(Cloé Raquelle Cortina)
- Coruscant – Wohnung der Cortinas – Mit Noa, Cris Sheldon, Leandro, Jesper, Matteo, Thalia, Ricardo, Camille –
Jedes Familientreffen war etwas Besonderes. Früher war es selbstverständlich gewesen, sich jeden Tag zu sehen, miteinander zu essen und Zeit mit Geschwistern und Eltern zu verbringen. Inzwischen waren Cloé und ihre Geschwister alle erwachsen. Jeder von ihnen lebte sein eigenes Leben und Ramón, der Älteste unter ihnen, hatte sogar bereits eine eigene Familie gegründet. Sich jeden Tag zu sehen war längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Das war etwas, das Cloé Raquelle Cortina im Laufe der letzten Jahre gelernt hatte zu akzeptieren und genau aus diesem Grund schätzte sie es, wenn es ihnen dann doch wieder einmal gelang, gemeinsam an einen Tisch zu kommen. Natürlich waren sie an diesem Abend nicht komplett. Während sie das letzte Glas und den letzten Topf vom Tisch im Esszimmer abräumte und in die Küche brachte, fiel ihr Blick im Vorbeigehen auf eines der Fotos an der Wand. Pablo und Ramón waren nicht hier. Wie so oft in den letzten Monaten befand sich Pablo in den unteren Ebenen Coruscants, wo er sich für den Widerstand engagierte und die Geschicke der „Defender“ leitete. Ihre Geschwister waren alle in diese Organisation verstrickt, aber Pablo war mit besonderem Herzblut dabei. Für so etwas fiel es Cloé schwer, Verständnis aufzubringen. Ramón dagegen war im Krankenhaus, arbeitete Spätschicht. Er leistete viele Überstunden und bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen sie ihn sah, hatte er jedes Mal dunkle Ringe unter den Augen. Und trotzdem war er glücklich. Thalia und seine Kinder sorgten dafür. Seine Familie – die große Familie aus der er kam, als auch jene, die er mit seiner Frau gegründet hatte - bedeuteten ihm alles. Aber natürlich kooperierte auch er mit den Defendern. Die Arbeit dort kam noch dazu, um ihn beinahe ständig müde aussehen zu lassen.
“Ich spiel auch mit!“
Die hohe, kindliche Stimme ihres Neffen ließ Cloé sich noch einmal herum drehen, bevor sie durch die Tür in die Küche verschwand. Ramóns Ältester saß neben Noa auf der Couch und fieberte einer Partie Sabacc entgegen, obwohl er dafür noch viel zu jung war und er nicht einmal die Regeln kannte, geschweige denn verstand. Was er konnte war, allen Mitspielern unauffällig in die Karten zu gucken und dann geheime Zeichen zu geben, die zu lesen Noa ziemlich gut war. Wenn sie so im Team gegen Leandro spielten, hatte sogar sie eine Chance zu gewinnen. Thalia folgte Cloé in die Küche und scheuchte sie auch sogleich wieder heraus.
“Lass mich übernehmen, du hast schon genug gemacht.“
Sagte sie, womit sie zweifelsohne Recht hatte. Cloé ließ sich nicht zweimal bitten. Sie liebte es zu kochen, aber sie hatte nichts dagegen, wenn das Aufräumen jemand für sie übernahm.
“Bin schon weg.“
Erwiderte sie grinsend. Jesper hatte seinen Stuhl etwas vom großen Esstisch abgerückt, um sich mehr Beinfreiheit zu verschaffen. Er war kein Spieler und schaute der Partie Sabacc, die im Begriff war zwischen Noa, Leandro und Cris Sheldon zu starten, nur beiläufig interessiert zu. Cloé trat von hinten an ihn heran und legte ihm die Arme um den Hals. Sie wusste noch nicht recht, was sie von diesem Sheldon halten sollte. Er war sehr zurückhaltend und hatte sich beim Essen kaum an den Gesprächen beteiligt. Fast wirkte er ein wenig klischeehaft: ein stiller, schweigsamer Mann wie aus dem Holo-TV, der besser mit seinem Blaster umgehen konnte als mit Worten.
“Komm, setz dich.“
Jesper streckte seine Hand nach ihr aus und zog Cloé zu sich nach vorne, auf seinen Schoß hinunter. Seine warme Hand legte sich auf die nackte Haut in ihrem Rücken und ein wohliges Gefühl durchzog ihren Körper, angefangen von ihren Schulterblättern bis hinunter in ihre Zehenspitzen. Sie war müde und sie freute sich auf ihr Bett, aber sie wollte den Abend noch ein wenig genießen.
“Dad, Jesper hat die Karten übrigens besorgt.“
Fiel ihr ein zu sagen, als sie nach ihrem Weinglas langte. Matteo Cortina machte ein überraschtes Gesicht. Er hatte Klein-Camilla auf seinen Schoß gezogen, die müde mit einem Stofftier spielte.
“Oh, das ist toll, damit hatte ich fast nicht gerechnet.“
Erwiderte er. Cloé schüttelte den Kopf.
“Ich auch nicht. Es war aber auch sehr knapp. Inzwischen ist alles restlos ausverkauft.“
Jesper hatte ihnen Karten zu einer Lichtshow organisiert, die an nur drei Abenden im zentral gelegenen Wal’baran Stadion stattfinden würde. Die Show hatte schon im Vorfeld große Effekte und tolle Bühnenarbeit versprochen und Cloé freute sich, die Gelegenheit zu haben, sie sich ansehen zu können. Sie würden zu dritt dorthin gehen, Cloé, ihr Vater und Jesper. Ihr Blick wanderte zurück zu der kleinen Gruppe in der Sitzecke. Leandro hatte sich inzwischen in einen der Sessel geworfen und Sheldon einen Platz ihm gegenüber angeboten, während Noa und Ricardo, der noch immer damit beschäftigt war die Karten zu mischen, auf dem Sofa hockten. Da Ricardo jedoch angekündigt hatte, in Leandros Team zu spielen – eine falsche Fährte, wie Cloé wusste, da er in Wirklichkeit gemeinsame Sache mit Noa machte – würde er sich gleich zu seinem Onkel setzen. Es war ein schönes Bild, nur dass dieser Sheldon nicht ganz hinein passte. Noa und er siezten sich, was zwangsläufig dazu geführt hatte, dass auch alle anderen es getan hatten und man entsprechend distanziert im Umgang miteinander geblieben war. Die Beiden kannten sich nicht wirklich gut und alles was Cloé wusste war, dass er für den Geheimdienst der Neuen Republik arbeitete, dass er Noa geholfen hatte Leandro zu suchen und ihn aus einer misslichen Lage heraus zu holen und dass er – natürlich, was auch sonst – den Defendern half. Außerdem hatte er seine leiblichen Eltern nie kennen gelernt und demzufolge auch keine Ahnung, ob er irgendwo in dieser Galaxis noch einen Bruder oder eine Schwester hatte. Dies hatte er selbst auf eine recht harmlose Frage während des Essens erklärt. Jesper hatte begonnen ihren Nacken zu kraulen und Cloé nippte an ihrem Wein. Über kurz oder lang würde sich Noa in Sheldon verlieben, so wie sie es immer tat. Warum konnte sie sich nicht einmal, nur ein einziges Mal, einen ganz normalen Mann aussuchen? Einen Mann mit einem seriösen, bodenständigen Job, einer der in einem Büro arbeitete oder im öffentlichen Dienst. Einer, der nicht wusste, wie man eine Schusswaffe bediente, der Drogen nahm oder Frauen schlug. Cloé seufzte und Jesper lächelte ihr zu. Von tiefer Liebe zu ihm erfasst beugte sie sich zu ihm und küsste ihn. Es würde nichts werden zwischen Noa und Cris Sheldon. Vielleicht würden sie für eine kurze Zeit miteinander anbandeln, das war nichts Neues, aber am Ende würde er ihr das Herz brechen, so wie alle anderen Männer seines Kalibers vor ihm.
- Coruscant – Wohnung der Cortinas – Mit Noa, Cris Sheldon, Leandro, Jesper, Matteo, Thalia, Ricardo, Camille –