Coruscant

[Hyperraum nach Coruscant, Passagiertransporter „Obedient Servant“, Reinigungskabine]- Cris

Ein wenig beißend prasselte das kalte Wasser auf Cris hinab, lief an seinem Körper hinunter und sammelte sich auf dem schmutzigen Boden, um schließlich durch einen Abfluss wieder in das Wasserverwertungssystem der Obedient Servant, einem Passagiertransporter ähnlich der High Hopes, zu gelangen und nach der Aufbereitung irgendjemand anderem auf den Kopf zu rieseln, der bereit war, die Credits zu bezahlen, die man für das benutzen der engen und schmutzigen Reinigungskabinen an Bord des Schiffes zu entrichten hatte.

Schließlich trat er aus der unmittelbaren Kabine in den nicht weniger engen, durch eine von innen verschließbare Tür vom angrenzenden Korridor getrennten Vorraum und griff sich ein Handtuch aus dem vorgesehenen Fach, das offenbar bereits eine ganze Reihe automatischer Reinigungszyklen hinter sich gehabt hatte, um sich abzutrocknen. Es waren mittlerweile bereits viele Stunden vergangen, seit er die High Hopes auf Zeltros verlassen und seine republikanische gegen seine gefälschte ID getauscht hatte um eine Passage auf einem Schiff nach Coruscant zu buchen, nicht ohne vorher einen Betrag republikanischer Credits bei einem schmierigen Geldwechsler zu Wucherkursen in imperiale Währung zu tauschen.

Die Obedient Servant war, wenn überhaupt möglich, noch trostloser als die High Hopes. Wie die Reinigungskabine bestand auch der Rest der Inneneinrichtung des Passagierschiffes aus nacktem Metall, ohne irgendwelche Akzente, die der optischen Verschönerung oder gar gesteigerter Bequemlichkeit für die Passagiere gedient hätten. Trotzdem hatte der Transfer nach Coruscant Cris mehr gekostet als der von Lianna nach Zeltros, inklusive der Summe, die er in das Abwaschen der Spuren seiner langen Reise in dieser Reinigungskabine investiert hatte. Nach dem Abtrocknen war das silberne Medaillon der erste Gegenstand, den er aus seinem Koffer holte und vorsichtig umlegte, sorgsam darauf bedacht, dass der Verschluss vernünftig zuschnappte, bevor er in die zweite Garnitur Kleidung schlüpfte, die gerade so in den kleinen Koffer gepasst hatte und sich schließlich die abgewetzte, schwarze Jacke überzog, in deren Innentasche er die Credits und die eine ID aufbewahrte, die er derzeit benutzte. Als er die Kabine dann entriegelte und verließ wäre er beinahe mit einem Mann in der Uniform der Betreibergesellschaft des Schiffes zusammengestoßen, der ihm einen mürrischen Blick zuwarf.


„Wird aber auch Zeit. Wir sind gleich aus dem Hyperraum raus.“

Cris schaffte es, dem Mann in seiner schmutzigen, schlecht sitzenden Kleidung (die in ihrem Schnitt wohl vage an die der imperialen Flotte erinnern sollte, obgleich sie dunkelblau war) ein neutrales Nicken zu gönnen und orientierte sich dann in Richtung des zentralen Ausgangsbereich des Schiffes, wo sich jene Schotts befanden, aus denen sie schließlich auf Coruscant in den Raumhafen gelangen würden. Er fragte sich, ob es wohl zufälligerweise jener Raumhafen sein würde, in dessen Nähe sich Noas Appartement befand.

Der Rücksprung in den Normalraum erfolgte für jeden der Passagiere, die mit Cris auf die Landung warteten, deutlich fühlbar in Form eines starken Erzitterns des Schiffsrumpfes, gefolgt von einer barschen Durchsage des Schiffskapitäns, der jeden Anwesenden daran erinnern, dass sie nun imperiales Hoheitsgebiet erreichten und sich entsprechend zu verhalten hatte. Mühsam unterdrückte Cris einen leichten Anflug von Nervosität. Bisher war alles glatt verlaufen – doch wenn irgendwo Komplikationen auftreten würden, dann hier.

Das Kreischen von Metall auf Metall ließ nicht nur den ehemaligen Sturmtruppler die Zähne zusammenbeißen, als das Schiff anscheinend irgendwo andockte, bevor sich schließlich die Schotts öffneten und die Passagiere von den missgelaunten Crewmitgliedern der Obedient Servant recht deutlich dazu aufgefordert wurden, diese in die dahinter liegende Halle zu durchschreiten. In dieser befanden sich Unmengen von Gestalten unterschiedlichster Spezies, die sich lautstark unterhielten, stritten, sich mit ihrem Gepäck abmühten und sich schließlich in mehrere Schlangen einreihten, die durch metallene Absperrgitter geleitet an das Ende der Halle geführt wurden – zur Zollkontrolle. Nur mit seinem leichten Koffer schaffte Cris es schnell, sich durch die Menge zu arbeiten und an eine der recht zügig abgewickelten Schlangen anzuschließen. Jetzt fiel sein Blick zum ersten Mal auf die imperialen Zollbeamten, deren Uniformen bedeutend besser saßen als die der Crew auf der Obedient Servant, und die aus ihrer Verachtung für die hier mit den billigsten Flügen strandenden Menschen und Nichtmenschen keinen Hehl machten. Cris bemühte sich darum, sich nichts anmerken zu lassen, als er sah, wie in der Schlange neben ihm ein Twi’lek nicht durchgewunken, sondern von weiteren, hinter den Kontrollen warteten Zollbeamten abgeführt wurde. Ob er konkreten Verdacht erregt oder lediglich Opfer einer Stichprobe war ließ sich nicht sagen.

Dann stand Cris selbst vor einem der Zollbeamten, der ihn einer kritischen Musterung unterzog. In der rechten Hand hielt der Mann den ID-Kartenleser, seine Linke ruhte auf einem neben seiner Blasterpistole und einem Paar Lähmhandschellen an seinem Uniformgürtel befestigten Schockstab.

„ID?“

Möglichst gelassen reichte Cris dem Beamten die Karte, die dieser routiniert in sein Lesegerät einführte. Kurz darauf ertönte ein bestätigendes Piepsen.

„Dolan Nort. Von New Holstice.“

„Ja, Sir.“


„Bestätigte Abreise von Zeltros…“

„Ein wenig Unterhaltung, Sir.“

Cris bemühte sich um ein Lächeln, erntete jedoch lediglich ein noch stärkeres Verengen der Augen des Zollbeamten, dessen Blick nun für einen Moment auf seinem Koffer ruhte. Dann nahm er die ID wieder aus dem Lesegerät – doch anstatt sie Cris zurückzugeben, winkte er damit zweien seiner Kollegen. Diese trugen ihre Schockstäbe indes nicht am Gürtel, sondern einsatzbereit in der Hand.


„Der da.“

Der Zollbeamte winkte bereits die Person hinter Cris in der Schlange heran, während er seinem einen Kollegen noch Cris‘ ID aushändigte und der zweite ihm grob den Koffer wegnahm, bevor er Cris mit seinem – noch deaktivierten – Schockstab vor sich her stieß, sodass er dem Beamten mit der ID folgen musste. Cris zwang sich, weiter gelassen zu wirken und ruhig zu atmen. Eine Routinekontrolle. Nichts weiter.

Die beiden Imperialen führten Cris ein einen engen, schummrig beleuchteten Raum ohne Fenster, in dem sich lediglich ein metallener Stuhl – genauer Schemel – und ein ähnlich steril wirkender Tisch befanden. Zudem fiel seinem geschulten Auge sofort die Überwachungskamera schräg über der Tür auf.


„Bitte um Verzeihung, Sirs… aber gibt es ein Problem?“


Ein leises Knistern war alles, was ihm als Vorwarnung gegönnt wurde. Plötzlich fuhr der Zollbeamte vor ihm herum und rammte Cris den mittlerweile aktivierten Schockstab mit voller Wucht in die Magengrube. Er hatte keine Chance gehabt, auch nur seine Bauchmuskulatur anzuspannen, und ging mit einem schmerzerfüllten Stöhnen in die Knie, aus tränenden Augen die Hand seines Peinigers anstarrend, die den Schockstab bereits wieder so locker hielt, als wäre nichts passiert.


„Schnauze. Du redest nur, wenn wir dich was fragen.“

Der zweite Beamte hatte die Tür hinter der Gruppe geschlossen und legte nun Cris‘ Koffer auf dem Tisch ab, den Verschluss aufmerksam studierend.

„Fingerabdruckschloss, Sten, sagte er.

Wieder ohne Vorwarnung verpasste der Andere dem immer noch knienden Cris einen weiteren Schlag.


„Haben wohl was zu verheimlichen, hm? Aufmachen.“

Cris gehorchte, so gut es eben ging. Durch den Schlag in den Magen war ihm übel und als er sich aufrappelte, schien sein Sichtfeld kurz vor ihm zu verschwimmen.

„Nur… eine Sicherheitsmaßnahme…“, keuchte er.

„Gegen Diebe.“


Die Belohnung war eine erneute elektrische Entladung, dieses Mal in seinen Rücken.


„Maul halten und aufmachen.“

Er musste das verängstigte Zittern eines in die Enge getriebenen Zivilisten nicht einmal spielen – dafür sorgte die Nachwirkung der Schläge mit dem Schockstab – und öffnete gehorsam den Koffer, über den sich der Zollbeamte, der ihn geschlagen hatte, aufmerksam beugte.


„Durchsuch ihn“, befahl er seinem Kollegen, während er den spärlichen Inhalt des Koffers durchwühlte.

Der andere Beamte drängte Cris an die Wand des engen Raumes, riss ihm seine Jacke herunter und begann damit, ihn abzutasten. Aus dem Augenwinkel konnte der ehemalige Sturmtruppler beobachten, wie sein Kollege das Comlink in der Hand hielt und eingehend studierte. Der ihn durchsuchende Imperiale hatte indes etwas gefunden.


„Was ist das?“

Sein deaktivierter Schockstab tippte gegen Cris‘ Brustkorb, dorthin, wo er den Widerstand des Medaillons gespürt haben musste.

„Schmuck.“


„Ach ja? Rausholen.“

Zähneknirschend folgte Cris auch dieser Aufforderung und präsentierte das Medaillon dem Zollbeamten, der es ihm daraufhin grob aus der Hand riss, sodass die Kette beinahe zersprang, sich dann aber doch nur unangenehm in Cris‘ Nacken grub. Als der Imperiale den Deckel öffnete und Noas Haarlocke darunter zum Vorschein kam, kostete es ihn alle Anstrengung, den Impuls zu unterdrücken, der uniformierten Gestalt an die Gurgel zu gehen. Er würde es wahrscheinlich schaffen, sie beide in recht schneller Abfolge zu töten, doch das würde natürlich denjenigen auf den Plan rufen, der den Raum durch die Überwachungskamera beobachtete. Keine Option.

Der Beamte lachte indes nur dreckig.


„Wie niedlich. Von einer der Hu r en auf Zeltros?“

Er zog Cris an der Kette ein Stück in Richtung des Kollegen, um diesem das Medaillon zu zeigen.

„Schau dir das an, Sten… was für ein Waschlappen.“

Immerhin schloss er das Medaillon daraufhin wieder und schleuderte es zurück an Cris‘ Brust, wo es abprallte und an der Kette baumelte.


„Hast du was gefunden?“

„Nein“, entgegnete der andere, widerwillig. Er hatte das Geheimfach im Koffer nicht gefunden, was Cris indes nicht überraschte – es ließ sich nur öffnen, wenn der Fingerabdruck des Besitzers in einer speziellen Abfolge vom Schloss wahrgenommen wurde. Das, oder man musste einen Techniker anheuern, der sich das Sicherungssystem des Koffers vornahm.

„Der ist sauber.“

„Schön für ihn.“

Natürlich durfte Cris seinen durcheinandergeratenen Koffer selbst wieder packen und seine Jacke selbst von dort aufheben, wo der Zollbeamte sie hingeschleudert hatte, doch schließlich eskortierten die beiden ihn aus dem Verhörbereich hinaus zurück in die Eingangshalle des Raumhafens, wo sie ihn ohne einen weiteren Kommentar wieder verließen.

Sein erster Weg führte Cris hin in die öffentlichen Erfrischungszellen des Gebäudes, wo er seinen Koffer abstellte, sich einen Schwall Wasser ins Gesicht spritzte und schließlich vor dem kleinen Spiegel mit heraufgezogenen Hemd versuchte, die Stelle zu erkennen, an der der erste Schlag in getroffen hatte. Es tat immer noch höllisch weh und tatsächlich erkannte er einen bösartigen, fast schwarzen Fleck an der Stelle, an der der Stab sich fast in seinen Körper gebohrt hätte.

Mühsam stützte Cris sich auf die Aufbauten vor ihm. Er war jetzt auf Coruscant. Das war alles, was zählte.


[Coruscant, Raumhafen, Erfrischungszelle]- Cris
 
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- Coruscant – City – Café Blanche – Mit Rufus -

Peinliche Stille trat ein, als sich Jesper aus dem Staub gemacht hatte. Noa konnte noch immer nicht glauben, dass er sie hier mit seinem Arbeitskollegen alleine hatte sitzen lassen. Sie fragte sich, wann er und Cloé diesen Plan wohl geschmiedet hatten. Wann hatten sie beschlossen, Noa heimlich zu verkuppeln, an dem Abend von Amicas Verlobungsfeier, als Noa kurzfristig doch nicht mitgekommen war, obwohl sie schon fertig angezogen und zurecht gemacht gewesen war? Im Grunde war es auch egal. Alleine die Tatsache, dass sie hinter Noas Rücken einen Typen aufgetrieben und ihn vermutlich angefleht hatten, sich mit Cloés alleinstehender Schwester zu treffen, war schlimm genug. Rufus musste sie für einen hoffnungslosen Fall halten.

„Hör zu, wir müssen das nicht machen, wenn du nicht willst.“

Er war nett genug, ihr die Möglichkeit zu geben, das ungewollte Date zu beenden. Eigentlich sollte sie sofort aufstehen und gehen. Sie sollte nach Hause fahren, oder noch besser zu Cloé ins Büro und ihr sagen, was sie von ihrer Einmischung hielt. Noch war Noa nämlich gut selbst in der Lage, sich einen Mann zu angeln! Cloés Problem war bloß, dass sie mit Noas Wahl nicht einverstanden war, aber das war wirklich ihr Problem.

“Ich will das eigentlich wirklich nicht.“

Sagte Noa ehrlich.

“Aber wenn wir schon mal hier sind...“

Sie sah Rufus zum ersten Mal richtig an. Er hatte dunkle Haare, die ihm fransig über die Ohren hingen, für einen Coruscanti ungewöhnlich dunkle Haut – auf diesem Planeten hatte man normalerweise nicht viel Gelegenheit, in der Sonne zu liegen und sich zu bräunen – und dunkle, schmale, aber sehr freundliche Augen. Sie mochte außerdem den entspannten Zug um seinen Mund herum und das halbe Lächeln, das auf seinen Lippen tanzte, auch ohne dass es gerade etwas zu lachen gab. Nein, witzig war die Situation wirklich nicht.

“Wie wäre es mit einem Drink? Einfach so, ohne besondere Ewartungen daran zu knüpfen?“

Schlug er vor. Noa nickte.

“Einverstanden.“

Einen Drink und dann würde sie Cloé und Jesper ihre Meinung geigen.

“Also, wie lange macht ihr schon zusammen Musik, du und deine Kumpels?“

Fragte sie und nahm damit den Gesprächsfaden wieder auf, der sich ergeben hatte, als Jesper noch anwesend gewesen war. Rufus lehnte sich zurück und kratzte sich am Hals.

„Hmm, keine Ahnung. In der Konstallation... drei Jahre oder so.“

“Und du spielst welches Instrument?“

„Ich bin der Drummer. Magst du die Musikrichtung?“

Mit einem Zeichen winkte er einen der vorbei kommenden Kellner zu sich, fragte Noa nach ihrem Wunsch und orderte zwei Gläser für sie. Die Journalistin lächelte.

“Ja, so lange sie laut genug ist.“

Antwortete sie scherzhaft und begann, sich trotz aller Tricksereien, die sie überhaupt erst hierher gebracht hatten, wohl zu fühlen. Mit Rufus zu sprechen war einfach. Er schien ein sehr ungänglicher Typ zu sein.

“Aber neben der Musik, die du nur als Hobby betreibst... bist du wirklich Jespers Arbeitskollege, oder?“

Wollte sie wissen. Nicht, dass das auch noch eine Lüge gewesen war. Rufus lachte herzhaft.

„Ich kann dein Misstrauen gut verstehen und es tut mir Leid, dass wir dich hinter's Licht geführt haben. Jesper hat mich gefragt, ob ich zur Zeit jemanden sehe und ob ich Interesse hätte, mich mit der Schwester seiner Freundin zu treffen. Er war der Meinung, wir hätten vielleicht ein paar Dinge gemeinsam, obwohl er mich gewarnt hat, dass du womöglich nicht unbedingt begeistert wärst. Und ja, ich arbeite wirklich mit Jesper zusammen, allerdings nicht im Verwaltungsbereich, wie er. Ich arbeite in der Küche – angehender Koch.“

“Koch? Oh!“

Noa hob überrascht beide Augenbrauen. Einen Koch als Mann zu haben konnte diverse Vorteile mit sich bringen: nie mehr Fertiggerichte! Man konnte jeden Tag zu einer warmen, exklusiven Mahlzeit nach Hause kommen, ohne dass man auch nur das Geringste dafür tun musste. Es war so, als würde man mit Cloé zusammen wohnen. Jesper hatte es wirklich gut. Er hatte diesen Luxus jeden Tag. Es schien, dachte Noa, als wäre Rufus ein echter Fang. Er sah gut aus, war Musiker und konnte noch dazu eine Frau mit den schönsten Gerichten verwöhnen. Wenn er dazu noch gut im Bett war, waren so gut wie alle Wünsche erfüllt. Noa grinste in sich hinein. Mehr konnte Frau wirklich nicht verlangen. Als sie sich weiter unterhielten stellte sich heraus, dass Rufus zudem auch noch richtig sympathisch war. Jesper hatte noch nie von ihm als Arbeitskollegen erzählt, was sie wunderte, aber vermutlich überschnitten sich ihre Arbeitsbereiche einfach kaum, sodass sie wenig miteinander zu tun hatten. Der Nachmittag verging wie im Flug, aus einem wurden zwei Drinks und schließlich sogar drei Drinks und Noas Ärger auf ihre Schwester und deren Freund verflog. Sie hatten es immerhin gut gemeint und, auch das musste man ihnen lassen, Noas Geschmack sogar tatsächlich getroffen. In einen Typen wie Rufus konnte sich Noa problemlos verlieben. Er war witzig, gesprächig, hörte die gleichen Bands wie Noa und liebte die Swoop-Meisterschaften. Doch das Beste an ihm war, dass er auf Coruscant lebte. Er war hier, in direkter Nähe, arbeitete sogar mit ihrem Schwager zusammen. Nichts war einfacher, dachte Noa, als sich auf ihn einzulassen.Dummerweise nur hatte es, trotz aller seiner Vorzüge, nicht im Mindesten „Klick“ bei ihr gemacht. Sie bedankte sich für den Nachmittag, als sie schließlich zahlten.

“Sag mir Bescheid, wenn ihr mal irgendwo einen Gig habt“

„Klar, warum nicht.“

Ungezwungen reichte Rufus ihr zum Abschied die Hand.

„Ich hab' das Gefühl, es war nicht ganz schrecklich mit mir, oder? Bitte sag, dass es nicht schrecklich war.“

Er brachte Noa zum Lachen.

“Es war nicht schrecklich.“

Antwortete sie.

“Es war gut, sehr gut sogar. Allerdings habe ich nicht unbedingt irgendwo... Funken fliegen sehen oder so. Und du?“

„Nein.“

Rufus stimmte in ihr Lachen ein.

„Also bis irgendwann mal?“

Aufrichtig lächelnd nickte Noa.

“Bis irgendwann mal.“

Sie hatte ihr Speederbike nicht weit vom Café Blanche abgestellt und überlegte, noch während sie auf dem Weg dorthin war, wohin sie als nächstes fahren würde. Ihre Lust, Cloé die Meinung zu sagen, war ziemlich geschwunden. Es war viel effektvoller, glaubte sie, sich gar nicht zu melden. Cloé und Jesper würden Zuhause sitzen und sich fragen, wie der Nachmittag gelaufen war. Sie würden nur darauf warten, dass Noa ihnen erzählte, ob das Date ein Erfolg gewesen war oder nicht. Noa aber würde es gänzlich anders machen. Sie würde die beiden am langen Arm verhungern lassen. Das hatten sie jetzt davon.

- Coruscant – Obere Ebenen – City -
 
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- Coruscant – City –Raumhafennähe -

Auf dem Weg nach Hause erledigte Noa zuerst noch einige Einkäufe. Wie fast immer war ihr Kühlschrank leer, das wusste sie auch, ohne dass sie dies vorher überprüfen musste. Sie hatte ihr Bike bereits in ihrem Wohnblock abgestellt und war dann noch einmal zu Fuß in eines der nahe gelegenen Einkaufszentren gegangen, wo sie ein paar gesunde Zwischenmahlzeiten gekauft hatte, leckere Köstlichkeiten die darüber hinweg trösten würden, dass man sich eigentlich viel lieber mit Bergen von Süßkram voll stopfen wollte, sich diese jedoch verkniff. In ihrer momentanen Diät war Noa überraschend eisern und dizipliniert. So sehr zurück gehalten hatte sie sich zuletzt vor zwei Jahren. Mit einer mittelgroßen Vorratsbox beladen verließ sie das Einkaufszentrum und lief den kurzen Weg zurück zu ihrem Wohnblock. Mittlerweile, sie hatte sich während dem Einkaufen ordentlich Zeit gelassen, war es schon früher Abend. Cloé musste auch längst Zuhause sein und saß sicherlich auf heißen Kohlen, weil Noa sich nicht meldete. Letztere aber war fest entschlossen, heute keinen Piep mehr von sich zu geben. Sie hatte letztendlich einen wirklich guten Nachmittag gehabt. Die Ablenkung hatte sogar ausgesprochen gut getan, so viel musste sie zugeben, und Rufus war ein toller, netter Typ. Er war sympathisch, charismatisch und noch dazu Musiker – eigentlich genau Noas Typ. Musikern, speziell Rockstars, hatte sie noch nie widerstehen können. Sie musste nur an Box Gil denken und das Wasser lief ihr bereits im Mund zusammen. Nichts wäre logischer gewesen, als dass sie sich auf den ersten Blick und spätestens nach seinen ersten Worten, in Rufus verguckt hätte. Warum also hatte sie es nicht getan? Die Antwort war denkbar simpel: Noa Chanelle hatte ihr Herz bereits anderweitig verschenkt.

Die ersten Stockwerke über hatte sich Noa den Lift mit einem Rodianer-Paar aus der siebten Etage geteilt, deren Kleider streng nach Alkohol und Schweiß gestunken hatten. Cloé hatte Recht, dachte sie, als sie endlich in ihrem eigenen Stockwerk angelangt war, niemand der noch ganz richtig im Kopf war, wohnte freiwillig in diesem Gebäude und vielleicht war Noa auch nicht ganz sauber, aber trotz allem gefiel es ihr hier nach wie vor. Ihre Wohnung bot nicht viel, aber es war ihre Wohnung und sie bezahlte sie von ihrem selbst verdienten Geld. Irgendwann würde sie sich etwas Besseres leisten können, aber bis es so weit war, blieb sie hier. Die Fahrstuhltüren öffneten sich vor ihr und Noa hob die Vorratsbox mit ihren Einkäufen vom Boden, die sie abgestellt hatte um ihren Armen eine Pause zu gönnen. Voll beladen trat sie auf den Gang hinaus, hielt mit der linken Hand die Box an Ort und Stelle und tastete mit der rechten Hand bereits in ihrer Jackentasche nach ihrer Keycard. Zuerst erschien im Gang alles wie immer. Es war recht dunkel, da mindestens jede zweite Deckenleuchte defekt war, hier und da lag Müll auf dem Boden und an den Wänden war an mehreren Stellen der Putz aufgeplatzt. Es schien nichts seltsam zu sein, wäre da nur nicht die Gestalt gewesen, die genau vor Noas Wohnung auf dem Boden hockte, neben ihrer Tür, den Rücken an die Wand gelehnt, die Beine angezogen und den Kopf in den auf den Knien abgelegten Armen vergraben. Im ersten Moment blieb Noa stehen. Der, der dort saß, war niemand den sie kannte, auch wenn es schwer war, im schummrigen Licht des Abends etwas zu erkennen. Langsam näherte sie sich ihrer Wohnung. Auch in den Oberen Ebenen gab es Orte, an denen Vorsicht geboten war. Dies war zwar ihr Zuhause, dennoch war es ein genau solcher Ort. Erst als mit jedem Schritt die Konturen klarer wurden, begann Noa schließlich zu erkennen, was – und wer – sie erwartete.


“Will?“

Noas Stimme schallte über den Flur und der imperiale Soldat sah auf. Er war es tatsächlich. Die Vorratsbox umklammernd kam Noa auf ihn zu. Jetzt, wo sie fast direkt vor ihm stand, konnte sie auch die Farbe seiner Uniform erkennen. Warum fühlte sich nur niemand verantwortlich, diese verdammten Leuchten im Korridor auszutauschen?

“Was machen Sie hier?“

Er sah furchtbar aus, nicht weil er zusammen geschlagen worden wäre oder ähnliches (obwohl Noa sich gut vorstellen konnte, dass genau das passieren würde, sollte irgendjemand von ihren Freunden oder ihrer Familie erfahren, dass er hier war), sondern weil sein Gesicht schmerzerfüllt war von Dingen, die ihm Sorgen bereiteten. Er war inzwischen aufgesprungen, stand fast so stramm, als wolle er jeden Moment vor ihr salutieren. Verflixt nochmal, hatte er niemand anderen, mit dem er sprechen konnte? Wie lächerlich war das?! Deprimiert sah er sie an.

„Kann ich rein kommen?“

Scharf zog Noa die Luft ein. Im Gang war niemand außer ihm und ihr.

“Na schön, von mir aus.“

Sie hatte sich auf einen ruhigen Abend gefreut, geplant ihre leckeren Einkäufe zu verputzen und sich eine romantische Schnulze im Holo-TV anzusehen, während sie es sich auf der Couch gemütlich machte. Nachher wollte sie vielleicht noch weg gehen, wenn es spät genug und in den Clubs was los war. Will Echo aber machte ihr mal wieder einen Strich durch die Rechnung, was auch längst nicht das erste Mal war. Eifrig nahm er ihr die Vorratsbox ab, um sie für Noa nach drinnen zu tragen. Mit gemischten Gefühlen ließ sie ihn wieder einmal in ihre Wohnung. Sie hatte mittlerweile keine Angst mehr, dass eine Gefahr von ihm ausgehen könnte, jedenfalls nicht, so lange er nicht wusste, wer sie wirklich war. Er hatte einmal angedeutet, dass er es wisse, doch sie glaubte ihm nicht. Im Grunde war er nichts weiter als ein einfacher junger Mann, der sich zufällig dem Dienst unter dem Imperium verschrieben hatte. Er hatte vermutlich nicht eimal einen Plan, was das eigentlich bedeutete. Die Tür schloss sich hinter ihnen und nach einem Moment des Zögerns brachte er die Box hinüber zur Küche, um sie dort abzustellen. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, zog Noa ihre Jacke aus.

“Wollen Sie drüber reden?“

Fragte sie, nicht gerade in ihrem hilfsbereitesten Tonfall. Wer sich ausheulen wollte, war bei Noa nicht unbedingt an der richtigen Adresse. Sie konnte zuhören, hatte aber längst nicht für alles Verständnis. Besonders sensible Leute konnten sich leicht vor den Kopf gestoßen fühlen. Dafür war sie aber ehrlich.

„Ja, gerne. Kann ich... etwas zu Trinken haben?“

Auch das noch. Noa nickte und dirigierte Will, sich zu setzen. Mit einem Glas Wasser schloss sie sich ihm an, nahm neben ihm auf der Couch Platz und sah ihn an.

“Also?“

Die Erwartung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Will Echo wandte den Blick ab. Es fiele ihr leichter, mit ihm zu sprechen, dachte Noa, trüge er nicht diese unsägliche Uniform, aber das war vermutlich Pflicht für ihn. Hoffentlich hatte ihn nur niemand hier gesehen.

„Es ist meine Freundin. Joelle.“

Will sah sie an, die Augen voller Tränen.

„Sie hat Schluss gemacht.“

Die Worte standen zwischen ihnen im Raum und Noa klappte erstaunt der Mund auf. Was hatte sie getan, fragte sie sich, dass dieser junge Mann genug Vertrauen in sie hatte, mit seinen Beziehungsproblemen zu ihr zu kommen? Er kannte nicht mehr als ihren Namen und ihre Adresse und sie wusste nichts über ihn, außer dass sie ihn eigentlich hätte hassen sollen, weil er auf der falschen Seite stand! Es dauerte, bis sie reagierte und erst, als Will doch wieder vorsichtig den Blick hob, verstand sie, dass er auf etwas von ihr wartete. Sie befeuchtete sich die Lippen mit der Zunge.

“Ähm... Joelle?“

Hakte sie nach, in der Hoffnung, mehr Informationen zu erhalten. Er musste nicht zweimal aufgefordert werden, mehr zu erzählen.

„Ja. Joelle. Sie ist die schönste, liebenswerteste Person, die man sich vorstellen kann. Wenn Sie sie kennen würden...“

Er machte eine Pause, schüttelte den Kopf und trank einen Schluck Wasser.

„Wir mussten uns voneinander verabschieden, als ich mich beim Imperium eingeschrieben habe. Es war nicht meine Idee, wissen Sie. Meine Eltern haben darauf gedrängt. Wäre es meine Entscheidung gewesen, ich wäre Zuhause geblieben und hätte Joelle zu einer ehrbaren Frau gemacht.“

Seine ernsten Worte, so traurig sie auch klangen, hatten etwas entschlossenes an sich. Noa zog die Beine auf die Couch.

“Zuhause? Wo ist das?“

Wollte sie wissen.

„Alderaan.“

Will Echos Stimme sang beinahe.

“Und dort ist sie noch? Joelle?“

Eine Fernbeziehung. Noas Herz zog sich zusammen.

„Ja.“

Verständnis kam oft erst dann, wenn man eine Situation nachfühlen konnte und wenn man begann, zu verstehen. Leise tickend verstricken die Sekunden und Noas Eispanzer begann zu schmelzen.

„Wir haben uns kennen gelernt, als wir fühnfzehn waren.“

“Wie alt sind Sie jetzt?“

„Zwanzig. Es war Liebe auf den ersten Blick. Wir haben alles gemeinsam gemacht, von der ersten Sekunde an. Joelle ist wunderbar. Sie ist von allem fasziniert, liebt Geschichten und Musik und malt die atemberaubensten Landschaften, selbst wenn sie nur drei Farben zu Verfügung hat!“

Wills Augen leuchteten. Er war um einige Jahre jünger als Noa, doch in seinen Worten und seiner Stimme lang die Sicherheit einer ganz großen Liebe.

„Ich wollte sie heiraten. Bevor ich gehen musste, habe ich ihr einen Antrag gemacht. Sie sagte Ja.“

Er senkte den Blick hinab auf das Glas in seinen Händen. Es zitterte leicht. Noa wagte kaum, ihn anzusprechen.

“Aber jetzt will sie nicht mehr?“

Fragte sie vorsichtig. Stumm schüttelte Will Echo den Kopf.

„Sie kann nicht.“

Flüsterte er.

„Wir haben uns seit einem Jahr nicht mehr gesehen. Wie soll sie wissen, dass sie mich noch immer liebt, schreibt sie, wenn sie nicht weiß, ob wir noch immer zusammen lachen können?“

Hilflos zuckte der mit den Schultern und obwohl er den Blick abgewandt hatte, wusste Noa, dass er weinte. Sein Anblick schnürte ihr die Kehle zu. Was sollte sie sagen zu einem Mann, der von seiner Frau verlassen wurde, weil die Distanz zwischen ihnen zu groß geworden war? War sie nicht selbst diese Frau? Sie teilte Joelles Bedenken, während sie zögerte, sich auf Cris Sheldon einzulassen. Es waren die selben Ängste, die selben Sorgen und doch dachte sie, während sie Wills Herz brechen fühlte, dass er eine Chance verdiente. Er verdiente es, dass Joelle ihm zur Seite stand, dass sie an ihn glaubte. An sie beide.

“Will.“

Noa schluckte.

“Sie müssen um sie kämpfen. Lassen Sie sie nicht einfach gehen.“

Ihre Hand hatte sich auf seine Schulter gelegt.

“Sie lieben sie doch, nicht wahr?“

Fragend sah sie ihn an.

“Mehr als alles andere.“

“Sehen Sie. Dann tun Sie genau das. Tun Sie, was richtig ist. Wenn Joelle Ihr Leben ist, dann gehen Sie zu ihr. Was hält Sie schon hier auf Coruscant?“

Unsicher sah er auf.

„Mein... mein Beruf.“

“Pille Palle!“

Noa machte eine wegwerfende Handbewegung.

“Berufe gibt es überall. Joelle gibt es nur auf Alderaan. Gehen Sie zu ihr oder holen Sie sie hierher, aber tun Sie etwas! Wenn sie die Richtige ist... dann lassen Sie sie nicht los. Manchmal ist es schwierig, aber... Sie müssen sich selbst eine Chance geben.“

Noas Stimme war energisch. Sprach sie wirklich nur zu Will, oder sprach sie vielleicht sogar zu sich selbst? Alle Ratschläge, die sie seit Tagen in ihrem Kopf wieder und wieder hörte, waren plötzlich verstummt. Weder hörte sie die Stimme ihrer Schwester, noch die ihrer Brüder. Alles, was sie hörte, waren ihre eigenen Worte. Mit einem nachdenklichen Ausdruck sah Private Echo sie an.

„Sie haben Recht.“

Sagte er.

„Wir haben so vieles zusammen erlebt. Ich möchte nicht, dass es bereits endet und ich bin sicher, dass auch Joelle dies nicht anstrebt.“

Er wischte sich über die Augen.

„Ich werde mit ihr reden und ihr versprechen, dass ich alles daran setzen werde, unsere missliche Lage so schnell wie möglich zu beenden. Bis dahin werde ich sie bitten, auf mich zu warten.“

“Und wenn sie Sie liebt, wird sie das tun.“

Erwiderte Noa. Sich selbst, dem Partner und der gemeinsamen Beziehung eine Chance geben, war das, was man tun musste. Es gab vielleicht nicht immer eine zweite Chance, eine dritte oder eine vierte, aber es sollte wenigstens eine geben – die erste, die alles entscheiden würde. Die Galaxis war groß, die Distanz zwischen ihnen manchmal vielleicht unüberwindbar, doch ohne auch nur einen einzigen Schritt gemacht zu haben würden sie nie erfahren, wohin die Reise gehen würde oder gehen könnte.

“Ich habe eine Frage.“

Sagte Noa.

“Wie haben Sie meinen Namen heraus gefunden, und wo ich wohne?“

Unter ihrer Frage schien Will Echo zu erröten.

„Es war nicht sonderlich schwierig.“

Erwiderte er.

„Als wir dort unten waren, nachdem Sie...“

“Nachdem ich überfallen würde.“

Na schön, es gefiel ihr nicht, daran zu denken, doch es gab keinen Grund, es nicht auszusprechen, wenn sie nur unter sich waren. Sie waren schließlich beide live dabei gewesen. Leider.

„Ja. Ihre Sachen lagen überall verstreut auf dem Boden und ich habe Ihren Anstecker gesehen.“

“Meinen Anstecker?“

Verwirrt sah Noa ihn an.

„Ja, eine Art... Presse-Ausweis?“

Oh... natürlich. Noa besaß einen rundlichen Anstecker, der sie als Journalistin auswies. Sie trugen diese Buttons gut sichtbar an der Kleidung, wenn sie entsprechende Events oder Pressekonferenzen besuchten und neben ihrem Namen war meist auch die Zeitung aufgedruckt, die sie repräsentierten. Noa arbeitete zwar als freie Mitarbeiterin, doch auch sie besaß einen entsprechenden Ausweis des City Inquirers. Dieser war in ihrer Tasche gewesen, die diese blöden Banditen auf dem Coruscanter Dreckboden ausgeleert hatten.

“Ich verstehe. Das war wirklich einfach.“

Sagte sie schmunzelnd. Tatsächlich war es bereits zu einfach gewesen. Sie hatte Glück gehabt, nicht nur, dass Will Echo sie in den Unteren Ebenen gerettet hatte, sondern auch, dass gerade er es gewesen war und niemand sonst. Und jetzt, so schien es ihr, hatte er sie mehr oder weniger sogar noch ein zweites Mal gerettet. An der Oberfläche schien es, als hätte sie ihm geholfen. Sie hatte ihn sich bei ihr ausweinen lassen und ihm einen schlauen, einfühlsamen Ratschlag erteilt, wie sie es nur selten tat. Doch das war nicht, was an diesem Abend geschehen war. Will Echo war es gewesen, der ihr die Augen geöffnet hatte. Sie hatte zuvor noch nicht entschieden, was sie tun sollte in der hoffnungslosen Aussicht auf eine glückliche Beziehung mit Cris, doch sie war kurz davor gewesen, einzusehen, dass ihre Gefühle für ihn zu nichts führen würden als Kummer. Diese Sicht der Dinge jedoch hatte sich schlagartig geändert. Wenn Joelle und Will einander eine Chance geben konnten, wenn sie versuchen konnten die Abgründe der Galaxis, die zwischen ihnen standen, zu überwinden, dann konnten Noa und Cris das auch. Sie wusste nicht, ob es funktionieren würde und sie wusste nicht, ob es gut für sie war, doch sie wusste plötzlich, dass sie in diesem Augenblick mit ihm zusammen sein wollte und dass sie ihm und sich selbst zumindest den Versuch schuldete. Die Erkenntnis war wie eine Befreiuung und Noa Chanelle Cortina fielen tausend Lasten und Zweifel ab, zumindest für den Moment. Sie würde Cris schreiben, wenn Will weg und sie wieder alleine war und ihm sagen, dass sie nicht nur an ihn dachte, sondern ihn auch unbedingt wieder sehen wollte. Sobald wie möglich.

- Coruscant – Raumhafennähe – Noas Wohnung – Mit Will Echo -
 
[Coruscant, Raumhafen, Erfrischungszelle]- Cris

Als Cris das Raumhafengebäude verließ suchte eines der berüchtigten Mikrounwetter Coruscants den Teil des Stadtplaneten heim, in dem es sich befand. Goldene Blitze zuckten aus schwarzen Wolken gen Boden – oder besser die Schluchten zwischen den Wolkenkratzern hinunter, bis sie mit einer Häuserwand oder Plattform kollidierten – und Menschen wie Nichtmenschen hasteten von Unterstand zu Unterstand, um dem schmutzigen Regen zu entkommen, der sich über sie alle gleichermaßen ergoss.

Während er sich auf ein wartendes Robotaxi zubewegte spürte er mit jeder Bewegung das kleine Andenken, das er dem Zollbeamten zu verdanken hatte, auch wenn die Übelkeit zumindest wieder verschwunden war, und als er sich schließlich auf die Passagierbank des kleinen Gleiterfahrzeugs setzte, verzog er schmerzerfüllt das Gesicht, bevor er dem Droiden sein Ziel nennen konnte. In der Erfrischungszelle hatte seine Wunde lediglich wie ein bösartiger blauer Fleck gewirkt, doch wenn die Schmerzen nicht bald nachließen, so befürchtete Cris, würde er sich größere Sorgen machen müssen.

Die Adresse, zu der er sich von dem Robotaxi durch das Unwetter bringen ließ, lag nicht in der Nähe des Apartmentkomplexes, in dem sich Noas Wohnung befand. Auch waren es nicht die Büros von Duro Agricultural Imports, die er ansteuerte – wenngleich es ihm nicht ausdrücklich verboten gewesen war, nach Coruscant zu kommen, so gehörte er doch nichtsdestotrotz nicht mehr zu Major Tacemas Sektion, was den Duros vermutlich dazu veranlassen würde, Cris mit einer gehörigen Portion Skepsis zu empfangen und unangenehme Fragen zu stellen. Das Gebäude, in dessen Schatten er schließlich wieder aus dem Taxi stieg, nachdem er den Droiden in imperialer Währung entlohnt hatte, war ein trister, schmutziger Wolkenkratzer wie viele andere, die zugunsten teurer und neuerer Bauten von ihren prestigeträchtigen Ersteigentümern aufgegeben worden waren und nun eigentlich nur darauf warteten, dass sich einer der gigantischen Baudroiden seinen Weg durch sie hindurchfräste um irgendetwas neueres, effizienteres zu erschaffen. Es war zudem das Gebäude, in dem sich jene Landebucht befand, in der der Geheimdienst bei Cris‘ letztem Besuch auf Coruscant die Empress of Blades versteckt hatte, jener Ort also, an dem er am wahrscheinlichsten Selby in die Arme laufen würde, dem einzigen Freund neben Noa, den er in diesem Moment auf Coruscant hatte.

Durch eine Tür, deren Verschlussmechanismus schon vor langer Zeit zerstört worden war, gelangte Cris in ein kahles und fast stockfinsteres Treppenhaus, die einzige Möglichkeit, sich von der Plattform, auf der er sich befand, im Gebäude in der Vertikalen zu bewegen, da die Turboliftschächte gähnend leer waren, vermutlich vor langer Zeit ausgeschlachtet und jeder verwertbaren Technologie beraubt. Er kannte den genauen Weg in den Bereich des Gebäudes nicht, der noch mit Strom versorgt wurde und in dem sich der Hangar befand, doch wenn seine Erwartungen erfüllt wurden, dann musste er das auch nicht.

Sie wurden erfüllt, als plötzlich aus der Dunkelheit hinter ihm das Klicken eines Blasters ertönte, der entsichert wurde.


„Stehen bleiben“, forderte eine harte Stimme ihn auf.

„Abstellen und langsam umdrehen.“

Cris tat, wie ihm geheißen, stellte den Koffer neben sich ab und drehte sich dann langsam um, woraufhin er einen Devaronianer erkannte, der mit seiner Waffe auf ihn zielte. Bei der Brille, die dieser trug, musste es sich um ein kompaktes Nachtsichtgerät handeln. Kurz war Cris dankbar dafür, dass die Mitglieder dieser Geheimdienstzellen nicht jeden vermeintlichen Zivilisten über den Haufen schossen, der sich in die Nähe eines ihrer Verstecke verirrte.


„Rüberschieben.“

Gehorsam versetzte Cris dem Koffer einen leichten Schubs mit seinem Fuß, woraufhin dieser in die Richtung des Nichtmenschen schlitterte.


„Haben uns wohl verlaufen, was?“

„Ich glaube nicht“, erwiderte Cris gelassen.

„Würden Sie mich zu Ihrem Vorgesetzten bringen?“

Für einen Moment schienen dem Devaronianer die Worte zu fehlen.

„Was?“

„Zu ihrem Vorgesetzten. Der Person, die Ihnen Befehle gibt…?“

„Ich weiß was…“

Der Andere besann sich eines Besseren, als auf Cris‘ kleine Provokation einzugehen, und seine Lippen verengten sich zu einem dünnen Strich.

„Also schön. Vorwärts.“

Cris beschlich das Gefühl eines Déjà-vus, als er schließlich tiefer in das Gebäude geführt wurde und schließlich in einem engen, fensterlosen Raum mit nur einem Schemel landete, der aber immerhin – anders als das Treppenhaus – von einer grellen Lampe erhellt wurde. Ähnlich war es Noa und ihm ergangen, als sie unverhofft auf den Geheimdienst gestoßen waren – und wie damals hoffte er wieder auf eine bestimmte Person. Erneut wurde er nicht enttäuscht.

Die Tür zum Raum öffnete sich und hinein kamen der Devaronianer, der immer noch den Koffer trug – und Selby.


„Ich hab ihn im grauen Bereich aufgegriffen… irgendwas stimmt mit dem Kerl nicht“, informierte der Nichtmensch den Piloten in diesem Moment, aus dessen Augen, als er Cris erblickte, keine Überraschung sprach – eher Resignation.

„Kann ich mir vorstellen, Agent Malloc… Lieutenant Sheldon hat diese Angewohnheit.“

Die Augen des Devaronianers – das Nachtsichtgerät trug er nicht mehr – weiteten sich erstaunt.

„Lieutenant…?“

„Lassen Sie uns bitte alleine“, wies Selby ihn an.

„Den Koffer können Sie hier lassen.“

Nachdem die Tür sich hinter dem Agenten geschlossen hatte, verschränkte Selby die Arme vor der Brust.

„Was tun Sie hier?“, fragte er schließlich.

„Ich habe gegen keinen direkten Befehl verstoßen, wenn es das ist, was Sie meinen“, entgegnete Cris ruhig.

„Nicht? Operationen hinter feindlichen Linien fallen nicht unbedingt in den Aufgabenbereich von Agenten der Sektion 03, wenn ich mich recht entsinne…“

„Ich bin nicht wegen irgendeiner Operation hier.“

Selby seufzte und gab seine distanzierte Körperhaltung schließlich auf.

„Nein, das sind Sie nicht. Ich kann mir denken, warum Sie es sind.“

Der Pilot fuhr sich mit einer Hand erst durch die Haare, und dann durchs Gesicht, wobei er kurz die Augen schloss.

„Ich habe es ihr gegeben, beides. Die Nachricht und das Comlink. Eigentlich hätte sie Ihnen schon längst schreiben sollen.“

Irgendetwas in Selbys Tonfall ließ Cris‘ schmerzende Magengegend zu einem Eisklumpen werden.


„Was meinen Sie damit?“


Man konnte dem Piloten ansehen, dass er sich nicht wohl in seiner Haut fühlte.

„Ich habe nicht damit gerechnet, dass Sie so schnell wieder auf Coruscant auftauchen würden. Und das habe ich Miss Cortina auch gesagt. Ich hätte gedacht… ich war eigentlich davon überzeugt, dass Sie kaum auf unbestimmte Zeit auf Sie warten würde. Und ich war der Meinung, dass ein schneller, sauberer Schnitt für sie beide das Beste wäre.“

Cris nickte langsam, wie betäubt. Im Grunde hätte er damit rechnen müssen – zwar hatte Selby sich bereit erklärt, Noa seine Nachricht zu überbringen und sich sogar einen Weg ausgedacht, durch den sie beide kommunizieren konnten, doch das änderte nichts daran, dass der Pilot bereits Zeuge hatte sein müssen, als es zwischen Cris und Akemi zu Ende gegangen war.

„Sie hat mir noch nicht geschrieben“, stellte Cris fest. Selby zuckte mit den Achseln – vermutlich dachte er dasselbe wie der ehemalige Sturmtruppler: das konnte alles Mögliche bedeuten. Und gleichzeitig war es unwichtig – es gab jetzt kein Zurück mehr. Einmal noch wollte er in Noas wunderschöne Augen sehen, wenigstens einmal noch ihre Umarmung spüren.

„Würden Sie mich zu ihr bringen?“

Erneut seufzte Selby.

„Also schön.“

Mit einem Fuß tippte er gegen den Koffer, den der Devaronianer abgestellt hatte.

„Der kann wohl auf der Empress bleiben, was?“

Wenige Minuten später saßen sie in einem Gleiter und Selby lenkte das Fahrzeug Cris‘ Instruktionen entsprechend durch den mittlerweile abendlichen Verkehr, bis hin zu einer Fußgängerplattform, wo er Cris bereits einmal getroffen hatte und an der dieser ihn anwies zu landen. Selby quittierte dies mit einem wissenden Lächeln – offenbar erkannte er diese Plattform ebenfalls.


„Sie wollen mir immer noch nicht verraten wo sie wohnt?“

Cris schüttelte mit dem Kopf.


„Nicht, solange sie es nicht selber tut.“

„Also gut.“

Zu Cris‘ Überraschung griff Selby in ein Aufbewahrungsfach im Cockpit und fischte etwas heraus – etwas, das sich als eine SSK-7 Blasterpistole im Schulterholster nebst zwei Ersatzenergiezellen entpuppte.

„Nehmen Sie. Ich glaube kaum, dass Sie eine von Lianna mitgenommen haben und es ist wenig ratsam, auf Coruscant nackt herumzulaufen.“

Zögernd griff Cris zu.

„Danke, Selby.“

„Danken Sie mir besser noch nicht“, knurrte der Pilot.

„Sie wissen, wo Sie mich finden.“

Dann stand Cris auf der Plattform und zog sich die schäbige Jacke wieder über, nachdem er das Holster angelegt hatte und während er Selbys wieder in Coruscants endlosem Gleiterverkehr verschwindendem Fahreug nachblickte. Schließlich setzte er sich in Bewegung.

Er fand das Gebäude, in dem sich Noas Wohnung befand, mühelos und konnte nicht umhin, selbst die schlecht beleuchteten Korridore mit dem Müll, der sich teilweise in den Ecken auftürmte, und den lauten Geräuschen aus den umliegenden Wohnungen als fast heimisch zu empfinden, obwohl er kaum viel Zeit hier verbracht hatte. Irgendetwas sagte ihm nur, dass er genau hier sein wollte. Hier und jetzt.

Als er dann jedoch vor Noas Wohnungstür angekommen war, wurde er plötzlich nervös, und das nicht nur, weil ihm einfiel, dass die Widerstandskämpferin nicht unbedingt zuhause sein musste. Als er sich mit der Hand flüchtig über das Kinn strich, registrierte er, dass er sich auf Lianna das letzte Mal rasiert haben musste, außerdem gab er in der Jacke, die unter der Reise und der Begegnung mit den imperialen Zollbeamten sichtbar gelitten hatte, nicht unbedingt das eleganteste Bild ab. Cris schluckte mühsam. Dann betätigte er den Türsummer.


[Coruscant, Raumhafennähe, vor Noas Wohnung]- Cris
 
- Coruscant – City – Raumhafennähe – Noas Wohnung -

Der Abend hatte sich nicht so entwickelt, wie Noa geplant hatte, aber wann war zuletzt etwas so gekommen, wie sie es sich vorgenommen hatte? In letzter Zeit schienen sich die Ereignisse förmlich zu überschlagen. Egal was sie vor hatte, irgendetwas – oder irgendjemand – kam garantiert dazwischen. Sie stand in ihrem Schlafzimmer, den Blick aus dem Fenster gerichtet. Draußen tobte eines jener Unwetter, die auf Coruscant zum Alltag gehörten. Will Echo war vor einer guten Stunde gegangen, nachdem sie fast zwei Stunden zusammen gesessen und geredet hatten. So unpassend und seltsam Noa ihre neue Bekanntschaft zu Anfang erschienen war, so natürlich hatte es sich heute angefühlt, bei ihm zu sitzen und ihm zuzuhören, während er sich seine Probleme und Sorgen von der Seele sprach. Ein bisschen war er wie ein kleiner, unbeholfener Junge, hatte Noa zwischendurch gedacht, und die herzerweichende, ehrliche Traurigkeit, die aus seinen Blicken gesprochen hatte, hatte sie so sehr berührt, dass sie ihre eigenen Entscheidungen und Gedankengänge hinterfragt und neu überdacht hatte. Sie musste an Cris denken und lächelte wage, als sie jetzt hinaus auf das stürmische Unwetter sah, das über Coruscant City tobte. Hinter ihr, auf ihrem Bett, lag das Komlink, das Selby ihr überlassen hatte und mit dem sie Cris kontaktieren konnte. Sie wollte ihm schreiben, war sich jedoch unsicher, was. Eigentlich gab es nur eines, das sie ihm sagen konnte: sie wollte ihn wieder sehen, daran hatte sich nichts geändert. Und wenn sie sich wieder sahen, wollte sie so viel Zeit wie möglich mit ihm verbringen, ihn umarmen und küssen und einfach nur mit ihm zusammen sein und den Moment genießen, ohne daran zu denken, dass sie wieder nur ein paar Tage haben würden. Wenn überhaupt.

In der Wohnung über ihr wurde man wieder eine Party gefeiert, dass die Wände wackelten. Laute Musik drang von oben zu ihr herunter und lautes Stampfen kündete davon, dass gefühlte zwanzig Leute über Noas Kopf hüpften und tanzten. Trotzdem war das Donnergrollen von draußen, das immer wieder auf die grellen zackigen Blitze am Abendhimmel folgte, noch immer laut genug, um es über das Tönen der Musik zu hören. Das Komlink lag noch immer unberührt, als Noa zurück in den Wohnraum ging. Sie hatte das Licht auf ein Minimal gedimmt und auch wenn es nur an ihrer Stimmung liegten mochte, wirkte der Raum auch ohne Kerzen fast gemütlich auf sie. Prinzipiell war es noch immer früh genug, auf die Piste zu gehen und einige ihrer Freunde zu treffen. Was das anging, hatte Wills Besuch sie nicht zu sehr aus dem Konzept gebracht. Noa goss sich etwas zu Trinken ein. Sie hatte Will und sich etwas zu essen aufgewärmt – gedämpftes Gemüse – eine bunte Mischung diverser Welten - mit Schinkenstreifen in einer süßlichen Gewürzmischung. Sie räumte die Teller in den Spülomaten. Eine Melancholie lag über diesem Abend, die sie so seit langem nicht mehr gefühlt hatte, doch sie verspürte nicht den Wunsch, irgendjemanden um Gesellschaft zu bitten. Es kam nicht oft vor, doch heute war sie ausnahmsweise ganz froh, alleine zu sein. Hätte sie jemanden sehen wollen, es wäre Cris gewesen, aber sonst niemand.

Minuten später hatte sie es sich auf ihrem Bett gemütlich gemacht. Sie saß auf ihrer Bettdecke, nicht darunter. Von draußen prasselte Regen gegen das einzige Fenster ihrer Wohnung und die Nachbarn über ihr feierten noch immer. Erfahrungsgemäß würde die Party noch bis in die frühen Morgenstunden dauern. Noa hatte ihrerseits leise Musik laufen, gerade noch so laut, dass sie sie über dem übrigen Lärm hören konnte. Ihr war nach etwas Ruhigem gewesen. Sie hatte eine bequeme Stoffhose an, die sie nur Zuhause trug, und darüber noch die gleiche Bluse, die sie am Nachmittag angezogen hatte, als sie frisch geduscht das Fitnessstudio verlassen hatte und die neben einem Date mit Rufus nun auch noch ein Abendessen mit Will erlebt hatte. Ihre Haare waren zu einem unsauberen Nest an ihrem Hinterkopf zusammen gebunden. Ihr Komlink lag vor ihr auf dem Bett, Noas Blick hinunter auf das kleine Gerät gerichtet. Sie hatte angefangen zu schreiben und hatte sogar schon eine ganze Menge zusammen, aber noch nichts abgeschickt. Irgendwie war sie nicht gut darin, Nachrichten zu schreiben, fiel ihr auf. Wenn sie schrieb, was sie sich vorgenommen hatte, klang es kitschig. Versuchte sie, es umzuformulieren, wurde es zu förmlich. Wie fand man da am besten die Mitte? Die Journalistin kratzte sich am Kopf. Es war etwas völlig anderes, Zeitungsartikel zu schreiben, als persönliche Briefe. Die Nachrichten, die sie normalerweise mit ihren Geschwistern oder Bekannten austauschte, bezogen sich auf vereinbarte Termine, die man absagte oder bestätigte und andere kurze Informationen, die man mehr weniger knapp austauschte. Urghs, spätestens wenn Cris merkte, was sie für einen Blödsinn zusammnen schrieb, würde er nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen!

Den Türsummer hätte sie fast überhört. Einen Moment hielt sie inne, als sich das tiefe Summen plötzlich in die übrige Geräuschkulisse einfügte und für einen Moment war Noa hin- und her gerissen, ob sie wirklich etwas gehört oder es sich nicht doch nur eingebildet hatte. Sie hatte schon halb beschlossen, sitzen zu bleiben und nicht nachzusehen, ob jemand vor ihrer Tür stand, weil sie ohnehin niemanden sehen wollte, als sie doch noch, aus einem ihr unerfindlichen Grund, aufstand. Leandro schaute gerne ab und zu unangemeldet bei ihr vorbei, oft zu den unmöglichsten Uhrzeiten, und Will hatte ebenfalls deutlich bewiesen, dass er etwas für Spontanbesuche übrig hatte. Sollte er es jedoch tatsächlich wagen, schon wieder einfach so ihr aufzukreuzen, würde Noa ihm eigenhändig den Hals umdrehen. Einmal pro Tag war nun wirklich mehr als genug. Ohne besonderen Enthusiasmus ging sie zur Tür und öffnete. Es gab keinen Türspion, durch den sie Cris Sheldon frühzeitig hätte erkennen können. Er war einfach da, in Fleisch und Blut, und Noas Augen wurden größer in dem Moment, in dem sie ihn erkannte und ihr Verstand einrastete. Nicht mehr Herrin über ihre Sprache oder ihre Bewegungen, starrte sie ihn an. War sie wach? Oder lag sie friedlich in ihrem Bett, eingeschlafen über der unfertigen Nachricht, die sie dazu veranlasste eine Situation zu erträumen, die unmöglich Realität werden konnte?


“Cris. Was... ich meine... wie...?“

Noa stolperte über ihre eigenen Worte, unfähig einen zusammen hängenden Satz zu Stande zu bringen. Sie wollte sich selbst kneifen, aber das wäre albern gewesen. Sie war wach, sie war definitiv wach, und Cris war hier. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus und mit einem unterdrückten Freudenschrei warf sie sich ihm entgegen und drückte ihren Mund auf den seinen, so wie sie es schon einmal spontan getan hatte, auf Mon Calamari. Er war hier. Fest schlang Noa ihre Arme um ihn. Ihn zu sehen war noch schöner, als sie sich vorgestellt hatte.

“Cris, was tust du hier?“

Fragte sie, ihr Gesicht gerade so weit von seinem entfernt, dass sie ihn fragend ansehen konnte. Sie schüttelte den Kopf, noch immer überwältigt von der Tatsache, dass es kein Geist war, der vor ihr stand. Gerade eben noch hatte sie sich gewüncht ihn wieder zu sehen und hier war her! Sie traf seinen Blick, dachte, dass dies das Beste war, das an diesem Abend noch hätte passieren können, und küsste ihn schließlich mit einer Intensität, die ihm wortlos bedeutete, dass er bloß nicht wieder sofort verschwinden sollte.

- Coruscant – City – Raumhafennähe – Noas Wohnung – Mit Cris -
 
[Coruscant, Raumhafennähe, vor Noas Wohnung]- Cris

Als die Tür zu Noas Wohnung sich öffnete und die Widerstandskämpferin dahinter zum Vorschein kam machte Cris‘ Herz einen gewaltigen Sprung. Da war sie, so schön wie er sie in Erinnerung hatte, schöner noch, die ihn mühelos gefangennehmenden Augen überrascht geweitet, die vollen Lippen halb geöffnet in der Formulierung einer Frage, die deutlich machte, wie schwer es ihr zu fallen schien, zu glauben, was in diesem Moment geschah. So schwer, wie es ihm fiel. Er war hier. Bei Noa. Er hatte es geschafft.

Dann war sie bei ihm und all diese Zweifel, all dieses Staunen verlor an Bedeutung. Ihre Arme schlangen sich um ihn, die Wärme ihres Körpers durchflutete ihn, er konnte ihre Lippen auf den seinen spüren, sie riechen, sie festhalten… und das tat er. Fast bebten seine Arme leicht, als er sie um Noa legte. Er war nicht zu spät. Sie hatte auf ihn gewartet. Auf diesen Moment.

Sie stellte die nachvollziehbare Frage danach, was er hier, auf Coruscant, fernab seines Einsatzgebiets, tat, doch das Funkeln ihrer nur wenige Zentimeter von ihm entfernten Augen und schließlich ihr atemberaubender Kuss machten eine unmittelbare Beantwortung unmöglich. Cris erwiderte den Kuss, stürmisch, hungernd nach ihr, und manövrierte sie dabei behutsam aus dem Türrahmen, woraufhin die Tür sich zwischen ihnen und dem Rest der Welt schloss. Was hier passierte betraf nur sie beide.

Irgendwie lagen die abgewetzte Jacke und die Waffe, die Selby ihm gegeben hatte, dann hinter ihm auf dem Fußboden, vergessen und unbeachtet, sodass seine Hände sich ganz ihr widmen konnten, ihrer seidenzarten Haut, ihren Haaren, ihrem gesamten Körper, den er nie wieder loslassen wollte. Alleine für einen Moment von ihren süßen Lippen abzulassen und zu Atem zu kommen kostete Überwindung. Schon war er süchtig nach ihr, süchtig nach ihrer Nähe, ihrer Wärme… Er zeigte ihr das glücklichste Lächeln, das sein Gesicht jemals erhellt hatte.


„Ich musste dich wiedersehen…“, flüsterte er, ihr linkes Ohrläppchen mit seinen Lippen neckend, bevor er sein Gesicht ein wenig von ihr zurückzog, um ihren Blick vollends einzufangen. Wie hatte er sich gewünscht, noch einmal diese Augen sehen zu dürfen… und jetzt tat er es. Noa. Sein Herz schlug wie wild. Schlug nur für sie.

„Ich will es mit dir versuchen, Noa… mit dir zusammen sein… so lange wie möglich… so oft wie möglich…“

Jetzt war das Lächeln, das kurz über sein Gesicht flackerte, fast ein wenig schüchtern, als würde eine Spur seiner alten Unsicherheit durch die ihm Mut gebende Kraft seiner Gefühle für sie hindurchblitzen.


„Wenn du es auch willst.“


All die Details – seine Vorstellung, sie darum zu bitte, ihn auf den Siegesball zu begleiten – waren für den Moment unwichtig. Er wollte, er musste ihr sagen, dass er bereit war, alles zu tun, um ihnen eine Chance einzuräumen. Sie musste wissen, dass er es nicht ertragen würde, Lichtjahre von diesem Lächeln entfernt zu sein, mit einer halben Galaxie zwischen ihm und ihrer wärmenden Umarmung.

Seine Hände hatten sich um ihre Taille gelegt, ihre Münder schien trennte nur noch ein wenig Luft, Luft, die nach ihr roch, in der ihr Feuer lag, die ihm den Kopf verdrehte. Er wusste, dass er nur diese eine Entscheidung hatte treffen können, dass nichts richtiger gewesen war, als nach Coruscant zu kommen. Nur hier, bei ihr, fühlte er sich wieder komplett. Mit seinem Herzen vereint, das ihr gehörte, nachdem sie es mit neuem Leben gefüllt hatte.


„Wir haben eine Chance verdient“, hauchte er.

„Findest du nicht?“


[Coruscant, Raumhafennähe, Noas Wohnung]- Noa, Cris
 
- Coruscant – City – Raumhafennähe – Noas Wohnung – Mit Cris -

Es war ein bisschen wie im Holo-Film, dachte Noa, als sie nichts anderes tat als Cris zu küssen und dabei alles andere zu vergessen. Sie hatte darauf gewartet, auf genau diesen Moment, und war nun endlich so weit, sich dies auch selbst einzugestehen. Sie hatte die Wahl gehabt, ihn wieder zu sehen oder nicht, doch auch wenn sie lange Zeit sehr verunsichert gewesen war, konnte sie sich auf einmal nicht mehr vorstellen, dass sie sich wirklich gegen ihn entschieden hätte. Hätte sie dies getan, hätte sie all dies verpasst... die kräftigen, fast reißerischen Bewegungen seiner Zunge in ihrem Mund, die man als Gier beschreiben musste, die wohltuende Umarmung, in der er sie einfing und das sanfte Küssen seiner Lippen, wenn er zu ihrer Wange, ihrem Hals und schließlich ihrem Ohr wanderte. Das war alles so... magisch. Noa konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Da war sie schon wieder in dieser kitschigen Gedankenwelt gelandet, und dann prickelte es auch noch in ihrem Bauch! Es war leicht, sich wieder nach Mon Calamari zurück versetzt zu fühlen, doch die Wahrheit war, das sie, obwohl sie sich seitdem weder gesehen noch gesprochen hatten, bereits einen Schritt weiter waren als noch bei ihrem letzten Treffen und zu Noas Überraschung war es Cris, der dies in genau jenem Moment ansprach. Sie wäre eigentlich am Zug gewesen, nachdem er ihr geschrieben und sie ihm noch nicht geantwortet hatte, doch er ergriff dennoch die Initiative und schaffte es, mit ein paar wenigen Sätzen alles zu sagen, von dem Noa nicht gewusst hatte, wie sie es ihm schreiben sollte. Er fand genau die richtigen Worte, genau die richtige Formulierung und alles was sie tun musste war ihm zuzustimmen und mit ihm glücklich zu werden. Konnte es wirklich so einfach sein?

“Ich habe dich auch vermisst.“

Erwiderte Noa, während seine Worte tief in sie eindrangen und sie einwickelten wie der süßeste, klebrigste Honig. Cris wollte mit ihr zusammen sein, so oft wie möglich. Nichts anderes hätte sie in diesem Augenblick hören wollen. Dass er hier war, war die schönste, aufregendste Überraschung, die er ihr hätte machen können.

“Ich... ich habe viel nachgedacht.“

Sagte sie ernst, da sie das Gefühl hatte, dass es wichtig war, ehrlich zu sein. Sie wollte das gleiche wie Cris, doch so schön das auch war, sie mussten auch die Realität sehen. Eine rosa-rote-Brille aufzusetzen würde keinem von ihnen helfen, wenn das, was sie sich beide vorstellten, am Ende nicht funktionierte.

“Über dich, über uns, was da zwischen uns ist und ob es funktionieren könnte, wenn wir versuchen... mehr draus zu machen.“

Sie hatte ihre Arme um seinen Hals gelegt, wollte ihn nicht los lassen. Wenn sie sich einig waren, wenn sie das gleiche wollten, dann war das hier ein wichtiger Augenblick für sie beide, in dem sie ihm so nah wie möglich sein wollte.

“Und ich möchte es auch. Sehr gerne. Ich weiß nur nicht... wie. Ich meine, es wird schwierig und ich weiß nicht, ob es halten wird. Nicht, dass ich nicht wollte, dass es hält...“

Sie rollte mit den Augen. War es unsinnig, den Augenblick mit so ewas zu ruinieren? Das war nicht ihre Absicht, aber sie musste ihre Bedenken, ihre Ängste, los werden, bevor das zwischen ihnen wirklich begann. Sie mussten es von vorn herein kläre. Was war es, dass sie Will vor ein paar Stunden noch geraten hatte? Er sollte um Joelle kämpfen, für seine Gefühle und für ihre gemeinsame Zukunft. Wenn sie es beide wollten, dann mussten sie einander eine Chance geben und ob es dann funktionieren würde, würde ohnehin nur die Zeit geben. Noa lächelte zaghaft.

“Es könnte schwierig werden, aber ich würde es trotzdem gerne versuchen und mein Bestes geben und einfach... sehen, was passiert.“

Sie zuckte mit den Schultern und sah Cris an. Sie fühlte sich wohl mit ihm.

“Also, ja, ich denke wir haben diese Chance verdient. Du und ich. Wir.“

- Coruscant – City – Raumhafennähe – Noas Wohnung – Mit Cris -
 
[Coruscant, Raumhafennähe, Noas Wohnung]- Noa, Cris

Cris begegnete Noas Blick mit dem darin liegenden Ernst, als sie die Dinge ansprach, die auch ihn beschäftigt hatten, zuletzt auf dem Weg nach Coruscant, als er in den Befürchtungen gefangen gewesen war, einen schrecklichen Fehler gemacht zu haben. Jetzt war er sich sicher, dass dies nicht der Fall war… dass er das richtige tat und dass sie beide das richtige taten, wenn sie sich eine Chance gaben und es wagten, den Unwägbarkeiten zu trotzen, die vor ihnen liegen mochten.

„Ich weiß, was du meinst…“, antwortete er ihr leise.

„Ich hatte ähnliche Gedanken… Sorgen.“

Sein Nacken kribbelte, dort, wo sie ihm ihre Arme um den Hals gelegt hatte, während er sich der Magie ihrer wundervollen Augen hingab. Nein, was auch immer passieren konnte… sie war es wert. Sie war es wert, für sie zu kämpfen, sich nicht hinter vorgeschobenen Ängsten zu verstecken und sich den Konsequenzen zu stellen, die folgen würden, wenn er seinem Herz Vorzug vor seinen Pflichten gab, sollte es tatsächlich zum Äußersten kommen.

„Ich kann dir nicht versprechen, dass es nicht schwierig wird…“, fuhr er fort. Wir, hatte sie zu ihnen beiden gesagt. Was konnte deutlicher dafür sprechen, dass sie zusammengehörten? Was konnte dann noch stark genug sein, sie wieder auseinanderzubringen?

„Aber ich kann dir versprechen, dass ich alles dafür tun werde, einen Weg zu finden… dass ich jeden Preis bezahlen werde, der mir abverlangt wird.“


Cris lächelte und in diesem Lächeln lag all die Zuneigung, die er für die Widerstandskämpferin empfand. Er wusste, dass sie um einiges mehr zu verlieren hatte, als er selbst, und dass ihm nichts ferner lag, als ihr das zu nehmen. Sie hing an Coruscant, an ihrer Familie… und das höchste, was er sich erhoffen konnte, war ein Teil davon zu werden. Ein Teil ihres Lebens. Er würde sie niemals zwingen, dieses Leben seinetwegen aufzugeben. In einem Punkt hatte Noa jedenfalls Recht: sie würden sehen, was passierte.


„Ich werde diese Chance nicht verspielen.“


Nein, dieses Mal nicht. Er hatte einmal diesen schrecklichen Fehler gemacht, sich selbst und einem geliebten Menschen die schlimmsten Schmerzen zugefügt. Er wollte dergleichen nicht noch einmal erleiden. Er wollte nicht, dass Noa es erleiden musste. Noa, die vor ihm stand, als wäre sie unmittelbar seinen Träumen entstiegen, so lebendig und wunderschön.

„Unsere Chance.“


Vorsichtig gestattete er seinen Lippen, sich mit den ihren zu vereinigen, erst den Hauch einer Sekunde, dann für einen Atemzug und schließlich für einen leidenschaftlichen Kuss, der ihn ihre glühenden Lippen genießen, ihre feurige Leidenschaft erleben ließ, während seine Arme ihren Körper an ihn pressten. Es mochten Schwierigkeiten vor ihnen liegen, doch hier und jetzt lag sie in seinen Armen, hier und jetzt konnte er sich ihr hingeben, jede Sekunde auskosten, die ihm mit ihr geschenkt war. Das Schlagen ihres Herzens, das Pulsieren dieses Lebens, das ihm so kostbar geworden war wie sein eigenes, wenn nicht sogar kostbarer, spornte ihn an, den Kuss nicht enden zu lassen, während seine Hände sie erkundeten, ihre Haare durcheinanderbrachten, und sich dort mit einem Prickeln in seinen Fingerkuppen an ihre pfirsichweiche Haut schmiegten, in ihrem Gesicht, an ihrem Hals und dort, wo durch sein vorsichtiges Tasten eine Lücke zwischen ihrer Bluse und der Stoffhose entstanden war.

Der Sturm seiner Gefühle für Noa hatte ihn erfasst, war durch ihre Worte vollends entfesselt worden, und für den Moment ließ Cris sich treiben.


[Coruscant, Raumhafennähe, Noas Wohnung]- Noa, Cris
 
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- Coruscant – City – Raumhafennähe – Noas Wohnung – Mit Cris -

Glücksgefühle durchströmten Noa, als ihr klar wurde, das in diesem Augenblick ein neues Kapitel für sie begann. Sie war nicht länger alleine, sie hatte jemanden an ihrer Seite. Aus „ich“ wurde „wir“. Wo stünde sie heute, hätte sie Cris Sheldon[/color niemals kennen gelernt? Vielleicht hätte Pablo ihnen niemals einen gemeinsamen Auftrag für die Defender zu erledigen gegeben, wenn Noa nicht an jenem Morgen in einem der Safehäuser des Widerstandes aufgewacht und dort auf Cris getroffen wäre. Es war möglich, sogar sehr wahrscheinlich, dass sie sich vielleicht niemals woanders über den Weg gelaufen wäre. Es fiel also alles auf diesen einen Moment zurück, der alles verändert hatte, was Noa wieder einmal bestätigte, dass jeder Tag, jede Sekunde und jede einzelne Entscheidung, die man traf, wichtig für das gesamte Leben waren. Wäre sie nicht an jenem Abend mit Shana unterwegs gewesen, hätte sie nicht Box Gil und seine Band getroffen, sich nicht voll gedröhnt mit Alkohol und dem lustigen Zeug, das sie geraucht hatten, dann stünde sie womöglich jetzt auch nicht hier, mit Cris. Es schien ihr noch immer, als habe sie einen Filmriss, was bestimmte Teile dieses Abends anging, doch sie erinnerte sich noch sehr genau daran, wie sie Cris am nächsten Morgen kennen gelernt und ihn zum Hauptquartier gebracht hatte. Zeitweise hatte sie sich gewünscht, ihn einfach erschießen zu können. Wie gut, dass sich alles ganz anders entwickelt hatte.

“Ich möchte nicht, dass du mir irgendetwas versprichst.“

Sagte Noa zu ihm, zwischen all den vielen Küssen die sie austauschten. Dafür war es noch zu früh. Im Laufe der Jahre hatte sie alle möglichen Versprechungen, die später gebrochen worden waren, gehört. Davon wollte sie nichts mehr wissen. Die Enttäuschungen, die sie hinterher erfuhr, waren zu groß, wenn sie sich auf das Wort eines Mannes verließ, der viel geben wollte, aber es am Ende nicht konnte. Sie strich Cris mit der Hand über den Kopf, über die kurzen Haare und ließ ihre Finger in seinem Nacken kreisen, um sie dann seine Wirbelsäule hinunter zu schieben, oberhalb seines Shirts, so weit ihr Arm reichte.

“Sag' mir nichts zu, wovon du nicht weißt, ob du es halten kannst. Ich werde es im Gegenzug auch nicht tun.“

Sie sah ihm tief in die Augen, küsste ihn zärtlich und legte dann ihren Kopf zurück, damit er ihren Hals liebkosen konnte. Ihre Haut schien zu brennen, wo immer er eine Spur von Küssen hinterließ und wo seine Bartstoppeln sie rauh berührten. Herrlich seufzte Noa auf. Es war verrückt, wie richtig sich dies anfühlte. Bis zu diesem Moment hatte sie nicht gewusst, wie sehr sie Cris wollte, doch allmählich wurde es ihr klar und als seine Hände ihre Taille packten und sie seine Finger nicht nur mehr über ihrer Bluse, sondern ebenfalls auch dort auf ihrer nackten Haut spürte, fühlte sie eine angenehme Begierde zwischen ihren Beinen erwachen. Mit ihrem Arm um seinen Nacken, zog Noa sich noch ein Stück dichter an Cris heran. Ihr Puls raste und sie könnte ihr Herz förmlich schlagen hören. Es schien ohrenbetäubend laut in ihren Ohren zu drönen.

“Erzähl mir, wie du hierher gekommen bist.“

Forderte sie ihn auf, ihre Lippen dicht an seinem Ohr.

“Und sag mir, wie viel Zeit uns bleibt.“

Sie sah ihn an, suchte in seinem Gesicht nach Zeichen von Müdigkeit oder einer anstrengenden Reise, fand jedoch nichts abgesehen von der schieren endlosen Tiefe seiner Augen, die, wie sie plötzlich glaubte, bis in ihre Seele zu blicken schienen. Sie lächelte und hoffte still, dass er sie immer so ansehen würde wie in diesem Augenblick.

- Coruscant – City – Raumhafennähe – Noas Wohnung – Mit Cris -
 
[Coruscant, Raumhafennähe, Noas Wohnung]- Noa, Cris

Cris verstand sofort, was Noa wollte, als sie ihren Kopf leicht zur Seite neigte, und nur zu gerne schmiegte er sich enger an sie, um ihren sanft geschwungenen Hals mit zärtlichen Küssen zu übersähen. Er genoss es, Dinge zu tun, die ihr gefielen, und ihr Seufzen ließ einen ebenso wohligen Schauer über seinen Rücken laufen wie ihre Berührungen an seinem Nacken, an einer Stelle, von der er nie gedacht hätte, dass sie so empfindlich reagieren würde wie sie es auf ihre zarten Finger getan hatten. Fast verlor er sich darin, ihre zarte Haut immer wieder zu küssen, sie zu schmecken, zu spüren, wie sie reagierte…

„Keine Versprechungen, keine Verpflichtungen… in Ordnung…“, flüsterte er auf ihre Bitte hin. Zu einem gewissen Grad verstand er sie – wer konnte schon sagen, ob er seine Versprechen würde halten können, die er jetzt, in der Hitze des Augenblickes gab? Er wusste zwar, dass er sein Möglichstes tun würde, doch das würde er auch, wenn er es ihr nicht sagte. Ihr Vertrauen musste er sich verdienen… für den Moment zählte nur, dass sie beieinander waren. Glücklich, für den Moment.

Sie war ihm so nah… ihr Herz schlug so heftig wie sein eigenes, das fast ein wenig flatterte, als ihr Atem ihn an seinem Ohr kitzelte, während sie ihn darum bat, ihr zu erzählen, wie er nach Coruscant gekommen waren. Ihr zu sagen, wie viel Zeit ihnen noch blieb. Sie wich ein Stück zurück, ihre Blicke trafen sich, er sah in ihre Augen… und für einen Augenblick schien die Zeit stillzustehen. Sie war es. Sie war die Frau, der jetzt sein Herz gehörte, für das es schlug. Diese Augen waren alles, was er in seinem Leben sehen musste, um glücklich zu sein. Diese Augen und das, was in ihnen lag. Was sie ihm versprachen. Die Person, der sie gehörten. Noa.

Sie lächelte und automatisch erwiderte er ihr Lächeln, unverfälscht, spontan, offen. Es tat so gut, jemanden auf diese Art und Weise anlächeln zu können, so angelächelt zu werden. Wie hatte er jemals in Erwägung ziehen können, sich freiwillig von ihr zu entfernen?

Er beugte sich zu ihr vor und gab ihr einen kurzen, liebevollen Kuss auf ihre Lippen, bevor er sich sanft aus ihrer Umarmung löste und sie behutsam dazu veranlasste, sich umzudrehen. Sein Gesicht vergrub sich in ihrem Nacken, wo er sie wieder küsste, während ihre Haare prickelnd seine Haut berührten. Mit seinen Händen streichelte er ihre Arme, langsam von ihren Schultern abwärts bis zu ihren Handgelenken.


„Ich habe von Lianna ein Passagierschiff genommen…“, antwortete er schließlich leise. Seine Finger hatten die ihren erreicht, umgarnten sie verspielt.

„Über Zeltros, dann nach Coruscant.“


Kurz unterbrach er das Küssen ihres Nackens und lächelte, sich leicht an sie lehnend. Seine Arme hatten sich wieder um ihre Hüfte gelegt.

„Kein angenehmer Flug.“


Wieder war es ihr Hals, den er küsste, dann ihr Ohr, zwischen ihren wundervollen Haaren hindurch.

„Und dann gab es da noch diesen… unangenehmen Zwischenfall mit den Zollbehörden.“


Er konnte es selbst kaum glauben, dass die Befragung durch die beiden Zollbeamten erst ein paar Stunden zurücklag. Der Schmerz in seiner Magengegend war vergessen, vergessen seit sie sich ihm entgegengeworfen und ihre Arme um ihn geschlungen hatte.

„Ich hab‘ kurz mit Selby gesprochen… und dann bin ich hierhergekommen…“


Während er sprach, hatte er ihre Bluse leicht nach oben geschoben, hatte seine Hände darunter verschwinden lassen, um langsam ihren Bauch zu streicheln. Ihm gefiel, was er dort spürte… sie war nicht mager, sondern weich, warm und anschmiegsam. Als er die kleine Kuhle ihres Bauchnabels ertastete und mit seinen Fingern umkreiste, fragte er sich verträumt, wie er wohl aussehen mochte… Sie fühlte sich so wahnsinnig gut an, überall.

„In fünf Tagen muss ich auf Mon Calamari sein… es findet dort ein Siegesball statt, wegen Corellia. Kanzler, Jedi, Militärs… sie alle werden da sein. Da darf der neue Repräsentant des Geheimdienstes im Orden natürlich nicht fehlen.“

Nichts kümmerte ihn in diesem Moment weniger als der Ball, oder was von ihm erwartet wurde. Er wollte nur eines: diese Frau in seinen Armen, deren Haar so gut roch, deren Bauch sich so schön anfühlte und deren Nacken er stundenlang küssen konnte.


„Ich… ich hatte gehofft, du könntest mich dorthin begleiten…“, gestand er ihr schließlich.

„Aber wenn du willst, können wir da später drüber sprechen.“

Er wollte nicht daran denken, dass er bald wieder aufbrechen musste. Er wollte sie. Mit jeder Faser.

[Coruscant, Raumhafennähe, Noas Wohnung]- Noa, Cris
 
- Coruscant – City – Raumhafennähe – Noas Wohnung – Mit Cris -

Es gab einen Unterschied zwischen der Berührung eines Mannes, von dem man wusste, dass man nur kurz mit ihm zusammen sein würde, und eines Mannes, der sich sorgte und der bereit war, mehr zu sein als eine lose Bekanntschaft. Cris' Arme legten sich um Noa, als er hinter ihr stand. Seine Hände schienen sich fast schwebend über ihre nackten Arm zu bewegen und ein wohnliger Schauer ergriff Noas Körper, sodass sie sich am liebsten geschüttelt hätte. Sie fühlte sich bei ihm gut aufgehoben, vielleicht sogar sicher, auch wenn das eine Formulierung war, der sie kritisch gegenüber stand. Noa Chanelle Cortina brauchte keinen Mann, um sich beschützt zu fühlen. Unabhängigkeit und Eigenständigkeit waren ihr wichtig. Trotzdem war es kein schlechtes Gefühl, sich an einen Mann anlehnen zu können und zu wissen, dass er dort sein würde, egal was geschah. Dieses Gefühl hatte sie bei Cris. Sie genoss die Berührungen überall dort, wo seine Hände hin wanderten und ließ ihn gewähren, als er sich erlaubte, ihre Bluse ein Stück höher zu schieben. Nur gut, dachte Noa, dass sie frühzeitig mit Sport und Diät begonnen hatte. Sie hatte bis jetzt zwei Kilogramm verloren und konnte sogar wieder die ein oder andere Hose tragen, die sie vorher nicht mehr zu bekommen hatte. Zwei Kilo wollte sie noch verlieren, vielleicht drei, dann würde sie zufrieden sein. Danach ging es nur noch darum, ihre Figur zu halten. Es würde spannned werden, wie lange ihr das diesmal gelingen würde, aber wenn das mit Cris hielt, dann hatte sie zumindest eine Motivation. Sie lächelte selig, als er ihren Nacken küsste und sie das Gewichter seiner Brust in ihrem Rücken spürte, während sie dicht an dicht beinander standen. Er erzählte, dass er einen Passagierflug über Zeltros genommen hatte um nach Coruscant zu kommen und von ihrem eigenen Flug von Mon Calamari bis hier her, der ebenfalls noch nicht lange zurück lag, konnte sich Noa vorstellen, welche anstrengende Reise er hinter sich haben musste, selbst wenn er sich davon nichts anmerken ließ. Dazu kam ein Zwischenfall mit dem Zoll auf Coruscant, welchen er zwar erwähnte, auf den er jedoch nicht näher einging. Noa schmiegte sich in Cris' Umarmung und nahm sich vor nachzufragen, was es damit auf sich gehabt hatte, kam aber nicht mehr dazu. Was Cris' als nächstes sagte, lenkte sie zu sehr ab.

“Ein Siegesball? Zu Corellias Rückeroberung?“

Sie drehte sich um, um ihn ansehen zu können und hielt in auf Armeslänge von sich.

“Auf Mon Calamari?“

Noas Stimme klang überrascht und aufgeregt. Die Nachrichten zur Schlacht um Corellia und der Sieg der Republik über das Imperium waren kein Thema, das besonders ausführlich in den imperialen Holonet-News behandelt wurde. Auf Coruscant war es schwierig, wenn auch nicht unmöglich, an Informationen darüber zu gelangen, was sich tatsächlich zugetragen und wie die Republik die imperialen Streitkräfte zum Rückzug gezwungen hatte. Es war ein großer und ein wichtiger Sieg, einer der den Weg für zukünftige Eroberungen ebnen würde und der Hoffnung darauf gab, dass auch Coruscant bald befreit werden konnte. Von Corellia hier her war es nicht mehr sonderlich weit, nicht für eine Flotte, die so großes leisten konnte. Aber ein Ball Ohje.

“Ich bin nicht gut auf Bällen.“

Sie sah ihn an, schüttelte den Kopf und versuchte sich vorzustellen, wie es sein würde. Würde sie ein Kleid tragen müssen? Vermutlich. So etwas ja überhaupt nicht ihr Ding. Hübsch aussehen, freundlich lächeln, hohe Schuhe und Schmuck tragen, tanzen, höflich Konversation machen... das alles war eher Cloés Steckenperfed, nicht Noas. Haha, vielleicht konnte sie ja ihre Schwester überreden, für einen Abend Rollentausch mit ihr zu machen. Das würde bestimmt funktionieren! Nein, ganz gewiss nicht. Cris war nicht so dumm, auf so eine Nummer reinzufallen. Sie waren nicht mehr in der Schule und er war nicht Exodus Wingston.

“Und da kommt... jeder hin? Sogar der Kanzler?“

Einer solchen Veranstaltung beizuwohnen, davon konnte der durchschnittliche 0815-Bürger der Galaxis nur träumen, aber Cris war eingeladen. Es war eine einmalige Gelegenheit. Noa ließ ihn los, drehte sich um und begann, etwas unruhig im Zimmer auf und ab zu wandern. Körperliche Bewegung, das hatte sie mal irgendwo gelesen, verstärkte die Denkfähigkeit des Gehirns. Der Gedanke an eine Feier, auf der hochrangige Politiker, Militärangehörige und sogar Jedi zugegen sein würden, machte sie nervös und erwartungsvoll zugleich. So etwas konnte sie sich nicht entgehen lassen, ganz abgesehen davon, dass es bedeutete, dass sie noch mehr Zeit mit Cris würde verbringen können. In fünf Tagen würde er dort sein müssen. Begleitete sie ihn, hätte sie ihn von heute an noch mindestens sechs Tage für sich. Ging er jedoch alleine, würde sie ihn vielleicht noch zwei, vielleicht drei Tage sehen können, bevor er wieder aufbrach und was danach kam, stand wieder einmal in den Sternen. Sie konnte ihn nicht einfach wieder gehen lassen. Noch nicht.

“Okay. Ich komme mit.“

Noa blieb hinter dem Sofa stehen, das sie und Cris nun voneinander trennte. Sie sah ihn an. Was sollte sie nur anziehen? Sie besaß ein paar Kleider, aber was war passend? Auf solchen Veranstaltungen von solchem Ausmaß gab es ungefähr eine Million Dinge zu beachten und sie hatte keine Ahnung von nichts!

“Auch wenn ich nicht weiß, was ich anziehen soll.“

Ihre Haare waren das reinste Chaos. Mit einer Hand zog Noa das elastische Haarband heraus, das ohnehin nur noch auf Halbacht hing, nachdem Cris in ihrem schiefen Vogelnest herum gewühlt hatte. Ihre Haare fielen auf ihre Schultern herab.

“In fünf Tagen auf Mon Cal.“

Wiederholte sie, wie um die Nachricht sacken zu lassen. Sie runzelte die Stirn. Es gab so vieles, das sie noch immer nicht über Cris wusste. Er war der neue Repräsentant des Geheimdienstes am Standort der Jedi, doch was bedeutete das genau?

“Du bist also aus beruflichen Zwecken dort.“

Stellte sie fest, um das Bild über ihn und seinen Beruf, das in ihrem Kopf existierte, zu vervollständigen.

“Was genau heißt das? Bist du also so eine Art Mittelsmann zwischen Geheimdienst und Jedi? Das klingt nach einer wichtigen Funktion.“

Sie ging zur Küchenecke, goss sich ein Glas Wasser an und fragte ihn mit einem Blick, ob er auch eines wollte.

“Eigentlich komisch...“

Sie brach ab, dachte nach und sah ihn an.

“Dass sie dir zuerst deinen Rang nehmen und dich dann in eine solche Positon rücken. Oder nicht?“

- Coruscant – City – Raumhafennähe – Noas Wohnung – Mit Cris -
 
[Coruscant, Raumhafennähe, Noas Wohnung]- Noa, Cris

Noa reagierte heftiger auf die Erwähnung des Balls, als Cris es erwartet hätte. Zunächst wand sie sich in seinen Armen, brachte etwas Distanz zwischen sie, und dann war sie plötzlich – fast aufgescheucht – in ihrer Wohnung unterwegs, offenbar sehr beschäftigt mit den Implikationen, die es mit sich trug, ihn nach Mon Calamari und auf diese Ball zu begleiten. Er hatte schon halb seinen Mund geöffnet, um auf ihre ersten Nachfragen zu antworten, als bereits jene Worte ihren Mund verließen, auf die zu hoffen er kaum gewagt hätte. Sie sagte zu. Sie würde mit ihm kommen.

Lächelnd beobachtete er, wie sie ein Band aus ihrem Haar entfernte, das er in seinem Eifer recht rücksichtlos zerzaust hatte, und es so frei über ihre Schulter fallen ließ, wie er es insgeheim am liebsten mochte. Ihre Sorge, nichts zum Anziehen finden zu können, teilte er indes nicht – es fiel ihm leicht, sich Noa vorzustellen, wie sie in einem atemberaubenden Kleid nicht nur ihm dem Verstand raubte. Natürlich ahnte er indes, dass sie sich in derart formeller Kleidung vermutlich unwohl fühlen würde – und registrierte dabei, dass er sich selbst ebenfalls noch etwas besorgen musste. Die Angehörigen des Militärs würden in Galauniform auftauchen, doch der Geheimdienst verfügte über keine solche, verfügte er doch auch über keine Mitglieder, die ihre Mitgliedschaft mit pompösen Orden in alle Welt hinausposaunen mussten. Sein Problem war hoffentlich leicht gelöst – wenn es jemanden gab, dem er in Bezug auf derlei Stilfragen Kompetenz zuschrieb, dann war es Selby. Vielleicht würde Noa Rat von ihrer Zwillingsschwester oder einem anderen Familienmitglied bekommen können.

Da es ihm nicht gefiel, dass sie das Sofa und gefühlt ihre halbe Wohnung trennten, gesellte Cris sich zu Noa in ihre Küchenecke, nachdem er ihr mit einer abwehrenden Geste zu verstehen gegeben hatte, dass er momentan nicht durstig war und sie nur sich ein Glas Wasser einschenken musste. Ein wenig bedauerte er, dass sie fast wieder auf einer professionellen Ebene angekommen waren, doch die Fragen, die sie ihm nun stellte, da ihre erste Aufregung ob es Balles abgeflaut war, ließen ihn doch erkennen, dass sie trotz allem noch relativ wenig über ihn wusste, wenngleich sie sich auf Entwicklungen bezogen, die selbst für ihn noch neu waren. Locker lehnte sich neben sie gegen die Küchenzeile und musterte sie aufmerksam, bevor er ihr antwortete. Ihm war bereits aufgefallen, dass sie die Kette nicht trug, die er ihr auf Mon Calamari geschenkt hatte – aber wirklich überraschen tat ihn das nicht. Coruscant war ein raues Pflaster und eine allzu sichtbar getragene, mit einem teuren Edelstein besetzte Kette machte einen besonders in den Unteren Ebenen schnell zum Ziel. Vielleicht trug sie sie ja verborgen bei sich – spätestens auf dem Ball würde sie sie offen tragen können. Wenn sie das wollte.


„Kommt drauf an, wen du fragst…“, holte er schließlich aus. Er wusste nicht, ob er die Widerstandskämpferin mit einer allzu detaillierten Antwort langweilen würde, doch plötzlich hatte er das Bedürfnis, Noa so viel wie möglich über sich – und somit über seine Arbeit – zu erzählen. Es war, als würde sie mit jeder Information, die sie teilten, enger mit einander verbunden.

„Ich wurde nicht nur degradiert, ich wurde versetzt. Ich war Teil einer Sektion des Geheimdienstes, die verantwortlich war für die Beschaffung von Informationen, das Ausspionieren des Imperiums, Einsätze hinter feindlichen Linien… die Drecksarbeit, wenn du so willst.“


Er lächelte. Vermutlich wollte sie das ebenso wenig Drecksarbeit nennen wie er selbst – schließlich ähnelten sich das Einsatzprofil der Sektion 01 und das der Defender auffallend.

„Damit einhergehend hatte ich theoretisch Zugriff auf streng vertrauliche Informationen. Jetzt bin ich Teil der Sektion, die für das Bild des Geheimdienstes in der Öffentlichkeit verantwortlich ist, für die Zusammenarbeit mit anderen Organen der Republik. Dafür braucht man meistens keine vertraulichen Informationen, also wurde ich von jenen Quellen abgeschnitten, mit denen ich potentiell den meisten Schaden hätte anrichten können.“

Seufzend schüttelte er leicht mit dem Kopf und widerstand dem Impuls, seine Arme um sie zu legen und die Aufarbeitung seines beruflichen Niedergangs mit etwas weitaus angenehmerem zu ersetzen.


„Vermutlich dürfte ich noch nicht einmal mehr von der Zelle des Geheimdienstes hier auf Coruscant wissen, oder vom Widerstand… aber mein Gedächtnis konnten sie dann doch nicht löschen.“


Zumindest hatten sie das nicht getan. Er wusste nicht, ob es in irgendeiner Black Ops-Einrichtung nicht vielleicht sogar die Ausrüstung gab, um genau das zu tun – die Erinnerungen einer Person auszuradieren, als hätte es sie niemals gegeben.


„Was meine Tätigkeit bei den Jedi angeht… ich soll dem Orden, insbesondere dem Rat, als Ansprechpartner für Operationen zur Verfügung stehen, die dieser in Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst durchführen möchte. Vielleicht werde ich einige von diesen Missionen sogar persönlich begleiten, wenn der Rat es wünscht… schließlich weiß auch meine neue Vorgesetzte, dass dort meine eigentlichen… Fähigkeiten liegen.“


So viel hatte Colonel Drayson zumindest durchblicken lassen. Ihr war durchaus klar gewesen, dass sie einen Mann wie ihn wohl kaum als Berichterstatter für irgendein Senatsgremium hätte einteilen können.


„Die meisten Leute im Geheimdienst misstrauen den Jedi… wie sie im Grunde jedem misstrauen. Ich habe in den letzten Jahren einige Kontakte zum Orden sammeln können, weswegen ich vermutlich ausgewählt wurde. Aber insgesamt glaube ich, dass die meisten Entscheidungsträger nicht der Meinung sind, dass es sich um eine wichtige Funktion handelt. Ich sehe das anders. Gerade hier auf Coruscant habe ich gelernt, dass alle im Kampf gegen das Imperium an einem Strang ziehen müssen. Jedi, Geheimdienst, Widerstand.“

Nachdem sein Blick während seiner Geschichte zum Teil durch den Raum geirrt war, sah er Noa jetzt wieder unmittelbar an. Sofort ging ihm das Herz auf, schien symbolisch nach ihr zu greifen. Er wollte nie wieder von ihr getrennt sein.

„Ich hoffe, dass ich dabei bin“, sagte er plötzlich leise.

„Wenn wir – wenn der Widerstand und die Republik deinen Planeten befreien. Wenn das Kämpfen für dich und deine Familie endlich vorbei ist.“

[Coruscant, Raumhafennähe, Noas Wohnung]- Noa, Cris
 
- Coruscant – City – Raumhafennähe – Noas Wohnung – Mit Cris -

Zu bestätigen, dass er jetzt, wo er in seiner neuen Position beim Geheimdienst direkt mit den Jedi zusammenarbeitete, ein wichtiger Mann in den Strukturen seiner Organisation war, wäre ein Leichtes für ihn gewesen. Cris hätte Noa nur zustimmen müssen, nachdem sie ihm diese Worte praktisch schon in den Mund gelegt hatte, doch er tat es nicht und Noa mochte es, dass er so bescheiden war. Er gab zwar zu, dass er seine neue Position für wichtiger hielt, als vermutlich seine Vorgesetzten es taten, doch das bestätigte seine Bescheidenheit bloß, denn sie sagte über ihn aus, dass er nicht glaubte, dass man ihn für einen der großen, unentbehrlichen Männer hielt, dem man aufgrund seiner Fähigkeiten und seiner Erfolge diesen Job überantwortete hatte. Er hatte sogar eine einfache Erklärung dafür, warum gerade er von nun an mit den Jedi zusammen arbeiten würde, nämlich weil er nützlicherweise in der Vergangenheit schon einige gute Kontakte innerhalb des Ordens gesammelt hatte. Angeber hatte Noa ohnehin noch nie leiden können, weder als Kind, noch als Jugendliche und als Erwachsene schon gar nicht. Sie glaubte, dass Cris Realist war, zumindest wirkten seine Erläuterungen so auf sie. Er wusste, wo seine Fähigkeiten lagen (auch wenn er sich, was diese anging, selbst in ein zu negatives, abschätziges Licht stellte) und warum man ihm seinen Rang genommen und ihn versetzt hatte. Gleichzeitig fürchtete er sich nicht davor, diese Entwicklungen zu akzeptieren oder ihr ins Gesicht zu sehen, sondern konnte ihr sogar noch etwas positives abgewinnen, indem er den Nutzen in seiner neuen Beschäftigung sah. Wäre Noa an seiner Stelle gewesen, sie glaubte nicht, dass sie diese berufliche Veränderung so gelassen hin genommen hätte wie er. Man konnte in beinahe jedem Job eine Position oder auch Ansehen verlieren, Vertantwortung entzogen oder Aufgabengebiete abgenommen bekommen. Ein solcher Rückschlag, fand Noa, war immer auch ein Stück Demütigung und sie glaubte nicht, dass sie diese würde ertragen können. In einer auch nur ansatzweise vergleichbaren Situation wäre sie nicht so souverän geblieben wie Cris. Sie hätte gekündigt, ihrem Vorgesetzten erzählt, wo er sich sein blödes Business hin stecken könne und wäre auf nimmerwiedersehen verschwunden, natürlich nicht ohne einen filmreifen Abgang hinzulegen, bei dem die gesamte Besetzung im Büro (oder was auch immer der Schauplatz wäre), ihr staunend und mit weit aufgerissenen Mündern (vielleicht sogar bewundernd?) hinterher gestarrt hätte. Selbstverständlich hätte sie bereits innerhalb der nächsten 3 ½ Stunden ein neues Jobangebot erhalten – besser bezahlt und weitaus verantwortungsvoller natürlich. Zu dummnur , dass dieses Szenario total unrealistisch klang. Bis zu dem Part, an dem Noa gekündigt hätte, stimmte noch alles. Danach war es viel wahrscheinlicher, dass sie vor den Augen aller über ihre eigenen Füße stolpern und sich der Länge nach hin legen würde. So viel zum Thema Souveränität.

“Ich finde deine Aufgabe jedenfalls wichtig.“

Warf Noa ein, während Cris' ihr seine neue Arbeitsplatzbeschreibung darlegte. Er hatte vollkommen Recht, es war wichtig, dass alle nur erdenklichen Institutionen der Republik miteinander arbeiteten und wenn es half, dafür einen Verbindungsmann zwischen Geheimdienst und Jedi auf Lianna zu installieren, dann war das eine gute Investion von Geld und Arbeitskraft.

“Erfolgreiche Operationen ergeben sich nicht erst durch die Erfolge hinter den feindlichen Linien. Der Erfolg beginnt bereits in der Planung, ganz am Anfang.“

Stellte sie fest, weil sie dies von Pablo wusste. Ihr Bruder gehörte nicht zu den Leuten im Widerstand, die von Angesicht zu Angesicht und mit vollem Körpereinsatz schwer bewaffnet gegen das Imperium kämpften. Er war einer der Köpfe, einer der die Fäden im Hintergrund zog und auch das war extrem wichtig. Ohne eine gute Organisation konnte viel schief gehen und gerade weil die Defender, was dies anging, so gut aufgestellt waren, waren sie eine der größten Widerstandsgruppen auf Coruscant. Noa lächelte, rückte ein Stück näher an Cris heran und stand jetzt Seite an Seite mit ihm, mit dem Rücken gegen den Küchenschrank gelehnt.

“Bei dir.“

Er hatte ihr plötzlich viel erzählt, mehr als sie erwartet hatte. Tatsächlich hatte er so viel an einem Stück noch nie über sich geredet – ober überhaupt über irgendetwas, wenn sie es recht bedachte. Vielleicht schaffte sie es innerhalb der nächsten Tage, die sie miteinander verbringen würden, noch mehr über ihn zu lernen und damit eine Lücke zu schließen, die bisher noch vorhanden war und auf die Cloé sie deutlich aufmerksam gemacht hatte.

“Hey, und wenn du einige Operationen der Jedi sogar begleiten kannst, wäre das eine gute Abwechslung, oder nicht?“

Stellte sie fest, noch weitere positive Seiten an seiner neuen Herausforderung suchend. Dabei ignorierte sie bewusst die Tatsache, dass es für beide vermutlich schwieriger wurde, je mehr er unterwegs war. So lange Cris auf Lianna stationiert war, wusste Noa wenigstens wo er war. Er war nicht im Feindesgebiet, war nicht außer Stande auf ihre Nachrichten zu antworten und vielleicht konnte sie ihn sogar ab und zu besuchen, auch wenn sie bisher noch keine gute Idee hatte, wie sie das finanziell regeln sollte.

“Es klingt jedenfalls nicht total nach einem öden Bürojob, den du am Anfang fast befürchtet hattest, als wir noch auf Mon Cal waren und du noch nicht wusstest, was dir blüht.“

Sie trank aus ihrem Glas.

“Und außerdem wirst du mit den Jedi arbeiten! Das alleine wird schon faszinierend sein, glaube ich. Ich stelle es mir jedenfalls gut vor.“

Vor Noas Augen erschien ein Bild: Cris auf dem Ball, wie er die Ratsmitglieder des Jedi-Ordens begrüßte und plötzlich war es noch viel absurder, dass er sich jemals als ihrer nicht würdig gesehen hatte. Er mochte bescheiden sein, aber seine Position war wirklich wichtig. Ein Mann, der zukünftig mit einigen der weisesten, mächtigsten Personen der Galaxis konferieren würde... wie konnte der nicht wichtig sein?

“Ich hoffe jedenfalls, dass wir nicht mehr lange warten müssen, bis Coruscant endlich wieder... du weißt schon.“

Noa atmete tief durch. Es würde vieles einfacher machen, wenn ihre Heimat endlich wieder republikanisch wäre. Wenn die Jedi wieder ihren Tempel beziehen würden und der Rat wieder hier sein Zentrum hätte, könnte auch Cris wieder permanent hier bleiben. Es war eine schöne Aussicht. Sie stand noch immer neben ihm und lehnte ihren Kopf für einen kurzen Moment an seine Schulter, bevor sie wieder aufsah um dagegen anzukämpfen, diesen Augenblick zu melancholisch werden zu lassen.

“Und wenn es so weit ist und du zuuufällig mal gerade nicht hier bist, schreibe ich dir über mein fantastisches neues Komlink, das Selby mir mit gebracht hat und du kannst direkt den nächsten Flug hier her nehmen und helfen, auch noch den letzten imperialen Abschaum aus den Straßen zu vertreiben.“

Sie grinste.

“Und um noch mal auf diesen Ball zurück zu kommen... wie kommen wir eigentlich dorthin? Ich habe nicht das Gefühl, dass Coruscant auf deinem Weg von Lianna nach Mon Calamari auf deiner offiziellen Route lag.“

Ironisch hob Noa eine Augenbraue.

“Hast du schon einen Rückflug gebucht? Wenn nicht, könnte ich Cloé bitten, was für uns raus zu suchen – oder eben nur für mich, je nachdem, was du für dich schon organisiert hast."

Fragend sah sie ihn an. Sie konnte nicht fassen, dass sie Coruscant schon wieder verlassen würde. Das wurde allmählich zu einer lästigen Angewohnheit. Und wie sollte sie das bloß Cloé beibringen?

- Coruscant – City – Raumhafennähe – Noas Wohnung – Mit Cris -
 
[Coruscant, Raumhafennähe, Noas Wohnung]- Noa, Cris

Cris lächelte dankbar, als Noa ihm versicherte, dass er auch aus ihrer Sicht eine wichtige Aufgabe wahrnahm. Es tat überraschend gut, mit jemandem über die Geschehnisse der letzten Tage zu reden – besonders mit jemandem, der mit Noas unverwechselbarer Stimme antwortete. Ihre Einstellung war zudem erfrischend pragmatisch – es stimmte, Missionen Seite an Seite mit den Jedi versprachen Abwechslung, wie sie auch die Aufgaben in seiner alten Sektion bedeutet hatten. Auf der anderen Seite jedoch bedeutete es erneut permanente Ortswechsel, Unplanbarkeit, Unsicherheit… Gift für das, was sich nach seiner Hoffnung zwischen ihm und Noa entwickeln sollte.

„Öde wird es sicher nicht…“, stimmte er ihr zu. „Und der Rest… das wird die Zeit zeigen.“

Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, viel Zeit darauf zu verwenden, darüber nachzudenken, was wohl nach dem Ball geschah – viel lieber hätte er dies auf einen Zeitpunkt aufgeschoben, an dem es unausweichlich gewesen wäre, um die Tage bis zum Ball unbeschwert genießen zu können. Nun, dafür war es jetzt zu spät… vielleicht war es tatsächlich besser, dass er Noa nichts versprochen hatte.

Diese düsteren Wolken verschwanden jedoch so schnell wieder, wie sie gekommen waren, als er spürte, wie sie ihren Kopf an ihn lehnte und ihr Haar ihn dabei sanft streichelte, während sie – etwas sehnsuchtsvoll vielleicht – von ihren Hoffnungen sprach, dass Coruscant bald vom Imperium befreit werden würde. Vieles konnte sich dann ändern – davon war Cris überzeugt – und vielleicht bedeutete das sogar, dass sich ihnen beiden neue Perspektiven öffneten. Hier auf Coruscant stand der Tempel des Ordens – war es da nicht naheliegend, dass die Jedi nach einer Rückeroberung ihr schmuckloses Bürogebäude auf Lianna verlassen und hierher zurückkehren würden?


„Ich glaube, du hast einiges an Bewegung in die Bemühungen der Republik gebracht, was Coruscant angeht“, sagte er.

„Zumindest des Geheimdienstes. Selby wurde hierhin zurück versetzt, mit ihm vielleicht weitere Teams. Jetzt gehört Corellia wieder zur Republik und der Weg in den Kern steht offen.“

Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, als er sich daran erinnerte, mit welcher Souveränität und Überzeugungskraft Noa Major Al-Jalani von ihrer Sache überzeugt hatte. Man konnte sagen, dass sie ihn an jenem Tag auf mehrere Arten beeindruckt hatte. Kurz stellte er sich vor, wie es wäre, wenn das, was sie angedeutet hatte, Wirklichkeit werden könnte – sie beide, Seite an Seite, den Rest des Imperiums auf Coruscant zurückdrängend… sein Lächeln wurde breiter.

Die Frage nach dem Transportmittel, das sie zur Reise nach Mon Calamari benutzen würde, war naheliegend und Cris musste sich eingestehen, dass er sehr wohl einen Plan hatte, dieser aber zumindest auf einer unsicheren Variable basierte – genauer gesagt der Bereitschaft eines einzelnen Mannes, ihm zu helfen. Und die Frage, ob er dazu überhaupt in der Lage war.

„Ich wollte Selby fragen, ob wir die Empress benutzen können…“, eröffnete er Noa und hoffte, dass die Aussicht auf ein Wiedersehen mit dem Piloten ihr nicht allzu sehr aufs Gemüt schlug. Immerhin hatte die Übergabe des Comlinks problemlos geklappt.

„Er wurde der Zelle hier auf Coruscant wohl hauptsächlich zugeteilt, um als Kurier zu dienen, weswegen ich es für wahrscheinlich halte, dass ihm häufiger Reisen ins Territorium der Republik befohlen wäre. Soweit ich weiß, kann die Empress dank ihres gefälschten Transponders den Planeten relativ gefahrlos verlassen und auch wieder hierher zurückkehren. Es wäre die sicherste Variante… jedenfalls sicherer als der Weg, den ich zum Hinflug gewählt habe. Außerdem glaube ich, dass dich der Astromech vermisst.“

Er löste sich von der Küchenzeile und trat ihr direkt gegenüber, um ihr direkt, ohne den Kopf drehen zu müssen, in die Augen sehen zu können. Seine Hände hatten sich vollkommen automatisch wieder in Richtung ihrer Taille orientiert, hielten sie behutsam fest.


„Auf jeden Fall würde ich gerne mit dir gemeinsam fliegen…“

Jetzt ergriffen seine Hände eine der ihren, führten sie zu seinem Gesicht und er küsste ihre Fingerspitzen, ihren Handrücken und ihre Handfläche. Nie hatten seine Lippen etwas Wundervolleres berührt als ihre Haut.

„Denn jede Sekunde mit dir ist ein Geschenk.“


[Coruscant, Raumhafennähe, Noas Wohnung]- Noa, Cris
 
- Coruscant – Raumhafennähe – Noas Wohnung – Mit Cris –

Er küsste ihre Finger und ihren Handrücken und die Innenfläche ihrer Hände. Ohhhh. Noa schwebte im Tal der Zufriedenen und über den Wolken der Verliebten.Cris war so… stimulierend. Sie lächelte ihn an und stellte sich vor, wie es wäre, ihn nie mehr ziehen lassen zu müssen. Wie schön musste es sein, jeden Tag mit ihm verbringen zu können, wenn sie es wollte. Wäre Coruscant endlich wieder befreit, so wie sie es sich schon ausgemalt hatte und wie auch Cris es für eine nicht mehr all zu ferne Möglichkeit hielt, könnten sie sich jeden Tag sehen, sich jeden Tag küssen, jeden Tag… okay, spätestens nach ein paar Wochen würde sie vermutlich die Krise bekommen, gestand sich Noa stumm. Man musste sich nicht zwangsläufig jeden Tag sehen. Wo blieb da die Spannung? Etwas Sehnsucht, nur ein klitze kleines bisschen, war nie verkehrt.

“Die Empress wäre natürlich ideal.“

Raffte sich Noa schließlich zu einer Antwort auf, nachdem sie Cris zärtliche Liebkosungen ihrer Hand ausgiebig genossen hatte. Sie lehnte sich ihm ein Stück entgegen und lächelte ihn von unten, da er größer als sie war, an.

“Und vor allem viiiiel komfortabler als ein Passagierschiff.“

Der Flirt glitt Noa wie selbstverständlich über die Lippen. In eindeutigen Andeutungen war sie schon immer unschlagbar gewesen. Diese wurden lediglich von sporadischen zweideutigen Anspielungen übertroffen, die Noa schon mal unbeabsichtigt von sich gab. Das geschah hin und wieder, ohne dass sie etwas dafür konnte.

“Frag Selby einfach.“

Fuhr sie ernster fort.

“Mehr als ablehnen kann er ja nicht. Und es würde uns definitiv Flugkosten sparen.“

Sie zuckte mit den Schultern. Nicht, dass sie Selby ausnutzen wollte, aber in ihrer gegenwärtigen Situation mussten sie praktisch denken. Wenn sie auf getrennten Planeten lebten und sich wenigstens halbwegs regelmäßig sehen wollten, mussten sie von jetzt an ganz schön auf ihre Credits schauen. Zumindest Noas Geldbeutel war nicht endlos gefüllt, auch wenn sie nicht wusste, wie das bei Cris aussah. Er hatte ihr eine sündhaft teure Halskette geschenkt, was bedeutete, dass er es sich entweder dicke leisten konnte (Noa hatte keine Ahnung, wie die Bezahlung beim Geheimdienst der Neuen Republik aussah) oder gerade seine letzten Reserven aufgebraucht hatte. Sie hoffte nicht, dass Letzteres der Fall war, denn wenn dies zutraf, hätte sie sein Geschenk niemals annehmen dürfen. Apropos… nicht dass er dachte, sie trug seine Kette nicht, weil sie sie nicht mochte. Aufgefallen war es ihm mit Sicherheit, nicht zuletzt, weil er ihrem Hals und ihrem Nacken eine nicht unbeträchtliche Summe an Aufmerksamkeit geschenkt hatte.

“Vielleicht muss er ja sogar zufällig in eine ähnliche Richtung.“

Sie lehnte sich wieder zurück gegen den Küchenschrank.

“Selbst wenn er uns nur eine Teilstrecke mitnehmen könnte, wäre uns ja schon geholfen. Dann würden wir einfach einen Anschlussflug von dort buchen. Wo auch immer *dort* ist.“

Mon Calamari war unglaublich weit von Coruscant entfernt und es stimmte, jede Art von Hilfe, die Selby bieten konnte, wäre willkommen. Es musste nur schnell eine Entscheidung her. Wenn der Ball in fünf Tagen war, konnten sie nicht mehr all zu lang hier herum sitzen und Pläne schmieden. Noa runzelte die Stirn.

“Warum sollte mich allerdings der Astromech vermissen?“

Wollte sie wissen. Cris hatte etwas in der Richtung angedeutet. Noa war zwar nicht unbedingt ein Fan von Droiden, aber der kleine Astromech auf der Empress war wirklich lustig gewesen, nicht zuletzt wegen seiner ungewöhnlichen Farbgebung. Die hatte ihm garantiert Selby verpasst. Sie überlegte.

“Wie war seine Kennung noch gleich? R3? R5? Irgendwas mit R.“

Ihr Gedächtnis war auch schon mal besser gewesen, merkte Noa. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Es war schon spät, noch nicht Mitternacht, aber spät genug, dass sie, wenn sie verantwortungsvoll und vernünftig sein wollte, eigentlich allmählich ins Bett gehen musste. Wenn sie das allerdings nicht sein wollte, und das wäre sie auch nicht gewesen, wenn sie sich entschieden hätte, noch durch die Clubs zu ziehen… dann konnte sie Cris noch bitten, etwas zu bleiben. Andererseits hatte sie morgen früh eine Besprechung in der Redaktion, an der sie teilnehmen musste und die man wegen ihr auch ganz sicher nicht verschieben würde, mal ganz davon abgesehen, dass es keinen Termin geben würde, wohin man das Meeting verschieben konnte, da Noa sowieso in ein paar Tagen weg war – was allerdings noch niemand wusste. Würde sie wirklich auf einen Ball gehen, auf dem der Kanzler zugegen sein würde? Nicht, dass Noa davon ausgehen konnte, auch nur die Gelegenheit zu bekommen, mit ihm zu sprechen, aber alleine auf einem solch exklusiven Event zu sein, war aufregend genug. Und wer wusste es schon, vielleicht würde sie mit anderen wichtigen Leuten sprechen können! Mit ein bisschen Glück konnte sie vielleicht sogar ein Kurzinterview mit irgendwem machen. Mit wem auch immer! Das war eine richtige Chance.

“Ich freue mich auch, Zeit mit dir zu verbringen.“

Sie lächelte ihn an und ihr Blick wanderte abermals zu der relativ späten Uhrzeit.

“Allerdings muss ich morgen früh kurz in die Redaktion und wenn ich nicht ganz verschlafen dort aufkreuzen will, sollte ich bald ins Bett gehen.“

Sie lehnte sich vor, schob ihre Arme um ihn und küsste ihn sanft auf den Mund. Sie wollte ihn nicht raus werfen, doch sie wollte auch nicht, dass er hier bei ihr übernachtete. Er hatte schon einmal auf ihrem Sofa geschlafen – sogar mehr als eine Nacht, wenn man es genau nahm – doch zu diesem Zeitpunkt hatte sich zwischen ihnen noch nichts entwickelt gehabt. Jetzt war es eine andere Situation. Noa wusste nicht, ob Cris erwartete, dass er heute hier bei ihr bleiben würde. Vermutlich tat er es. Alle Männer waren so und eigentlich hatte Noa auch nichts dagegen. Eigentlich. Die Sache war nur, Cris hatte sie überrascht. Er hatte sich nicht angemeldet und sie hatte nicht mit ihm gerechnet, was dazu führte, dass sie null vorbereitet war auf alles, was auch nur ansatzweise damit zu tun hatte, sich auszuziehen! Frauen hatten nun einmal gewisse Vorkehrungen zu treffen. Noa räusperte sich leicht.

“Weisst du schon, wo du heute Nacht schläfst? Du könntest Selby fragen, ob er einen Platz für dich hat.“

Schlug sie vorsichtig vor. Und dann war da noch ein zweiter Grund, warum sie es langsam angehen lassen wollte, auch wenn es Noa schwer fiel, sich diesen einzugestehen: Cris war etwas Besonderes. Mit ihm hatte sie endlich noch einmal eine richtige Chance und die wollte sie nicht verspielen. Sie wollte nichts überstürzen. Alles was sie wollte war, ihn kennen zu lernen und eine ganz normale Beziehung mit ihm zu führen – so normal wie möglich jedenfalls, wenn die halbe Galaxis zwischen ihnen stand. Und aus diesem Grund, dachte Noa, war es vielleicht besser, einige Dinge anders zu machen als in der Vergangenheit. Cloé hatte eine goldene Regel, die sie ihr immer und immer wieder versucht hatte einzubläuen: kein Sex vor dem dritten Date. Die Arme um Cris‘ Hals gelegt zählte Noa hinter seinem Kopf an ihren Fingern ab, wie oft sie bereits verabredet gewesen waren. Da war das Abendessen im Restaurant Golden Republic gewesen und das Abendessen in der gemütlichen Bar, die Cris in Coral City gefunden hatte. Das waren zwei Dates gewesen. Es fehlte also nur noch eins. Oje, hoffentlich konnte sie so lange warten.

- Coruscant – Raumhafennähe – Noas Wohnung – Mit Cris –
 
[Coruscant, Raumhafennähe, Noas Wohnung]- Noa, Cris

Ein kleines bisschen Röte hatte sich in Cris‘ Gesicht geschlichen, als Noa festgestellt hatte, dass eine Reise an Bord der Empress um einiges gemütlicher ausfallen würde als auf einem überfüllten Passagierschiff – ihre Worte und der dazu passende Gesichtsausdruck hatten vor seinem inneren Auge sofort Bilder entstehen lassen, wie Noa und er sich eine der luxuriösen Kabinen an Bord der Yacht teilten, eng umschlungen, Haut an Haut… Sie machte ihn verrückt. Diese wunderschöne, unwiderstehliche Frau hatte nicht nur sein Herz erobert, sie war auch in der Lage, mit seinem Verstand nach Belieben zu verfahren. Und es gefiel ihm.

Natürlich blieb auch der praktische Nutzen dieser Lösung. Selby war mittlerweile vermutlich ein Spezialist darin, mit der Empress unbemerkt imperiales Territorium in Richtung der Republik zu verlassen, er besaß zudem die Freigaben, auf Mon Calamari eine komplikationslose Landung zu ermöglichen, ohne Umwege über gewöhnliche Zollkontrollen, die womöglich wegen Noas imperialer ID zu Problemen würde führen können (dazu, ihr erst eine gefälschte republikanische ID zu beschaffen, fehlte ihnen die Zeit). Und schließlich standen die Chancen gar nicht schlecht, dass Selby tatsächlich regelmäßige Kurierflüge zwischen Coruscant und Mon Calamari unternahm.


„Ich frag ihn“, versprach Cris Noa und musste lächeln, als die Widerstandskämpferin auf den Droiden zu sprechen kam. Er kannte sich mit der Binärsprache nicht aus, mittels derer die Astromechs sich verständigten – doch er meinte, durchaus gesteigertes Interesse des kleinen Blecheimers an Noas Verbleib erkannt zu haben.

„R6-C2“, half er ihrem Gedächtnis auf die Sprünge, was die Bezeichnung des Droiden anging.

„Er hat mich nach dir gefragt… glaube ich zumindest. Er hatte sich sogar ein Hologramm von dir aufgenommen.“

Cris‘ Lächeln wurde breiter.


„Anscheinend hast du diese Wirkung auf vernunftbegabte Wesen. Ich war fast ein wenig eifersüchtig.“


Er folgte ihrem Blick, als sie sie diesen leicht von ihm abwandte, und bemerkte, dass dieser der Uhr galt, die ihnen beiden verriet, dass die Zeit mittlerweile recht fortgeschritten war. Sie bestätigte seinen Verdacht, als sie ausführte, am nächsten Morgen früh aufstehen zu müssen – natürlich, schließlich übte sie neben ihrer Tätigkeit für den Widerstand einen regulären Beruf aus – weswegen sie bald zu Bett gehen musste.

Leichte Unsicherheit beschlich Cris, als er über die Implikationen über ihre Worte nachdachte – etwas, was nicht unbedingt dadurch vereinfacht wurde, dass sie ihre Arme um ihn legte und ihm einen wundervollen Kuss gab. Sollten ihre Worte ihm signalisieren, dass die Zeit für ihn gekommen war, zu gehen, oder wollte sie, dass er blieb? Das warme Gefühl ihrer Lippen auf den seinen genügte bereits, dass er sich letzteres wünschte. Er begehrte sie. Sehr sogar. Während sie sein Herz gefangen hatte, konnte er auch nicht abstreiten, sich körperlich zu ihr hingezogen zu fühlen. Sie war wunderschön, von feurigem Temperament… sexy. Fast schämte er sich ein wenig, so über sie zu denken, aber es blieb Tatsache. Er wollte sie. Und er wollte mit ihr zusammen sein. Mit so wenig Distanz zwischen ihnen wie möglich.

Noa allerdings entband ihn von der Notwendigkeit, über eine angemessene Reaktion nachzudenken, da sie ihm im nächsten Satz fragte, ob er womöglich bei Selby unterkommen konnte. Diese Frage machte eines eindeutig: die heutige Nacht wollte sie alleine verbringen. Cris lächelte. Er würde nichts tun, was sie nicht ausdrücklich wollte. Er konnte warten. Sie hatte ihm bereits mehr gegeben, als er sich je zu hoffen gewagt hätte.

„Ich bin sicher, irgendwo auf der Empress ist noch etwas Platz für mich…“, antwortete er leise und lehnte sich mit seiner Stirn gegen ihre Stirn.

„Außerdem brauche ich auch noch irgendwas, was ich auf dem Ball anziehen kann… Selby kann mir da wohl helfen…“

Behutsam streichelte er ihr Gesicht, einmal mehr jedes Detail an ihr bewundernd. Ein paar lose Haarsträhnen, ihre unglaublich zarte Haut, ihre weichen, vollen Lippen, die er mit seinem Daumen sanft berührte, sogar ihre Nase, nur Millimeter von seiner eigenen entfernt.

„Weißt du, wie glücklich ich bin, seit du mir deine Tür geöffnet hast?“, flüsterte er.

Es erschien ihm immer noch wie ein Traum. Er hatte sie nicht verdient – und doch war sie noch für ihn da gewesen, als er es nach Coruscant zurück geschafft hatte. Hatte ihn nicht vergessen. Hatte ihn mit offenen Armen empfangen.

„Sag mir Bescheid, wenn ich dich wiedersehen darf…“, bat er sie, bevor er sich langsam von ihr zurückzog, um schließlich seine Waffe und seine Jacke von dort aufzusammeln, wo er sie achtlos hatte fallen gelassen. Kurz fiel ein Schatten auf sein Gesicht, als er sich das Schulterholster mit der SSK-7 darin umband, bis diese schließlich unter seiner Jacke verschwand.

Sein Blick wanderte wieder in Richtung Noa – dann war er mit zwei entschlossenen Schritten wieder bei ihr, hielt ihr Gesicht mit beiden Händen fest und küsste sie, lang, intensiv und jede Sekunde genießend, die er noch einmal ihr Feuer spüren durfte.

„Gute Nacht", hauchte er, nachdem ihre Lippen sich wieder voneinander gelöst hatten.

„Schlaf gut.“


Schließlich verließ er ihre Wohnung, hinaus in den schlecht beleuchteten, schmutzigen Korridor, begleitet von der Geräuschkulisse aus ihrer Nachbarschaft, und machte sich daran, irgendwie wieder auf zu Selby zu stoßen. Seine Gedanken fieberten bereits dem Moment entgegen, an dem er sie am nächsten Tag wiedersehen würde.


[Coruscant, Raumhafennähe, Wohnkomplex, Korridor]- Cris
 
- Coruscant – Obere Ebenen – Redationsbüros – Besprechungsraum – Mit Visenc + Kollegen -

Das ganze Meeting über war es Noa Chanelle Cortina schwer gefallen, sich zu konzentrieren. Sie hatten zwei Stunden um den großen runden Tisch im Konferenzherum herum gesessen und über neue zu vergebene Reportagen diskutiert und Personaleinteilungen besprochen, doch Noas Gedanken waren ständig vom eigentlichen Thema abgekommen. Hätte sie die Besprechung frühzeitig verlassen können, sie hätte es wohl getan. Im Augenblick jedenfalls waren ihr ganz andere Dinge wichtig als die Arbeit. Sie musste ja nur an Cris denken und schon erschien ein breites Lächeln auf ihrem Gesicht. Sie fühlte sich fast blöde, weil sie immer wieder ohne ersichtlichen Grund wie doof vor sich hin grinste. Visenc hatte das bereits bemerkt und sie immer wieder spekulativ beobachtet. Mit seinem spontanen Besuch am gestrigen Abend war Cris jedenfalls eine richtige Überraschung gelungen und abgesehen davon, dass sie froh war, ihn zu sehen und Zeit mit ihm verbringen zu können, war Noa außerdem froh, dass sein plötzliches Auftauchen sie davor gerettet hatte, ihm zu schreiben und ihre Gedanken und Gefühle in geschriebene Worte zu verpacken. Sie wusste, dass sie dabei kläglich versagt hätte. So aber hatten sie fast genau dort weiter gemacht, wo sie auf Mon Calamari aufgehört hatten und wenn Noa sich ganz viel Mühe gab, konnte sie noch immer die Küsse fühlen, die er auf ihrem ganzen Hals verteilt hatte… oder sich zumindest einbilden, dass sie es tat. Das Einzige, das sie ihm noch abgewöhnen musste war, dass er ihr ständig im Gesicht herum wurschtelte. Das hatte er schon auf Mon Calamari gemacht und Noa trieb es fast in den Wahnsinn! Gestern hatte er es schon wieder getan und Noa hatte sich zwar zurück gehalten und es zugelassen, um den Moment nicht zu zerstören, hatte jedoch, nachdem er gegangen war, den starken Drang verspürt, sich das Gesicht zu waschen und wieder sauber zu werden. Sie war ins Bad gerannt, hatte einen Schwamm und Seife genommen und sich damit so lange die Wangen geschrubbt, bis ihre Haut von der unsanften Reibung tiefrot gewesen waren. Dabei war es nicht mal so, dass sie Cris‘ Hände eklig fand. Natürlich nicht. Sie konnte es einfach nicht leiden, wenn man sie so berührte. Vermutlich stimmte etwas mit ihr nicht.

Als die Besprechung endlich ein Ende fand, war Noa eine der Ersten, die ihr Datapad und ihre sonstigen Unterlagen zusammen suchte und aufsprang. Sie verließ den Konferenzraum mit einer Eile, als hätte sie einen lebenswichtigen Termin einzuhalten. Visenc musste sich Mühe geben, mit ihr Schritt zu halten.


„Man oh man, was ist denn mit dir heute los?“

Wollte er wissen, als er sie eingeholt hatte.

„Du bist so durch den Wind! Als Neera dich vorhin nach den Umfrageergebnissen zum Gang-Report gefragt hat, wusstest du ja nicht mal, wovon sie redet!“

Wunderte er sich. Noa blieb mitten im Korridor stehen. Eine nachdenkliche Furche war auf ihrer Stirn erschienen.

“Ich brauche deine Hilfe.“

Raunte sie leise und zog ihren Freund bei Seite, als die übrigen Kollegen hinter ihnen aus dem Konferenzraum strömten. Noa sah ihn an, kein Lächeln mehr in ihrem Gesicht. Das hier war eine ernste Angelegenheit. Sie atmete tief durch.

“Du musst mir deine Gold-Member Karte für’s Habooka Wellnesscenter geben.“

Flüsterte sie, ihre Worte so schnell herunter ratternd, als könne vorgeben, sie niemals gesagt zu haben, wenn sie nur schnell genug wieder vergaß, dass sie sie gesagt hatte. Visencs Augen weiteten sich leicht vor Verwunderung – und vor Vergnügen.

„Du meinst Fabrizios Karte.“

Korrigierte er sie amüsiert.

„Soso. Was willst ausgerechnet du da?“

Er machte sich einen Spaß daraus, sie zu ärgern, denn er wusste genau, dass es nicht Noas Art war, sich in einem Spa herum zu treiben und pflegende Schönheitskuren zu buchen. Andere Frauen mochten das regelmäßig machen, doch ihr Ding war das nicht und er kannte sie gut genug, um das zu wissen. Ungeduldig nahm sie ihn beim Arm.

“Ich brauche einfach dringend einen Termin.“

Erwartungsvoll sah Visenc sie an und Noa stieß ungeduldig die Luft aus. Reichte ihm das nicht an Informationen? Was wollte er denn noch wissen? Die Journalistin biss die Zähne zusammen.

“Na schön.“

Stieß sie hervor.

“Ich muss zum Waxing und zwar dringend. Heute noch!“

Ihre Stimme war leise gewesen, damit sie bloß niemand hörte und sie wagte es kaum, Visenc anzusehen. Peinlich genug, dass sie überhaupt so etwas mit ihm diskutierte! Warum konnte er ihr nicht einfach seine bescheuerte Karte geben und die Fragerei lassen?

„Ahh, ich verstehe.“

Die Mundwinkel ihres Kollegen zuckten und Noa hörte die Belustigung aus seiner Stimme heraus.

„Ein neuer Lover also.“

“Gar nicht wahr!“

Noa boxte ihn in den Oberarm.

“Also, gibst du mir deine Karte oder nicht? Und Visenc… es ist ein echter Notfall.“

Eineinhalb Stunden später lag Noa auf der gepolsterten Liege in einem steril wirkenden Raum in dem selben Wellnesscenter, in dem sie erst vor wenigen Tagen gewesen und mit Visenc zusammen eine Massage genossen hatte. Anders als bei ihrem letzten Besuch lag sie jedoch auf dem Rücken, Arme und Beine bereits eingeriebenen mit der süßesten, wohltuendsten Lotion, die sie jemals auf ihrer Haut gespürt hatte. Als die Dame an der Rezeption Noa nach ihrem Behandlungswunsch gefragt hatte, hatte es für sie nur eine Antwort gegeben: sie wollte das volle Programm. Es war lange her, dass sie zuletzt zum Waxing gegangen war. Etwas zu lange. Aber was tat man nicht alles für die Schönheit? Noa hob ihren linken Arm und betrachtete die gleichmäßige Rötung auf ihrem Unterarm. Sie war schon fast fertig und trotzdem stand der schlimmste Part noch aus. Der weiblich programmierte Droide, der ihre Behandlung durchführte, trat an die Fußseite der Liege.

“Bitte winkeln sie das rechte Bein seitlich an.”

Forderte die monotone Stimme Noa auf und die Journalistin tat wie ihr geheißen. Sie wollte nur, dass es schnell wieder vorbei war. Das warme Wax fühlte sich wie immer angenehm an, und für einen Moment wünschte sich Noa, in einer großen Wanne ein heißes Vollbad zu genießen und sich aromatische Düfte in die Nase wehen zu lassen, bis der brennende Schmerz zwischen ihren Schenkeln sie in die Realität zurück holte. Zischend zog Noa die Luft ein. Ihre Gesichtsmuskulatur verkrampfte sich. Wenn es um normale alltägliche Dinge ging, hielt sie sich eigentlich für wenig schmerzempfindlich, doch nichts war vergleichbar mit dieser Prozedur. Ein Blasterschuss war weniger schlimm! Sie schloss die Augen, als der Droide den nächsten Wachstreifen mit einem schnellen Ruck abzog und sofort danach leichten Druck auf die behandelte Haut ausübte, um den Schmerz so gut wie möglich lindern. Es war zum Heulen. Arme und Beine, dachte Noa, waren ein Kinderspiel, verglichen mit diesem letzten Part. Sie winkelte das rechte Bein an, anschließend beide gleichzeitig und dann war es nur noch ein kurzer Moment, als sie schließlich seitlich auf der Liege lag und auch noch die letzte intime Stelle waxen ließ, die bisher verschont geblieben war. Verfluchte Männer, dachte Noa, als sie sich quälend langsam erhob, die hatten nicht die leiseste Vorstellung, was Frau für sie alles tat. Gemächlich zog sie sich an, ging zurück zur Rezeption und holte ihr Komlink hervor. Sie hatte Cris erst gestern Abend gesehen, doch es fühlte sich bereits an wie eine Ewigkeit.

*** Kom-Nachricht an Cris Sheldon ***
Sehen wir uns in zwei Stunden bei mir? Vermisse dich.


Sie schickte die Nachricht ab, lächelte und jeder Schmerz war vergessen. Jetzt musste sie sich beeilen, wenn sie in zwei Stunden bei Cloé gewesen und sich von ihr ein Kleid für den Ball geliehen haben wollte. Kleidersuche mit Cloé war schwierig, nicht weil Noa besonders ählerisch gewesen wäre, sondern weil ihre Schwester Perfektionistin war und weil Noa ihr zuerst einmal beibringen musste, dass Cris hier auf Coruscant war, dass sie es ernst mit ihm meinte (und er mit ihr) und sie ihn nach Mon Calamari begleiten würde. Auf einen Ball. Oh je, sie war jetzt schon nervös.

- Coruscant – Obere Ebenen –Habooka Wellnesscenter -
 
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[Coruscant, Raumhafennähe, Wohnkomplex, Korridor]- Cris

Relativ komplikationslos war es Cris, nachdem er den Wohnkomplex, in dem sich Noas Apartment befand, verlassen hatte, gelungen, sich trotz der späten Stunde erneut mit Selby kurzuschließen, woraufhin ihn dieser mit einem Gleiter aufgelesen und zurück zum Hangar der Empress of Blades gebracht hatte. Auf der Fahrt hatte er geschwiegen – zu versunken war er in seine Gedanken an Noa, an ihr Lächeln, an ihre Stimme und an ihren lieblichen Geruch, von dem er sich einbildete, dass er immer noch seiner Kleidung anhaftete. Wenn Selby diese ungewohnte Stimmung des ehemaligen Sturmtrupplers zur Kenntnis nahm, so zeigte er dies zunächst nicht – doch als sie an Bord der Empress angekommen waren, war es der Pilot, der Cris zur Bar des Schiffes dirigierte, ihnen beiden unaufgefordert zwei Gläser mit seinem Whyren’s Reserve eingoss und ihn drängte, sich zu setzen.

„Sie sind also nur ihretwegen nach Coruscant gekommen?“, fragte Selby schließlich, nachdem sie beide ein paar Minuten andächtig an ihren Gläsern genippt hatten und Cris nicht den Anschein erweckt hatte, von sich aus ein Gespräch zu beginnen.

„Ja“, antwortete er knapp und nahm einen kräftigen Schluck. Der Whiskey brannte in seiner Kehle und in seinem Magen, doch er war kein Vergleich mit der Hitze, die eine bloße Berührung von ihr in ihm entfacht hatte.

„Ich wurde nach Mon Calamari beordert, Selby… es gibt dort einen Ball, einen Siegesball. Um Corellias Befreiung zu feiern. Ich… ich habe sie gefragt, ob sie mich begleiten möchte.“

„Hat sie eingewilligt?“

„Ja.“

Cris musste lächeln. Noa hatte Ja gesagt. Wollte mit ihm zusammen sein. Würde mit ihm zusammen sein – zumindest für die nächste knappe Woche. Eine Woche, von der er so wenige Minuten und Sekunden zu verschwenden gedachte. Selby schüttelte indes leicht mit dem Kopf und genehmigte sich erneut einen Schluck.

„Wow. Und da dachte ich, dass die Sache zwischen Ihnen ziemlich hoffnungslos ist.“

Als die Miene seines Gegenübers sich verfinsterte, schien der Pilot noch etwas hinzufügen zu wollen, doch Cris kam ihm zuvor:


„Selby… wann fliegen Sie die Empress das nächste Mal nach Mon Calamari?“

Zu seiner Überraschung – und leichten Enervierung – reagierte der Andere mit einem Grinsen.

„Das kommt darauf an… Tacema benötigt regelmäßig einen Kurier für Dinge, die sich anders nicht übermitteln lassen. Die CSF und der IGD schlafen nicht. Warum… brauchen Sie eine Mitfahrgelegenheit?“

„Es wäre die sicherste Alternative…“, gab Cris leise zu.

„Und die schnellste.“

Der Pilot nickte langsam.


„Verstehe.“

Nachdenklich ließ er sein Glas zwischen seinen Fingern kreisen, bevor er schließlich erneut einen Schluck des Whiskeys zu sich nahm.

„Zufälligerweise weiß ich, wann dieser Ball stattfinden soll. Ich glaube, ich kann Sie rechtzeitig dorthin bringen.“

Erleichtert seufzte Cris.


„Danke, Selby.“

„Nichts zu danken. Haben Sie schon etwas anzuziehen?“

„Nein.“

Selby zeigte wieder einmal sein typisches Grinsen.

„Keine Sorge, Lieutenant.“

Er leerte sein Glas mit einem letzten, kräftigen Zug.

„Das kriegen wir schon hin. Ich kenne da jemanden.“



Und Selby hielt Wort. Der „jemand“, den der umtriebige Agent und ehemalige Waffenhändler kannte, stellte sich als exzentrischer Toydarianer heraus, ein kleines Kerlchen, das auf leicht irritierende Weise mit seinen schnell schlagenden Flügeln unruhig in seinem engen Nischengeschäft in irgendeiner Einkaufspassagen der Mittleren Ebenen um Cris herum flatterte, während er mit einer Apparatur seine Maße nahm, die diese scheinbar unmittelbar an einen Droiden im Lagerraum hinter dem Geschäft übermittelte.

„Ah, endlich wieder ein Kunde, mit Geschmack“, hatte der Nichtmensch Selby fast überschwänglich begrüßt.

„Wie laufen die Geschäfte, Lekto?“

Selby ließ sich vom quirligen Auftreten des Anzugschneiders nicht beirren, während Cris mehr als einmal ausweichen musste, um nicht einen der Flügel ins Gesicht zu bekommen, nur um sich eine barsche Anweisung einzufangen, gefälligst stillzuhalten.

„Schlecht, mein Freund, sehr schlecht. Diese verdammten Imperialen… keinen Geschmack, kein Gefühl für extraordinäre Schnitte. Und die meisten von ihnen tragen ohnehin Uniformen, die irgendwelche Droiden ohne Kreativität in irgendeiner Fabrik auf Bastion zusammengeschustert haben. Pah!“

Die Flügel des Toydarianers flatterten vor Entrüstung noch heftiger, sodass Cris für einen Moment befürchtete, er würde mit der niedrigen Decke seines Ladens kollidieren.

„Also, woran haben Sie gedacht?“

Immer noch, das stellte Cris etwas ernüchtert fest, sprach der Nichtmensch mit Selby, fast so, als befände Cris sich überhaupt nicht im Raum.

„Etwas klassisches, Lekto… tut mir Leid. Keine Experimente. Es ist ein eher… formeller Anlass, nicht wahr?“

Spitzbübisch grinste der Pilot Cris zu.

„Natürlich, mein Freund, natürlich.“

Lekto flog ein wenig zur Seite, als sein Assistenzdroide mit einer Auswahl an Anzügen aus dem Lagerraum kam.


„Ich glaube, ich habe da ein paar Vorschläge.“

Eine halbe Stunde später kehrten Selby und Cris mit einem Anzug im Gepäck zur Empress zurück, einem Anzug, der nicht nur besser saß als jede Uniform, die er bisher getragen hatte, sondern dazu noch exakt dem Dresscode entsprach, wie er aus der Einladung hervorging, die Drayson Cris gegeben hatte. Er konnte nicht behaupten, dass er sich während der Anprobe so wohl gefühlt hatte wie in den unspektakulären Klamotten, die er ansonsten trug, doch es hätte weitaus schlimmer kommen können.

Während er neben Selby im Gleiter saß, hatte sich Cris‘ Comlink gemeldet – das Comlink. Und die Nachricht, die er zu lesen bekam, ließ sein Herz höher schlagen, während er rasch eine Antwort formulierte.


***Com-Nachricht an Noa Chanelle Cortina***
Unbedingt. Vermisse dich auch. Zähle jede Sekunde.


Ein glückliches Lächeln erschien auf Cris‘ Gesicht, als er Noa seine Antwort zukommen ließ – ein Lächeln, das anscheinend auch Selby auffiel.

„Sehen Sie sie gleich wieder?“, fragte der Pilot.

„In zwei Stunden.“

Vermisse dich. Die Worte brannten sich tief in sein Bewusstsein ein – er konnte sich vorstellen, wie ihre wundervolle Stimme diese Worte sagte. Konnte sehen, wie sie lächelte, während sie sie sagte. Wann hatte ihn das letzte Mal jemand vermisst?

Zurück an Bord der Empress steuerte Cris zielstrebig eines der üppig ausgestatteten Badezimmer der Yacht an. Er hatte noch genügend Zeit – und er wollte sich vor seinem nächsten Treffen mit Noa in einen so präsentablen Zustand wie möglich versetzen.


„Lieutenant!“

Cris erstarrte in der Bewegung. Selby stand hinter ihm – den Anzug musste er irgendwo verstaut haben – und hielt einen Beutel in der Hand, den er Cris zuwarf, kaum dass dieser sich umgedreht hatte. Geschickt fing der ehemalige Sturmtruppler den Beutel auf.

„Das könnten Sie brauchen“, erläuterte der Pilot und fügte nach einem Zögern hinzu:

„Ich würde riskieren, den Bart so zu lassen.“

Lachend verschwand Selby in Richtung des Cockpits.

Stirnrunzelnd ging Cris in das Badezimmer, verriegelte die elektronische Tür hinter sich und warf einen neugierigen Blick in den Beutel, den Selby ihm zugeworfen hatte – der Blick fand eine Tube, in der sich irgendeine Art Flüssigkeit befinden musste, und einen Rasierer. Es dauerte einen Augenblick, bis ihm klar wurde, was Selby mit dieser Gabe gemeint hatte – insbesondere in Verbindung mit seinen letzten Worten.


Eine knappe halbe Stunde später trat Cris wieder aus der Dusche, trocknete sich mit einem bereithängenden Handtuch ab, wickelte es sich um die Hüfte – und betrachtete sich selbst im Spiegel. Er hatte schließlich, nach erstem Zögern, Selbys impliziten Rat befolgt, wenngleich sein Spiegelbild nichts davon verriet, solange er nicht seine Arme anhob oder sich wieder des Handtuchs entledigte und einen Handstand hinlegte. Nachdenklich, fast ein wenig verunsichert, fuhr er sich mit seiner rechten Hand durchs Gesicht, spürte die leicht kratzenden Stoppeln des Dreitagebartes, der sich dort gebildet hatte. Bereits gestern mussten seine Wangen und sein Kinn sich so angefühlt haben – und dennoch hatte Noa mitnichten so gewirkt, als würde sie Unbehagen empfinden, wann immer er ihren Hals geküsst hatte und sie damit mit diesen Bereichen seines Gesichts in Berührung gekommen war. Vielleicht hatte Selby auch in dieser Hinsicht Recht. Vielleicht gefiel es ihr so. Cris schnaubte leise. Richtete er sich gerade wirklich nach dem Rat eines Mannes, den die Frau, der er eine Freude machen wollte, als Zuhälter bezeichnet hatte? Anscheinend. Und die Konsequenzen dessen rückgängig zu machen, dafür war es jetzt zu spät. Warum war er überhaupt so nervös? Sie war ihm gestern nahe gewesen, sehr nahe, und nie hatte sie den Eindruck gemacht, als würde er ihr nicht gefallen. Andererseits war sein gestriger Besuch eine Überraschung gewesen – sie hatte keine Zeit gehabt, sich vorzubereiten, Erwartungen zu bilden. Heute war das anders. Und selbst wenn er hoffte, dass die Gefühle, die sie für ihn empfand, so wie die seinen für sie, über solche Kleinigkeit weit hinausgingen, wollte er, dass jedes Detail stimmte, wenn er ihr wieder gegenübertrat.

Exakt zwei Stunden, nachdem er ihre Nachricht empfangen hatte, stand er schließlich wieder vor der Tür von Noas Wohnung. Er trug frische, aber immer noch kaum bemerkenswerte Kleidung, hatte sich tatsächlich dafür entschieden, seine Bartstoppeln an Ort und Stelle zu lassen, und roch – wie er sich aus einem plötzlichen Impuls heraus versicherte – sauber und noch eine Spur nach der herben Duschlotion, die er auf der Empress vorgefunden hatte. Auf ein Parfüm, wie Selby es ab und an benutzte, hatte er bewusst verzichtet – er glaubte nicht, dass es Noa gefiel, wenn er plötzlich aus heiterem Himmel mit derlei Eskapaden anfing.

Als er schließlich wie am vorherigen Tag ihren Türsummer betätigte, waren all diese Überlegungen verfolgen. Es zählte nur eines – die Frau auf der anderen Seite dieser Tür.


[Coruscant, Raumhafennähe, Wohnkomplex, vor Noas Wohnung]- Cris
 
- Coruscant – City – Cloés und Jespers Wohnung – Mit Cloé -

Cloés Kleiderschrank und das zusätzliche Ankleidezimmer, das ihr zur Verfügung stand, waren ein Traum für die meisten Frauen und manchmal fragte Noa sich, was bei ihr schief gelaufen war, dass sie der Anblick der vielen Kleider, Schuhe, Blusen und Röcke nicht in Ekstase versetzte. Sie stand in der Tür zu Cloés Ankleidezimmer, die Arme vor der Brust verschränkt, die Stirn zweifelnd in Falten gelegt, während Cloé bereits das fünfte Kleid von einem der riesigen Kleiderständer nahm und über ihren ausgestreckten Arm hing.

„Probier die alle mal an. Ich weiß nicht, ob dir das hier passt. Könnte etwas eng um die Hüften sein.“

Sie hielt ein flauschiges rotes Kleid mit Federnbesatz hoch.

„Ist schon eine Weile her, dass ich es gekauft habe.“

Sie übergab Noa die Kleider, die zusammengefasst überraschend schwer waren. Noa runzelte die Stirn. Sie glaube ohnehin nicht, dass Federn unbedingt zu ihrem Typ passten. Federn waren so weiblich, so exklusiv, während es ihr am liebsten war, wenn das Kleid so schlicht wie möglich war. Wenn sie schon so etwas vornehmenes tragen musste, dann wenigstens etwas, worin sie nicht so sehr auffiel. Je unsichtbarer sie auf dem Ball blieb, desto weniger Leute würden bemerken, wenn ihr irgendetwas peinliches passierte oder sie sich – unbeabsicht, natürlich! - daneben benahm. Cloé war überrascht gewesen als Noa vor etwa einer halben Stunde bei ihr aufgekreuzt war und das nicht, weil Noa nicht vorher Bescheid gesagt hatte, dass sie vorbei kam, sondern wegen dem, was sie erzählt hatte. In ihrer typischen mütterlichen Art hatte Cloé missbilligend die Lippen gekräuselt, als Noa ihr erzählt hatte, dass Cris wieder auf Coruscant war und sie gebeten hatte, mit ihm gemeinsam nach Mon Calamari zu fliegen. Es passte Cloé nicht unbedingt, dass der Mann, den sie für keine gute Partie für ihre Schwester hielt, plötzlich wieder auf der Bildfläche aufgetaucht war, doch sie hatte, so offensichtlich ihre Gedanken auch gewesen waren, ihre Meinung für sich behalten und das war mehr als man normalerweise von Cloé Raquelle Cortina erwarten konnte. Wie Noa sagte sie gerne offen, was sie dachte, doch im Gegensatz zu Noa wusste sie meist besser, wenn es an der Zeit war, die Klappe zu halten.

„Na los, was ist? Probier an!“

In Gedanken versunken hatte Noa etwas dümmlich im Schlafzimmer ihrer Schwester herum gestanden, ohne sich zu bewegen.

“Oh, ach ja.“

Noa hatte die Kleider auf dem Bett abgelegt und begann, sich auszuziehen.

“Welches zuerst?“

Wollte sie wissen. Cloé zuckte mit den Schultern.

„Egal. Welches gefällt dir am besten?“

“Hmmm.“

Das war schwierig. Von der Vorauswahl, die Cloé für sie bereits getroffen hatte, waren alle Kleider schön, jedes auf seine Art. Außer das mit den Federn. Ach, sie würde einfach alle einmal anprobieren, egal in welcher Reihenfolge und das, das am besten passte und in dem sie sie sich am wohlsten fühlte, würde sie anziehen. So einfach war das. Siegesball der Republik hin oder her, aus einer Kleiderwahl musste man ja kein Drama machen. Noa schälte sich aus ihrer Hose, ließ sie zu Boden fallen und kickte sie einfach bei Seite, bevor sie zu einem edlen silberfarbenem Seidentraum griff. Cloé beobachtete sie mit Argusaugen, vermutlich um darauf zu achten, dass Noa auch keines ihrer Kleider kaputt machte.

„Dreh dich mal um.“

Forderte sie plötzlich und Noa schaute verdutzt. Zögernd tat sie, was sie ihre Schwester von ihr verlangte und Cloés Augen weiteten sich in Staunen und Unglaube.

„Du warst beim Waxing!!“

Rief sie aus.

„Noa Chanelle Cortina!“

Oh nein, warum musste Cloé aus allem eine so große Story machen? Jaaa, gut, Noa hatte sich einer kleinen Schönheitskur unterzogen, na und? Es war nicht so, als wäre das nicht abzusehen gewesen. Sie schaute an sich herunter. Ihre Haut war noch immer leicht gerötet, vor allem in der Bikinizone. Beinahe süffisant hob Cloé eine Augenbraue.

„Sieht so aus, als wäre der Ball nicht die einzige große Sache, die du noch vor hast, was?“

Bemerkte sie grinsend. Peinlich berührt trat Noa von einem Bein aufs andere.

“Hmm, schon möglich.“

Antwortete sie knapp, plötzlich sehr erpicht darauf, endlich eines der Kleider anzuziehen, doch Cloé war noch nicht mit ihr fertig.

“Hat's denn sehr weh getan? Lass mal sehen.“

Meinte sie. Noa verdrehte die Augen.

“Nee, Clo, wirklich nicht.“

Lehnte sie ab. Ihre Schwester kannte aber auch wirklich nichts! Es gab da so etwas, das sich Scham nannte, aber davon hatte Cloé scheinbar noch nie gehört. Ungeduldig bedeutete sie Noa, nicht nur sprichwörtlich die Hosen runter zu lassen.

„Ich will ja nur sehen, ob die einen guten Job gemacht haben und jetzt stell dich nicht so an.“

Beharrte sie, Noas Scham abwinkend. Sichtlich genervt ergab sich Noa in ihr Schicksal und schob ihren Slip hinunter.

“Zufrieden?“

Wollte sie wissen, Cloés fachmännisches Urteil abwartend.

„Sehr schön. Sieht super aus. Aber du solltest dir trotzdem überlegen, dich lasern zu lassen. Dann hast du wenigstens Ruhe.“

“Ich weiß, aber dafür fehlen mir die nötigen Credits, die ich auf einen Schlag bräuchte. Vielleicht irgendwann mal. Und jetzt lass uns endlich diese blöde Kleiderfrage hinter uns bringen.“

Es dauerte noch fast eine Stunde, bis die finale Entscheidung getroffen war und selbst dann war Cloé noch nicht fertig, weil sie erpicht darauf war, Noa auch noch eine Abendtasche und passende Schuhe anzudrehen. Während sie mit ersterem noch einverstanden war, lehnte Noa alle Highheels, die Cloé ihr anbot, rigoros ab.

“Clo, ich kann in diesen Teilen nicht laufen und ich werde gewiss nicht riskieren, mich vor dem Kanzler und seinen Beratern auf die Fresse zu legen.“

Beharrte sie stur.

„Alles schön und gut, aber es wird dir nichts anderes übrig bleiben. Das ist ein Ball. Da wird getanzt und hübsch ausgesehen und das heißt, dass Highheels Pflicht sind.“

Für Cloé war es kein Problem, ebenso stur zu sein wie ihre Zwillingsschwester.

“Quatsch mit Sauce.“

Erwiderte Noa.

“Was ist mit den Dingern da?“

Cloé drehte sich zu ihrem Schuhregal um, um zu sehen, worauf Noa gezeigt hatte.

„Die Slipper? Auf keinen Fall, die gehen gar nicht.“

“Warum nicht? Sieht doch unter dem Kleid eh keiner. Und bevor ich mich lang lege...“

Noa griff nach dem Paar seidener Slipper, das sie erspäht hatte, die kaum getragen wirkten und die mit bunten Pailetten bestickt waren. Der Rock von dem Kleid, von dem Cloé entschieden hatte, das Noa es tragen würde – Noas Meinung in dieser Sache hatte letzten Endes dann doch nicht so viel Gewicht gehabt, wie sie ursprünglich gedacht hatte – war lang genug, dass niemals jemand sehen würde, was sie darunter trug. Zur Not konnte sie klobige schwarze Stiefel anziehen und niemand würden es bemerken.

“Die nehm ich.“

Entschied sie, diesmal nicht Willens, sich rein reden zu lassen.

“Wetten, dass ich da den ganzen Abend drin laufen kann? Und außerdem passen die locker in meinen Koffer, ohne dass ich noch anbauen müsste.“

„Na gut, ich geb's auf. Zieh an, was du willst.“

Gab Cloé nach.

„Apropos Koffer, habt ihr denn schon einen Flug gebucht?“

“Nein, noch nicht. Cris hatte gehofft, dass Selby uns mit der Empress mitnehmen könnte.“

Erklärte Noa.

“Er wollte heute mit ihm sprechen.“

„Mhhh.“

Ziemlich plötzlich war Cloé nachdenklich geworden. Fragend sah Noa sie an.

“Was ist?“

„Ich weiß nicht. Ich hatte da gerade einen Gedanken. Rámon versucht Thalia schon seit einer Weile dazu zu überreden, Coruscant zu verlassen.“

Sagte sie. Noa nickte.

“Ja, das hab' ich mitbekommen. Aber Thalia hat sich bisher geweigert.“

„Ja, aber jetzt wird es immer kritischer. Ich habe gestern noch mit Rámon gesprochen. Er hat wirklich Angst, dass Thalia oder den Kindern etwas passieren könnte, sei es weil er als Rebell enttarnt wird, oder als Opfer des Krieges, wenn die Republik wirklich bald hier einmarschieren sollte. Wir haben ja alle die Zahlen der zivilen Opfer auf Corellia gesehen.“

An dieser Sache war was dran. So positiv es auch war, dass das Imperium Corellia nicht länger geißeln konnte, die Schlacht um den Planeten hatte furchtbar viele Tote gefordert, Armeeangehörige sowie Zivilisten und obwohl sie sich alle danach sehnten, dass auch Coruscant befreit werden würde, so fürchteten sie sich doch vor dem finalen Krieg, die ein solcher Wunsch mit sich bringen würde, denn das Imperium würde Corsucant niemals kampflos aufgeben. Niemand wäre hier mehr sicher.

„Ich hatte gerade den Gedanken, ihr könntet Thalia und die Kinder vielleicht mitnehmen.“

Sprach Cloé aus, was sie zuvor gedacht hatte. Sie hob eine Schulter, während sie das Kleid, das sie Noa leihen würde, in einen undurchsichtigen Kleidersack einpackte.

„Einen sichereren Flug könnten sie nicht haben, nicht wahr?“

Cloés Vorschlag folgten zwei Anrufe, die Noa tätigte. Sie sprach zuerst mit Rámon, erzählte ihm in kurzen Worten von Cris, von dem Ball und natürlich von Cloés Idee. Wenn er und Thalia es wollten, dann konnte sie versuchen, den beiden auf der Empress noch einen Platz zu beschaffen. Dazu musste sie allerdings noch mit einer ganz anderen Person reden und das fiel Noa nicht unbedingt leicht. Sobald sie Rámons OK bekam, tippte sie eine kurze Nachricht an Lieutenant Selby...

*** Kom-Nachricht an Selby ***
Muss mit Ihnen sprechen. Können wir uns treffen? Gleicher Ort wie beim letzten Mal.


...und eine an Cris.

*** Kom-Nachricht an Cris Sheldon ***
Verspäte mich ein wenig. Hoffe du kannst auf mich warten.


Cloé stand vor ihr, den unhandlichen Kleidersack in der einen, ein Cocktailglas in der anderen Hand.

„Hier, trink das. Du brauchst das jetzt. Fahren kannst du mit dem Kleid im Gepäck sowieso nicht, nimm dir lieber ein Robotaxi.“

“Okay, dann lasse ich mein Bike bei euch stehen.“

Noa nahm das Glas entgegen und trank zügig davon. Der süßliche Geschmack klebte ihr auf der Zunge, während der Alkohol ihr rasch zu Kopf stieg.

“Uhh, angenehm.“

Bewertete sie den Effekt.

“Hey, Schwesterherz, danke für das Kleid. Wir sehen uns, wenn ich wieder zurück bin.“

„Versuch, keine Dummheiten zu machen.“

Mahnte Cloé sie und für einen Moment schien sie nach den richtigen Worten zu suchen.

„Und amüsier dich gut. Ich weiß, ich müsste unterstützender sein, was dich und Cris angeht. Ich versuche, es zu sein. Es ist nur...“

Sie schüttelte den Kopf, weil sich das, was sie sagen wollte, nur schwer formulieren ließ.

“Ich weiß.“

Erwiderte Noa, verständnisvoller als normalerweise. Sie hatte es schon so oft vermasselt, dass es ihr selbst schwer fiel zu erkennen, welcher Mann der Richtige für sie sein konnte, und welcher nicht.

"Wenn es mit euch funktioniert, freue ich mich ehrlich für dich."

Cloé drückte sie herzlich und Noa drückte sie zurück.

"Aber versuch trotzdem, nichts zu überstürzen."

Sie lächelte.

"Obwohl ich fürchte, dafür ist es bereits zu spät."

Noa beeilte sich, hinaus auf die Straße zu gelangen, nachdem sie sich von Cloé verabschiedet hatte. Sie wusste schon jetzt, dass sie Cris warten lassen würde, doch sie musste zuerst mit Selby sprechen und ihn darum bitten, ihrer Schwägerin und deren Kindern zu helfen, von Corsucant weg zu kommen. Selbstverständlich, das wusste Noa, hätte sie auch Cris bitten können, in ihrem Namen mit Selby zu reden, doch das war etwas, das sie selbst tun musste. Cris hatte Selbys Hilfe schon so oft angenommen. Sie wollte nicht, dass er ihn ihretwegen schon wieder um etwas bitten musste. Außerdem ging es um ihre Familie und für diese war sie selbst verantwortlich.

- Coruscant – City – Noa -
 
[Coruscant, Wolkenkratzer, Landebucht, vor der Empress of Blades]- Selby, Agenten

Sheldon war bereits wieder verschwunden – hin zu seinem Treffen mit Noa Cortina, obwohl dieses nach den Angaben, die er Selby gegenüber gemacht hatte, noch in relativer Ferne lag – als der Pilot der Empress of Blades verließ, nachdem er sich ein wenig mit dem Bordcomputer der Yacht herumgeschlagen hatte. Dieser schien einige Zicken zu machen, seit ein zu Major Tacemas Zelle gehörendes Codespleißerteam den Transponder aktualisiert hatte, sodass dieser auch den jüngsten Überwachungsprotokollen der imperialen Flotte und der Flugüberwachung von Coruscant nicht auffallen würde. Es war immer dasselbe – nie liefen die Dinge nach Plan, schon gar nicht, wenn einem die Zeit davon lief, wie ihm selbst, seit er Sheldon törichterweise versprochen hatte, ihn und Noa rechtzeitig zum großen Siegesball nach Mon Calamari zu bringen, einmal durch die halbe Galaxis. Wenigstens hatte der Major keinen Verdacht geschöpft, als Selby ihm beiläufig den Vorschlag unterbreitet hatte, einen der geplanten Kurierflüge im Zeitplan nach vorne zu nehmen. Vermutlich war der Duros recht ungeduldig, was Verstärkung und zusätzliche Ressourcen anging, die das Direktorium ihm bedingt durch den Einsatz Noas für Coruscant versprochen hatte.

Etwas missmutig sah Selby dem Astromechdroiden zu, der scheinbar damit beschäftigt war, eine Energieleitung zu untersuchen, die die Empress mit Strom versorgte, solange ihr Antrieb heruntergefahren war, als ihn eine Bewegung in seinem Augenwinkel sich umdrehen ließ. Einer der Agenten, die der Landebucht der Empress zur Überwachung zugeteilt waren – Malloc, der Devaronianer, der Sheldon bei seinem überraschenden Besuch aufgegriffen hatte – war auf den Piloten zugetreten und nickte leicht.


„Lieutenant.“

„Agent. Kann ich etwas für Sie tun?“

Malloc zögerte.


„Sir… ich kann mir nicht helfen, aber dieser Lieutenant Sheldon… was hat es mit dem auf sich? Ich kann mich nicht erinnern, ihn je bei einem Briefing gesehen zu haben.“

Als erste Reaktion seufzte Selby leicht genervt.

„Sie kennen unser Geschäft. Jeder weiß, was er wissen muss. Und über Lieutenant Sheldon müssen Sie nichts wissen. Reicht Ihnen das?“

„Er gehört also zu einer anderen Zelle…?“

Soweit Selby Mallocs nichtmenschliche Physiognomie deuten konnte, verriet diese eine gewisse Skepsis.

„Hören Sie, Agent, selbst wenn ich das wüsste…“

Abwehrend hob Malloc seine beiden Hände.

„Dürften Sie es mir nicht sagen, Sir. Schon klar.“

Der Devaronianer zog sich von Selby zurück und dieser gestattete sich ein resigniertes Kopfschütteln. Vielleicht nahmen die kleinen Gefallen, die er Sheldon tat, langsam Überhand, besonders wenn man bedachte, warum er die sich bestenfalls im Graubereich bewegenden Aktionen des Anderen zu decken versuchte. Noch vertraute er darauf, dass Sheldon wissen würde, wann er drohte, zu weit zu gehen. Doch ebenso war ihm klar, dass auch ein Mann wie er bei einer Frau wie Noa Chanelle Cortina schwach werden konnte. Er hatte die Blicke gesehen, die Sheldon ihr zugeworfen hatte, und seinen Gesichtsausdruck, wann immer er von ihr sprach. Er kannte diese Version seines ehemaligen Vorgesetzten. Er hoffte nur, dass sie diesen Widerstreit zwischen seinen Aufgaben und seinen Gefühlen überleben würde.

Als sich sein Comlink meldete erwartete Selby halb eine weitere Nachricht von Sheldon, die ihn aufforderte, den anderen irgendwo aufzulesen oder ihm irgendetwas zu bringen, damit er es seiner Angebeteten geben konnte. Er wurde überrascht – die Nachricht war nicht von Sheldon. Sie war von Noa. Stirnrunzelnd überflog Selby den Text ein zweites Mal, doch es bestand kein Zweifel. Noa wollte ihn sehen – baldmöglichst, also exakt zu der Zeit, zu der Sheldon eigentlich davon ausging, sich mit ihr zu treffen. Dunkle Vorahnungen verdüsterten die Mimik des Piloten, während er rasch eine Antwort formulierte.


***Com-Nachricht an Noa Chanelle Cortina***
Bin in zehn Standardminuten am Treffpunkt.


Wieder schüttelte er den Kopf, während er das Gerät wieder einsteckte und einen der bereitstehenden Gleiter ansteuerte. Wann war er eigentlich so gutmütig geworden?

Zehn Standardminuten später – wie angekündigt – hatte er den Weg vom Versteck der Empress hin zu jener Geschäftsmeile hinter sich gebracht, an der er Noa bereits das letzte Mal getroffen hatte. Wieder wartete er in der feuchten, schmutzigen Gasse neben der Reinigung – aus der er dieses Mal ohne es zu beabsichtigen einen in Lumpen gehüllten Bettler vertrieb, dessen Spezies schwer zu erkennen gewesen war – und konnte sich gerade noch davon abhalten, mit seinem Jackett lässig an der glitschigen Wand zu lehnen. Coruscants Schleim würde er so leicht nicht wieder rausbekommen. Er hasste diesen Planeten – auch wenn er das der Frau, die ihn hier treffen wollte, wohl kaum auf die Nase binden würde.


[Coruscant, Mittlere Ebenen, Gasse neben Reinigung]- Selby
 
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