Nekki al Jevarin
Vorins Schwester played by Utopio
Kalter Nebel senkte sich nieder auf die hochgewachsene Stadt, hüllte sie in einen dickflüssigen Schleier, dass man trotz der Milliarden Lebewesen die einzige Seele zu sein schien. Sie wadete vorwärts, wurde allmählich vom Dunst des Nebels verschluckt. Ihre schwarzen, hochhackigen Stiefel klapperten dumpf auf dem brüchigen Boden, der sie in gleichgültiger Starre zum Eingang brachte. Wie lange würde er hier noch überdauern, wie viele Generationen nach ihr das künstliche Straßengeflecht im Zentrum Coruscants begehen? Nur Silhouetten schwach leuchtender Lampen wagten es ihre Gestalt vorsichtig durchs Grau hindurch zu offenbaren. So stark sie sich auch konzentrierte, sie konnte ihre exakten Formen nicht festmachen, mit jedem Blinzeln wandelten sie sich. In die Nebelschwaden mischten sich die fauligen Dämpfe der Abluftrohre, die ihre Brühe in die Seitengassen spuckten. Ohne Eile durchquerte sie auch diese. Ein kräftiger Windschwall aus den Gassen erfasste ihren langen Mantel, dass er wallend aufgeweht wurde. Sie presste die fein geschwungenen Lippen fest aufeinander und setzte all ihre inneren Kräfte ein dem Schwall zu widerstehen und vorwärts zu trotten. Die Augen brannten, doch weigerte sie sich dem Drang nachzugeben sie zu schließen.
Im Inneren angekommen wartete nichts auf sie als das unaufmerksame, unrasierte und aufgeschwemmte Gesicht des Nachtwächters, der sie ohne aufzublicken mit seinen dicken, kurzen Fingern durchwinkte. Sie war ein Geist, der durch die Straßen und Hotels Coruscants wanderte, im Untergrund zu Hause war, sich problemlos in diesem zurechtfindend, ohne wirklich jemanden zu kennen oder von irgendwem gekannt zu werden. Vorin hatte sie seit dem Honey House nicht mehr gesehen und auch nie mehr wieder ein Bedürfnis verspürt zurückzukehren.
Die Aufzugtüre glitt geräuschlos hinter ihr zu. Feine, für ihre Seele viel zu seichte Aufzugmusik bimmelte auf sie ein, zerrte ihre Gedanken fort. Sie konnte auch nach all den Jahren noch immer seinen Ausdruck vor ihren Augen sehen. Die letzten Bilder hatten sich tief in sie eingeschrieben. Die Hast im Getümmel des im Fallen inbegriffenen Jedi Tempels, die Alarmsirenen vom imperialen Angriff auf Correlia heulten lautstark durch alle Gänge. Aber in der Erinnerung waren diese Eindrücke blass und farblos geworden. Nur das Blitzen in Noahs Augen strahlte ihr bunt entgegen, ein Funken durch die Ewigkeit. Nach diesem kurzen Moment würde sie ihn nie wieder sehen. Und sie glaubte es erkennen zu können, in den fast feierlich vor sich verschränkten Armen, dem intensiven Blick, ein Abschied, der immerwährend war. Der letzte Blick, den sie zeitlebens auf Noah werfen konnte. Viel zu kurz! Hätte sie es nur damals schon geahnt. Nie würde ihr sein Gesicht entfallen, die zarte, etwas scheue aber auch neckische Aura, die sie vergessen und schmelzen ließ. Ein Stück Vergangenheit, die nie wiederkommen würde, und sie doch bis zur Gegenwart begleitete. Ob er all die Zeit danach auch noch nur eine Sekunde lang an sie dachte? Damals hatte es Hoffnung gegeben. Die einzigen Monate Hoffnung seit Ende der Unschuld. Sie drückte die Lippen zusammen bis es schmerzte, sie liebte ihn...Die Türe öffnete sich und von stolzem Klacken begleitete Absätze verließen den Aufzug.
Kalte Wände flossen leblos vorbei, eine leere Aneinanderreihung seelenloser Fassaden. Sie fröstelte noch vom Gang durch den Nebel der verworrenen Straßen Coruscants, dieser frostigen Stadtwelt. Vater war in ihrer Kindheit auf Ansion immer an Dressilyas und ihrem Bett gesessen, um sie von der Kälte der Welt zu bewahren, sie in sanfte Decken zu betten, in denen sie unwissend und unschuldig in warme Träume hinabglitten. Dort schwebten sie von der Stimme Vaters getragen durch eine Fantasie voll an Zukunft. …
Flügellos und harten Herzens trottete sie heute ohne Vater und ohne Dressilya zur Tür ihres kleinen Appartmentzimmers. Während sie die mahagonifarbene Oberfläche prüfend abtastete suchte sie nach der elektronischen Karte, die sie ins Innere ließe. Das hätte nun gerade noch gefehlt, wenn sie die vergessen haben sollte. Doch ihre Finger schlängelten sich gelenkig durch die Tasche und fanden das Plastikobjekt. Der Duft abgestandener Luft blähte Nekki durch die Lungen. Die ersten Schritte galten daher dem Balkon, um dessen Türe zu öffnen und etwas Frischluft in das Zimmer einzulassen. Der Raum stand fast leer und nur eine schon verwelkte Pflanze stand in seiner Mitte. Vom Lebenskampf ermattet ließ sie die Blätter hängen, verfärbte sich erst gelb, dann braun und ließ sie schließlich fallen. Das geschah, wenn man kein Licht bekam und nicht gegossen wurde. Irgendwann war dann der Kampf um jede weitere Sekunde verloren, frei von der Qual existieren zu müssen ließ die Pflanze sich fallen und starb. Nur Nekki erinnerte sich, dass sie je existierte.
Die Sterne standen noch an den Himmel geschrieben. Nichts Gutes brachten sie, jede Welt hinter diesen blinkenden Sonnen war ins Korsett machtsüchtiger Menschen gezwängt worden. Was sie über sich sah war ein Universum voll von Einsamkeit. Seit der erste Mensch die Raumfahrt entwickelte nichts als Einsamkeit. Lichtjahre des Nichts und dazwischen Blut und Feindseligkeit. Keine höhere Macht war ihr auf ihren Reisen begegnet, nur das kalte Grab des Weltraums und noch kältere Seelen. Dennoch mochte sie den Anblick des Sternenhimmels. Der Morgen würde aber schon bald kommen, sie erspähte ein sachtes Blau hinter dem toten Schwarz. Das wollte sie nicht verpassen! Sie wusste nicht mehr wann sie das letzte Mal einen Sonnenaufgang beobachtet hatte. Für jenen Sonnenaufgang wollte sie sich schön machen. Noch hatte sie Zeit.
Der nicht ganz reine Hebel der Armatur drehte sich unter einem fast nicht wahrnehmbaren Quietschen zur Seite und entließ das zurückgehaltene Nass auf ihre Hände, kalt und Kälte über die eigentliche Nässe hinaus den Arm hinaufjagend. Plötzlich drängte sich ihr jener pochende Puls an ihren Handgelenken ins Bewusstsein. Dröhnend zeugte er von ihrem Leben. An die Temperatur gewöhnt konnte sie sich dagegen an das Wasser, das sie sich im Anschluss ins Gesicht spritzte, schon Sekunden später nicht mehr erinnern und würde ins Stocken geraten, hätte man sie gefragt, ob es je dort angelangt sei. Die eine kurze Schocksekunde am Anfang besaß mehr Inhalt als jede Sekunde, die folgte. Als wäre Nekkis ganze Existenz in dieser Sekunde gefangen und wäre niemals bei der zweiten angekommen …. Ein rot wabernder, summender Blitz stach durch Ihre Brust hindurch ….
Der Kopf kroch wieder unter dem Waschbecken hervor. Das Bild des Spiegels erwiderte Nekkis ausdruckslosen Blick mit der gleichen starren Haltung. Entkleidet stand sie davor. Eine lange Narbe verunreinigte die linke Brust. Sie führte nach rechts, tiefer zum Herzen hin. Der rechte Arm bewegte sich wie in Zeitlupe nach oben. Sie bedeckte die Narbe. Das Pochen des eigenen Pulses wurde wieder spürbar. Genauso wie die Hand hinaufgestiegen war öffnete sie nun wieder die Sicht. Angewidert senkte sich Nekkis Kopf zum Boden.
Lippen berührten ihren Nacken, sie hätte es schwören können. Nekki schloss die Augen. Deja-vu.
Im langen jadegrünen Ballkleid setzte sich die erschöpfte Schönheit auf ihr Bett und holte zwei diamentenbestückte Ohrringe aus ihrer knarrenden Schublade. Sie strich das Kleid glatt und blickte ungläubig auf sich hinab, so hätte sie sich gekleidet, wenn ihr ein Schulabschluss, Tanzkurs oder eine andere Gelegenheiten vergönnt gewesen wäre, die normale Mädchen hatten sich schön zu machen. Wie eine Prinzessin saß sie hier auf einem ungezieferzerfressenen Bett einer der vielen schäbigen Motels im Himmel der unnatürlichen Stadtwelt. Die Nacht würde schon sehr bald fallen und der neue Tag sein hoffnungsschwangeres Licht in die Welt tragen. Mit unglaublicher Ruhe griff sie ein zweites Mal in die Schublade und umschloss die kleine Kapsel, die sie dort vor langer Zeit deponiert hatte. Jetzt war es also so weit. Sie hätte es sich anders vorgestellt. Sie zitterte noch nicht einmal. Da war nur die unendliche Leere unter der Narbe in ihrer Brust und ein Funken Freiheit, endgültige Gewissheit. Eine leichte Gewissheit, die ihr Antrieb schenkte sich zu erheben und die Atemzüge zu tun, die noch notwendig waren, die letzten Tropfen verrinnen zu lassen ... der Wasserhahn tropfte im Hintergrund noch immer vor sich hin, jede Sekunde ein kurzes, vergängliches Plätschern. Surreal strömte ihr Zimmer beim Gehen an ihr vorüber, keine Angst beherrschte sie nun mehr. So war es also im Moment zu sein? Und ein Moment ging vorüber und noch einer, tief inhalierte sie jeden einzelnen. Keinen Stuhl rückte sie sich zurecht, stattdessen erwählte sie sich eine Ecke am Rand des großen Balkons, wo die Wand einen Knick machte und der Balkon einen kleinen Nebenbalkon geschenkt bekam. Der Putz blätterte hier schon von den Wänden. Die Ecke erinnerte Nekki an sich selbst. Dort drückte sie ihren Rücken an die Wand und glitt sacht nach unten, so wie sie es mit Dressilya an ihrem Elternhaus auf Ansion immer gemacht hatte. In dieser sitzenden Position angekommen überschlug die Jevarin die ausgestreckten Beine und öffnete die zur Faust geballte Hand mit jener unscheinbaren Kapsel in ihr. Jetzt blieben also nur noch Vorin und Hombe. Sie lächelte als sie an Vorin dachte, wie er als Kind immer vom Baum gefallen war. Und Dressilya … ihr bezauberndes Lachen … War sie da draußen irgendwo? Ihr hätte die Ruhe auf dem Balkon bestimmt gefallen. Ob sie enttäuscht war, dass sie jetzt hier saß? Gleich würde sie es erfahren. Gleich würde das ewige Rennen vorbei sein und die Träume, die Bilder vom Noghri. Gleich war sie frei von dieser einen Sekunde auf Nar Shaddaa. Auf jenem Dach steckte sie bis heute fest, auf einem noch höheren Balkon würde sie sich befreien … sobald die Sonne wieder scheint. Sie schluckte.
Sie schluckte die Kapsel.
Da floss der Himmel über ihr, öffnete ihr die Türe, ein kleiner Sonnenstrahl entzog sich mutig dem Dach Corruscants und schlich leise ihr auf die Nase, dass sie kribbelte, wie vor einem Niesen, das nie kam. Der junge Sonnenstrahl aber, der sich lebensmüde vom Firmament entzweite, war nur die Vorhut. Als die Sonne hinter den Wolkenkratzern in unendlicher Entfernung in die Luft emporzog, um die Welt zu erobern, da wankte die Erde unter ihren Füßen... perfekte Schönheit … endlich wurde es warm. Vor ihren Augen erstreckte sich eine Schönheit so vollkommen ... es stockte ihr der Atem....
---------------------------------------------------------------------
---------------------------------------------------------------------
Am Tag darauf wurde sie gefunden. Bei ihr ein Abschiedsbrief an Vorin al Jevarin
† Nekki al Jevarin †
Todesursache: Selbstmord
Lieber Vorin,
ich bitte dich stark zu bleiben, wenn du das liest. Du warst immer der Starke in unserer verfluchten Familie.
Ich musste es tun. Ich konnte nicht mehr. Geb dir keine Schuld. Ich habe schon lange nicht mehr gelebt. Ich brauchte nur Zeit mir das einzugestehen. Mit Dressilya ist damals auch ein Teil von mir gestorben. Du wirst ein großer Jedi werden, vielleicht wirst du eines Tages verstehen welcher Bund uns vereinte. Dieses Leben hat nichts mehr, dass es Wert gewesen wäre es weiter durchzustehen. Du bist das einzig Gute in diesem Universum. Versprech mir mit diesem Guten die Welt zu heilen. Für mich ist es zu spät. Ich weiß nicht, ob es ein Leben danach gibt. Aber wenn ihr Recht habt, werde ich Vater sehen und mit Dressilya wiedervereint werden. Ich werde das Glück haben, dass ich hier nie hatte. Das Universum hat mich abgestoßen wie eine Krankheit. Es war mir fremd. Ein echtes Leben besaß ich nie und dann ist mir auch noch alles andere genommen worden. Die Kälte ist unerträglich. Ich muss der Leere entkommen. Lebe Wohl kleiner Bruder. Habe das Leben, das mir nicht vergönnt war. Ich werde immer bei dir sein. Bis später
Ich liebe dich
Nekki
Im Inneren angekommen wartete nichts auf sie als das unaufmerksame, unrasierte und aufgeschwemmte Gesicht des Nachtwächters, der sie ohne aufzublicken mit seinen dicken, kurzen Fingern durchwinkte. Sie war ein Geist, der durch die Straßen und Hotels Coruscants wanderte, im Untergrund zu Hause war, sich problemlos in diesem zurechtfindend, ohne wirklich jemanden zu kennen oder von irgendwem gekannt zu werden. Vorin hatte sie seit dem Honey House nicht mehr gesehen und auch nie mehr wieder ein Bedürfnis verspürt zurückzukehren.
Die Aufzugtüre glitt geräuschlos hinter ihr zu. Feine, für ihre Seele viel zu seichte Aufzugmusik bimmelte auf sie ein, zerrte ihre Gedanken fort. Sie konnte auch nach all den Jahren noch immer seinen Ausdruck vor ihren Augen sehen. Die letzten Bilder hatten sich tief in sie eingeschrieben. Die Hast im Getümmel des im Fallen inbegriffenen Jedi Tempels, die Alarmsirenen vom imperialen Angriff auf Correlia heulten lautstark durch alle Gänge. Aber in der Erinnerung waren diese Eindrücke blass und farblos geworden. Nur das Blitzen in Noahs Augen strahlte ihr bunt entgegen, ein Funken durch die Ewigkeit. Nach diesem kurzen Moment würde sie ihn nie wieder sehen. Und sie glaubte es erkennen zu können, in den fast feierlich vor sich verschränkten Armen, dem intensiven Blick, ein Abschied, der immerwährend war. Der letzte Blick, den sie zeitlebens auf Noah werfen konnte. Viel zu kurz! Hätte sie es nur damals schon geahnt. Nie würde ihr sein Gesicht entfallen, die zarte, etwas scheue aber auch neckische Aura, die sie vergessen und schmelzen ließ. Ein Stück Vergangenheit, die nie wiederkommen würde, und sie doch bis zur Gegenwart begleitete. Ob er all die Zeit danach auch noch nur eine Sekunde lang an sie dachte? Damals hatte es Hoffnung gegeben. Die einzigen Monate Hoffnung seit Ende der Unschuld. Sie drückte die Lippen zusammen bis es schmerzte, sie liebte ihn...Die Türe öffnete sich und von stolzem Klacken begleitete Absätze verließen den Aufzug.
Kalte Wände flossen leblos vorbei, eine leere Aneinanderreihung seelenloser Fassaden. Sie fröstelte noch vom Gang durch den Nebel der verworrenen Straßen Coruscants, dieser frostigen Stadtwelt. Vater war in ihrer Kindheit auf Ansion immer an Dressilyas und ihrem Bett gesessen, um sie von der Kälte der Welt zu bewahren, sie in sanfte Decken zu betten, in denen sie unwissend und unschuldig in warme Träume hinabglitten. Dort schwebten sie von der Stimme Vaters getragen durch eine Fantasie voll an Zukunft. …
Flügellos und harten Herzens trottete sie heute ohne Vater und ohne Dressilya zur Tür ihres kleinen Appartmentzimmers. Während sie die mahagonifarbene Oberfläche prüfend abtastete suchte sie nach der elektronischen Karte, die sie ins Innere ließe. Das hätte nun gerade noch gefehlt, wenn sie die vergessen haben sollte. Doch ihre Finger schlängelten sich gelenkig durch die Tasche und fanden das Plastikobjekt. Der Duft abgestandener Luft blähte Nekki durch die Lungen. Die ersten Schritte galten daher dem Balkon, um dessen Türe zu öffnen und etwas Frischluft in das Zimmer einzulassen. Der Raum stand fast leer und nur eine schon verwelkte Pflanze stand in seiner Mitte. Vom Lebenskampf ermattet ließ sie die Blätter hängen, verfärbte sich erst gelb, dann braun und ließ sie schließlich fallen. Das geschah, wenn man kein Licht bekam und nicht gegossen wurde. Irgendwann war dann der Kampf um jede weitere Sekunde verloren, frei von der Qual existieren zu müssen ließ die Pflanze sich fallen und starb. Nur Nekki erinnerte sich, dass sie je existierte.
Die Sterne standen noch an den Himmel geschrieben. Nichts Gutes brachten sie, jede Welt hinter diesen blinkenden Sonnen war ins Korsett machtsüchtiger Menschen gezwängt worden. Was sie über sich sah war ein Universum voll von Einsamkeit. Seit der erste Mensch die Raumfahrt entwickelte nichts als Einsamkeit. Lichtjahre des Nichts und dazwischen Blut und Feindseligkeit. Keine höhere Macht war ihr auf ihren Reisen begegnet, nur das kalte Grab des Weltraums und noch kältere Seelen. Dennoch mochte sie den Anblick des Sternenhimmels. Der Morgen würde aber schon bald kommen, sie erspähte ein sachtes Blau hinter dem toten Schwarz. Das wollte sie nicht verpassen! Sie wusste nicht mehr wann sie das letzte Mal einen Sonnenaufgang beobachtet hatte. Für jenen Sonnenaufgang wollte sie sich schön machen. Noch hatte sie Zeit.
Der nicht ganz reine Hebel der Armatur drehte sich unter einem fast nicht wahrnehmbaren Quietschen zur Seite und entließ das zurückgehaltene Nass auf ihre Hände, kalt und Kälte über die eigentliche Nässe hinaus den Arm hinaufjagend. Plötzlich drängte sich ihr jener pochende Puls an ihren Handgelenken ins Bewusstsein. Dröhnend zeugte er von ihrem Leben. An die Temperatur gewöhnt konnte sie sich dagegen an das Wasser, das sie sich im Anschluss ins Gesicht spritzte, schon Sekunden später nicht mehr erinnern und würde ins Stocken geraten, hätte man sie gefragt, ob es je dort angelangt sei. Die eine kurze Schocksekunde am Anfang besaß mehr Inhalt als jede Sekunde, die folgte. Als wäre Nekkis ganze Existenz in dieser Sekunde gefangen und wäre niemals bei der zweiten angekommen …. Ein rot wabernder, summender Blitz stach durch Ihre Brust hindurch ….
Der Kopf kroch wieder unter dem Waschbecken hervor. Das Bild des Spiegels erwiderte Nekkis ausdruckslosen Blick mit der gleichen starren Haltung. Entkleidet stand sie davor. Eine lange Narbe verunreinigte die linke Brust. Sie führte nach rechts, tiefer zum Herzen hin. Der rechte Arm bewegte sich wie in Zeitlupe nach oben. Sie bedeckte die Narbe. Das Pochen des eigenen Pulses wurde wieder spürbar. Genauso wie die Hand hinaufgestiegen war öffnete sie nun wieder die Sicht. Angewidert senkte sich Nekkis Kopf zum Boden.
Lippen berührten ihren Nacken, sie hätte es schwören können. Nekki schloss die Augen. Deja-vu.
Im langen jadegrünen Ballkleid setzte sich die erschöpfte Schönheit auf ihr Bett und holte zwei diamentenbestückte Ohrringe aus ihrer knarrenden Schublade. Sie strich das Kleid glatt und blickte ungläubig auf sich hinab, so hätte sie sich gekleidet, wenn ihr ein Schulabschluss, Tanzkurs oder eine andere Gelegenheiten vergönnt gewesen wäre, die normale Mädchen hatten sich schön zu machen. Wie eine Prinzessin saß sie hier auf einem ungezieferzerfressenen Bett einer der vielen schäbigen Motels im Himmel der unnatürlichen Stadtwelt. Die Nacht würde schon sehr bald fallen und der neue Tag sein hoffnungsschwangeres Licht in die Welt tragen. Mit unglaublicher Ruhe griff sie ein zweites Mal in die Schublade und umschloss die kleine Kapsel, die sie dort vor langer Zeit deponiert hatte. Jetzt war es also so weit. Sie hätte es sich anders vorgestellt. Sie zitterte noch nicht einmal. Da war nur die unendliche Leere unter der Narbe in ihrer Brust und ein Funken Freiheit, endgültige Gewissheit. Eine leichte Gewissheit, die ihr Antrieb schenkte sich zu erheben und die Atemzüge zu tun, die noch notwendig waren, die letzten Tropfen verrinnen zu lassen ... der Wasserhahn tropfte im Hintergrund noch immer vor sich hin, jede Sekunde ein kurzes, vergängliches Plätschern. Surreal strömte ihr Zimmer beim Gehen an ihr vorüber, keine Angst beherrschte sie nun mehr. So war es also im Moment zu sein? Und ein Moment ging vorüber und noch einer, tief inhalierte sie jeden einzelnen. Keinen Stuhl rückte sie sich zurecht, stattdessen erwählte sie sich eine Ecke am Rand des großen Balkons, wo die Wand einen Knick machte und der Balkon einen kleinen Nebenbalkon geschenkt bekam. Der Putz blätterte hier schon von den Wänden. Die Ecke erinnerte Nekki an sich selbst. Dort drückte sie ihren Rücken an die Wand und glitt sacht nach unten, so wie sie es mit Dressilya an ihrem Elternhaus auf Ansion immer gemacht hatte. In dieser sitzenden Position angekommen überschlug die Jevarin die ausgestreckten Beine und öffnete die zur Faust geballte Hand mit jener unscheinbaren Kapsel in ihr. Jetzt blieben also nur noch Vorin und Hombe. Sie lächelte als sie an Vorin dachte, wie er als Kind immer vom Baum gefallen war. Und Dressilya … ihr bezauberndes Lachen … War sie da draußen irgendwo? Ihr hätte die Ruhe auf dem Balkon bestimmt gefallen. Ob sie enttäuscht war, dass sie jetzt hier saß? Gleich würde sie es erfahren. Gleich würde das ewige Rennen vorbei sein und die Träume, die Bilder vom Noghri. Gleich war sie frei von dieser einen Sekunde auf Nar Shaddaa. Auf jenem Dach steckte sie bis heute fest, auf einem noch höheren Balkon würde sie sich befreien … sobald die Sonne wieder scheint. Sie schluckte.
Sie schluckte die Kapsel.
Da floss der Himmel über ihr, öffnete ihr die Türe, ein kleiner Sonnenstrahl entzog sich mutig dem Dach Corruscants und schlich leise ihr auf die Nase, dass sie kribbelte, wie vor einem Niesen, das nie kam. Der junge Sonnenstrahl aber, der sich lebensmüde vom Firmament entzweite, war nur die Vorhut. Als die Sonne hinter den Wolkenkratzern in unendlicher Entfernung in die Luft emporzog, um die Welt zu erobern, da wankte die Erde unter ihren Füßen... perfekte Schönheit … endlich wurde es warm. Vor ihren Augen erstreckte sich eine Schönheit so vollkommen ... es stockte ihr der Atem....
---------------------------------------------------------------------
---------------------------------------------------------------------
Am Tag darauf wurde sie gefunden. Bei ihr ein Abschiedsbrief an Vorin al Jevarin
† Nekki al Jevarin †
Todesursache: Selbstmord
Lieber Vorin,
ich bitte dich stark zu bleiben, wenn du das liest. Du warst immer der Starke in unserer verfluchten Familie.
Ich musste es tun. Ich konnte nicht mehr. Geb dir keine Schuld. Ich habe schon lange nicht mehr gelebt. Ich brauchte nur Zeit mir das einzugestehen. Mit Dressilya ist damals auch ein Teil von mir gestorben. Du wirst ein großer Jedi werden, vielleicht wirst du eines Tages verstehen welcher Bund uns vereinte. Dieses Leben hat nichts mehr, dass es Wert gewesen wäre es weiter durchzustehen. Du bist das einzig Gute in diesem Universum. Versprech mir mit diesem Guten die Welt zu heilen. Für mich ist es zu spät. Ich weiß nicht, ob es ein Leben danach gibt. Aber wenn ihr Recht habt, werde ich Vater sehen und mit Dressilya wiedervereint werden. Ich werde das Glück haben, dass ich hier nie hatte. Das Universum hat mich abgestoßen wie eine Krankheit. Es war mir fremd. Ein echtes Leben besaß ich nie und dann ist mir auch noch alles andere genommen worden. Die Kälte ist unerträglich. Ich muss der Leere entkommen. Lebe Wohl kleiner Bruder. Habe das Leben, das mir nicht vergönnt war. Ich werde immer bei dir sein. Bis später
Ich liebe dich
Nekki