"Master and Commander - Bis ans Ende der Welt" von Regisseur Peter Weir
Nachdem ich den ersten Teil der Reihe um Jack Aubrey und Dr. Maturin vor ein paar Tagen fertig gelesen hatte, hab ich mir den dazugehörigen Film aus dem Jahr 2003 noch mal geschnappt und muss mich deshalb glatt mal selber zitieren und vom Buch- in den Film-Thread rüberziehen.
Ich habe die ersten Bücher damals als Teenager gelesen und jetzt, wo ich das erste Buch wieder durch hab, muss ich sagen, da sind mir damals viele Schichten der Story entgangen. Vor allem die politischen Irrungen und Wirrungen. Die Schiffsatmosphäre, die O'Brian schafft, find ich nach wie vor großartig! Ich war damals sehr von dem Film enttäuscht, den ich als langweilig wahrnahm und einfach nicht verstanden hab, wie man aus diesen Büchern voller spannender Gefechte mit pfiffigen Schachzügen und vielen witzigen bis nachdenklichen Dialogen einen langweiligen Film machen kann. Den hab ich mir jetzt allerdings auch rausgelegt und werd ihn in den nächsten Tagen noch mal nach all den Jahren gucken. Vielleicht ändert sich die Wahrnehmung ja auch.
Wirklich interessant - ich fand den Film nun richtig gut! Noch mal kurz zum Hintergrund: Der Film basiert auf einer 20-teiligen Buchreihe von Patrick O'Brian, die sich zur Zeit der Napoleonischen Kriege um den englischen Marinekapitän "Lucky" Jack Aubrey und dessen besten Freund und Schiffsarzt Dr. Stephen Maturin dreht. Die Bücher strotzen nur so vor nautischen Fachbegriffen, worauf man sich erst mal einlassen muss (es gibt aber zum Glück einen ausreichenden Glossar), was dann aber stark dazu beiträgt, eine realistische Atmosphäre zu schaffen. Außerdem versetzt es den Leser gut in Dr. Maturins Situation, der als "Landlubber" nie so richtig seetauglich wird, was wiederum öfters für Komik sorgt. Ich selbst habe, wie oben erwähnt, vor vielen vielen Jahren die ersten 4 Bücher der Reihe gelesen. Der Film wiederum vermischt die Handlung zweier späterer Bücher.
Captain Jack Aubrey soll an Bord der englischen Fregatte
H.M.S. Surprise den französischen Freibeuter
Acheron jagen und erobern, um dazu beizutragen, Napoleons Macht auf den sieben Weltmeeren einzudämmen. Schnell stellt sich heraus, dass der Kapitän des Freibeuters ähnlich gerissen agiert wie Jack selbst, und das Schiff wesentlich schneller und stärker bewaffnet ist als die
Surprise. Die spannende Verfolgungsjagd bringt die Mannschaft der
Surprise bei der Rundung von Kap Horn an ihre Belastungsgrenze und Jack und Stephens Freundschaft wird auf eine harte Probe gestellt, als Stephen Forschungszeit auf den entlegenen Galapagosinseln verbringen will, Jack aber seinen Befehlen folgen und weitersegeln muss. Von dieser Handlung umrahmt werden wir nicht nur mit dem harten Leben auf dem engen Raum eines Marineschiffs des frühen 19. Jahrhunderts konfrontiert, sondern auch mit vielen zwischenmenschlichen Ereignissen und Schicksalen, Mut, Versagensangst, Freundschaft und Verlust. Zur Atmosphäre trägt außerdem die tolle Kulisse bei, gedreht wurde auf dem Nachbau einer Fregatte aus dem 18. Jahrhundert. Auch die Gefechte waren spannend und realistisch inszeniert. Alles in allem ein Film, der wenig zu wünschen übrig ließ. Rückblickend eigentlich komisch, dass er wenig Erfolg an den Kinokassen hatten und es nicht zu den ursprünglich geplanten Fortsetzungen kam.
Was mich damals und immer noch etwas störte ist aber, dass man den Film zu so einer späten Zeit in Jack Aubreys Karriere angesiedelt hat. Dadurch gehen einem Zuschauer, der die Reihe nicht kennt, viele Dinge verloren. Viele Mitglieder der Besatzung haben mit Jack einiges durchgemacht, bspw. sein Erster Offizier Thomas Pullings, der im ersten Buch noch Mastersgehilfe ist, oder der patente Steuermann Barrett Bonden, den Jack im ersten Buch gerne zum Fähnrich ernannt hätte. Auch die tiefe Freundschaft zwischen Jack und Stephen ist allein durch den Film gar nicht so gut nachvollziehbar. Dass die Besatzung Stephen verehrt, wird zwar zum Teil gezeigt, als sie auf den Galapagosinseln anlanden, damit er sich von seiner Schusswunde erholen kann; der Hintergrund, wie Stephen damals aber überhaupt in den Marinedienst gestellt wurde und dass er eben kein "üblicher Chirurg" (Surgeon), sondern ein "richtiger Arzt / Internist" (Physician) ist, fehlt allerdings. Ich weiß nicht, ob das dem heutigen Zuschauer klar ist, dass die "Ärzte" an Bord der Marineschiffe vielleicht ganz gut Arme und Beine amputieren konnten, zu viel mehr aber nicht taugten und Stephens gezeigte Behandlungen daher total unüblich und herausragend sind. Ich glaube, es wäre sinnvoller gewesen, das ebenfalls spannende erste Buch der Reihe zu verfilmen, in dem Jack Stephen kennenlernt, sein erstes Kommando erhält und erst einmal seine hervorragende Seemannschaft unter Beweis stellen muss. Damit wären die Grundlagen geschaffen gewesen, die man meines Erachtens braucht, um eine Filmreihe zu beginnen.
Ich muss also sagen, dass ich es mittlerweile echt bedauere, dass es nicht zu einer Filmreihe kam, und dass es sich wirklich lohnt, einem Film auch mal nach Jahren eine zweite Chance zu geben.
8 von 10 Stabheuschrecken.