Heute vor 70 Jahren: Die Schlacht um Midway
Heute vor 70 Jahren, am 4. Juni 1942, fand eine der bedeutendsten Seeschlachten überhaupt statt: Die Schlacht um Midway. Sie war „der Wendepunkt des Pazifikkrieges und veränderte den Verlauf der Weltgeschichte“ (Admiral Jonathan W. Greenert, aktueller Chief of Naval Operations, Oberbefehlshaber der US Navy). Japanische und amerikanische See- und Luftstreitkräfte kämpften mitten im Pazifik gegeneinander, über und nahe dem US-Marinestützpunkt auf dem kleinen Atoll aus Sand Island und Eastern Island. Vor dieser Schlacht waren Japans Seestreitkräfte der US Navy überlegen und konnten frei entscheiden, wo und wann sie angreifen wollten. Nach Midway standen sich die gegnerischen Flotten etwa auf Augenhöhe gegenüber, und schon bald übernahmen die USA die Initiative und gingen zur Offensive über.
Mit dem Angriff auf Midway beabsichtigte Admiral Yamamoto Isoroku, der Oberbefehlshaber der Vereinigten Flotte der Kaiserlich-Japanischen Marine, die US Pazifikflotte aus Pearl Harbor herauszulocken. So wollte er die lang ersehnte Entscheidungsschlacht herbeiführen, in der die Japaner endlich die US-Flugzeugträgerverbände zerstören konnten, die dem Angriff auf Pearl Harbor entgangen waren und seitdem mehrfach abgelegene japanische Stützpunkte angegriffen hatten. An dieser „Operation MI“ nahm das Gros der japanischen Flotte teil, Admiral Yamamoto führte das Kommando von seinem Flaggschiff Yamato aus, dem größten Schlachtschiff der Welt. Doch der Operationsplan war sehr kompliziert: Statt ihre Übermacht zu konzentrieren, zersplitterten die Japaner ihre Flotte in 16 verschiedene Gruppen. Außerdem hing das Gelingen des Plans fast völlig vom Überraschungsmoment ab und ließ kaum Spielraum, falls etwas Unvorhergesehenes dazwischenkam.
Mit einem massiven, überraschenden Luftangriff am frühen Morgen des 4. Juni, ähnlich jenem auf Pearl Harbor, wollten die Japaner die Verteidigungsanlagen und Flugzeuge auf Midway schnell ausschalten, anschließend Sand und Eastern Island mit einem Landungsunternehmen besetzen und einen japanischen Luftstützpunkt einrichten. Sie waren sich sicher, die amerikanischen Flugzeugträger würden erst nach dem Angriff auslaufen, um die japanischen Angreifer zu bekämpfen, aber zu spät ankommen, um Midway zu retten. Auch wären sie den kampferprobten Luftstreitkräften der Kido Butai, des Flottenverbands unter dem Befehl von Vizeadmiral Nagumo Chuichi mit den vier Flugzeugträgern Akagi, Kaga, Soryu und Hiryu, unterlegen und würden eine vernichtende Niederlage erleiden.
Aber das Unternehmen lief nicht wie geplant, denn Yamamotos beabsichtigter Überraschungsangriff wurde vereitelt durch die überlegene Funkaufklärung der US Navy. Das Team der Central Intelligence Unit in Pearl Harbor unter Lieutenant Commander Joseph Rochefort fing die japanischen Funksprüche ab, entschlüsselte sie und enthüllte so rechtzeitig den japanischen Plan, bevor es zur Schlacht kam. Dies ermöglichte Admiral Chester W. Nimitz, dem Befehlshaber der US-Pazifikflotte, einen überraschenden Gegenschlag. Er setzte nach dem Prinzip des kalkulierten Risikos mutig alles auf eine Karte und entsandte alle verfügbaren Flugzeugträger, dazu die meisten Kreuzer und Zerstörer als Begleitschiffe, um die Japaner zu überraschen. Enterprise und Hornet bildeten die Task Force 16 unter dem Befehl von Konteradmiral Raymond Spruance, und die im Korallenmeer beschädigte Yorktown, die im Trockendock in 72 Stunden provisorisch repariert wurde, war Kern der Task Force 17 unter dem Befehl von Konteradmiral Frank Jack Fletcher.
Nimitz verlegte beide Verbände in das Seegebiet nordöstlich von Midway, wo sie kampfbereit die Japaner erwarteten. Am 4. Juni war die Falle aufgestellt, und die zweite große Flugzeugträgerschlacht des Pazifikkriegs begann. Dabei gelang es den Amerikanern, die Japaner zu überraschen, auch weil deren Aufklärung sehr mangelhaft war. Ihre U-Boote kamen zu spät, um die US-Flotte auf ihrem Weg nach Midway abzufangen, und die Bordflugzeuge von Kreuzern hatten eine zu geringer Reichweite. Obwohl der japanische Luftangriff den Stützpunkt auf Midway beschädigte, blieb er dank rechtzeitiger Vorwarnung durch Luftaufklärung und Radar einsatzbereit und wurde später zu einem wichtigen Bestandteil der amerikanischen Offensive im Zentralpazifik.
Unterdessen griffen die verschiedenen auf Midway stationierten Flugstaffeln der US Navy, des US Marine Corps sowie Bomber der US Army Air Force die Kido Butai nacheinander an. Damit war für Vizeadmiral Nagumo klar, dass ein weiterer Luftangriff auf Midway erforderlich war. Also befahl er, die in Reserve gehaltenen Flugzeugstaffeln auf Landziele umzurüsten, was ziemlich aufwendig und zeitraubend war. Die Reserve-Staffeln waren vorsorglich mit Torpedos und Bomben gegen Schiffe bewaffnet worden, falls unerwartet ein feindlicher Flottenverband auftauchen sollte. Während die Umrüstung in vollem Gange war, erhielt Vizeadmiral Nagumo die Meldung eines Aufklärungsflugzeugs, das im Nordosten einen amerikanischen Flottenverband gesichtet hatte.
Nun befand er sich in einem Dilemma, denn der Angriff auf die US-Flotte hatte Priorität. Nach einiger Zeit ließ Nagumo die Umrüstung stoppen. Nun kehrten die Flugzeuge der ersten Angriffswelle auf Midway zurück und mussten so schnell wie möglich landen. Erst danach konnten sie neu aufgetankt, bewaffnet und ein Luftangriff auf die US-Flotte vorbereitet werden. Doch die ständigen, völlig unkoordinierten amerikanischen Luftangriffe verzögerten die Vorbereitung des japanischen Angriffs auf die amerikanische Flotte immer weiter.
Kurz nachdem der letzte Angriff von US-Torpedoflugzeugen erfolgreich abgewehrt worden war, griffen plötzlich US-Sturzbomber der Enterprise und Yorktown ebenfalls unkoordiniert aus verschiedenen Richtungen an. Dank ihrer Ausdauer, Opferbereitschaft, ihrem Geschick und großer Tapferkeit gelang es den Piloten der US Navy, innerhalb von fünf Minuten drei japanische Flugzeugträger (Akagi, Kaga, Soryu) in brennende Wracks zu verwandeln. Dabei hatten sie viel Glück, als sie „zufällig“ gemeinsam angriffen und damit die Japaner überraschten, die die amerikanischen Flugzeuge erst angriffen, als ihre Träger bereits getroffen waren. Im weiteren Tagesverlauf wurde der US-Träger Yorktown zwei Mal von japanischen Trägerflugzeugen angegriffen, die von der unbeschädigt gebliebenen Hiryu starteten, und musste aufgegeben werden.
Später versenkte ein japanisches U-Boot die Yorktown und einen ihrer Begleitzerstörer. Nach den Angriffen auf die Yorktown hatten US-Trägerflugzeuge auch den letzten verbliebenen japanischen Träger Hiryu tödlich getroffen. Der Verlust dieser vier unersetzlichen Flugzeugträger bedeutete eine verheerende Niederlage für Japan und leitete die Kriegswende ein. Die USA verloren den Flugzeugträger Yorktown, den Zerstörer Hammann, ca. 150 Flugzeuge, zwischen 300 und 350 Soldaten fielen. Japan verlor die Flugzeugträger Akagi, Kaga, Soryu, Hiryu, den Schwerer Kreuzer Mikuma, über 300 Flugzeuge, bis zu 3500 Mann kamen um (unterschiedliche Angaben in der Fachliteratur).
Durch den amerikanischen Sieg, nach dem die US Navy bei Flugzeugträgern etwa Parität mit der japanischen Marine besaß, war die japanische Strategie, eine Verteidigungsbarriere rund um die eroberten Gebiete Südostasiens und im Pazifik zu errichten, bereits gescheitert, bevor sie vollständig verwirklicht werden konnte. Sie war nicht umsetzbar ohne eine starke Flugzeugträger-Kampfgruppe, die auch Flugzeuge zu abgelegenen und von Angriffen bedrohten Außenposten überführen konnte. Dies zeigte sich, als die US-Streitkräfte Anfang August 1942 unerwartet einen Gegenangriff auf Guadalcanal begannen.
Mythen und Fakten zur Schlacht um Midway
Midway war kein „Wunder“ und kein „unglaublicher Sieg“, wie einige Autoren und Buchtitel suggerieren, da den beiden US-Flottenverbänden keine übermächtige japanische Flotte gegenüberstand, „nur“ die Kido Butai.
„In den entscheidenden 5 Minuten der Schlacht am 4. Juni zwischen 10.20 und 10.25 Uhr stand der entscheidende Gegenangriff der Japaner auf die amerikanischen Flugzeugträger unmittelbar bevor, daher waren die Decks der japanischen Flugzeugträger vollgepackt mit Flugzeugen.“
Falsch: Zurzeit des entscheidenden Angriffs amerikanischer Sturzbomber auf die japanischen Flugzeugträger steckten die Japaner noch mitten in den Vorbereitungen, auf den Flugdecks selbst standen nur wenige Flugzeuge, die meisten befanden sich noch in den darunterliegenden Hangars.
„Die Operation AL zur Besetzung der Aleuten-Inseln Kiska und Attu war nur ein Ablenkungsmanöver, das die US-Pazifikflotte aus Pearl Harbor locken und sie zur Zersplitterung ihrer Kräfte verleiten sollte.“
Falsch: Die Operation AL war ein völlig eigenständiges Unternehmen, das strategisch bewusst gleichzeitig mit der Operation MI stattfand, und nicht nur eine Ablenkung.
„Während der Fahrt zum Operationsgebiet bei Midway enthielt Admiral Yamamoto Vizeadmiral Nagumo wichtige Informationen vor, die möglicherweise den Verlauf der Schlacht hätten verändern können. Folglich blieb Nagumo im Unklaren über die Bedrohung, die ihn bei Midway erwartete.“
Falsch: Yamamoto nahm keinen Funkkontakt zu Nagumo auf, weil es nicht notwendig war. Die Kido Butai konnte selbst Aufklärungsmeldungen von der Ersten Kommunikationseinheit in Tokio empfangen. Die Aufklärungseinschätzung der Akagi vor Beginn der Schlacht zeigt auf, dass Nagumo die meisten wichtigen Informationen bereits bekommen hatte. Unklar ist aber, warum er daraufhin nichts unternahm.
„Hätten die Japaner am Morgen des 4. Juni einen Zwei-Phasen-Luftaufklärungsplan aufgestellt, hätten sie die amerikanischen Flottenverbände rechtzeitig entdeckt und die Schlacht gewonnen“.
Vielleicht, aber 1942 hatten weder Japaner noch Amerikaner eine Luftaufklärung in zwei Phasen in ihre Einsatzplanung einbezogen, daher war dies keine Option.
„Der späte Start des Suchflugzeugs Nr. 4 des Kreuzers Tone vereitelte Vizeadmiral Nagumos Anstrengungen, die Schlacht zu gewinnen“.
Falsch: Der späte Start und der folgende improvisierte Suchflug der Nr. 4 führten gerade dazu, dass die Japaner die Amerikaner früher entdeckten als erwartet. Die wahren Fehler der Aufklärung während der Schlacht begannen damit, dass die japanischen U-Boote nicht rechtzeitig auf ihren vorgesehenen Positionen eintrafen. Es folgte die Aufgabe des Unternehmens K (Aufklärung mit Flugboot über Pearl Harbor), hinzu kam das Versäumnis des Suchflugzeugs Nr. 1 der Chikuma, die Amerikaner im Zeitrahmen zwischen 6 und 7 Uhr zu entdecken.
„Hätte Nagumo nicht befohlen, seine Flugzeuge mit Waffen für Landziele neu zu munitionieren, hätte er die Amerikaner sofort nach ihrer Entdeckung angreifen können“.
Falsch: Die in Reserve gehaltenen Angriffsflugzeuge befanden sich nicht auf dem Flugdeck, als die Amerikaner entdeckt wurden. Die Chancen, einen Angriff zu starten, bevor die Flugzeuge des Angriffs auf Midway zurückgekehrt und wieder an Bord genommen waren, waren gering, da es einige Zeit dauerte, alle Flugzeuge vorzubereiten und an Deck zu bringen. Die ständigen amerikanischen Luftangriffe verhinderten jede vernünftige Möglichkeit, die Decks für den Angriff freizubekommen, weil laufend Gefechtspatrouillenflugzeuge starteten und landeten.
„Das Opfer der Torpedostaffeln der amerikanischen Flugzeugträger war nicht vergebens, da sie die japanischen Gefechtspatrouillenflugzeuge auf Meeresniveau hinab zogen und dadurch den amerikanischen Sturzbombern erlaubten, ungestört anzugreifen.“
Falsch: Die fast vollständige Vernichtung der Torpedostaffeln geschah etwa eine Stunde vor dem entscheidenden Sturzbomberangriff. So hatten die Zeros genug Zeit, ihre korrekten Einsatzbereiche wieder einzunehmen, wenn sie diszipliniert vorgegangen wären. Stattdessen trug die Torpedostaffel 8 ebenso wie die Torpedostaffel 6 dazu bei, die Aktivitäten zur Gegenoffensive der Japaner zu unterbrechen.
„Die Elite der japanischen Marineluftwaffe wurde bei der Schlacht um Midway vollständig ausgelöscht“.
Falsch: Die japanischen Verluste bei Midway betrugen weniger als ein Viertel aller teilnehmenden Piloten. Erst die Schlachten um die Salomoneninseln vernichteten die Elite der japanischen Marineflieger.
Quellen: Parshall, Jonathan / Anthony Tully: Shattered Sword. The Untold Story of the Battle of Midway (2005)
Symonds, Craig: The Battle of Midway (2011)
“Naval History & Heritage”, offizielle Seite der US Navy
„Die entscheidenden fünf Minuten“
Japanischer Flugzeugträger Hiryu brennt