[Coruscant - Jedi-Tempel - Leelas Quartier] Leela
Erst als sie schon fast in ihrem Quartier angekommen war, stellte Leela Kaveri fest, wie müde sie eigentlich war. Nach dem ohnehin schon langen, ereignisreichen Tag war das Sparring mit Ganner fordernd und kräftezehrend gewesen und den anschliessenden Wortwechsel mit dessen Meisterin Siva, hatte sie zwar als sehr anregend empfunden, wußte allerdings noch nicht, was sie mit deren Einstellung anfangen sollte. Und es war nicht mal die Außergewöhnlichkeit ihrer Argumente und Ansichten gewesen, die sie irritiert hatte - sie erschienen der Ärztin in leichter Abwandlung durchaus weitverbreitet zu sein - es war ihre eigene enttäuschte Erwartung, mit der sie nicht gerechnet hatte. Aber das war etwas, das nur sie selbst betraf und was sie Siva nicht zum Vorwurf machen konnte. Leela führte solche Gespräche in der Regel nicht - mit wem auch? Ihren Kollegen? Ihren Patienten? Keiner, den sie kannte, brächte die Geduld für so etwas auf. Mit Ranjit hatte sie früher oft auf eine sehr fruchtbare Art und Weise diskutiert, aber das war lange her. In einem anderen Leben. In gewisser Weise war sie Siva sogar dankbar für diese Art des Gedankenaustauschs, aber sie mußte bei Gelegenheit herrausfinden, ob ihre Meinung repräsentativ für die Jedi war - und wie ihre nachsichtige Philosophie draussen in der Wirklichkeit funktionierte.
Als sich die Tür ihres Quartiers hinter der jungen Frau schloß, lehnte sie sich kurz erschöpft dagegen: Tag eins bei den Jedi hatte ihr eine Menge Einsichten und Erkenntnisse gebracht - und noch wesentlich mehr Fragen aufgeworfen. Nach einer dringend benötigten Dusche würde sie sich noch kurz ein paar Notizen dazu machen und dann zu Bett gehen - oder stand Ganners Einladung noch? Leela war sich nicht sicher - immerhin war ihr Abgang etwas... spontan gewesen. Als sie noch überlegte, ob es in Ordnung wäre, ihn später zu kontaktieren und nachzufragen, bemerkte sie, daß ihr Com blinkte. Arkon? Sie hatte ihn seit der überraschend durch ihn beendeten Meditation nicht mehr gesehen. Über eine Aussprache würde sie sich freuen.
Allerdings war der Absender ein anderer und ließ sie verwundert stutzen: Rätin El'mireth... was konnte sie von einer Padawan wollen, die gerade mal seit einem Tag dem Orden angehörte? Möglicherweise nur ein vorgefertigtes Begrüßungsschreiben oder etwas in der Art. Mit mäßiger Neugier öffnete sie die Nachricht:
***Nachricht an Padawan Kaveri***
Ich hoffe, ich störe Euch bei keiner wichtigen Aktivität, falls doch, möchte ich mich dafür entschuldigen. Mir ist zu Ohren gekommen, dass Ihr bis vor kurzem erfolgreich als Ärztin tätig wart und würde Euch gerne um einen Gefallen bitten. Diese Sache muss möglichst bedeckt bleiben, ich bitte um Eure Diskretion und Einhaltung der Schweigepflicht.
In Untersuchungsraum 13 in Ebene fünf befindet sich ein Leichnam, der momentan von den Jedi vor allem mit Hilfe der Macht untersucht wird. Ich bitte um Eure unabhängige Meinung als Ärztin zur Todesursache und was Ihr sonst noch alles über ihn herausfinden könnt - jede Kleinigkeit, und ist sie noch so winzig, könnte bedeutsam sein! Die Ergebnisse leitet bitte direkt an mich, möglichst persönlich oder durch einen Droiden. Die untersuchende Jedi ist informiert, im Anhang findet Ihr den Code zum Betreten des Raumes.
Solltet Ihr verhindert sein, informiert mich bitte möglichst bald.
Ich danke für Eure Bereitschaft!
Rätin El'mireth
Oh.
Das war unerwartet. Und es klang eine gewisse Dringlichkeit mit. Dr. Kaveri kontrollierte den Zeitstempel der Nachricht - kaum zehn Minuten waren vergangen, seit sie abgesendet wurde - bevor sie eilig mit einer Hand eine Bestätigung tippte, dass sie umgehend den Leichnam untersuchen würde, während sie sich mit der anderen schon die Kleidung abstreifte, um vorher noch einmal hurtig unter die Dusche zu hüpfen. In den nächsten Stunden würde sie jedenfalls nicht mehr dazu kommen. Gerne hätte die junge Frau die Wohltat des heissen Wassers auf ihrer Haut und den verspannten Muskeln sehr viel länger genossen, aber sie beschränkte sich auf die kurze Variante und war nach drei Minuten bereits wieder angezogen. Die noch nassen Haare band sie im Nacken fest zusammen, damit sie bei der Arbeit aus dem Weg waren und nicht störten, schnappte sich ihr Datapad und verfasste schon auf dem Weg nach draussen eine Nachricht an Arkon, um ihren Meister wissen zu lassen, dass sie für die nächsten Stunden in einem der Labore beschäftigt, aber weiterhin über ihr Com erreichbar war.
Es brauchte eine Weile bis Dr. Kaveri trotz der Ortsangabe in Rätin El'mireths Nachricht das richtige Labor gefunden hatte, aber als sie endlich vor der Tür von Untersuchungsraum 13 stand, öffnete der mitgeschickte Code wie versprochen die Tür - und unversehens schossen Leelas Augenbrauen Richtung Haaransatz: Schon der erste Blick offenbarte einen hohen - sie berichtigte sich in Gedanken: einen exzeptionell hohen Standart bei der Ausstattung. Die Ärztin kannte das leidlich gute Equipment des Lola Curich Police Department und ihr eigenes State-of-the-Art-Labor, aber das, was sie hier sah, nachdem sie staunend noch einen Schritt in dieses Wunder hinein getan hatte, nahm ihr den Atem. Wenn Jedi-sein bedeutete, mit so etwas Außergewöhnlichen arbeiten zu können, wollte sie nie wieder hier weg. Die Verlockung war groß, all die Spielzeuge ausführlich zu begutachten, aber der von einem Antigravfeld gehaltene Leichnam eines Chagrianers, der eine Handbreit über einem der Untersuchungstische schwebte, wartete darauf, dass sie mit der Arbeit begann. Unter ihm lag ein Pad mit Berichten der Rätin El'mireth selbst, die unmittelbar nach dem Tod des Mannes am Tatort eingetroffen war und der Jedi-Ermittlerin Tashera Marr, die kurz darauf von ihr dazu gerufen worden war, und zum anderen Holos des Fundorts der Leiche und eine Auflistung der Gegenstände, die bei ihr gefunden wurden. Es war eine kurze Liste. Schon bevor Leela auch nur einen Blick in die Berichte getan hatte, runzelte sie misstrauisch die Stirn: Das konnte nicht alles gewesen sein. Der Mann war auf Coruscants Straßen mit nichts außer seiner Kleidung unterwegs gewesen? Keine persönlichen Dinge, kein Com, kein Credstick, keine Keycard zum Öffnen von Wohnung oder Gleiter, nicht einmal ein Taschentuch hatte sich in seiner Tasche befunden. Hm. Kleidung, Schuhe. Niemand lief so durch die Strassen, welcher Stadt auch immer - nun gut: Manchmal liefen verwirrte Personen aus Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen fort, mit nichts als ihrem Schlafanzug bekleidet. Die Liannerin warf noch einen letzten Blick auf die Liste, bevor sie sich den Berichten zuwandte: Hatte man beim Inventarisieren vielleicht einige Positionen "vergessen"?
Während sie darüber nachdachte, ob es wahrscheinlicher war, dass ein Wesen so ...beinahe nackt herumlief, oder ob die Liste eventuell unvollständig war, angelte sich Dr. Kaveri einen Hocker mit dem Fuß und rollte ihn zu sich, um darauf platz zu nehmen und mit dem Lesen der Berichte zu beginnen: Derjenige der Rätin El'mireth war kurz und beschränkte sich darauf, in knappen Worten zu beschreiben, wie sie den Mann gefunden hatte. Wieder waren es die Leerstellen - das, was fehlte - die in Leelas Magen ein merkwürdiges Grummeln verursachten. Warum war die Jedi dort gewesen? Wenige Augenblicke bevor der Chagrianer starb - praktisch im gleichen Moment? Warum gab es keine anderen Zeugen? Nicht weit von Läden entfernt, die zu dieser Zeit gut besucht sein mussten? Unbewußt hatte Dr. Kaveri bereits begonnen, sich Notizen in ihrem Datapad zu machen, als sie den Bericht der Ermittlerin Marr studierte: Ein sachlicher, struktierter Text, dessen größte Auffälligkeit war, dass ihre Jedikräfte darin Eingang gefunden hatten: Tasherra Marr beschrieb eine Vision im Zusammenhang mit dem Tod des Chagrianers. Sie glaubte, dass er allein gestorben war und "friedlich". Meinte sie damit, dass er keine Schmerzen gehabt hatte? Oder seinen seelischen Zustand? Und wie sollte sie selbst mit diesem esotherischen Teil des Berichts umgehen? Etwas in der Ärztin sträubte sich hartnäckig dagegen, die Details der Vision als Fakten zu behandeln. Aber mittlerweile hatte sie einige der Dinge gesehen und erlebt, zu denen die Jedi im Stande waren, also beschloss sie nach einiger Überwindung, die Vision bei der Beurteilung ihrer Untersuchungsergebnisse unvoreingenommen zu berücksichtigen.
Die Einarbeitung in den Fall hatte einige Zeit in Anspruch genommen, aber Dr. Kaveri hatte nun einen vagen Eindruck vom Tathergang und nach was sie suchen mußte: Einen plötzlichen, schmerzlosen Tod - ein Kuriosum an sich - aber immerhin hatte sie ja jetzt mit Jedi zu tun und sollte sich vielleicht weniger wundern. Leela aktivierte den Assistenzdroiden und bat um Protokollierung ihrer Untersuchungsergebnisse und Aufzeichnung des gesamten Vorgangs, aktivierte zusätzlich noch die Diktierfunktion ihres Datapad und zog sich anschliessend Schutzkleidung, chirurgische Handschuhe und Mundschutz an. Die Erfassung der allgemeinen Daten für den unbekannten Chagrianer ging schnell von statten: Größe und Gewicht lagen innerhalb der rasse- und geschlechtsspezifischen Norm, wobei sie die ausgeprägte Muskulatur und insgesamt recht fitten Eindruck erwähnenswert fand. Die genauere Inspektion der blauen Haut auf Läsionen brachte keine verdächtigen Ergebnisse hervor, auch der Mundinnenraum sah weitgehend unauffällig aus, wenn man von einer kleinen Abschürfung an der Seite der langen schwarzen Zunge des amphibischen Wesens absah. Allerdings dauerte dieser Teil ihrer Untersuchung so lange, dass an ein konzentriertes Weiterarbeiten danach nicht mehr zu denken war. Leela würde wohl oder übel eine Pause einlegen müssen. Caf trinken. Caf. Ihr Kopf war plötzlich wie leer gefegt und sie beeilte sich, aus der Schutzkleidung herrauszukommen und sich auf den Weg zur Kantine zu machen.
[Coruscant - Jedi-Tempel - Ebene 5, Untersuchungsraum 13 - auf dem Weg in die Kantine] Leela