[Lianna-System | Lianna City | Jedibasis | Vor dem Erweiterungsgebäude] Eleonore, Lerameé Bar'jaraka, Nen-Axa
Als Eleonore ihm vorschlug, selbst Lerameé als seine Schülerin anzunehmen, entgleiste Nen-Axas Gesicht ein wenig. Dieser Vorschlag kam für ihn völlig unerwartet - und im gleichen Moment fragte er sich, wieso eigentlich.
Er hätte ja auch selbst darauf kommen können. Schon bevor er selbst zum Jediritter geworden war, hatte er gedacht - und seiner Meisterin gegenüber auch geäußert - dass er möglichst bald selbst einen Padawan ausbilden wollte. Er hielt es für eine wichtige, wenn nicht gar die vorrangigste Aufgabe der Jedi, ihr Wissen zu teilen und weiterzugeben an diejenigen, die es wert waren. So viel verdankte er seinen eigenen Lehrern: Er wäre zweifellos längst dem Dunkel anheimgefallen und hätte dabei das Kostbarste, seine Kinder, mit ins Verderben gerissen, wenn sie nicht gewesen wären. Es war sein inniger Wunsch, dem Orden zumindest einen Teil davon zurückzugeben, und selbst ein Lehrer zu sein, war wohl der beste Weg dazu. Die Vorstellung, anderen beim Überwinden der Hürden zu helfen, die auch er mit dem Beistand von Eleonore und anderen Jedi bewältigt hatte, hatte ihm stets gefallen und war ihm richtig erschienen.
Aber er hatte nicht geglaubt, dass dieser Tag jetzt schon gekommen sein könnte. Immerhin war er vor kurzer Zeit selbst noch ein Padawan gewesen: Nen-Axa hatte seit seinem Ritterschlag noch keine einzige Mission für den Orden ausgeführt und keine Aufgabe im Tempel übernommen. Sein gesamter derzeitiger Wissens- und Erfahrungsschatz war der eines Padawans, nichts davon rührte aus seiner - bisher sehr kurzen - Zeit als Ritter her. Konnte das genügen, um selbst einen Schüler anzuleiten? Bisher hätte er diese Frage mit einem Nein beantwortet, denn er war davon ausgegangen, dass viel mehr dazu gehörte, ein Lehrer zu sein.
Aber Eleonore war offensichtlich anderer Meinung. Er kannte seine Meisterin gut genug, um zu wissen, dass sie mit solch ernsten Belangen keinen Scherz trieb. Und Gefälligkeitslügen waren noch weniger Teil ihres Wesens. Sie würde ihm niemals sagen, dass sie ihn für geeignet hielt, wenn sie in Wahrheit Zweifel daran hatte. War er zu selbstkritisch? Sie jedenfalls glaubte an ihn, und er hatte ihrem Urteil stets vertraut.
»Meisterin, ich danke Euch. Ein größeres Lob kann es nicht geben. Aber wir...«
Der Arconier unterbrach sich, als das Gefühl der Verantwortung auf ihn ein stürzte. Wenn er Lerameé als seine Schülerin annahm, bedeutete dies, dass er ihr ganzes weiteres Leben in Händen hielt. Die Fehler, die er machte - er würde auf alle Fälle Fehler machen! - würden ihr Schaden bringen. Wenn er als Lehrer versagte, würde die junge Lurmen niemals ihr Potential entfalten können. Sein Mangel an Erfahrung konnte ihre Träume und ihr Leben zerstören, ihr zusätzliche, vielleicht unüberwindbare Steine in den Weg legen, den ihr Meister eigentlich für sie bereiten sollte. Und wenn er vollends scheiterte, konne es sogar sein, dass...
Nen-Axa weigerte sich, diesen Gedanken zu Ende zu führen. Eleonore glaubte an ihn. Aber schätzte die Cereanerin ihn richtig ein?
Er erschrak vor dieser Frage; wie konnte er als unerfahrener Jediritter es sich erlauben, das Urteil einer Rätin und zugleich seiner eigenen Lehrmeisterin in Zweifel zu ziehen! Aber niemand - auch kein Jedirat - war unfehlbar. Eleonore kannte seine Stärken und Schwächen, aber sie wusste auch um seine Abgründe, ebenso wie er selbst. Auch sie hatte jenen Moment während seiner Ausbildung nicht kommen sehen, als ihn zum zweiten Mal in seinem Leben der Zorn übermannt hatte. So etwas konnte wieder passieren. Konnte Nen-Axa es verantworten, die Fürsorge über eine Schülerin zu übernehmen, solange er nicht hundertprozentig sicher war, dass so etwas sich niemals wiederholen würde? Und wäre er ebenso wie damals seine Meisterin in der Lage, Lerameé in einem solchen Augenblick vom Abgrund der Dunklen Seite fortzureißen?
Der Jediritter zwang sich, seine Gefühle zu erforschen, wie es ihm so oft gesagt worden war. Er schloss die Augen - nur kurz, gerade lange genug, um einen tiefen Atemzug zu nehmen. Noch einmal dachte er über diese schlimmen Ereignisse nach und darüber, was das für seine eigene Situation bedeutete. Nun gelang es ihm, die Dinge ein wenig klarer zu sehen.
›Absolute Sicherheit gibt es nicht‹, sagte er sich. ›Selbst für Eleonore nicht, obwohl sie Großmeisterin und Rätin ist. Sie konnte nicht vorhersehen was passiert; aber sie hat auf ihre Gefühle und die Macht vertraut. Und sie hat recht behalten.‹
Was also sagten seine Gefühle ihm? Was sagte die Macht ihm?
Er wollte Lerameés Ausbildung begleiten. Schon nach wenigen Sätzen ihres Gespräches hatte er es gewollt. Aber er hatte nicht den Mut gehabt, sich dazu zu bekennen, hatte stattdessen versucht, die Verantwortung auf Eleonore abzuwälzen. Sie hatte diese angenommen, hatte selbst an seiner Stelle die Lurmen im Orden willkommen geheißen. Und sie legte ihm die Worte in den Mund, vor denen er sich fürchtete, weil er sich selbst noch immer nicht ganz vertraute.
Zweifellos war Nen-Axa zum jetztigen Zeitpunkt nicht bereit dafür, Lerameé durch ihre Prüfungen zu geleiten. Aber bis dahin war es auch noch ein weiter Weg. Die Lurmen wurde deswegen in den Orden aufgenommen, weil sie das Zeug mitbrachte, ihre Lehre jetzt zu beginnen, nicht, sie zu beenden. Und das war die Frage, die der Arconier sich beantworten musste: War er bereit, Lerameés Ausbildung zu beginnen - um dann mit ihr gemeinsam zu lernen und zu wachsen, bis sie schließlich beide reif genug für den nächsten Schritt waren?
›Wir wollen es versuchen. ...Nein, wir werden es tun!‹
»Ja, Meisterin, Ihr habt recht. Genau das ist es, was ich eigentlich will, auch wenn ich es nicht gewagt habe, diesen Gedanken zuzulassen.«
Nen-Axa wandte sich zu Lerameé um, blickte in ihre großen, erwartungsvoll leuchtenden Augen. Noch einmal blitzte die Angst auf, seine Schülerin könnte durch seine Schuld scheitern oder sogar von ihm ins Verderben der Dunklen Seite gerissen werden. Doch als sein Blick auf den Botenschmetterling fiel, dessen torkelnder, zufällig scheinender Flug sie miteinander bekannt gemacht hatte, zerfaserte diese Furcht und löste sich auf.
»Lerameé Bar'jaraka, ich biete dir an, meine Padawan-Schülerin zu werden. Wenn du es willst, werden wir dich durch deine Ausbildung geleiten. Ich glaube, dass wir beide viel voneinander lernen können.«
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