Mein erster Einsatz in einer direkten Agentengruppe. Mein erstes komplettes Untertauchen in den Bund, abgesehen von Kurierläufen und kleinen Diensten. Es war der 3. November 747, acht Tage nach dem Sieg Cromshells über Tarleen. Acht Tage nach dem Mord an Korbin.
Einer meiner Kontakte hatte mich rufen lassen, ich sollte am Abend in eine leer stehende Wohnung in einem großen Mietshaus im Weinviertel kommen. Die König-Reichart-III.-Strasse war für ihre großen Mieterblocks bekannt und ich sah die Emer vom wirklich beinahe vollends leeren Zimmer aus, in dem nur einige Stühle standen, auf denen meine zukünftigen "Kollegen" Platz genommen hatten.
Astariel von den Gaucaiern war anwesend (seltsame, verstörend goldene Augen), sowie Cesare Gremaldi, Morai, Trixxie und Guntram Rosenblatt. Und unser Auftraggeber war da, ein seltsamer Geselle, der geradezu langweilig aussah und nur dadurch auffiel, dass er uns alle wie Idioten behandelte. Natürlich kam das bei Astariel und Guntram gar nicht gut an...
Es gab pseudo-motivierenden Kram wie "Ihr schafft das schon" und er nannte uns "seine Untergebenen" und als der große Herr von den Gaucaiern schon wirklich wütend fragte, wie er überhaupt heißen würde, meinte er nur leicht suizidal, dass wir das noch früh genug seinen Namen erfahren würden. Ich blieb stumm und sah zu, wie Mo neben mir nur warnend über die Klinge seines Zweihänders fuhr.
Unser Auftraggeber gab uns eine Adresse im Südlichen Viertel und meinte, wir sollten dort einen Wagen mit minderwertigen Gütern abholen. Heute Nacht noch sollten "unsere kleinen Füßchen dorthin trabbsen" und den Wagen nehmen und ihn mit einem anderen Wagen unter Armee Aufsicht austauschen. Von Hilfsgütern sprach er, die Cromshell für Emerald bereit gestellt hatte.
Also sollten wir die Hilfsgüter mit minderwertiger Ware austauschen und die gut gearbeiteten Decken, das hochwertige Getreide und all die anderen Dinge dem Bund zu führen.
Die "Füßchen" und das "trabbsen" aber führte nur dazu, dass Guntram und Eure Durchlaucht unseren Auftraggeber mordlüstern anstarrten, der kam dann doch noch ins Stottern. Und sogar Cesare merkte an, dass er uns doch bitte ernst nehmen sollte, was aber nur bewirkte, dass unser Auftraggeber meinte, dass er "seine Untergebenen" immer ernst nehmen sollte und Astariel und Guntram nur wütender wurden. Das verstärkte sich erneut, als Cesare nach dem Adresse fragte, an der wir den Wagen mit den richtigen Hilfsgütern finden konnten, und unser Auftraggeber nur erklärte, dass wir das herausfinden sollten... dafür wäre er nicht bezahlt worden.
Bevor Astariel nun wirklich ungehalten werden konnte, wollte Guntram wissen, warum wir die Güter austauschen sollten und uns wurde wieder sehr arrogant erklärt, dass der Bund das hochwertige Material für teures Geld verkaufen wollte und wir sowieso nicht zum Denken angetreten waren, wir sollten lieber handeln. Er war hier, um zu denken...
Nun langte es auch Guntram und der Halbork verlangte den Namen des Bundesvaters zu erfahren, der diesen Auftrag gegeben hatte.
Ich versuchte zu schlichten. Mein erster richtiger Auftrag im Bund sollte bitte nicht schon im Besprechungszimmer in einem Blutbad enden und so redete ich auf alle ein, dass wir einen Auftrag zu erfüllen hatten. Mo sah nur genervt drein und alle sahen unseren Auftraggeber seltsam an und da erkannte ich, dass Trixxie mich seltsam anschaute. Erkannte sie mich von damals, als ich mich langsam in den Bund eingearbeitet hatte? Als ich von ihnen Drogen gekauft hatte? Ich entschied mich, dem später auf den Grund zu gehen.
Doch unser Auftraggeber erklärte doch noch, dass er zwar direkt von Bundvater Throat geschickt worden war, alle Bundväter aber ihre Hand in diesem Plan hatten. Das ließ meine Kollegen erst einmal verstummen. Er griff in seinen Münzbeutel und reichte uns jedem ein Platinstück, "der Rest würde noch kommen".
Während Mo noch mit seiner Münze zwischen den Fingern spielte (sehr geschickt, dieser Mo, der muss mir einige seiner Tricks beibringen!), verließ ich schon mit meinem treuen Regenschirm das Zimmer und stand bald mit den anderen vor dem Mietshaus.
Was meine Feen während meines Weggehens noch beobachten konnten: Cesare fragte unseren Auftraggeber, wer ich denn wäre, und der antwortete, dass ich ihr neuer Kollege sei, was alle doch äußerst erstaunte. Hatte Cesare mich etwa auch von damals erkannt? Schließlich war er in der Nacht des Drogenkaufs auch zugegen gewesen... sehr gut, falls es so ist. Ein lang gehegter Plan geht in Erfüllung!
Als wir am Ufer der Emer standen, grollte Guntram uns zu, dass er ein ganz mieses Gefühl bei der Sache hatte. Ich fragte, warum er so empfand und natürlich musste der Herr Von und Zu das gleich als Gelegenheit nutzen, um mich nach meinem Namen zu fragen. Aber Rumbo Kappenschneck hat nichts zu verbergen... jedenfalls nicht in dieser Hinsicht. Und so stellte ich mich allen vor und natürlich bekam ich mit, dass Guntram mir seinen Nachnamen nicht verriet und ich nutzte die Gelegenheit, mich bei Astariel einzuschleimen. Ich würde ihn vom Hören und Sagen kennen und hätte schon so viel über seine wundervolle Villa am Ufer gehört und überhaupt.
Cesare sah mich nun auch eindringlich an und ich denke, er konnte mich ab diesem Punkt wirklich zuordnen: der kleine Halbling, der Tchalc Knollenpulver kauft und Nachts durch die Straßen wandert. So soll es sein...
Cesare erklärte mich dennoch, dass sie aus alter Erfahrung heraus ein schlechtes Gefühl hatten und so entschieden wir, näheres im Mantel zu besprechen, da der den Krieg ohne eine Schramme überlebt hatte. Im Gegensatz zu anderen Bund-nahen Lokalitäten wie der Wasserrose, die gerade neu gebaut werden sollte. Trixxies Freund Maleko arbeitete sich Tag und Nacht an dem Wiederaufbau wund.
Der Weg über die Emer und hin zum Kutschenwerkviertel war kurz und im Mantel war wenig los. Cesare wunderte sich, dass wir für einen derart komplizierten und gut bezahlten Auftrag keine Zeitfrist bekommen hatten und als ich zu Bedenken gab, dass im demütigen Satz mit den trabbseten Füßchen von "heute Nacht" gesprochen wurde, nahm ich die Gelegenheit beim Schopf und wollte wissen, wie eine solche Auftragsvergabe sonst so verlaufen würde. Ich wäre neu im Geschäft, erklärte ich, und würde mich nicht so gut auskennen wie die alten Hasen.
Dass es sonst kein Geld im Voraus geben würde, meinte Astariel im gewohnt hochnäsigen Tonfall und als ich mein Platinstück auf Echtheit hin untersuchte, nickte der Adelssohn nur genervt. Ja, dies war echtes Geld... er musste es ja wissen.
Während wir unsere Getränke serviert bekamen (von einer Schankmaid namens Mina, die den großen Herren Von und Zu gleichzeitig anhimmelte und angiftelte), wandte sich Astariel zu Cesare und erklärte, dass er dem neuen Kontaktmann des Bundes nicht trauen würde, sie müssten ihn zudem noch erziehen. Seine Respektlosigkeit war irritierend und überhaupt wäre etwas seltsames an ihm.
Guntram versuchte zurück zum Auftrag zu finden: wie sollten wir den Wagen mit den Hilfsgütern finden, den die Besatzungsmächte vermutlich bewachten. Cesare antwortete nicht, sondern gab zusätzlich zu bedenken, dass dies alles in einer Nacht eh schwer zu bewerkstelligen wäre. Ich meinte nur, dass das Geld vermutlich die nötige Motivation erzeugen sollte.
Überall waren temporäre Basen der Cromsheller in Emerald eingerichtet worden und wir entscheiden zu meiner Erleichterung, dass wir auf trickreiches Vorgehen und weniger auf Blutvergießen setzen sollten. Cesare wusste von zwei großen Stützpunkte im Süden und einem im Norden, die für die Lagerung eines Wagens in Frage kommen würden und er beschrieb, dass sie nicht einmal derart schwer geschützt wären. Die Besatzung setzte auf die Beamte des RSWE, die sich während des Krieges zum Teil dem Widerstand angeschlossen hatten und nun erneut für Recht und Ordnung in den Straßen der Hauptstadt sorgen wollten.
Und auch Mo meinte, dass er Leute kennen würde, die uns bei der Suche nach den Hilfsgütern unter die Arme greifen könnten.
Wir gingen erst einmal zum Garachweg 77a, der Adresse, die uns unser Auftraggeber gegeben hatte. Das Südliche Viertel war einen Katzensprung entfernt und meine Feen begleiteten uns die ganze Zeit. Zwar hatte ich kurz Angst, dass Cesare sie entdecken würde, schlug er doch nach nicht existenten Fliegen und reagierte so auf das hohe Summen der kleinen Konstrukte. Aber die Feen blieben unentdeckt... im Gegensatz zu Schwarzschnabel, der im Garachweg wartete und unsere Zieladresse beobachtete. Meine Feen entdeckten ihn sofort. Seltsamer Kerl mit seinem schwarzen Umhang und seiner Schnabelmaske. Ich habe von ihm das erstemal als "Krähe" erfahren, später als "Rabe" oder "Rachekrähe". Aber "Schwarzschnabel" ist mittlerweile in den Köpfen der Bürger hängen geblieben. Er saß auf einem der Dächer und beobachtete uns, wie wir angewandert kamen und stutzten, als zwei Stadtwachen unter einer Laterne am angesteuerten Lagerhaus standen und schwatzten.
Während Trixxie schon leise auf eine Häuserruine kletterte, die deutlich zeigte, dass wir gerade Kriegszeiten überstanden hatten, diskutierte Astariel leise mit Cesare. Der Dichter sollte als Betrunkener die Aufmerksamkeit der Wachen auf sich lenken, doch Cesare wollte keine Nacht in einer Zelle verbringen. Sie einigten sich auf einen Zwischenweg und während Cesare eine kleine Laute aus seinem Umhang zog (war das Magie? Hatte er sie die ganze Zeit dabei?) und sehr laut und sehr falsch darauf spielte und dazu ebenso laut und falsch sang, drückten sich die anderen in die kleine, mit Schutt übersäte Gasse, die von den Trümmern der Ruine halb begraben war.
Die Stadtwachen ließen sich nun wirklich anlocken und bevor sie sich noch über die nächtliche Störung beschweren konnten, verwickelte sie Cesare mit seiner Wortgewandtheit in ein Gespräch, das nun vermutlich wirklich magisch unterlegt war. Astariel und Mo nutzen die Gunst der Stunde, sich wieder aus der Gasse zu lösen und zum Lagerhaus zu gehen, während ich mich weiter in die Schatten schlich. Ich wollte sehen, ob man von hinten in das Lager kommen würde und ich hatte Glück: dort waren Fenster angebracht, die leicht zu öffnen waren. Guntram folgte mir.
In einem kleinen Hinterhof entdeckte ich einen abgestorbenen Baum, der den Krieg nicht überlebt hatte, und einen Pferdekadaver, der in der vergangenen Woche noch nicht weggeschaffen worden war. Aus dem toten Fleisch wucherten die grellbunten Pilzkörper einer Kadaverblume und schlängelten sich über den Boden hinauf zum Baum... oder andersherum vom Baum hinunter zum Kadaver.
Kadaverblumen hatten in den Jahren 693 und 694 für Probleme in Emerald und der näheren Umgebung gesorgt und ich frage mich, wie eine Spore die Säuberungszüge von damals überlebt hatte. Hatte der Pilz in dem alten Haus überlebt, das nun als Ruine neben uns lag und hatte endlich ins Freie gefunden?
Ich warnte Guntram, der aber stolperte schon über den Pferdekadaver, war aber schlau genug, die Nesseln des Pilzes nicht zu berühren. Er putzte angewidert seinen Schuh und ich (nachdem ich kurz das tote Pferd untersuchte und beschloss, dass ich bald möglichst den RSWE informieren musste) klopfte mit meinem Regenschirm an die geschlossenen Fensterläden, durch deren Ritze helles Licht drang. Mo öffnete.
Er und Astariel hatten das Tor ohne Probleme aufbekommen und den erwähnten Wagen unter einer schweren Plane gefunden. Darauf waren Kisten, Säcke und Fässer geladen, die die gefälschten Siegel von Cromshell, Tarleen und der Stadtwache trugen und Astariel hatte mit seinen Kräften für Licht gesorgt. Die Spitze seines Stabes (seines verborgenen Speeres) glühte grell. Nachdem Guntram und ich ins Innere geklettert waren, kam uns wenige Augenblicke später Trixxie nach, die angespannt erklärte, dass sie Schwarzschnabel auf den Dächern in der Umgebung gesehen hatte.
Also mussten wir schnell handeln, konnten wir schließlich nicht einschätzen, wie uns dieser mysteriöse Kämpfer, der seit dem Anfang der Schattenspinnenbesetzung gegen Unrecht und Korruption kämpfte (und manchmal auch dem RSWE Ärger bereitete, soviel muss gesagt sein), in die Quere kommen könnte.
Wir brauchten einen Ochsen oder mehrere Pferde, um den Wagen wegzuschaffen und Astariel meinte, dass er zwei Tiere aus seinen Ställen holen könnte. Als Guntram scherzte, dass ein totes Pferd gleich hinter dem Lager läge und Trixxie bestätigte, dass dort eine Kadaverblume wüchse, sah Astariel interessiert drein... was er zu diesem Zeitpunkt vorhatte, weiß ich nicht. Aber was letztendlich passierte, ist schon einen Schenkelklopfer wert.
Zusammen mit Guntram zog Astariel los, während Mo sich aufmachte, näheres über die Armee-Lager herauszufinden.
Trixxie und ich warteten neben dem Wagen und schließlich kam auch Cesare zu uns. Die Stadtwachen hatten ihm eine gute Nacht gewünscht und ihn ziehen lassen, lag doch sein Zauber noch auf ihnen und hatte er (außer schrecklich falschem Spiel und Gesang) wirklich nichts angestellt und so saßen wir zusammen im dunklen Lager.
Hier wusste ich noch nichts vom Verbleib der Korbin-Akten und suchte noch nach Anhaltspunkten, wer sie haben könnte. In seiner Wohnung hatte ich nichts gefunden, nachdem Trixxie meinen Kollegen ermordet hatte. Erst zwei Tage nach meinem ersten Auftrag für den Bund kontaktierte mich Inquisitor Dakkda und überreichte mir eine Abschrift, bevor er nach Cruhn zurückkehrte, um Cromshell weiter zu dienen.
Also versuchte ich, möglichst viel über Trixxie herauszufinden. Ich schwatzte mit ihr über dies und das und erzählte ihr, dass ich als Kurier des Widerstands im Krieg unterwegs war, dass ich nun Struktur in meinem Leben suchen würde und mich deshalb dem Bund angeschlossen hätte. Trixxie war einsilbig, ihre Reaktionen und kurzen Sätze verrieten mir aber mehr über ihre eigene erfolglose Suche nach den Aufzeichnungen, als sie dachte.
Meine Feen verfolgten derweil Mo. Der wanderte gemütlich durch die nächtlichen Straßen des Südlichen Viertels, bis er das "Schwalbennest" erreichte, eine Absteige sondergleichen und Freudenhaus mit umstrittenen Ruf. Davor waren einige illustre Gesellen versammelt, unter anderem ein gewisser Ionas Langenhogg, der dem RSWE schon lange durch seine Tätigkeit als zwielichter Informant bekannt ist.
Zuerst stellte sich Langenhoff dumm, bis Mo ihm ein Silberstück gab. Langehogg meinte, dass das immer noch zu wenig sei und Mo gab ihm zwei weitere. Also verriet der Informant dem Elfen doch noch, dass sich in der Basis am Stadtrand lediglich eine Truppenbaracke befand, im Lagerhaus im Kutschenwerkviertel (Erste Söldnerstraße 67) aber wurde erst vor einigen wenigen Tagen ein Wagen mit Hilfsgütern aus Cromshell abgestellt. Mo nickte zufrieden, bedankte sich und wanderte wieder in Richtung Garachweg.
Als Astariel und Guntram mit den beiden Pferden und über die neueste Mode in Tarleen schwatzend zurück kehrten (Astariel hatte sich von seinem Hausmädchen Varinja speziell die nicht gebrandmarkten Tiere geben lassen), war Mo schon wieder bei uns und schnell erzählte er uns von dem Lagerhaus im benachbarten Stadtteil.
Wir diskutierten eine geschlagene Stunde, wie wir weiter vorgehen wollten. Sollten wir Rüstungen der Besatzungssoldaten stehlen? Mit falschen Papieren den Wagen auslösen? Mit magischen Portalen die Güter austauschen? Bringt alles nichts, wurde uns klar. Alles zu aufwändig, zu umständlich, zu an den Haaren herbei gezogen. Zwar konnten Cesare und vor allem Astariel den ein oder anderen Zauber wirken, aber einen ganzen Wagen unsichtbar machen oder aus Emerald heraus fliegen? Nein... eindeutig nein.
Wir beschlossen, die Sache so mundan wie möglich anzugehen: wir hatten etwa zehn Minuten Zeit, die Wachen auszuschalten, in das Lagerhaus zu kommen, die Pferde vor den Wagen zu spannen, den Wagen in eine Seitenstraße zu fahren, die Pferde ab zu spannen, sie vor den falschen Wagen zu spannen, den in die Lagerhalle zu fahren und dann die Pferde wieder ab zu spannen und mit ihnen zu verschwinden. Womöglich noch etwas anderes stehlen oder zerstören, damit die Soldaten auch auf das ganze Schauspiel im Nachhinein reinfielen.
Ich versuchte immer wieder gegen einen Kampf und gegen ein Blutvergießen zu sprechen, musste aber aufpassen, nicht zu pazifistisch zu wirken. Schließlich war ich Agent des Bundes. Ein Haudegen. Ein gemeiner Schwerverbrecher. Ein ausgefuchster Hallodri.
Wir packten alles ein, spannten die Pferde vor unseren falschen Wagen und fuhren langsam durch die Nacht. Cesare hatte auf dem Weg noch eine viel bessere Idee: dass wir die Güter stehlen und später mit der Austauschware um die Ecke fahren könnten. "Hallo, hier sind Eure Sachen wieder. Die standen da hinten in einem Innenhof." Oder "den Wagen haben wir den bösen Buben abgenommen, die sind aber ganz ganz schnell gelaufen." So etwas halt.
Am Anfang der Ersten Söldnerstraße blieben wir im Schatten stehen und blickten in Richtung Lagerhaus. Meine Feen konnten natürlich schon alles sehen, aber ich hatte noch keinen Zugriff auf diese Information... und überhaupt hätte ich mich damit eh irgendwie verraten. Ich schlug vor, dass wir Kleinen (Trixxie und ich... wobei Trixxie anscheinend mal ganz froh war, einmal größer als alle anderen zu sein... Gnome und ihre Minderwertigkeitskomplexe!) vor schleichen und die Lage ausspähen konnten.
Schnell entdeckten wir, dass nur ein Soldat der Cromsheller Armee vor dem schweren Tor stand, in dem eine kleinere Türe eingelassen war. Eine helle Laterne über dem Tor gab genügend Licht ab und in entfernter Hörreichweite feierten einige Leute das Ende des Krieges. Wir bogen in eine kleine Gasse ein, die sich um die Lagerhalle schlängelte und kletterten einige Kisten empor (natürlich half ich als Ehrenmann der guten Frau... in Ordnung, nicht ganz so "gut") und wir blickten durch ein sehr hoch angebrachtes Dachfenster.
Wir sahen den genannten Wagen und eine Plane, der der unseren bis auf die Naht glich (woher hatte der Bund bitte solche Informationen? Vermutlich aus den Reihen der Cromsheller Armee selber!), zwei Soldaten, die sich angeregt über die kleine Gruppe Helden aus Cromshell unterhielt, die vor über einer Woche Cathya den Garaus gemacht hatten, und einen Ork in einem kleinen Käfig. Zusammengepfercht, angekettet und überaus elend anzusehen.
Wir schlichen zurück zu den anderen und Trixxie erzählte vom Gesehenen. Guntram sah zuerst etwas verwirrt drein, als sie vom gefangenen Ork erzählte, dann meinte Astariel, dass es sich ja eventuell um Guntrams Vater handeln könnte. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nichts von einem Herren Rosenblatt der Alte (oder wie auch immer) und war ganz überrascht, konnte mich dann aber wieder fangen, als der goldäugige Herr Magier plötzlich die nicht so prickelnde Idee hatte, alle Soldaten zu töten und es dem Ork in die Stiefel zu schieben.
Zum Glück wollte auch Cesare kein Blut vergießen und wir diskutierten noch einige Zeit, bis Astariel mit dem Argument, dass es bei einem ausgebrochenem Ork realistischer wäre, wenn überall Eingeweide und Batz herum hingen, die meisten in der Gruppe überzeugte.
Mo gab Guntram sein Kurzschwert Biss und Cesare überreichte dem Halbork seinen sehr kleinen Kurzbogen, den er irgendwo unter seinem Umhang mitgeführt hatte, obgleich er ja kein Blut vergießen wollte. Heuchler!
Trixxie, der Heuchler und ich blieben beim Austauschwagen zurück, während sich nun der Herr Von und Zu, Mo und Guntram zum Lager, die Kisten hinauf und bis zu den Fenstern begaben. Sie wollten die beiden Soldaten im Lagerhaus durch die Fenster hindurch erschießen, doch der Ork war ihnen zuvor gekommen. Er hatte sich befreit (meine Feen hatten den Ausbruch an sich nicht wirklich mitbekommen) und den beiden Cromshellen mit einer ihren eigenen Klingen die Hälse durchgeschnitten. Guntram ächzte auf, war es doch tatsächlich Chansomps, sein Vater.
[Nachtrag: Jetzt weiß ich, dass Guntram im Januar des selben Jahres Chansomps kennen gelernt hatte, als der die Schattenhexen unterwandern wollte. Anscheinend war Guntram aus der Vergewaltigung von Frau Rosenblatt entstanden und das ist verständlicherweise keine gute Grundlage für ein Vater-Sohn-Verhältnis... wenn es auch erstaunlich ist, dass Guntram ihm bei der ersten Begegnung schon nicht allzu feindselig gegenüber gestanden war]
Der Soldat vor der Lagerhalle schlug Alarm. Neben ihm war ein glühender, sich langsam ausbreitender Fleck auf dem Tor entstanden und genau dieser Umstand hatte ihn zum Ruf bewegt. Wir hörten aus allen möglichen Richtungen Wachen herbei eilen und den Ruf erwidern. Meine Feen hatten zu diesem Zeitpunkt Schwarzschnabel entdeckt, der auf einem der gegenüberliegenden Häuserdächer hockte und ein kleines Fläschchen geworfen hatte. Er wollte den Soldaten nicht angreifen... er wollte, dass er nach Unterstützung schrie. Schwarzschnabel hatte uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Leider zu spät für die beiden anderen Soldaten, aber der Wille zählt.
Chansomps brach durch die Türe im schweren Lagerhallentor und wollte den zurück taumelten Soldaten schon mit der gestohlenen Klinge erschlagen, als Schwarzschnabel erneut etwas warf. Die Waffe wurde dem Ork aus der Hand gerissen und er brüllte dem fliehenden Soldaten nach, der in dieser Situation nicht daran dachte, einer wütenden Bestie entgegen zu treten.
Die Erste Söldnerstraße rannten nun sieben Stadtwachen und neun Soldaten der Cromsheller und der Tarleener Armee hinunter, der Lagerhalle und letztendlich auch uns entgegen. Ein Kleriker des Tarleener St. Piad Haupttempels rannte neben ihnen, einen bereits beschworenen Wasserelementar an seiner Seite.
Ich schrie Cesare und Trixxie zu, dass wir weglaufen sollten, doch nur die Gnomin nahm ihre Beine in die Hand und verschwand mit mir in den Schatten, während der Barde unschlüssig auf dem Kutschbock sitzen blieb. Guntram sprang von den Kisten und lief zu seinem Vater, der laut "Han!" rief (das orkische Wort für "Sohn", habe ich mir erklären lassen) und auch sie verschwanden in einer anderen Richtung in die Nacht, während Mo sich durch das Fenster in die Lagerhalle fallen ließ. Er sah sich kurz um, doch als die ersten Soldaten das Lagerhaus erreichten, merkte auch er, dass hier nichts mehr zu holen war und sprang vorbei an protestierenden Wachen und Kriegern hinein in die Dunkelheit der Gassen.
In diesem Moment machte sich Astariel unsichtbar. Zum Glück können meine Feen auch solche Dinge immer noch wahrnehmen, weiß Sidonis warum. Ich verstehe diese ganze alte Technologie nicht und bin einfach nur froh, dass ich die Kiste mit den kleinen Brummern erwerben konnte. Jedenfalls sahen sie noch den Herrn Von und Zu.
Cesare nahm hier all seinen Mut zusammen. Er räusperte sich, richtete sich den Scheitel und fuhr dann gemütlich mit der Kutsche des Bundes aus den Schatten hinaus vor das Chaos vor der Lagerhalle. Die Soldaten schauten irritiert, doch nickte Cesare ihnen freundlich und entspannt zu, grüßte sie höflich und lächelte teilnahmslos, während er den Wagen durch den Trupp lenkte. Beinahe hätte er es geschafft... beinahe.
Schwarzschnabel rief mit verzerrter Stimme (vermutlich eine Funktion seiner Schnabelmaske), dass der Kutscher zu den Halunken gehörte, die sich hier am Gut des Volkes vergreifen wollten und sofort war der Wagen umstellt. Der Wasserelementar baute sich bedrohlich vor Cesare auf, der sich in den Kutschbock drückte.
Dies reichte Astariel. Er wob einen Zauber, der ihm gewaltige Flügel aus dunkelstem Schatten verliehen und unsichtbar (aber immer noch von meinen Feen beobachtet), stieß er sich vom Dach des Lagerhauses ab und schoss auf Schwarzschnabel auf dem anderen Dach zu. Doch Schwarzschnabel sah den unsichtbaren Magier nicht, doch konnte er ihn im Fluge hören (wieder die Maske?) und als Astariel mit Feuerfingern nach dem Maskierten schlug, rollte sich der unbekannte Helfer schnell zur Seite. Sein Umhang brannte, doch er selbst konnte eine kleine Flasche auf die Brust des Magiers schleudern, der durch seinen Angriff nun doch noch sichtbar geworden war.
Rauchend und taumelnd verschwand Astariel hinter dem Dach und konnte sich in einem der Hinterhöfe gerade noch fangen, bevor er zu Tode stürzte. Er hustete und seine Lungen füllten sich mit beißendem Qualm. Schnell ließ er die Zauber fallen, löschte die alchemistische Glut auf seiner Brust und eilte dann davon, um über Umwege seine schützende Villa zu erreichen. Er hatte den Kampf gegen Schwarzschnabel verloren.
Schwarzschnabel war ebenfalls verschwunden und hätte Cesare fast ausnutzen können, dass die Soldaten um ihn herum vom Kampf hoch über ihnen abgelenkt waren. Aber das Wasserelementar hatte sofort reagiert und sich über ihn gestülpt und beinahe wären wegen der schwappenden Wassermasse die Pferde durchgegangen, hätte der Kleriker sie nicht mit seinen Künsten beruhigt. Astariel konnte wirklich von Glück sprechen, dass diese Pferde nicht sein Siegel trugen!
Das Wasserelementar zerfloss und ein spuckender und nach Luft schnappender Cesare wurde abgeführt, während die anderen Soldaten die Lagerhalle und den zweiten Wagen sicherten. Der Auftrag war sprichwörtlich ins Wasser gefallen. Mit einem gewaltigen Zutun von Schwarzschnabel...
An der Ufer der Emer hielten Guntram und Chansomps an. Wohin sein Sohn gehen wollte, fragte der blutverschmierte Vater und als Guntram erklärte, dass er zu seinem Haus wolle, verabschiedete sich Chansomps. Er würde die Stadt verlassen. Guntram meinte, dass dies eine gute Idee wäre. Noch einmal umarmte der Ork seinen halbblütigen Sohn, dann lief er in Richtung Osten davon.
Astariel hatte seine Villa erreicht. Varinja verarztete ihn mit all ihrem Können und als er sich besser fühlte, schickte er sein Hausmädchen los, um dem RSWE in seinem Namen von der Kadaverblume zu berichten. Doch war seine Überraschung groß, als er erfuhr, dass jemand anderes schon diese Information weitergegeben hatte und die Kadaverblume verbrannt durch alchemistische Flüssigkeiten vorgefunden worden war. Schwarzschnabel hatte ihm erneut einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Außer Mo (der sich in den Gehängten zurück gezogen hatte, um dort ein Bier zu trinken und sich viel später auf sein Zimmer zurück zu ziehen), Cesare und Astariel traf nun einer nach dem anderen im Mantel ein. Guntram gab eine Runde aus und die Stimmung war nicht sonderlich gut. Sie wurde schlechter, als unser namenloser Auftraggeber auftauchte, sich kurz zu uns setzte und nur raunte, dass wir die Vorausbezahlung behalten könnten, wir uns aber nicht noch einmal so etwas erlauben sollten. Dann stand er auf und verließ den Mantel und wir blieben mit einem Eisbrocken im Magen zurück.
Ich war nur gespannt, was meine Kollegen aus Cesare herausquetschen konnten...