~ Polith-System ~ Thyferra ~ Dschungel ~ Auf Yacht "Eulysia" ~ Clove und Akani in der Medistation; Tenia und Steven in Stevens Suite; Michael im Speisesaal/Küche; Crew auf Schiff ~
Tenia wollte Steven nicht loslassen, noch weniger, als er sie ein wenig fester an sich drückte. Seltsamerweise half ihr genau das, sich jetzt nicht schon wieder zu verlieren, ob in Tränen, in Schmerz oder was auch immer. Es war seltsam, eigentlich sogar absurd, denn bis auf ihre Eltern oder den ein oder anderen Bekannten, hatte sie selten jemanden umarmt. Und noch nie hatte sie sich dabei so gefühlt, wie jetzt. Tenia wünschte sich nichts mehr, als das sie mit Steven wirklich über alles reden konnte, wäre da nicht gleichzeitig, die immense Angst, ihn genau dadurch zu vergraulen. Denn wenn sie ihm sagte, dass sie viel zu oft Gedanken und Gefühle hatte, die nicht denen eines Jedi entsprachen, wie sollte er da reagieren? Er würde sie schelten und auf Abstand halten und Tenia war sich sicher, dass sie beides nicht ertragen würde. Aber würde sie wirklich ihr Gesicht vor ihm verlieren? Würde er wirklich nur Vorwürfe übrig haben?
Bei den Wäldern, sie wollte ihn nicht loslassen und als er es an ihrer Stelle tat, fühlte sie sich für Sekunden völlig schutzlos, als schwebte sie im Weltraum, obwohl sie bis eben noch auf dem sicheren Boden eines Schiffes gestanden hatte. Waren das nicht wieder Gefühle, die ein Jedi nicht haben durfte? Weil es Gefühle gar nicht gab? Oh, sie würde verrückt werden, verrückt werden mit diesen ganzen elenden Gedanken! Steven ließ sie nicht nur los, sondern ließ sie sogar allein in seinem Zimmer zurück und Tenia begann, sich vollauf überfordert zu fühlen, auch wenn sie ihm noch ein Lächeln hinterher schickte. Aber jetzt hockte sie auf Stevens Bett und war genau das, was sie so gar nicht sein wollte. Alleine. Würde er zurückkommen? War es jetzt besser, das Zimmer zu verlassen? Warum war er überhaupt gegangen?
Mit einem, langen, tiefen Seufzen ließ Tenia sich nach hinten fallen, umklammerte die Kette und schloss die Augen. Wie konnte es sein, dass sich, seit sie Null verlassen hatte, so viel veränderte? Wie hatte sie sich so sehr verändern können? Ihr Einstieg im Orden, der alles andere als einfach gewesen war, das Knüpfen erster Kontakte, das ebenfalls viel eher unter ‚kleine Katastrophen‘ gelistet werden konnte. Und jetzt das. Dabei... Wenn sie ehrlich war, hatte sich vielleicht manches nicht einfach verändert, sondern verschärft. Sie war in vielen Dingen gewachsen, war reifer geworden, hatte gelernt, sich zu entschuldigen. Etwas, was sie auf Null als unmöglich befunden hatte. Aber neben diesen kleinen Fortschritten fühlte es sich so an, als machte sie zu große Schritte nach hinten. Zwei nach vorne, fünf zurück. Und das war bei weitem, keine gute Gleichung und Tenia fürchtete sich davor, wie sie am Ende ausgehen konnte. Furcht. Wieder so eine Sache. Furcht war genau das, was ein Jedi nicht haben sollte, denn führte sie nicht zwangsläufig auch zur dunklen Seite? Alles schien zur dunklen Seite zu führen. Als wäre jeder Weg mit ihr verwoben und Tenia völlig unfähig keinen Pfad einzuschlagen, der nicht mit ihr zu tun hatte. Als wäre die Dunkle Seite ein Schatten, der an ihr haftete. Warum nur war es so schwer, sich dagegen zu wehren? Warum zog sie diese Seite so an? Warum war da so viel Faszination? Sie hatte Vhiran erlebt. Sie hatte Zion erlebt. Warum hielt sie das nicht ab, warum schreckte sie das nicht ab? Nur, weil Aricas Ausstrahlung so imposant gewesen war? Nur, weil sie sich von dem Wunsch, größer und besser zu sein, nicht verabschieden konnte? Nicht verabschieden wollte? Ihre größte Charakterschwäche war das Streben nach mehr Ansehen, der Wunsch etwas Besonderes zu sein. Und obwohl Tenia um diese Schwäche und um die Falschheit dieser wusste, gelang es ihr nicht, diese Schwäche zu besiegen, oder sie gar zu ihrer Stärke zu machen. Weshalb nicht? Das war einfach nicht fair.
Sie seufzte erneut. Das Treffen von falschen Entscheidungen, sie war es leid. Und hatte sie damit nicht schon in dieser Höhle auf Ossus begonnen? Hätte sie nicht, bevor sie irgendeine Mission antrat, zuerst nach Ossus gemusst? Um sich einen neuen Kristall zu besorgen? Ossus. Höhle. Kristall. Und natürlich ihre Lanze, die sie ausgerechnet jetzt massiv und unangenehm in ihrem Rücken spürte. Sich langsam erhebend, griff die Nullianerin so nach der Lanze, entfernte sie von ihrem Rücken und hielt sie eine ganze Weile in der Hand, ohne ihre Augen davon abzuwenden. Sie wusste, dass er Kristall, der sich in der Lanze befand, nicht gut war, wusste, dass etwas nicht mit ihm stimmte. Sie hatte es eben, draußen so deutlich gemerkt und genau hier begann wieder das Problem. Es hatte sich nicht schelcht angefühlt, obwohl es das war. Dieser Kristall hatte ihr Kraft gegeben, Energie, hatte sie stärker gemacht und dieser -
Nein!
Sie durfte nicht so denken, nein, sie durfte nicht. Wenn sie ihr Gesicht nicht vor Steven verlieren wollte, wäre es wohl ein Anfang, mit dem Entfernen dieses Kristalls zu beginnen. Aber wollte sie das wirklich? Ausgerechnet den Stein aus der Lanze hohlen, der ihr die Kraft gab, die sie sich wünschte?
Sie musste damit aufhören. Sie musste und sie wusste es und da legte sie Stevens Kette wiederwillig neben sich und öffnete den kleinen Verschluss der Lanze, der die Kammer preis gab, in der der Kristall lag.
Du musst ihn entfernen.
Selbst ohne Kristall war die Lanze nicht unbrauchbar. Sie hatte sie so gefertigt, dass sie eine Menge aushielt. Demnach brauchte sie gar nicht erst damit zu beginnen, sich herauszureden, dass sie ihre Waffe unbrauchbar machte, wenn sie den Kristall entfernte. Schon gar nicht, wenn sie den Stein der Kette, die Steven ihr geschenkt hatte, einsetzte, bis sie einen anderen fand.
Auf das geöffnete Fach starrend, war da dennoch etwas, das sie davon abhielt, den Kristall zu entfernen und es war genau das, was sie bekämpfen musste.
„Ich bin stärker als du,“ flüsterte sie leise, als sie sich auf die Macht konzentrierte, um mit ihr den Kristall zu entfernen. Gerade, als sie ihn berührte, als sie ihn herausheben wollte, veränderte sich die Temperatur im Zimmer, wurde eisig und nur Sekunden später, veränderte sich alles.
‚Du willst diesen Kristall nicht entfernen, Tenia Lumiran, so wenig wie du den Kristall, den du eiegtnlich gefunden hast, behalten wolltest. Deswegen hast du diesen Kristall mitgenommen. Deswegen hast du ihn bis jetzt nicht entfernt und deswegen wirst du ihn auch nicht entfernen.‘
Es war die gleiche Stimme, die auf Ossus zu ihr gesprochen hatte und es war das gleiche Gefühl, dass sie genau jetzt überkam. Angst.
‚Dieser Kristall wird dich auf den richtigen Weg bringen, auf den Weg, den du gehen willst. Sei nicht so töricht und entferne ihn, denn ist es nicht Macht, die du willst? Nein, ist es nicht viel eher Ansehen das du willst? Das andere, vor dir erzittern, sobald sie dich sehen? Wenn du diesen Kristall in deiner Waffe behältst, wirst du genau das erlangen. Entfernst du ihn aber‘, die Stimme seufzte und dann war da nicht nur allein die Stimme, sondern die komplette Erscheinung dieses Sith, der nur unweit von Tenia entfernt, an die Wand gelehnt dastand und sie beäugte. „Entfernst du ihn aber, wirst du nie zu dem werden, was du werden willst. Du wirst eine jämmerliche Jedi bleiben, völlig unbedeutend, denn wahre Macht werden sie dich niemals lehren. Haben sie dich bis jetzt nicht im Stich gelassen? Allein mit deinen Gedanken? Allein mit deinen Gefühlen?‘
Tenia ließ den Kristall los, doch weder ihre Angst, noch der Sith verschwanden.
„Du bist nicht hier“, sagte sie leise, starrte ihn an. „Du bist nicht hier!“
‚Bin ich das wirklich nicht?‘, widerholte er ihre Frage und schenkte ihr ein furchteinflößendes Lächeln, schüttelte dann mit dem Kopf. ‚Dein Mangel an Glauben ist bedauerlich, kleine Jedi,‘ sagte er dann und griff mit der Macht nach der Kette, ließ sie vor sich schweben, bis sie direkt auf seinem Handteller zu liegen kam. ‚So bedauerlich, wie der Umstand, dass du dich mit etwas derartigem zufrieden gibst,“ und mit diesen abfälligen Worten, warf er die Kette achtlos zurück in Tenias Richtung, traf sie und hinterließ spätestens jetzt keinen Zweifel mehr daran, dass er sich wirklich hier befand.
„Verschwinde!“.
‚Warum sollte ich? Du selbst bist dafür verantwortlich, dass ich überhaupt erst hier bin und ich will dir helfen ,Tenia.‘ Seine Stimme klang fast väterlich und Tenia starrte ihn an. Nein, er log, sie wusste, dass er log, sie war keine kleine, naive Jedi mehr.
„Nein, das willst du nicht,“ entgegnete sie ihm und tastete erneut nach dem Kristall.
‚Du wirst diesen Kristall nicht entfernen!“, ertönte da die Stimme des anderen, dicht neben ihr und die Kälte nahm zu und mir ihr die Angst.
‚Dieser Kristall wird dich aus deinem jämmerlichen Jedi-Dasein erretten. Willst du wissen, weshalb du chancenlos auf Ruusan warst? Du und deine kleine Freundin? Weil ihr beide nichts seid. Vhiran hätte dich fast getötet, Zion ebenfalls. Was bist du ohne die wahre Stärke? Sieh dich an! Nichts weiter als eine verzweifelte, kleine Jedi mit Gewissensbissen. Jemand, auf dem falschen Weg. Und das willst du aufgeben? Und für was? Für ein Leben als ewige Verliererin? Für ein Leben bei den Jedi? Für ein Leben… mit Steven Crant?‘ Erneut begann der Sith zu lachen und diesmal entlockte er Tenia eine andere Emotion, die mit Angst wenig zu tun hatte. Wut.
Wütend funkelte sie ihn an, doch ehe sie etwas sagen oder tun konnte, sprach der Sith weiter, kam ihr noch näher.
‚Du bist naiv und dumm, wenn du glaubst, dass er und du etwas bewirken könnten. Denn welche Zukunft hättet ihr bei den Jedi? Ein kleiner, dummer Junge, ein naives Mädchen? Ihr verschwendet euer Potenzial, du und er und zum Schluss werdet ihr enden, wie Neis Mutter… Aber sag, bedeutet er dir etwas? Er und diese lächerliche Kette?‘
Erneut griff der Sith-Geist oder was auch immer er war, nach der Kette, doch diesmal hielt Tenia dagegen, griff gleichermaßen nach der Kette, so dass sie zwischen beiden zum Schweben kam.
‚Er bedeutet dir also etwas‘, wieder dieses lachen und erneut entfachte er damit diese elende Wut, die Tenia zu besänftigen versuchte.
„Ich werde mich nicht auf deine Worte einlassen, ich weiß genau, was dein Ziel ist.“
‚Weißt du das? Ist das der Grund, weshalb du den Kristall noch immer nicht entfernt hast? Du kannst mich nicht täuschen Tenia, denn ich weiß genau was du willst und nur ich kann dir geben, was du willst.‘
„Ich werde nicht auf dich- “
‚Doch, das wirst du, denn andernfalls werde ich dich vernichten!‘ Und dann fühlte es sich an, als bohrten sich heiße Eisennägel in Tenias Kopf, als versuche dieser Sith die Kontrolle zu übernehmen.
‚Du kannst es einfach haben, indem du aufhörst, dich dagegen zu wehren,‘ kam seine Stimme und es war, als wäre sie nicht nur in ihren Ohren, sondern in ihrem Kopf, in ihr. Tenia wollte schreien, doch ihre Stimme versagte und alles, was sie an Kraft aufbringen konnte, gab sie, um sich zu wehren.
„Ver…schwin..de“, kam es erstickt und sie wehrte sich, versuchte sich abzuschirmen, versuchte sich gegen was oder wen auch immer, zu wehren. Doch es tat weh, so weh… Sie konnte fast nicht atmen, sich nicht mehr richtig bewegen und diese Eisennägel bohrten sich unbarmherzig weiter in ihren Kopf. Konzentrieren, sie musste sich konzentrieren, aber ihr Kopf, ihr Kopf tat so weh.
‚Du kannst mich nicht besiegen‘, höhnte der Sith-Geist und Tenia glaubte die Besinnung zu verlieren, als der Schmerz zu etwas anschwoll, dass längst über das erträgliche hinausging. Ihre Hände zitterten, schwitzen und beinahe wäre ihr die Lanze aus der Hand gerutscht. Der Kristall. Sie musste an diesen Kristall. Sie musste ihn aus der Lanze holen. Sie musste sich nur zusammenreißen. Nur ein bisschen länger durchhalten. Sie würde nicht zu dem werden, was dieser Sith wollte. Nein, sie würde nicht, weil sie nicht wollte! Was brachte ihr das Ansehen aller, was brachte es ihr, wenn alle vor ihr erzitterten und sie sich selbst nicht mehr im Spiegel betrachten konnte? Was brachte es? Dieser verfluchte Kristall. Sie brauchte nur diesen verfluchten… Der Griff in ihren Kopf veränderte sich, und jetzt waren es nicht allein Tenias Hände die zitterten, sondern ihr ganzer Körper. Der Schmerz drang durch, breitete sich aus und der Raum verschwamm, verschwamm, drehte sich. Alles drehte sich und alles schmerzte.
Nein…
Sie hörte da Lachen.
Nein…
Sie spürte den Schmerz.
Nein…
Und dann, endlich, endlich, bekam sie den Kristall zu fassen, nicht mit der Macht, aber mit ihren Fingern und er drohte, ihr aus der Hand zu rutschen, drohte, auf den Boden zu fallen. Der Versuch ihn mit der Faust zu umschließen scheiterte beim ersten Mal, denn der Kristall rutschte weg und erst im Nachfassen gelang es Tenia, ihn zu umschließen. Und dann sammelte sie ein letztes Mal ihre Kräfte, das letzte bisschen, dass sie aufbringen konnte, als sie den Arm hob und den Kristall so fest sie konnte und mit so viel Macht wie sie in den Wurf geben konnte, gegen die Wand warf. Und dann umfing sie Schwärze, befreite sie von dem Schmerz, befreite sie von dem Schwindel.
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