Aviendha
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[Hyperraum, CK Constancy, Quartier der Offiziersanwärter]- Aviendha, Nylar
Das einzige Zugeständnis an die Privatsphäre ihrer temporären oder dauerhaften Insassen, die die Kojen im Quartier der Offiziersanwärter der Constancy vorsahen, waren Vorhänge, die über die gesamte Länge zugezogen werden konnten. Während Aviendha den ihr von Nylar übergebenen Koffer in der für die vorgesehenen Koje verstaute und den zugehörigen Vorhang seinem Zweck zuführte, konnte sie nur mit einer schicksalsergebenen Trockenheit festhalten, dass dieser kleine Pluspunkt wohl besser war als keiner.
Kaum hatte der Carrack-Kreuzer seinen Sprung in den Hyperraum erfolgreich absolviert, waren einige der jungen Offiziersanwärter in ihr Quartier zurückgekehrt, da ihre Dienste an Bord des imperialen Kriegsschiffes derzeit offenbar nicht benötigt wurden. Im Raum herrschte eine gespannte Atmosphäre, was zweifelsohne mit den beiden vor der Tür postierten Marineinfanteristen und der Tatsache zusammenhing, dass Nylar ein jedes allzu offensichtliche Starren eines unglückseligen Midshipman mit gleicher Münze vergalt, weswegen einige wohl zu dem Schluss kamen, besser jetzt als später ein wenig Schlaf zu bekommen und sich ihrerseits hinter Vorhänge zurückzogen. An ein vertrauliches Gespräch zwischen den beiden Verwalterinnen war jedenfalls nicht zu denken – nicht über ihre bevorstehende Zeit auf Thyferra, die erste Begegnung mit Gouverneur Kraym, noch über andere Dinge, die Aviendha sich nach wie vor fühlen ließen, als wäre die Klimaregulierung des Kreuzers auf einen deutlich zu hohen Wert justiert. Sie beneidete die Chiss um ihre wohl für ihre Spezies charakteristische Gelassenheit, auch wenn sie bemerkt hatte, dass der Blick der rotglühenden Augen sich mehr als einmal in ihre Richtung verirrt hatte, wenn es gerade nicht galt, einen Ensign nonverbal in die Schranken zu weisen.
Da sie nicht wusste, wie sie die Zeit anders überbrücken konnte, verlor Aviendha sich in ihren Gedanken. Noch ungeklärt war, wohl man an Bord der Constancy wohl 15t88 aufbewahrte – sie vermutete fast, dass es irgendeine flotteninterne Regulierung gab, der zufolge ein jeder Droide an Bord eines Kriegsschiffes deaktiviert an einem sicheren Ort aufbewahrt werden musste, der keinen missionsrelevanten Zweck erfüllte. Ihr treuer Administrationsdroide mochte nützlich und überraschend vielseitig sein – doch mit einer militärischen Programmierung konnte er in der Tat nicht aufwarten. Auf der Volcanic war das etwas anderes gewesen.
Ein höfliches Räuspern neben ihr ließ Aviendha, die beim Nachdenken die zerkratzte Tischplatte vor sich studiert hatte, überrascht aufblicken. Es war der junge Ensign, dem Zeneca die „Verantwortung“ für sie und Nylar übertragen hatte, der neben ihr stand und versuchte, ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Fields war sein Name, wenn sie sich recht erinnerte…
„Vizegouverneurin Cain?“
„Ja, Ensign?“
Der junge Mann lächelte nervös und bemühte sich allem Anschein nach mit Nachdruck, nicht ihre im so frühen Stadium der Verheilung noch deutlich sichtbare, da gerötete, Narbe anzustarren.
„Commander Trayton schickt mich, Ma’am. Er bittet Sie zwecks eines gemeinsamen Essens in seine Kajüte.“
Aviendha nickte langsam. Lieutenant Zeneca hatte angedeutet, dass der Kommandant der Constancy sich vorgenommen hatte, ein wenig Zeit für sie zu reservieren, und angesichts ihres formalen Status war das auch mitnichten ungewöhnlich – sie war schließlich eine Vizegouverneurin der Sektorverwaltung und stellvertretende Statthalterin auf einem Planeten, dessen Bedeutung innerhalb des Imperiums nicht zu unterschätzen war, ganz gleich, wie sie an diesen Posten gekommen sein mochte. Vermutlich wusste Trayton nicht einmal von den Umständen ihrer Beförderung (bei näherem nachdenken war sie sich sogar recht sicher, dass es so war), abgesehen vielleicht von dem Wissen, dass sie zuvor auf N’zoth stationiert gewesen war.
„Dann wollen wir Ihren Kommandanten nicht warten lassen, oder?“
Rasch erhob sie sich, allerdings nicht ohne Nylar einen kurzen, bedauernden Blick zuzuwerfen. Eine Präfektin zu bewirten war dann wohl doch etwas zu viel verlangt von einem Offizier der Flotte. Als die Chiss ihren Blick bemerkte, zwinkerte sie ihr mit einem fast schelmischen Grinsen zu – was Aviendha dazu veranlasste, sich mit einem Räuspern schnell wieder auf Fields zu konzentrieren.
„Gehen Sie gerne voran, Ensign.“
Der Weg vom Quartier der Offiziersanwärter hin zur Kajüte des Kommandanten war kein weiter. Auch hier standen zwei Männer in der Uniform des Flottenregiments Wache – anders als vor Aviendhas provisorischer Unterkunft wohl permanent – von denen einer ohne Umschweife die Tür öffnete, als er den Ensign und die Vizegouverneurin erkannte.
„Ensign Fields und Vizegouverneurin Cain, Commander.“
Trayton stellte sich als Mann heraus, der Mitte seines Lebens bereits hinter sich gelassen hatte – älter sogar noch als Aaronson, der Kommandant der Volcanic. Von seinem wohl einst schwarzen Haar war nur noch ein Kranz aus dunklem Grau übrig geblieben, doch von seiner Statur wirkte der die zierliche Aviendha deutlich überragende Offizier nach wie vor kräftig und aus seinem Gesicht sprach eine gewisse Vitalität. Auf die Meldung des Postens hin war er einige Schritte in Richtung der Tür getreten und deutete nun eine leichte Verbeugung an.
„Vizegouverneurin Cain. Larymus Trayton, Kommandant dieses bescheidenen Schiffes. Treten Sie doch ein.“
Diese Freundlichkeit kühlte deutlich ab, als er auch seinem Ensign einen kurzen Blick zuwarf.
„Das wäre dann alles, Fields.“
Der so Angesprochene salutierte zackig und war verschwunden, noch bevor die Tür zum Korridor sich hinter Aviendha und dem Commander geschlossen hatte. Dieser deutete auf einen Tisch in der Kajüte – die immerhin etwas geräumiger war als die Unterkünfte, die sie bereits kannte – auf dem bereits Besteck, Wasser und zwei Weingläser angerichtet waren.
„Bitte, setzen Sie sich doch.“
Gerne kam sie Traytons Aufforderung nach, der, nachdem er ihr höflich den Stuhl zurückgezogen hatte, wieder mit einer Flasche Wein an ihrer Seite auftauchte.
„Ich hoffe, alderaanischer Smaragdwein sagt Ihnen zu.“
„Natürlich.“
Ein wenig misstrauisch verfolgte sie, wie Trayton ihr und sich selbst ein wenig von der dunkelgrünen – eben smaragdenen – Flüssigkeit einschenkte. Noch war sie sich nicht im Klaren darüber, ob der Kommandant der Constancy einfach ein guter Gastgeber im Namen der Flotte sein wollte, oder ob er möglicherweise gänzlich andere Absichten verfolgte. Als Offizier, der Thyferra regelmäßig frequentierte, konnte sie Verbindungen zu Kraym oder zu Semur bei ihm nicht ausschließen.
„Mein erster Offizier berichtete mir von dem bedauerlichen… Zwischenfall mit der Präfektin“, begann Trayton sogleich ein Gespräch, nachdem er ihr zugeprostet und sie beide vorsichtige Schlucke genommen hatten. Der Wein, so viel konnte Aviendha als Halblaie feststellen, schmeckte akzeptabel – mehr, als sie auf einem kleinen Kreuzer erwartet hätte.
„Ich kann nur das Bedauern wiederholen, das Lieutenant Zeneca Ihnen gegenüber bereits zum Ausdruck gebracht hat. Meine Constancy ist derart hohen Besuch ganz einfach nicht gewohnt.“
Ein schmales Lächeln stahl sich auf die Züge des Offiziers.
„Üblicherweise geleiten wir lediglich stumme und stoische Fracht. Doch wie Sektoradjutant Semur mir in seinem Kommuniqué versicherte, ist Ihre Anwesenheit auf Thyferra eine Frage gewisser Dringlichkeit und der Abflugplan unseres Konvois passte entsprechend. Vermutlich hätten Sie auf einem der Frachtschiffe mehr Freiraum genießen können, allerdings wäre ich dort um Ihre Sicherheit besorgt gewesen – auf einem Schiff der imperialen Flotte ist eine Vizegouverneurin denke ich besser aufgehoben.“
Aviendha nickte vorsichtig. Bisher war ihr nicht klar gewesen, dass Semur sie so schnell wie möglich auf Thyferra in Position wissen wollte – galt es womöglich, gewisse Schritte Gouverneur Krayms zu unterbinden, bevor dieser sie in die Tat umsetzen konnte?
„Kennen Sie den Sektoradjutanten gut?“, fragte sie, bevor sie sich einen weiteren Schluck ihres Weins genehmigte.
Trayton vollführte eine abwehrende Handbewegung.
„Oh, nein nein… ich habe ihn lediglich auf offiziellen Anlässen getroffen, vielleicht ein, zwei mal. Ein fleißiger Diener des Imperiums, wenn mir diese Bemerkung gestattet sein darf. Der Jaso-Sektor profitiert mit Sicherheit immens von seinem Einsatz. Ihm jedenfalls verdankt die Constancy die ehrenvolle Aufgabe, die wichtigen Bactakonvois von Thyferra zu eskortieren.“
„Wenn Sie so oft Thyferra anfliegen, müssen Sie auch mit dem Gouverneur bekannt sein“, wagte Aviendha sich weiter vor.
„Horatio Kraym?“
Bildete sie sich das ein, oder verdunkelte die Miene des Offiziers sich ein wenig bei der Erwähnung des Namens?
„Nur was man sich erzählt, Vizegouverneurin“, antwortete Trayton schließlich.
„Ein ehrgeiziger Mann. Adelig. Die Gründung von „Imperial Bacta“ und die damit einhergehende Zerschlagung des Kartells aus Zaltin und Xucphra sind zweifelsohne sein größter Coup.“
Aviendha nickte. Sie hatte sich bereits im Rahmen ihres Studiums mit dem berüchtigten Bacta-Kartell beschäftigt, das im Grunde weder im Imperium, noch in der Republik auf sonderliche Begeisterung gestoßen war – radikale Ökonomen hatten immer wieder nach einer Totalliberalisierung des Bactamarktes gerufen – die einheimische Spezies des Planeten, die wohl maßgeblich am Produktionsprozess der Heilsubstanz beteiligt war, hatte in solchen Plänen stets eine wichtige Rolle gespielt – während ihre imperialen Dozenten das Fehlen imperialen Einflusses auf die Produktion bemängelt hatten. Hatte Kraym es womöglich geschafft, diesen eklatanten Mangel abzustellen? Wenn ja, dann hatte er in Aviendhas Augen alles Recht, dies als großen Coup zu bezeichnen.
„Sie sehen das anders, Commander?“
Der Offizier wand sich sichtlich ob dieser Frage.
„Ich bin nur ein Soldat, Vizegouverneurin. Aber… das Bacta-Kartell hat funktioniert. Ich denke, noch bleibt abzuwarten, ob alle vorgenommenen Änderungen sich wirklich zum Besten des Imperiums auswirken.“
… oder nur zum Besten von Horatio Kraym, hätte Trayton vermutlich angehängt, wäre eine solche Aussage aus dem Mund eines imperialen Offiziers nicht schlichter Wahnsinn gewesen. Der Kommandant der Constancy konnte sich schließlich nicht sicher sein, wie sie zu Kraym stand, auch wenn sie auf Semurs Geheiß hin nach Thyferra versetzt worden war.
Der Offizier lächelte plötzlich.
„Aber Sie müssen hungrig sein. Lassen Sie mich das Essen anfordern.“
Aviendha konnte ihm schlecht widersprechen. Wie lange war es her, dass sie etwas Vernünftiges zwischen die Zähne bekommen hatte?
Es dauerte nicht lange, bis ein älterer Matrose – vermutlich eine Art Steward des Kommandanten – zwei Portionen des angedachten Menüs in die Kajüte brachte: geschmorten Nerfbraten mit einer Auswahl gedünsteten Gemüses, die Aviendha eher unbekannt war. Es duftete jedenfalls köstlich.
„Ich fürchte, auch die Kombüse der Constancy ist nicht zwingend auf ein Mitglied der Sektorverwaltung vorbereitet…“, entschuldigte Trayton sich schon im Vorfeld. Aviendha winkte höflich ab.
„Glauben Sie mir, Commander… auch die Sektorverwaltung lässt nicht nur von Luxusköchen kochen.“
Das Essen auf N’zoth war größtenteils miserabel gewesen, auch wenn sie vermutete, dass Kerrigan es sich trotzdem an nichts hatte mangeln lassen.
Schweigend aßen sie und Aviendha musste sich beherrschen, um das zarte Fleisch nicht hungrig in sich hineinzuschlingen. Als sie sich schließlich den Mund abtupfte und einen Blick auf ihren restlos geleerten Teller warf, hatte sie das sichere Gefühl, auch eine Portion gleichen Ausmaßes durchaus erneut verputzen zu können. Ihr Gastgeber wirkte jedenfalls erleichtert ob der Tatsache, dass es ihr gemundet hatte, und wirkte sichtlich entspannt, als er ihnen beiden Wein nachschenkte.
„Sie sprachen von einer Dringlichkeit bezüglich meines baldigen Auftauchen auf Thyferra“, fragte Aviendha, nachdem sie Trayton etwas Zeit gelassen hatte, einen weiteren Schluck Wein zu nehmen.
„Wird in naher Zukunft irgendetwas… Bedeutendes dort passieren?“
„Oh, nicht dass ich wüsste, Vizegouverneurin“, verneinte der Andere mit einem leichten Kopfschütteln.
„Ich dachte nur, dass die Eile womöglich mit der plötzlichen Erkrankung von Vizegouverneur Lopez zusammenhängt, die seine Position hat vakant werden lassen.“
„Ah, natürlich.“
Sie nickte wissend, auch wenn sie den Namen Lopez zum ersten Mal hörte. Eine plötzliche Krankheit war indes etwas, das stets Anlass für eine gewisse Vorsicht bieten sollte – besonders, wenn sie so schwer war, dass der Betroffene seinen Dienst nicht mehr verrichten konnte. Die Frage war nur – hatte es sich bei Lopez um einen Mann Krayms gehandelt oder um einen Mann Semurs? Oder gar um jemanden, der zwischen den Stühlen gesessen hatte?
Der Rest des Gesprächs zwischen Vizegouverneurin und Commander beschränkte sich auf harmlos-freundlichen Tratsch und als Aviendha sich schließlich von Trayton verabschiedete und den Rückweg zu den Quartieren der Unteroffiziere antrat, hatte sie das Gefühl, als hätte sie sich durchaus ein Glas des Smaragdweines weniger genehmigen können. Als sie den kleinen Raum mit den Kojen nämlich wieder betrat, glaubte sie zunächst, ihren Augen nicht trauen zu können…
Um den zentralen Tisch herum versammelt saßen fünf Offiziersanwärter, einer von ihnen Fields, die augenscheinlich in eine Art Kartenspiel vertieft waren, in dessen Rahmen es offenbar darum ging, möglichst viele Plastikchips für sich zu gewinnen. Die sechste Person im Bunde war Nylar, die lässig auf ihrem Stuhl lungerte und die oberen zwei Knöpfe ihrer Uniformjacke geöffnet hatte. Gerade, als Aviendha eintrat und der Blick eines jeden Offiziersanwärters sich auf sie richtete, zog die Chiss einen beträchtlichen Stapel Chips an sich heran.
„Unterschätzen Sie niemals die Chance auf eine Narrenhand, Junge…“, belehrte sie dabei Fields, der jedoch an Stelle einer Antwort erschrocken aus seinem Stuhl hervorschnellte.
„Vizegouverneurin Cain, Ma’am! Es ist… ähm… wir spielen natürlich nicht um Credits! Das wäre gegen die Vorschriften!“
Nervös schielte der Ensign in Richtung einer metallenen Feldflasche in unmittelbarer Nähe des zentralen Chipstapels, in der sich zweifelsohne irgendein hochprozentiges Getränk befinden musste.
„Entspannen Sie sich, Fields.“
Nylar grinste.
„Oder sieht Vizegouverneurin aus wie Ihr Lieutenant Zeneca? Das könnte man ja fast als Beleidigung auffassen…“
Fields errötete.
„Ich… ich wollte nicht…“
Mit einem Räuspern verschränkte Aviendha die Arme vor der Brust.
„Ich sehe, dass hier alles in Ordnung ist…?“
„Alles bestens“, erwiderte Nylar gut gelaunt.
„Wenn ich Sie in der nächsten Runde mit reinmischen soll…“
Gegen ihren Willen musste Aviendha lächeln. Wer konnte es Nylar schon verübeln, dass diese sich bemühte, auf die bestmögliche Art ein wenig Zerstreuung während ihrer Reise zu suchen? Der Chiss war es schließlich nicht vergönnt gewesen, vom Kommandanten Nerfbraten und Smaragdwein kredenzt zu bekommen. Apropos Smaragdwein…
„Ich glaube, ich muss mich ein wenig hinlegen… Passe.“
Mit einem leichten Kopfschütteln zog sie sich in „ihre“ Koje zurück. Sie musste nachdenken – oder zumindest ein wenig schlafen.
[Hyperraum, CK Constancy, Quartier der Offiziersanwärter]- Aviendha, Nylar, Offiziersanwärter
Das einzige Zugeständnis an die Privatsphäre ihrer temporären oder dauerhaften Insassen, die die Kojen im Quartier der Offiziersanwärter der Constancy vorsahen, waren Vorhänge, die über die gesamte Länge zugezogen werden konnten. Während Aviendha den ihr von Nylar übergebenen Koffer in der für die vorgesehenen Koje verstaute und den zugehörigen Vorhang seinem Zweck zuführte, konnte sie nur mit einer schicksalsergebenen Trockenheit festhalten, dass dieser kleine Pluspunkt wohl besser war als keiner.
Kaum hatte der Carrack-Kreuzer seinen Sprung in den Hyperraum erfolgreich absolviert, waren einige der jungen Offiziersanwärter in ihr Quartier zurückgekehrt, da ihre Dienste an Bord des imperialen Kriegsschiffes derzeit offenbar nicht benötigt wurden. Im Raum herrschte eine gespannte Atmosphäre, was zweifelsohne mit den beiden vor der Tür postierten Marineinfanteristen und der Tatsache zusammenhing, dass Nylar ein jedes allzu offensichtliche Starren eines unglückseligen Midshipman mit gleicher Münze vergalt, weswegen einige wohl zu dem Schluss kamen, besser jetzt als später ein wenig Schlaf zu bekommen und sich ihrerseits hinter Vorhänge zurückzogen. An ein vertrauliches Gespräch zwischen den beiden Verwalterinnen war jedenfalls nicht zu denken – nicht über ihre bevorstehende Zeit auf Thyferra, die erste Begegnung mit Gouverneur Kraym, noch über andere Dinge, die Aviendha sich nach wie vor fühlen ließen, als wäre die Klimaregulierung des Kreuzers auf einen deutlich zu hohen Wert justiert. Sie beneidete die Chiss um ihre wohl für ihre Spezies charakteristische Gelassenheit, auch wenn sie bemerkt hatte, dass der Blick der rotglühenden Augen sich mehr als einmal in ihre Richtung verirrt hatte, wenn es gerade nicht galt, einen Ensign nonverbal in die Schranken zu weisen.
Da sie nicht wusste, wie sie die Zeit anders überbrücken konnte, verlor Aviendha sich in ihren Gedanken. Noch ungeklärt war, wohl man an Bord der Constancy wohl 15t88 aufbewahrte – sie vermutete fast, dass es irgendeine flotteninterne Regulierung gab, der zufolge ein jeder Droide an Bord eines Kriegsschiffes deaktiviert an einem sicheren Ort aufbewahrt werden musste, der keinen missionsrelevanten Zweck erfüllte. Ihr treuer Administrationsdroide mochte nützlich und überraschend vielseitig sein – doch mit einer militärischen Programmierung konnte er in der Tat nicht aufwarten. Auf der Volcanic war das etwas anderes gewesen.
Ein höfliches Räuspern neben ihr ließ Aviendha, die beim Nachdenken die zerkratzte Tischplatte vor sich studiert hatte, überrascht aufblicken. Es war der junge Ensign, dem Zeneca die „Verantwortung“ für sie und Nylar übertragen hatte, der neben ihr stand und versuchte, ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Fields war sein Name, wenn sie sich recht erinnerte…
„Vizegouverneurin Cain?“
„Ja, Ensign?“
Der junge Mann lächelte nervös und bemühte sich allem Anschein nach mit Nachdruck, nicht ihre im so frühen Stadium der Verheilung noch deutlich sichtbare, da gerötete, Narbe anzustarren.
„Commander Trayton schickt mich, Ma’am. Er bittet Sie zwecks eines gemeinsamen Essens in seine Kajüte.“
Aviendha nickte langsam. Lieutenant Zeneca hatte angedeutet, dass der Kommandant der Constancy sich vorgenommen hatte, ein wenig Zeit für sie zu reservieren, und angesichts ihres formalen Status war das auch mitnichten ungewöhnlich – sie war schließlich eine Vizegouverneurin der Sektorverwaltung und stellvertretende Statthalterin auf einem Planeten, dessen Bedeutung innerhalb des Imperiums nicht zu unterschätzen war, ganz gleich, wie sie an diesen Posten gekommen sein mochte. Vermutlich wusste Trayton nicht einmal von den Umständen ihrer Beförderung (bei näherem nachdenken war sie sich sogar recht sicher, dass es so war), abgesehen vielleicht von dem Wissen, dass sie zuvor auf N’zoth stationiert gewesen war.
„Dann wollen wir Ihren Kommandanten nicht warten lassen, oder?“
Rasch erhob sie sich, allerdings nicht ohne Nylar einen kurzen, bedauernden Blick zuzuwerfen. Eine Präfektin zu bewirten war dann wohl doch etwas zu viel verlangt von einem Offizier der Flotte. Als die Chiss ihren Blick bemerkte, zwinkerte sie ihr mit einem fast schelmischen Grinsen zu – was Aviendha dazu veranlasste, sich mit einem Räuspern schnell wieder auf Fields zu konzentrieren.
„Gehen Sie gerne voran, Ensign.“
Der Weg vom Quartier der Offiziersanwärter hin zur Kajüte des Kommandanten war kein weiter. Auch hier standen zwei Männer in der Uniform des Flottenregiments Wache – anders als vor Aviendhas provisorischer Unterkunft wohl permanent – von denen einer ohne Umschweife die Tür öffnete, als er den Ensign und die Vizegouverneurin erkannte.
„Ensign Fields und Vizegouverneurin Cain, Commander.“
Trayton stellte sich als Mann heraus, der Mitte seines Lebens bereits hinter sich gelassen hatte – älter sogar noch als Aaronson, der Kommandant der Volcanic. Von seinem wohl einst schwarzen Haar war nur noch ein Kranz aus dunklem Grau übrig geblieben, doch von seiner Statur wirkte der die zierliche Aviendha deutlich überragende Offizier nach wie vor kräftig und aus seinem Gesicht sprach eine gewisse Vitalität. Auf die Meldung des Postens hin war er einige Schritte in Richtung der Tür getreten und deutete nun eine leichte Verbeugung an.
„Vizegouverneurin Cain. Larymus Trayton, Kommandant dieses bescheidenen Schiffes. Treten Sie doch ein.“
Diese Freundlichkeit kühlte deutlich ab, als er auch seinem Ensign einen kurzen Blick zuwarf.
„Das wäre dann alles, Fields.“
Der so Angesprochene salutierte zackig und war verschwunden, noch bevor die Tür zum Korridor sich hinter Aviendha und dem Commander geschlossen hatte. Dieser deutete auf einen Tisch in der Kajüte – die immerhin etwas geräumiger war als die Unterkünfte, die sie bereits kannte – auf dem bereits Besteck, Wasser und zwei Weingläser angerichtet waren.
„Bitte, setzen Sie sich doch.“
Gerne kam sie Traytons Aufforderung nach, der, nachdem er ihr höflich den Stuhl zurückgezogen hatte, wieder mit einer Flasche Wein an ihrer Seite auftauchte.
„Ich hoffe, alderaanischer Smaragdwein sagt Ihnen zu.“
„Natürlich.“
Ein wenig misstrauisch verfolgte sie, wie Trayton ihr und sich selbst ein wenig von der dunkelgrünen – eben smaragdenen – Flüssigkeit einschenkte. Noch war sie sich nicht im Klaren darüber, ob der Kommandant der Constancy einfach ein guter Gastgeber im Namen der Flotte sein wollte, oder ob er möglicherweise gänzlich andere Absichten verfolgte. Als Offizier, der Thyferra regelmäßig frequentierte, konnte sie Verbindungen zu Kraym oder zu Semur bei ihm nicht ausschließen.
„Mein erster Offizier berichtete mir von dem bedauerlichen… Zwischenfall mit der Präfektin“, begann Trayton sogleich ein Gespräch, nachdem er ihr zugeprostet und sie beide vorsichtige Schlucke genommen hatten. Der Wein, so viel konnte Aviendha als Halblaie feststellen, schmeckte akzeptabel – mehr, als sie auf einem kleinen Kreuzer erwartet hätte.
„Ich kann nur das Bedauern wiederholen, das Lieutenant Zeneca Ihnen gegenüber bereits zum Ausdruck gebracht hat. Meine Constancy ist derart hohen Besuch ganz einfach nicht gewohnt.“
Ein schmales Lächeln stahl sich auf die Züge des Offiziers.
„Üblicherweise geleiten wir lediglich stumme und stoische Fracht. Doch wie Sektoradjutant Semur mir in seinem Kommuniqué versicherte, ist Ihre Anwesenheit auf Thyferra eine Frage gewisser Dringlichkeit und der Abflugplan unseres Konvois passte entsprechend. Vermutlich hätten Sie auf einem der Frachtschiffe mehr Freiraum genießen können, allerdings wäre ich dort um Ihre Sicherheit besorgt gewesen – auf einem Schiff der imperialen Flotte ist eine Vizegouverneurin denke ich besser aufgehoben.“
Aviendha nickte vorsichtig. Bisher war ihr nicht klar gewesen, dass Semur sie so schnell wie möglich auf Thyferra in Position wissen wollte – galt es womöglich, gewisse Schritte Gouverneur Krayms zu unterbinden, bevor dieser sie in die Tat umsetzen konnte?
„Kennen Sie den Sektoradjutanten gut?“, fragte sie, bevor sie sich einen weiteren Schluck ihres Weins genehmigte.
Trayton vollführte eine abwehrende Handbewegung.
„Oh, nein nein… ich habe ihn lediglich auf offiziellen Anlässen getroffen, vielleicht ein, zwei mal. Ein fleißiger Diener des Imperiums, wenn mir diese Bemerkung gestattet sein darf. Der Jaso-Sektor profitiert mit Sicherheit immens von seinem Einsatz. Ihm jedenfalls verdankt die Constancy die ehrenvolle Aufgabe, die wichtigen Bactakonvois von Thyferra zu eskortieren.“
„Wenn Sie so oft Thyferra anfliegen, müssen Sie auch mit dem Gouverneur bekannt sein“, wagte Aviendha sich weiter vor.
„Horatio Kraym?“
Bildete sie sich das ein, oder verdunkelte die Miene des Offiziers sich ein wenig bei der Erwähnung des Namens?
„Nur was man sich erzählt, Vizegouverneurin“, antwortete Trayton schließlich.
„Ein ehrgeiziger Mann. Adelig. Die Gründung von „Imperial Bacta“ und die damit einhergehende Zerschlagung des Kartells aus Zaltin und Xucphra sind zweifelsohne sein größter Coup.“
Aviendha nickte. Sie hatte sich bereits im Rahmen ihres Studiums mit dem berüchtigten Bacta-Kartell beschäftigt, das im Grunde weder im Imperium, noch in der Republik auf sonderliche Begeisterung gestoßen war – radikale Ökonomen hatten immer wieder nach einer Totalliberalisierung des Bactamarktes gerufen – die einheimische Spezies des Planeten, die wohl maßgeblich am Produktionsprozess der Heilsubstanz beteiligt war, hatte in solchen Plänen stets eine wichtige Rolle gespielt – während ihre imperialen Dozenten das Fehlen imperialen Einflusses auf die Produktion bemängelt hatten. Hatte Kraym es womöglich geschafft, diesen eklatanten Mangel abzustellen? Wenn ja, dann hatte er in Aviendhas Augen alles Recht, dies als großen Coup zu bezeichnen.
„Sie sehen das anders, Commander?“
Der Offizier wand sich sichtlich ob dieser Frage.
„Ich bin nur ein Soldat, Vizegouverneurin. Aber… das Bacta-Kartell hat funktioniert. Ich denke, noch bleibt abzuwarten, ob alle vorgenommenen Änderungen sich wirklich zum Besten des Imperiums auswirken.“
… oder nur zum Besten von Horatio Kraym, hätte Trayton vermutlich angehängt, wäre eine solche Aussage aus dem Mund eines imperialen Offiziers nicht schlichter Wahnsinn gewesen. Der Kommandant der Constancy konnte sich schließlich nicht sicher sein, wie sie zu Kraym stand, auch wenn sie auf Semurs Geheiß hin nach Thyferra versetzt worden war.
Der Offizier lächelte plötzlich.
„Aber Sie müssen hungrig sein. Lassen Sie mich das Essen anfordern.“
Aviendha konnte ihm schlecht widersprechen. Wie lange war es her, dass sie etwas Vernünftiges zwischen die Zähne bekommen hatte?
Es dauerte nicht lange, bis ein älterer Matrose – vermutlich eine Art Steward des Kommandanten – zwei Portionen des angedachten Menüs in die Kajüte brachte: geschmorten Nerfbraten mit einer Auswahl gedünsteten Gemüses, die Aviendha eher unbekannt war. Es duftete jedenfalls köstlich.
„Ich fürchte, auch die Kombüse der Constancy ist nicht zwingend auf ein Mitglied der Sektorverwaltung vorbereitet…“, entschuldigte Trayton sich schon im Vorfeld. Aviendha winkte höflich ab.
„Glauben Sie mir, Commander… auch die Sektorverwaltung lässt nicht nur von Luxusköchen kochen.“
Das Essen auf N’zoth war größtenteils miserabel gewesen, auch wenn sie vermutete, dass Kerrigan es sich trotzdem an nichts hatte mangeln lassen.
Schweigend aßen sie und Aviendha musste sich beherrschen, um das zarte Fleisch nicht hungrig in sich hineinzuschlingen. Als sie sich schließlich den Mund abtupfte und einen Blick auf ihren restlos geleerten Teller warf, hatte sie das sichere Gefühl, auch eine Portion gleichen Ausmaßes durchaus erneut verputzen zu können. Ihr Gastgeber wirkte jedenfalls erleichtert ob der Tatsache, dass es ihr gemundet hatte, und wirkte sichtlich entspannt, als er ihnen beiden Wein nachschenkte.
„Sie sprachen von einer Dringlichkeit bezüglich meines baldigen Auftauchen auf Thyferra“, fragte Aviendha, nachdem sie Trayton etwas Zeit gelassen hatte, einen weiteren Schluck Wein zu nehmen.
„Wird in naher Zukunft irgendetwas… Bedeutendes dort passieren?“
„Oh, nicht dass ich wüsste, Vizegouverneurin“, verneinte der Andere mit einem leichten Kopfschütteln.
„Ich dachte nur, dass die Eile womöglich mit der plötzlichen Erkrankung von Vizegouverneur Lopez zusammenhängt, die seine Position hat vakant werden lassen.“
„Ah, natürlich.“
Sie nickte wissend, auch wenn sie den Namen Lopez zum ersten Mal hörte. Eine plötzliche Krankheit war indes etwas, das stets Anlass für eine gewisse Vorsicht bieten sollte – besonders, wenn sie so schwer war, dass der Betroffene seinen Dienst nicht mehr verrichten konnte. Die Frage war nur – hatte es sich bei Lopez um einen Mann Krayms gehandelt oder um einen Mann Semurs? Oder gar um jemanden, der zwischen den Stühlen gesessen hatte?
Der Rest des Gesprächs zwischen Vizegouverneurin und Commander beschränkte sich auf harmlos-freundlichen Tratsch und als Aviendha sich schließlich von Trayton verabschiedete und den Rückweg zu den Quartieren der Unteroffiziere antrat, hatte sie das Gefühl, als hätte sie sich durchaus ein Glas des Smaragdweines weniger genehmigen können. Als sie den kleinen Raum mit den Kojen nämlich wieder betrat, glaubte sie zunächst, ihren Augen nicht trauen zu können…
Um den zentralen Tisch herum versammelt saßen fünf Offiziersanwärter, einer von ihnen Fields, die augenscheinlich in eine Art Kartenspiel vertieft waren, in dessen Rahmen es offenbar darum ging, möglichst viele Plastikchips für sich zu gewinnen. Die sechste Person im Bunde war Nylar, die lässig auf ihrem Stuhl lungerte und die oberen zwei Knöpfe ihrer Uniformjacke geöffnet hatte. Gerade, als Aviendha eintrat und der Blick eines jeden Offiziersanwärters sich auf sie richtete, zog die Chiss einen beträchtlichen Stapel Chips an sich heran.
„Unterschätzen Sie niemals die Chance auf eine Narrenhand, Junge…“, belehrte sie dabei Fields, der jedoch an Stelle einer Antwort erschrocken aus seinem Stuhl hervorschnellte.
„Vizegouverneurin Cain, Ma’am! Es ist… ähm… wir spielen natürlich nicht um Credits! Das wäre gegen die Vorschriften!“
Nervös schielte der Ensign in Richtung einer metallenen Feldflasche in unmittelbarer Nähe des zentralen Chipstapels, in der sich zweifelsohne irgendein hochprozentiges Getränk befinden musste.
„Entspannen Sie sich, Fields.“
Nylar grinste.
„Oder sieht Vizegouverneurin aus wie Ihr Lieutenant Zeneca? Das könnte man ja fast als Beleidigung auffassen…“
Fields errötete.
„Ich… ich wollte nicht…“
Mit einem Räuspern verschränkte Aviendha die Arme vor der Brust.
„Ich sehe, dass hier alles in Ordnung ist…?“
„Alles bestens“, erwiderte Nylar gut gelaunt.
„Wenn ich Sie in der nächsten Runde mit reinmischen soll…“
Gegen ihren Willen musste Aviendha lächeln. Wer konnte es Nylar schon verübeln, dass diese sich bemühte, auf die bestmögliche Art ein wenig Zerstreuung während ihrer Reise zu suchen? Der Chiss war es schließlich nicht vergönnt gewesen, vom Kommandanten Nerfbraten und Smaragdwein kredenzt zu bekommen. Apropos Smaragdwein…
„Ich glaube, ich muss mich ein wenig hinlegen… Passe.“
Mit einem leichten Kopfschütteln zog sie sich in „ihre“ Koje zurück. Sie musste nachdenken – oder zumindest ein wenig schlafen.
[Hyperraum, CK Constancy, Quartier der Offiziersanwärter]- Aviendha, Nylar, Offiziersanwärter