinlich war. Welchen Grund hätte er dazu schon gehabt? Außerdem hatte Sheldon ihn voll im Griff gehabt. Sheldon war sowieso ziemlich tough, stellte Noa immer mehr fest. Er hatte nicht lange gefackelt und sich einfach Zutritt zu dem Gebäude verschafft, indem er die Tür quasi eingerammt hatte. Nicht schlecht. In dem Moment hatte er sie ein bisschen an Brayne Perry erinnert, ihren Lieblingsagenten im Holo-TV. Nicht, dass Noa seine Serie regelmäßig verfolgte…höchstens ab und zu, wenn nichts anderes lief oder sie nicht anderweitig beschäftigt war. Allerhöchstens einmal in der Woche, wenn überhaupt und sie hatte auch noch nie nächtliche Fantasien über ihn gehabt!
Die Treppe mündete in die zweite Etage, wo die Deckenlichter zuverlässiger flackerten. Vor einer der Türen lag eine abgenutzte Fußmatte auf dem Boden, auf eine andere Tür war ein Stück Flimsiplast geklebt, auf dem in krakeliger Handschrift eine Nummer geschrieben war. Zumindest die Fußmatte machte einen bewohnten Eindruck. Noa legte ihr Ohr an die Tür und horchte. Dann klopfte sie auf gut Glück an. Der Wohnkomplex stand nicht völlig leer, soviel war klar. Zuerst schien sich im Inneren der Wohnung nichts zur regen. Erst, als Noa schon genervt ein zweites Mal klopfen wollte, glitt die Tür plötzlich zur Seite und ein kräftiger, mit einem schmuddeligen Hemd bekleideter Cathar öffnete die Tür. Ohne etwas zu sagen musterte er zuerst Noa von oben bis unten, anschließend beäugte er Sheldon ebenso abweisend. Noa hob zum Gruß ihre Hand.
“Hi. Wir suchen jemanden.“
Setzte sie freundlich an. Mit einem ungeduldigen Kopfschütteln unterbrach der Cathar sie jedoch schon nach dem ersten Satz.
“Dann sucht besser woanders.“
Erwiderte er und war bereits wieder im Begriff die Tür zu schließen, als Noa hastig ihren Fuß dazwischen schob.
“Ich brauche nur eine kurze Antwort!“
Rief sie flehentlich und zog, dem drohenden Blick des Nichtmenschen folgend, ihr Bein zögerlich wieder zurück.
“Ganz kurz nur, wirklich. Ich suche meinen Bruder: ein Mensch, groß, kräftig gebaut, lange dunkle Haare, Bart…“
“Habe ich nicht gesehen.“
Antwortete der Cathar und sein Blick sagte ganz deutlich: wer auch immer dieser Mann war, den sie suchten, er selbst wollte damit nichts zu tun haben. Noa trat einen Schritt zurück, die Tür schloss sich und sie und Sheldon waren wieder alleine auf dem weiten Gang und genauso schlau wie vor. Die Journalistin starrte geradeaus. In den mittleren Ebenen war man nicht besonders hilfsbereit. Niemand interessierte sich dafür, was die Nachbarn taten, es sei denn man konnte davon profitieren. Sie verstand das. Wenn man nichts hatte außer der Angst, in einer dunklen Gasse erdrosselt und von niemandem vermisst zu werden, ergriff man automatisch jede Gelegenheit, die einem selbst zu Gute kam, während man sich aus den Angelegenheiten anderer heraus hielt. Probleme hatte man selbst genug. Wenn also niemand bereit war ihr zu helfen, musste sie Leandro eben so finden.
“LEANDRO!!!!“
Begann sie wieder zu rufen, stapfte vorwärts und rief immer wieder laut den Namen ihres Bruders. Jetzt hörte sie Stimmen in den Wohnungen zu ihrer Linken und Rechten. Das Gebäude war alles andere als verlassen, die Bewohner verhielten sich lediglich so ruhig wie möglich. Es ging hinauf ins dritte Geschoss. Laut pochte Noa an eine der Türen. Inzwischen war ihr egal, wen sie damit stören würde und mehr als einmal folgten auf ihr Klopfen wütend nach draußen gerufene Erwiderungen. Die einzige Person die, abgesehen von dem Cathar, wagte die Tür zu öffnen, war ein Rodianer.
“Hört auf, so einen Lärm zu veranstalten!“
Schimpfte er wütend.
“Und macht, dass ihr fort kommt!“
Er ließ den beiden Menschen nicht einmal Gelegenheit, ihr Anliegen vor zu bringen. Deprimiert ließ Noa die Schultern hängen, während sich ein paar Wohnungen weiter unverhofft eine andere Tür öffnete. Ein blond schimmernder Haarschopf lugte um die Ecke herum.
“Psssst, ihr da!“
Überrascht sah Noa auf, spürte neue Hoffnung aufkeimen und bewegte sich zu besagter Wohnung hinüber. Eine junge Humanoide einer menschenähnlichen Spezies, sie war etwa zwei Köpfe kleiner als Noa, sah sich vorsichtig um, scheinbar um sich zu versichern, dass niemand sonst in der Nähe war.
“Ihr sucht jemanden? Einen jungen Mann?“
Wollte sie wissen. Noa fühlte sich, als hätte ihr gerade jemand in den Magen geboxt.
“Ja!“
Bestätigte sie und ratterte noch einmal Leandros Beschreibung herunter.
“Haben Sie ihn gesehen?“
“Nicht direkt.“
Gestand die andere Frau mit leiser Stimme.
“Versuchen Sie es in Stockwerk 9, Nr. IB4. Vielleicht haben Sie Glück.“
Mit einem wissenden Blick nickte sie Noa zu, sah sich noch einmal um und schloss dann ihre Tür so schnell wieder, als fürchtete sie, bei etwas Verbotenem ertappt zu werden. Noa atmete tief aus. Stockwerk 9. Langsam drehte sie sich zu Sheldon herum.
“Mir gefällt das alles überhaupt nicht.“ Stellte sie fest.
Sie setzten ihren Weg nach oben fort und mit jeder weiteren Treppe war Noa ein Stück langsamer geworden. Warum musste auch dieser blöde Lift defekt sein? Viel hatte sich von Etage zu Etage nicht verändert, außer dass ihnen zwischendurch tatsächlich mal jemand auf dem Gang entgegen gekommen war. Noa hatte jedoch davon abgesehen, den finster starrenden Zabrak mit seinem auf den Rücken geschnallten Vibroschwert anzusprechen. Ihr Ziel war erst einmal klar: Stockwerk 9, Wohnung Nr. IB4. Als sie dort endlich angekommen waren, atmete sie tief ein und aus und versuchte, auf alles vorbereitet zu sein, doch war das überhaupt möglich? Letzten Endes wusste sie nicht, was sie erwarten würde. Sie hoffte nur, dass sie Leandro in einem Stück sehen würde. Angesichts der Umgebung und er Leiche im Erdgeschoss war nicht einmal das selbstverständlich.
“Ich hoffe, Sie halten ihre Waffe schussbereit.“
Sagte Noa an Sheldon gewandt, ehe sie zwei kräftig gegen die Tür klopfte. Keine der Wohnungen in diesem Gebäude war mit einem separaten Türsummer versehen. Auf der anderen Seite der Tür regte sich nichts, dafür schlug Noas Herz umso heftiger. Stumm zählte sie die Sekunden von zehn herunter, ehe sie noch einmal klopfte, fordernder diesmal. Und noch mal.
“Hallo?? Ist jemand da?“
Rief sie schließlich und vernahm genau in diesem Moment ein rumpelndes Geräusch direkt hinter der Tür. Automatisch tastete Noa nach ihrer Waffe, zog den Blaster – und schaute im nächsten Augenblick in das hübsche Gesicht einer Zeltron, deren dunkle Augen sie ungeduldig anstarrten. Ihre tiefschwarzen Haare fielen ihr in weichen, voluminösen Wellen über die Schultern. Sie war praktisch nackt, abgesehen von einem dünnen Laken, das sie um ihren schlanken Körper gewickelt hatte.
“Ja, bitte?“
Ihre Stimme war überraschend tief. Noa Chanelle Cortina war für einen langen Moment aus der Bahn geworfen. Sie war auf eine Horde betrunkener Männer vorbereitet gewesen, auf zwielichtige Drogendealer, halluzinierende Junkies, einen Schlägertrupp, sogar darauf, dass sie mitten in eine Falle des Imperiums tappten… jedoch nicht auf eine halbbekleidete Zeltron, die offensichtlich frisch aus ihrem Bett geklettert war – mit wem auch immer sie dort gelegen hatte.
“Ähm. Ja, hallo.“
Unauffällig schob Noa ihre Waffe dorthin zurück, wo sie hin gehörte.
“Sorry wegen der Störung…“
Die Lippen der Journalistin formten ein Lächeln. Sie konnte sich vorstellen, wie ungelegen dieser Besuch kommen musste. Aber es half nichts. Das hier war Nr. IB4 und angeblich sollte Leandro hier sein, oder zumindest jemand, der ihn kannte oder gesehen oder mit ihm gesprochen hatte oder der sonstwie mehr Informationen hatte. Die Möglichkeiten war schier unendlich.
“Die Sache ist die, ich suche meinen Bruder und er soll sich hier irgendwo aufhalten. Du hast ihn vermutlich nicht gesehen, weil du anderweitig beschäftigst bist…na ja, er ist groß und kräftig gebaut, hat dunkle lange Haare, trägt einen Bart…“
Gab Noa zum gefühlten hundertsten Mal ihre Beschreibung ab. Die Zeltron lehnte sich lasziv gegen den Türrahmen, das Laken, das ihre Blöße bedeckte, nur mit einer Hand festhaltend.
“Der Typ kommt mir bekannt vor.“
Raunte sie amüsiert. Noa schien im gleichen Moment ein Stein vom Herzen zu fallen.
“Wirklich? Hast du ihn gesehen? Wo?“
Fragte sie eilig, als aus dem Inneren der Wohnung ein Rufen erklang.
“Baby, alles OK da draußen? Wo bleibst du?“
Noa Chanelle Cortina erstarrte innerhalb einer Zehntelsekunde. Oh nein. Sie kannte diese Stimme. Sie wusste, wem sie gehörte und sie war froh, sie zu hören. Aber nicht hier. Das konnte unmöglich sein. Leandro würde sicherlich nicht... in einer solchen Umgebung...
Den ersten Schock abschüttelnd stürzte Noa an der grazilen Fremden vorbei und hinein in die Wohnung. Der bestürzte Blick der Zeltron sprach Bände.
“Leandro?“
Rief Noa, wandte sich in den Raum rechts von ihr, sondierte die Lage, wandte sich nach links – und dort lag er, ausgestreckt auf einem riesigen Bett, eingerahmt von dicken Kissen. Die Beleuchtung war auf ein Minimum herunter gedreht. Erschreckt fuhr Leandro Cortina in die Höhe.
“Noa? Was zur… oh shit, was machst du hier?“
Entsetzt blickte Noa ihren Bruder an. Leandro war aufgesprungen, hatte von irgendwoher nach seiner Hose gefischt und war nun im Begriff diese anzuziehen. Er war groß, genauso wie sie ihn beschrieben hatte, ein Schrank von einem Mann. Die dunklen Dreadlocks, von der gleichen Farbe wie Noas Haare, reichten bis knapp über seine Schultern. Die Muskeln in seinen Oberarmen waren von beeindruckendem Umfang, sein Bauch ein wohl trainierter Sixpack. Daran hatte die Zeltron sicherlich ihre Freude gehabt.
- Coruscant – Mittlere Ebenen – Megablock 887 – Wohnung IB4 – Mit Cris, Leandro, Zeltron –
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