Coruscant

|| Coruscant ▫ untere Ebenen ▫ Gebäudeblock ▫ Wohnung Nr. 2S11M || ▫ Mara auf der Toilette ▫ Sinoué ▫ Arkon ▫ Shana ▫ Miley ▫ Draugir ▫ Atoras, Vorin & Markus

Noch immer standen Tränen in ihren Augen und ihr Körper zitterte. Die Kälte der Fließen bewirkten dies zum einen, zum anderen allerdings war es noch immer die Anspannung, die Bilder der Visionen, welche sie aufgefangen hatte. Ihre innere Verzweiflung belastete sie. Wieder hatte sie jemanden verloren, doch diesmal hatte sie seinen Tod nicht vorhergesehen sondern hatte seinen Tod erst nachträglich gesehen. Viel zu spät, als das sie etwas hätte tun können. Warum nur!? Tom hatte ihr das Leben gerettet, als sie versucht hatte sich selbst umzubringen. Er war da gewesen, hatte sie aufgebaut und nun, nun war er von ihr gegangen und dies nach all den Ereignissen. Sie wusste, dass sie keinen hundertprozentigen Einfluss auf das hatte, was vor sich ging, doch wenigstens einmal wollte sie einen Tod verhindern, wenn es um ihre Freunde ging. Wie viele würden sie noch verlassen? Würde auch Vorin irgendwann gehen? Würde auch er sterben und sie würde tatenlos dabei zusehen müssen? Sollte ihr Leben darin enden, unglücklich zu werden, jeden Kampf zu verlieren, um letztlich in allem zu versagen? War sie nicht schon einmal an einem Punkt gewesen, bei dem sie keinen Ausweg mehr gesehen hatte? Sollte sich dies wiederholen, mehr noch, sollte dies ihr ganzes Leben lang so gehen? Sie wusste es nicht, nein sie wusste es wirklich nicht. Dies war es, was ihr Angst machte und dennoch, dennoch war ihr klar, dass sie noch immer lernen musste. Ihre Fähigkeiten der Visionen waren so stark, so intensiv, dass sie sie noch immer nicht völlig beherrschte. Daran wollte sie arbeiten, musste sie arbeiten. Allerdings, wie sollte sie dies tun, wenn sich alles überstürzte? Wenn man es ihr nicht gestattete zur Ruhe zu gelangen? Wann endlich würden die Ereignisse aufhören sich zu überstürzen? Wann endlich würde sie durchatmen, aufblühen können? Und wann würden die Fragen, die Ungewissheit endlich Enden?

Oh Tom! Tränen glitten aus ihren Augenwinkeln und tropften auf die Fließen. Sie wusste nicht was sich hinter der verschlossenen Badezimmertüre abspielte. Sie hatte sich in sich zurückgezogen, sich abgeschottet. Wie auch sollte sie anders damit umgehen, wenn nicht auf ihre alte, herkömmliche Art und Weiße, wenn sie nicht endlich die Möglichkeit erhielt daran arbeiten zu können!? Sie hatte es satt, sie hatte es so satt. Alles widerholte sich, alles. Sie schloss die Augen und wimmerte leise. Wie sehr sie sich doch Frieden wünschte und dennoch wusste sie, dass dieser Wunsch vorerst Wunschdenken bleiben würde. Tief in ihrem inneren fühlte sie, wusste sie, dass eine Bedrohung bevorstand. Sie hatte Bilder in Visionen gesehen, welche noch immer nicht deutlich werden wollten, doch diese Bilder genügten um sie wissen zu lassen. Befürchten zu lassen.

Mara wusste nicht wie lange sie auf dem Boden lag, irgendwann allerdings hörte sie eine Stimme hinter der Tür, welche fragte, ob es vielleicht möglich sei, dass man Duschen könne. Die Stimme war Männlich und sie gehörte ohne Zweifel Markus. Mara hatte jedoch nicht die Kraft sich jetzt schon zu erheben. Indem sie sich kurz öffnet, in die Macht griff und nach dem Riegel der Tür, sprang diese auf. Es viel ihr schwer etwas zu sagen, aber sie musste.


„Offen…,“ kam ihre Stimme völlig Rau hervor, dann versagte sie ihr. Sie musste aufstehen, dies wusste sie, aber sie schaffte es nicht. Sie würde noch einen Moment bleiben und hoffte, dass Markus Verständnis für sie aufbringen würde.

|| Coruscant ▫ untere Ebenen ▫ Gebäudeblock ▫ Wohnung Nr. 2S11M || ▫ Mara auf der Toilette ▫ Sinoué ▫ Arkon ▫ Shana ▫ Miley ▫ Draugir ▫ Atoras, Markus

OP@all: Nicht viel und auch nicht so dolle ich weiß. Reinkommen ist nicht immer einfach, aber es kann weitergehen.^^
 
[Coruscant, Obere Ebenen, Raumhafen, Noas Wohnung]- Cris

Als Cris wieder zu sich kam, war sein erstes Empfinden Schmerz. Nicht Schmerz in seiner Schulter, wo er ihn – zumindest wenn die Erinnerung an die letzten Stunden zurückkehrte – zuerst vermuten würde, sondern sengender Schmerz unmittelbar unterhalb seiner Schädeldecke, scheinbar bis ins Zentrum seines Gehirns. Schmerz, der ihn dazu veranlasste, gepeinigte Laute von sich zu geben und festzustellen, dass sein Mund sich trockener anfühlte als das Dünenmeer Tatooines zur Mittagszeit. Mühsam schlug er die Augen auf – es war nicht die Zeit, in Selbstmitleid und Wehleidigkeit zu versinken, wenn er nicht zumindest sein Umfeld sondiert hatte.

Mit den geöffneten Augen kehrte die Erinnerung zurück. Er lag immer noch auf einer Couch – Noas Couch, wie ihm jetzt einfiel, in Noas Wohnung – unter einer einigermaßen flauschigen Decke mit entblößtem Oberkörper. Seine eine Schulter wurde durch einen neuen Verband verziert, vermutlich versetzt mit einer kleinen Menge Bacta, um den Heilungsprozess zu beschleunigen. Bei den Kopfschmerzen konnte es sich also um Nebenwirkungen von Schmerzmittel handeln, das kleinere Übel, wenn man bedachte, welche Schmerzen die Stichwunde ihm beigebracht hatte. Langsam kehrte alles zurück… Leandro, das heruntergekommene Haus, die Zeltron, die kurze Rangelei… danach wurde es dunkler. Aber offenbar hatten Noa und ihr Bruder ihn hierher gebracht und von einem fachkundigen Mediziner behandeln lassen. Kein Grund, einen ganzen Bactatank zu bemühen. Die Ressourcen der Defender waren so bereits ausgedünnt genug…

Als er sich umsah, fiel ihm sein Blaster samt Holster auf, das man ihm scheinbar abgeschnallt und auf den leicht wackeligen Tisch neben der Couch gelegt hatte. Neben der Waffe wartete ein mit Wasser gefülltes Glas auf Cris’ vertrocknete Lippen, das er ohne weiter nachzudenken ergriff und den Inhalt gierig herunterschlürfte. Besser, ein wenig. Sogar die Kopfschmerzen schienen leicht zurückzugehen.

Nachdem er sich halb in der Couch hochgestemmt hatte – die Schulterwunde verursachte dankenswerterweise nur noch ein leichtes Ziehen – fand Cris das erste Mal die Zeit, sich in Noas Wohnung umzusehen – in der er allem Anschein nach alleine war, da sie nur aus zwei Räumen bestand (abgesehen von der Erfrischungszelle, zu der die dritte Tür führen musste) in dem er offenkundig alleine war. Ein Holoprojektor, eine Kühleinheit, eine Art Kochstelle… die Einrichtung des Raumes beschränkte sich auf das nötigste. Auf Coruscant waren Fläche und monetäre Mittel für die meisten Bürger rar, doch Noa schien aus ihren beschränkten Ressourcen das Beste zu machen, wobei Cris vermutete, dass sie zudem einen beträchtlichen Bestandteil ohnehin den Defendern zur Verfügung stellte. Bei dem zweiten Zimmer musste es sich um Noas Schlafzimmer handeln – vielleicht hatte sie sich nur hingelegt (Cris hatte keine Ahnung wie spät es sein mochte) und er war doch nicht alleine.

Schließlich hatte er es geschafft, sich trotz seiner in diesem Moment sehr schlaffen Muskeln aus der Couch zu erheben und schlurfte zur verschlossenen Tür, hinter der er das Schlafzimmer vermutete und an die er leicht klopfte.


Noa?“

Keine Antwort. Entweder schlief die Widerstandskämpferin tief und fest, oder sie war tatsächlich nicht da. Beides war nicht unbedingt Grund für ihn, einfach in ihr Schlafzimmer einzudringen, weswegen er sich kurzerhand in Richtung der Erfrischungszelle orientierte, um dort einen kurzen Blick in den Spiegel zu werfen. Erwartungsgemäß sah er grauenhaft aus – tiefe Schatten unter den Augen, unordentliches Haar und vereinzelte Bartstoppeln verunzierten sein wenig begeistert dreinschauendes Gesicht, das sich auch nicht erwärmte, als er sich kurzerhand ein wenig Wasser ins Gesicht spritzte. Immerhin fühlte er sich jetzt ein wenig wacher.

Zurück im Wohnraum warf Cris einen kurzen Blick einen interessierten Blick auf die Kunstwerke, die die ansonsten schmucklose Wand verschönerten, und ein wenig mehr an Erinnerung kehrte zurück. Hatte er Noa im Delirium nicht ein Kompliment bezüglich dieser Bilder gemacht? Das Blut schoss ihm in den Kopf, als der letzte Rest der Erinnerung zurückkehrte – nicht nur die Bilder hatte er als hübsch bezeichnet. Weitere dahin gestammelte Komplimente hatten Noa selbst gegolten…

Mit einem tiefen Seufzer rieb Cris sich die Nasenwurzel und ließ sich zurück auf die Couch plumpsen. Vermutlich war Noa deswegen nicht hier – vermutlich befürchtete sie, er würde sich wieder bei Bewusstsein sofort auf sie stürzen wie auf die Zeltron in jener heruntergekommenen Wohnung, ganz gleich, welche Erklärungen er dort bemüht hatte. Dass Noa Chanelle Cortina keine Pheromone brauchte, um auf ihn sehr attraktiv zu wirken, machte die Sache nicht besser. Er konnte sich jetzt in angenehmer Deutlichkeit an ihren kleinen Streit mit ihrem Bruder erinnern, das Feuer in ihren braunen Augen, und wie ihr Mund selbst dann schön wirkte, wenn sie ihn vor Missfallen verzog…

Er schüttelte mit dem Kopf. Auch ohne die Szene in der zeltronischen Liebeshöhle waren solche Gedanken, geschweige denn explizite Worte, gefährlich. Sie hatte nicht vergessen – und sie würde nicht vergessen – was vor seinem Dienst für die Neue Republik geschehen war. Auch wenn er auf professioneller Ebene vermutlich ihren Respekt erkämpft hatte, bedeutete das noch lange nicht, dass sie jemals gute Freunde sein würden… oder mehr.

Nachdem er einige Minuten regungslos auf der Couch gesessen und eines der Bilder angestarrt hatte, griff der ehemalige Sturmtruppler schließlich nach seiner Waffe und begann methodisch damit, sie in ihre Einzelteile zu zerlegen und zu überprüfen. Noas professionellen Respekt hatte er. Das war immerhin etwas.


[Coruscant, Obere Ebenen, Raumhafen, Noas Wohnung]- Cris
 
- Coruscant – Obere Ebenen - City –

Innerhalb von einem einzigen Tag schien sich der ganze Planet verändert zu haben. Noa Chanelle Cortina bewegte sich langsam durch die Passage eines der unzähligen Einkaufszentren, die es auf Coruscant gab. Ihr Blick galt nicht den Schaufenstern, die sie passierte. Hübsche Kleider wurden von gesichtslosen Modepuppen präsentiert, bunte Schmuckstücke lagen auf mit den mit Samt unterlegten Auslagen. Einige Meter weiter warb ein Laden mit den neuesten Holo-Projektern und der besten, langlebigsten Technik, die Coruscant zu bieten hatte. Doch von all diesen Angeboten nahm Noa nichts wahr. Stattdessen betrachtete sie die Menschen, die hier oben klar in Überzahl waren. Hier und dort mischte sich der ein oder andere Twi’lek in die Menge. Sie hatte zwei Chiss gesehen, Zeltrons und noch ein paar andere Humanoide, die aus Sichtweise eines Menschen optisch am ansehnlichsten waren. Die Vertreter anderer Rassen jedoch blieben aus. Zwar war es unmöglich, Coruscant zu einem reinen Menschenplaneten zu machen, doch das Imperium verstand sich darauf, „Säuberungen“ an ihnen wichtig erscheinenden Orten vorzunehmen, so wie hier. All jene, die sie nicht als gleichwertig betrachteten, oder die nicht das Geld hatten, um sich ihren Aufenthalt in den Oberen Ebenen zu erkaufen, wurden dorthin zurück gedrängt, wo sie nach Ansicht des Imperators hin gehörten: in die Mittleren und die Unteren Ebenen Coruscants und schließlich ganz hinunter in die Slums. Jene, denen es erlaubt war hier oben zu bleiben, trugen das Entsetzen der gestrigen Geschehnisse noch deutlich in ihren Gesichtern. Noa blieb stehen, inmitten der Massen und sah sich um. Sie sah die Angst auf dem Gesicht eines Mannes, der sich fragte, ob er der nächste sein würde. Sie sah die Sorge auf dem Gesicht einer jungen Frau, die ihren Verlobten verloren hatte. Sie sah die Hast in den Bewegungen derer, die ihre letzten Besorgungen taten, bevor sie ihr Heim verlassen und sich in Sicherheit bringen würden. Sie sah die Tränen auf dem Gesicht eines Kindes, das seine Eltern niemals wieder sehen würde.

***​

Mit beiden Händen umschloss Noa die heiße Tasse und allmählich kehrte auch die Wärme in ihre Glieder zurück. Obwohl die Temperaturen draußen angenehm waren, war ihr plötzlich kalt geworden. Schon gestern Abend, als sie sich schlafen gelegt hatte, hatte sie an all jene denken müssen, die auf den Dächern des Jedi-Tempels hingerichtet worden waren. Sie hatte von ihnen geträumt und sich eingebildet, ihre Schreie zu hören und als sie vorhin durch die Einkaufspassage gelaufen war, hatte sie sich gefragt, was sie täte, wenn es ihre Familie träfe. Es war nicht unwahrscheinlich, dass man sie früher oder später als Sympathisanten der Republik enttarnen würde, denn abgesehen von Cloé waren sie alle in den Widerstand involviert. Was sie trieben war ein gefährliches Spiel, bei dem das Imperium keinen Spaß verstand.

“Nun, jeder macht sich Gedanken darüber, was gestern geschehen ist.“

Sagte Cloé, nachdem Noa ihr erzählt hatte, wie sie die Stimmung in der Stadt empfunden hatte.

“Jeder hat Angst, er könnte der nächste sein, der an einem Strick baumelt oder…“

Nicht fähig, das auszusprechen, was den armen 3000 Seelen widerfahren war, die das Imperium kaltblütig ermordet hatte, brach Cloé ab. Noa hatte ihre Schwester an deren Arbeitsplatz besucht. Das Reisebüro lag mitten in der Stadt, war gut zu Fuß erreichbar und stärker frequentiert als sonst, wie Noa schien. Trotzdem hatte sich Cloé kurz zu einer Pause in die Küche zurückziehen können, ein paar Minuten wenigstens.

“Sie schüren Angst. Das ist das Schlimme.“

Analysierte Noa. Angst konnte eine mächtige Waffe sein. Sie hielt das Volk zurück, für seine Rechte einzustehen. Vorsichtig, um sich nicht die Zunge zu verbrennen, trank Noa von ihrem Kaf. Durch ein kleines Fenster konnte sie hinaus sehen in die Vermittlungsräume des Reisebüros.

“Heute ist viel los, oder?“

Fragte sie beiläufig, sodass es beinahe so klang, als hätte sie plötzlich das Thema gewechselt – was nicht der Fall war.

“Ja, mehr als sonst.“

Antwortete Cloé. Auch sie schlürfte von ihrem Kaf.

“Ramón will, dass ich einen Flug für Thalia und die Kinder buche.“

Erzählte sie, ohne ihre Zwillingsschwester dabei anzusehen. Auch ihr Blick war hinaus in den Verkaufsraum gerichtet. Noa lehnte sich gegen die Wand hinter ihr.

“Das überrascht mich nicht.“

Gab diese zu.

“Ich hätte nur noch nicht damit gerechnet, dass es so bald geschieht. Vielleicht… solltest du darüber nachdenken, ob du dich ihnen anschließt.“

Schlug sie vor. Langsam wandte Cloé den Kopf zurück in ihre Richtung. Mit ihrem strengen Blick hätte sie glatt jemanden erdolchen können.

“Ich soll mich davon machen und euch hier im Stich lassen? Ist das dein Ernst?“

“Schon gut, schon gut! Schau mich nicht so an! Keine so gute Idee. Vorschlag wird zurück genommen.“

Winselte Noa, trank erneut von dem Kaf und stellte die Tasse anschließend auf den Küchenschrank.

“Ich meinte ja bloß… aber egal.“

Natürlich hatte sie von vorn herein gewusst, dass Cloé niemals abhauen und ihre Familie auf Coruscant zurück lassen würde. Sie äußerte sich zwar bei jeder Gelegenheit, die sich ihr bot, gegen den Widerstand, um ihren Unmut darüber zum Ausdruck zu bringen, was die Aktivität ihrer Geschwister in dieser Hinsicht anging, doch sie würde ihnen dennoch bis zur letzten Minute zur Seite stehen und sie unterstützen, so weit sie konnte. Ihre Schwester, ihre Brüder und ihren Vater im Stich zu lassen, kam für Cloé Raquelle Cortina nicht in Frage. Und doch hatte Noa sich verpflichtet gefühlt, diesen Vorschlag zu machen. Trotz allem wollte sie Cloé die Chance geben, zu gehen, wenn sie es wollte. Coruscant war nicht mehr sicher, schon gar nicht für sie alle und niemand wäre Cloé böse, sollte sie sich dazu entscheiden, das sinkende Schiff zu verlassen.

“Außerdem können Jesper und ich hier sowieso nicht weg. Wir sind berufstätig.“

Es war ein durchaus berechtigter Einwand, doch natürlich keiner, der sie ernsthaft davon abgehalten hätte Coruscant zu verlassen, wenn sie es gewollt hätte. Oder vielleicht doch? Ihre Jobs waren beiden, Cloé und Jesper, sehr wichtig.

“Und was macht dein Patient?“

Cloé wandte sich in Richtung der Küchenzeile, drehte Wasser auf und spülte einmal ihre leere Tasse durch, ehe sie sie in den Spülautomaten schob. Noa warf ihr einen eindeutigen Blick zu. Neuigkeiten verbreiteten sich unter den Cortina-Geschwistern rasend schnell und sie fragte sich, wer wohl gepetzt hatte – Leandro oder Ramón. Vermutlich war es Letzterer gewesen. Leandro hätte die Geschichte nicht von sich aus gegenüber Cloé erwähnt, weil er hätte ahnen müssen, dass sie ihm die Leviten lesen würde.

“Er ist nicht mein Patient.“

Korrigierte sie.

“Wieso nicht? Er ist verletzt, liegt in deiner Wohnung und du kümmerst dich um ihn. Was soll er sonst sein?“

Cloé grinste. Es war höchste Zeit, von hier zu verschwinden. Allerhöchste Zeit.

“Als ich vorhin weg bin, schlief er noch.“

Antwortete Noa mit einem Blick auf ihr Chrono, möglichst neutral und möglichst ohne auf Cloés eindeutig versteckte Anspielungen einzugehen.

“Und da du schon davon sprichst… ich muss los.“

“Ah, ich seh' schon, da hat's jemand eilig. Willst du deinen Kaf noch?“

Noa warf sich ihre Tasche über den Arm und schüttelte den Kopf.

“Nee, danke.“

Antwortete sie. Es war später Vormittag. Vielleicht war Sheldon sogar schon wach, wenn sie nach Hause kam. Hoffentlich hatte er nicht in ihrer Wohnung herum geschnüffelt. Zur Sicherheit hatte Noa ihre Schlafzimmertür abgesperrt, bevor sie gegangen war. In diesem Raum befanden sich alle ihre Privatsachen, Dinge, die schlicht…privat waren. Wie zum Beispiel ihre Unterwäsche. Wer konnte ihr schon mit Sicherheit sagen, ob Cris Sheldon im Verborgenen nicht doch ein ekliger Perversling war, der es mochte sich Frauenschlüpfer über den Kopf zu ziehen? Ugh.

Sie verabschiedete sich von Cloé, die ohnehin gut daran tat weiterzuarbeiten. Ihr Chef mochte tolerant sein, stundenlange Kaffekränzchen würde er aber sicherlich auch nicht gutheißen. Draußen hatte sich in der Einkaufspassage nichts verändert und Noa sah diesmal davon ab, die Leute, die ihr entgegen kamen, genauer anzusehen. Sie beeilte sich, die Besorgungen, die sie zu machen hatte, über die Bühne zu bringen. Ihr Kühlschrank Zuhause war wie immer leer, vermutlich ebenso wie Sheldons Magen. Er würde Hunger haben wenn er aufwachte und wenn er schon bei ihr stationiert war, musste sie ihm auch ein Frühstück anbieten. Außerdem war es peinlich nichts im Haus zu haben. Er sollte nicht denken, sie ernähre sich nur von Fast-Food oder würde sich bei anderen durch schnorren... auch wenn das gewissermaßen stimmte. Letzteres. Trotzdem musste er das nicht gleich denken! Mit einer vollen Einkaufstüte in der einen und ihrer Handtasche in der anderen Hand verließ Noa schließlich einen der nächstgelegenen Supermärkte. Bis sie in ihrer Wohnung war, hatte sie die Schnauze vom Einkaufen gestrichen voll. Was sie geritten hatte, Schuhe mit Absätzen anzuziehen, auch wenn diese noch so niedrig waren, konnte sie rückblickend nicht mehr sagen. Möglicherweise hatte es etwas damit zu tun, dass sie einen guten Eindruck machen wollte, für den Fall, dass Sheldon mittlerweile aufgewacht war. Wie albern. Ihre Füße taten jedenfalls höllisch weh. Sie war das einfach nicht gewohnt. Wie machte Cloé das bloß in ihren Mega-Heels?

Sheldon war wach, als Noa die Wohnungstür öffnete. Er saß auf der Couch, vor ihm auf dem Tisch lagen die Einzelteile seines Blasters, den er offenbar gerade auseinander genommen hatte. Hm, wenn er Beschäftigung gesucht hatte, hätte er auch den Holo-TV-Projektor einschalten können.


“Oh, hi.“

Sagte sie und ließ ihre Handtasche auf den Boden gleiten, froh, nur noch die Einkaufstüte tragen zu müssen. Sie musste sich dringend angewöhnen, nicht so viel unnötigen Krimskrams mit sich herum zu schleppen.

“Wie geht’s Ihnen, Sheldon?“

Fragte sie. Er sah nicht schlecht aus, hatte wieder deutlich mehr Farbe im Gesicht. Noa dachte an das furchtbare Bild, das er gestern noch geboten hatte. Die Medikamente hatten ihn fast 15 Stunden schlafen lassen.

“Ich war einkaufen.“

Erzählte sie, um ein Gespräch zu beginnen, und stellte die Tüte ab.

“Haben Sie Hunger?“

Wollte sie wissen und sah ihn direkt an. Das war ein Fehler. Sie war nicht wirklich sicher, dass er seine Freundin oder seine Ex-Freundin gemeint hatte, als er ihr gestern wie im Drogenrausch Komplimente gemacht hatte, auch wenn sie diese Theorie Leandro gegenüber vertreten hatte. Hastig riss sie die Kühleinheit auf, um die Lebensmittel einzuräumen und ihr rotes Gesicht hinter der Tür zu verbergen.

- Coruscant – Obere Ebenen - City – Noas Wohnung – Mit Cris -
 
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[Coruscant, Obere Ebenen, Raumhafen, Noas Wohnung]- Cris

Der Impuls, nach einer Waffe zu greifen, als an der Tür, die Noas Wohnung von der Außenwelt abschottete, Bewegung entstand, währte nur so lange, bis Cris realisierte, dass er eben diese Waffe gerade erst in ihre Bestandteile zerlegt hatte – und dass es vermutlich ohnehin seine Gastgeberin war, die alles Recht hatte, in ihre eigene Wohnung zurückzukehren. Kein Bedarf für eine Waffe.

Sehr wohl empfand er allerdings Bedarf dafür, seinen bis auf den Schulterverband unverhüllten Oberkörper ordnungsgemäß hinter einer Lage Stoff verschwinden zu lassen, musste aber nach einer kurzen Musterung seiner Umgebung feststellen, dass das Hemd, das er getragen hatte, nirgendwo zu sehen war. Vermutlich hatten der Messernagriff der Zeltron und die Unmengen Blut es vollkommen ruiniert. Zudem konnte man von Noa wohl kaum erwarten, ein Männerhemd in seiner Größe vorrätig zu haben, weswegen Cris nächste Erwägung war, sich einfach die Decke um die Schultern zu schlingen…

Dann stand Noa bereits schwer beladen mit zwei Taschen im Türrahmen und der Vorgang verlor an Relevanz. Sich jetzt noch in aller Eile die Decke um die Schultern zu raffen würde vermutlich ähnlich seltsame Signale aussenden wie sie mit entblößtem Oberkörper zu begrüßen, zumal sie auf letzteren Zustand vorbereitet sein musste. Sie war es schließlich gewesen, die ihn so zurückgelassen hatte. So bemühte er sich um einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck und legte die Energiezelle des Blasters, die er zum Zeitpunkt ihrer Ankunft inspiziert hatte, langsam auf den Tisch zurück, während er Noa – hoffentlich freundlich-interessiert und in keiner Weise anzüglich oder sonst wie unangenehm – musterte. Dabei konnte er nicht umhin, die Schuhe zu bemerken, neben denen ihre Handtasche auf den Boden plumpste – diese waren mit Absätzen versehen und entsprachen mitnichten den Ansprüchen an Praktikabilität, die Cris von der resoluten Widerstandskämpferin erwartet hätte. Andererseits – ihr „offizieller“ Job mochte es ihr abverlangen, sich gewissen Vorbildern entsprechend „damenhaft“ zu kleiden. Schwere Kampfstiefel mit abgehärteten Kappen eigneten sich dazu nur bedingt.


„Ähm… hallo…“, entgegnete er auf ihre Begrüßung, vollkommen ratlos ob der Reaktion, die sie jetzt von ihm erwarten mochte. Er war in ihrer Wohnung, besetzte ihre Couch und hatte diese am vorherigen Abend mit seinem Blut vollgeschmiert, also stand zu vermuten, dass ein wenig Dankbarkeit angemessen war. Seine gestammelten Worte sollte er zunächst vergessen – aller Wahrscheinlichkeit nach hatte sie diesen ohnehin keine besondere Bedeutung zugeordnet. Warum sollte sie auch?

„Mir… mir geht’s besser… danke.“

Kurz überlegte er, ob er wohl aufstehen und ihr die schwere Tasche, die offenbar mit allerlei Besorgungen gefüllt war, abnehmen sollte, doch da hatte sie diese bereits zum Küchenbereich des Raumes gebracht und dort abgestellt. Zum Glück sah sie ihn nur kurz an, als sie sich nach seinem Hunger erkundigte, und konzentrierte sich dann auf das Einräumen der Lebensmittel. Er wusste nicht, wie lange er seine bemüht neutrale Miene hätte aufrechterhalten können, jetzt, da er sich mit aller Klarheit an die kleine Szene am vorherigen Abend erinnerte.

Cris räusperte sich verlegen und dachte fieberhaft darüber nach, was er jetzt tun konnte. Bestimmt würde er nicht einfach sitzen bleiben und sich von Noa bekochen lassen – das war dann doch höchst unangemessen. Dummerweise sah er auch keine ernsthafte Alternative – er selbst konnte nicht kochen, selbst wenn sein Leben davon abhinge (ein weiterer Grund, warum er Selbys Gegenwart immer sehr geschätzt hatte) und Noa zum Essen einzuladen wäre dann doch sehr zweideutig und ob der Tatsache, dass sie eben erst Nahrungsmittel eingekauft hatte, zudem noch überflüssig.

Als er sich schließlich dazu aufraffte, zumindest aufzustehen, stieß er prompt mit einem Knie schmerzhaft gegen den Tisch, dessen Erschütterung dafür sorgte, dass ein Teil des Laufs der SSK-7 zu Boden purzelte und er sich danach bücken musste, bevor er zu Noa und der Kühleinheit aufschließen konnte.


„Machen Sie sich meinetwegen keine Umstände“, sprudelte es dann plötzlich aus ihm heraus.

„Mir… mir ging es schon bedeutend schlechter.“

Dennoch – sie mussten etwas essen. Sie beide, es stand schließlich zu vermuten, dass Noa ebenfalls hungrig war.

Obwohl er sich etwas dämlich vorkam – schließlich sprach er praktisch mit der Tür der Kühleinheit, die Noa anscheinend sehr zu beschäftigen schien – fuhr er schließlich fort.

„Brauchen Sie… Hilfe?“

[Coruscant, Obere Ebenen, Raumhafen, Noas Wohnung]- Noa, Cris
 
|| Coruscant ▫ untere Ebenen ▫ Seitengasse in der Nähe der Spelunke ▫ Gleiter || ▫ Vorin & Gaiden

Endlich waren sie aus der Situation heraus und es gab keine Halsabschneider, die ihnen folgten oder ähnliches. Zumindest noch nicht. Sein Begleiter hatte eine Richtung gewiesen, doch weiter wollte er mit seiner Hilfsbereitschaft nicht gehen. Endlich platzte die Frage heraus, die schon mehr als überfällig gewesen war und nur aufgrund der hektischen Ereignisse noch nicht hatte gestellt werden können. Seine Absichten hätte Vorin unter anderen Umständen längst dargelegt, doch momentan wurde er immer nur von den Gegebenheiten vorangetrieben, weshalb er manchmal selbst den Überblick verlor. Die Rettung war so unvorhergesehen geschehen, dass sie von sich aus schon merkwürdig, wenn nicht gar auffällig wirkte. Allzu schwer fiel es dem Jedi-Meister nicht, sich in dieser Konstellation in den anderen hinein zu versetzen.

Hier unten, in den Ebenen die niemals die Sonne sahen, musste man sich höchstwahrscheinlich fünfmal überlegen wem man vertraute. Dennoch, ohne ihn wäre der andere, der sich bereits als Gaiden vorgestellt hatte, jetzt tot. Daran bestand nicht der geringste Zweifel. Warum sollte wohl ein Fremder mit zauberhaften Kräften jemanden einfach so aus dem nichts vor zwei mehr als kritischen Situationen retten? Tja, er hoffte dass die Antwort wenigstens halbwegs zweckdienlich war, denn immerhin hatte er größtenteils intuitiv gehandelt und wusste teilweise selbst nicht genau wieso die Macht ihn in diese Situation gebracht hatte. Dieser Argumentationslinie durfte er sowieso nicht folgen, sonst verstand sein Gesprächspartner rein gar nichts und hielt ihn für verrückt. Doch wahrscheinlich hatte er in der Hinsicht keine Wahl.

Wobei dies noch besser war als für einen Sith gehalten zu werden, denn was ihm an Fähigkeiten zugedichtet wurde, gehörte zum größten Teil dem Dunkle-Kräfte-Repertoire an. Gaiden hatte seine Ungeduld deutlich zum Ausdruck gebracht und es würde sie nicht voranbringen, wenn er noch lange grübelte.


"Nun ... lass mich eine Erklärung finden, mit der Du halbwegs etwas anfangen kannst." Er konnte nur beten, dass er nicht mehr versprach als er halten konnte.

"Zum einen habe ich Dir geholfen, weil ich instinktiv nicht anders handeln konnte." Das war noch nicht einmal gelogen. Hier unten war es wahrscheinlich üblicher sich von Blastergeräuschen fern zu halten, und selbst wenn man die Kämpfenden sah, sich so schnell es ging zu verdrücken. Bei einem "Normalsterblichen" mehr als verständlich, doch als Jedi hatte man vor einem einzelnen Blaster grundsätzlich erstmal keine Angst.

"Ich hörte einen Schuss und wollte nachsehen was los war. Und als ich sah wie eine Waffe auf jemanden gerichtet wurde, hatte ich nicht viel Zeit zu überlegen. Die andere Möglichkeit wäre gewesen einfach wegzusehen und nichts zu tun. Vermutlich ist dies in dieser Gegend üblicher, doch in meiner Welt schauen wir nicht einfach tatenlos zu. Vielleicht war es auch der Gedanke, dass heute schon genug Leute im Namen der imperialen Ordnung getötet, wenn nicht gar geopfert wurden."

Soweit zu seinen Motiven. Dies hörte sich womöglich tatsächlich nach Samariter-Syndrom an, doch es entsprach der Wahrheit.

"Warum ich mich nun gerade in diesem Moment an dieser Stelle befand, würde man wohl allgemein als Glück oder Zufall bezeichnen, doch wir Jedi sehen diese Dinge etwas anders."

Kaum war das Wort 'Jedi' ausgesprochen, stieg der Aufmerksamkeitsfaktor und Vorin schaute sich sicherheitshalber um, auch wenn es praktisch unmöglich war dass sie zufällig jemand während der Fahrt belauschen und etwas verstehen konnte. Warum hatte ihn die Macht dorthin geführt? Der Meister versuchte in sich zu gehen und nach Anhaltspunkten zu suchen. Es wurden Unzählige jeden Tag ermordet, warum hatte ihn sein Weg gerade zu diesem Menschen geführt? Oftmals hatte er entweder eine Gabe oder war aus irgendeinem anderen Grund wichtig. Bevor er dazu gestoßen war, hatte er ein Kitzeln der Macht wahrgenommen, dass irgendetwas zu bedeuten hatte. Noch einmal streckte er seine Machtfühler aus, dabei daran denkend, dass sie immer noch ein wenig auf Sicherheitskräfte achten sollten, wobei die Distanz zum Ursprungspunkt inzwischen beachtlich war und für sie sprach. Was er bereits in der Gasse erahnt hatte, bestätigte sich während seiner Untersuchung noch einmal. Dieser Gaiden hatte das Potential, roh und ungeschliffen, und somit war die Brücke die die Macht geschlagen hatte nachvollziehbar.

"Vielmehr war es die Macht, die uns zusammengeführt hat. Und ja, ich weiß das klingt für Dich kaum glaubwürdig, geschweige denn verständlich, doch welche andere Erklärung würde denn vernünftiger klingen? Das ich meine Identität riskiere um mir jemanden zu unterwerfen? Glaube mir, dies ginge einfacher ... vor allem wenn ich ein Sith wäre. Diese Jungs und Mädels stehen wirklich darauf sich andere dienlich zu machen und sie mit Blitzen, Terror und Manipulation zu unterjochen. Meine "Bekannten" und ich begnügen uns stattdessen lieber damit zu helfen und unnötiges Leid zu verhindern. Zumindest so gut wir können.

Was auch immer Du mir davon zudichten willst, fest steht, dass ich in Dir Machtpotential spüre und das dies wohl der Grund für unser Zusammentreffen ist. Es wäre nicht das erste Mal das sich Wesen mit der "Begabung" "zufällig" über den Weg laufen. Also wie Du siehst, so ganz grundlos habe ich Dich nicht gerettet. Vielleicht ist es eine Chance. Vielleicht bringt diese Begegnung deinem Leben eine neue Richtung und neue Möglichkeiten."

Vorin sah zu seinem Beifahrer hinüber, wobei er ein leichtes Lachen nicht unterdrücken konnte. Völlige Akzeptanz und Verständnis sah anders aus, aber dies konnte er auch nicht erwarten.

"Verzeih die kryptische Erklärung, ich wünschte es ginge verständlicher. Oh ... ich bin übrigens Mei ... mmm ... nenn mich einfach Vorin."

Da er steuern musste verzichtete er auf die Hand und nickte einfach nur. Als nächstes würde er auf die Reaktion des anderen warten müssen. Entweder warf er sich schreiend aus dem Gleiter oder er blieb sitzen und wollte mehr erfahren. Sollte Ersteres geschehen, konnte er den nächsten Nicht-Erfolg bei der möglichen Erschaffung eines Jedi verzeichnen. Doch wie auch immer es ausging, er hatte ein Leben vorerst bewahrt, dass war an diesem Tag fast schon ein kleines Wunder.

|| Coruscant ▫ untere Ebenen ▫ Straße ▫ Gleiter || ▫ Vorin & Gaiden
 
:: Coruscant :: Tiefere Ebenen :: ein Schwarzmarkt :: Umschlagplatz :: Chad Whyte, Porro & Apus Soleda - dubiose Kerle ::



Whyte blicke über den Rand des Glases mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit hinweg Apus an und hörte dem Jungen aus der Abfallverwertung aufmerksam zu. Dabei ließ er erneut seine Augen musternd über Junior gleiten. So wie er es als CSF-Beamter immer gemacht hatte. ‘Einmal ein Bulle, immer ein Bulle’, schoss es ihm in den Kopf. Was ein kleines Grinsen auf seine Lippen erschienen ließ. ‘Alte Gewohnheiten kann man nicht ablegen. ‘ Mittlerweile war die Zigarette verraucht und er schnippte den Stummel in Richtung des Advoze und dem Rataka, die sich weiterhin dem Verkaufsgeschäft des Klasse 2 Droiden befanden. Was mit energischen Handbewegungen vorangetrieben wurde. Er nahm noch mal einen kräftigen Schluck des Whiskys und leerte damit das Glas. Dann stellte er es auf den Tresen zurück.

Der Kopfgeldjäger tastete seine Taschen des Mantels ab, auf der Suche nach der Zigarettenschachtel. Fand diese, holte sie hervor und entnahm einen dieser Tabaksticks. Schob die Rauchware zwischen seine Lippen und suchte nun nach dem Feuerzeug. Auch das war recht schnell gefunden und Chad zündete sich die Zigarette an. Orangerot glühte die Spitze auf, als der Mittvierziger ein/zweimal an dem Tabakstick zog. Mit einem recht zufriedenen Gesichtsausdruck ließ er den Rauch durch seine Lungen wandern, bis er ihn an seine Umwelt abgab, in dem er den Rauch gen Restaurantdecke blies. Dann griff er nach der Whiskyflasche und befüllte erneut sein Glas mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit. Führte es an den Mund und nahm einen Schluck davon und setzte den Becher auf der zerkratzen Oberfläche des Tresens ab. Seine stechend blauen Augen waren nun vermehrt auf den jungen Mann vor ihm gerichtet. Hin und wieder schaute er zwar zu Porro, doch seine Aufmerksamkeit galt Junior.

“Ich kenne die Ebene, aus der Du kommst, ein wenig.” – richtet sich etwas auf und lehnt sich rücklings gegen die Einbauregale der Bar. Das Glas Whisky in seiner Hand, das er ein wenig Hin und Her drehte. Kurz blickte er drauf, dann richtete er sich wieder an Apus. – “ Dass Du dumm bist, hat keiner behauptet, Jungchen. Scheinst ja einige Fähigkeiten zu haben die Du in den oberen Ebenen gut einsetzten kannst. Wirst schon deine Gründe haben, warum Du an die “Oberfläche” willst. Und die gehen mich nichts an. Das Einzige, was mich was angeht, ist die angemessene Bezahlung für meine Hilfe und die der Sonne.”

Erneut zog Chad an seiner Zigarette, so dass kurz die Spitze orangerot aufglühte und entließ den Rauch an die Umwelt. Dieser kringelte sich und hing in kleine Schwaden über seinem braunen Haarschopf. Und wieder ließ er den jungen Mann nicht aus den Augen. Achtete auf seine Körpersprache, seine Mimik. Das, was er bisher gesehen hatte, war ein junger Mann, nervös, der aber den Willen zu haben schien, sich in den Oberen Ebenen durchzusetzen um eines besseren Lebens willen. Chad konnte ihn sehr gut verstehen. Er kannte dieses Elend in den unteren Ebenen nur zu gut. Hatte es jahrelang jeden Tag gesehen. Aber das war die Vergangenheit. Heute konnte er von diesen Erfahrungen und seine guten Gebietskenntnisse von Coruscant sehr gut profitieren. Und nicht nur er, sondern auch sein Arbeitgeber – die Black Sun.

Geräusche aus dem Treppenhaus lenkten den Kopfgeldjäger für einen Moment von Porro und dem jungen Mann ab. Sie waren noch recht leise. Dennoch waren Chads Sinne hellwach, dank dem jahrelangem Training und sein mitwirken bei der imperialen Armee und später beim CSF – der Coruscant Security Force. Seine Körperhaltung veränderte sich minimal und er griff mit langsamen Bewegungen in aller Ruhe unter den Tresen und holte seinen dort versteckten Waffengurt, mit dem modifizierten DL-44 Blaster hervor. Mit der gleichen Ruhe, als würde er sich Ankleiden, legte er sich den Gurt an und überprüfte die Waffe im Holster. Dann nahm er seine ursprüngliche Position am Einbauregal wieder ein. Sein Glas Whisky in der Hand und die obligatorische Zigarette in einem Mundwinkel. Behielt aber die Eingangstür im Auge. Mittlerweile hatten sich die Geräusche aus dem Treppenhaus und deren Verursacher dem Restaurant genähert und Chad konnte erkennen, das die beide Gamorreaner mit viel Gegrunze und ihren Stangenwaffen versuchten, die beiden Eindringlinge, die ihrer Meinung nach, nichts in diesem Teil des Schwarzmarktes zu Suchen hatten.
Der Kopfgeldjäger hörte weiterhin Apus bei seinem Redeschwall zu, allerdings war auch seine Aufmerksamkeit auf den Eingangsbereich gerichtet. Wo sich gerade die Gestalten als einen grünhäutiger Nautolan und ein Mensch zu erkennen gaben und weiterhin von den Gamorreaner daran gehindert wurden, das Restaurant zu betreten. Doch schienen die beiden Neuankömmlinge nicht auf die beiden grunzenden Gestalten vor ihnen zu achten, denn sie ließen ihren Blick suchend durch den Innenraum gleiten und blieben an der Bar hängen. Der Kopfgeldjäger schnippte den Stummel der Zigarette weg und richtete sich auf. Seine Sonnenbrille verstaute er vorsichtshalber in der Manteltasche.

“Die Black Sun, mein Sohn. Ich rede von der Black Sun.”

Beantwortete er die Frage des jungen Mannes, ohne ihn anzusehen. Denn sein Blick war weiterhin auf den Nautolaner und den Menschen gerichtet, die es mittlerweile geschafft hatten, an den Gamorreaner vorbeizukommen. Seine Nackenhaare kribbelten. Das bedeutete, dass Ärger im Anmarsch war.

“Sind das Freunde von Dir?”

Der Kopfgeldjäger blickt kurz Apus an und deutete mit einer nickenden Kopfbewegung auf die beiden Gestalten an der Tür. In diesem Moment erschien Yuma wieder auf der Bildfläche, indem sie durch die Hintertür den Raum betrat. Und blieb wie angewurzelt stehen, als aller Augenpaare in ihre Richtung blickte. Das Erscheinen der jungen Frau schien ein Auslöser für einen blasterhaltigen Tumult zu sein …



:: Coruscant :: Tiefere Ebenen :: ein Schwarzmarkt :: Umschlagplatz :: Chad Whyte, Porro & Apus Soleda - dubiose Kerle ::
 
**Coruscant – untere Ebenen – Seitengassen – Gaiden, Vorin**
Seine Worte schienen deutlich genug gewesen zu sein. Auch wenn sie etwas roher klangen als sie gemeint waren. Aber Gaidens Nerven waren so ziemlich am Ende. Kein Wunder. Letzte Nacht hatte er ein Erlebnis gehabt, an das er sich nicht einmal erinnerte und heute wurde auf ihn geschossen, er machte Bekanntschaft mit einem Jedi und war nun wohl Staatsfeind Nummer 1. Zumindest wirkte es fast so. Wer könnte bei so etwas schon ruhig und gelassen bleiben? Trotz seiner harschen Worte, die er unfreiwillig gewählt hatte, blieb der Jedi freundlich. Er erläuterte seine Gründe ohne feindselig zu wirken oder seine Stimmung zu ändern. Er war fast unheimlich, welche Ruhe er ausstrahlte. Er zeigte Emotionen und war nicht Teilnahmslos und dennoch schien er eine solche Kontrolle über sich und sein Bewusstsein zu haben, das jegliche Wut und Stress kaum Auswirkungen auf ihn hatten. Das war es wohl, was immer gesagt wurde. Die Jedi lebten fernab von Aggression und Gewalt. Ihr Orden war ein Zufluchtsort für jene, die Zuflucht suchten und sie standen für Frieden ein, wie niemand sonst. Und all das schien dieser Jedi zu repräsentieren. Es war eine unglaubliche Begegnung. Eine, das Gaiden lange in Erinnerung behalten würde.

Das was der Jedi sagte, entsprach dem, was Gaiden mit Samariter meinte. Jemand, der sein ganzes Leben für alles hart arbeiten musste, dem nichts geschenkte wurde und dem keine Aussicht auf Besserung bevorstand, konnte einfach nicht verstehen, das man einem Anderen half, von dem man sich keinen Lohn erhoffen konnte. Die Geschichten über die Jedi besagten genau dies. Aber auch wenn Gaiden immer manchmal davon geträumt hatte, wie es war einem Machtnutzer zu begegnen und seine Fähigkeiten zu sehen, war es unverständlich. Warum? Warum tat man es? Natürlich war Gaiden niemand der Gewalt bevorzugte oder sich an ihr ergötzte. Er war niemals grundlos gewalttätig geworden und war immer bemüht gewesen, jedem freundlich und mit dem nötigen Respekt zu begegnen. Aber jemanden zu retten, der nur einer unter unsagbar Vielen in einer schier unendlich großen Galaxis, wäre ihm niemals eingefallen. Das Leben war hart. Man überlebte nur, wenn man etwas wert war. Wenn man etwas tun konnte. Wer zu nichts taugte, starb. Und wer zu schwach oder zu blöd war auch. Und Gaiden war zu blöd gewesen. Zu Blöd um zu erkennen, dass es viel zu gefährlich war, ein Datapad zu transportieren, dessen Herkunft man nicht kannte. Zu blöd um sich unauffälliger zu verhalten.

Glück war das Wort, das alles erklären würde und auf das auch der Jedi zu sprechen kam. Und er legte eine kurze Pause ein. Fast unmerklich aber doch vorhanden. Fast so als würde er in sich gehen . Er brachte die Macht ins Spiel. Die Macht. Viele erzählten davon und keiner hatte Ahnung. Zumindest niemand, den Gaiden kannte. Manche sagten es wäre ein Energiefeld, manche glaube das Mikroorganismen dafür verantwortlich waren und wieder anderen sagten, das wäre alles nur blödes Geschwätz und die Jedi und Sith nur Blender. Was davon stimmte vermochte der Coruscanti nicht zu sagen. Der Jedi schien jedenfalls keine feindlichen Absichten zu hegen, denn Gaiden konnte ihm in allen Punkten nur zustimmen. Seine Herkunft hatte es aber notwendig gemacht, es genauer zu wissen.


Der Jedi kam auf ihn zu sprechen. Er sagte das Gaiden Machtpotential besaß. Und ab diesem Moment an hörte er alles eigentlich nur noch wie in Trance. Machtpotential? Er? Was erzählte er da? Bedeutete das er konnte die Macht nutzen? Er war fähig Blitze zu schleudern und Gedanken zu manipulieren? Wie konnte das sein? Sein ganzes Leben war eine einzige Schinderei gewesen. Er war verarscht wurden, ausgebeutet, verachtet und mit Füßen getreten. Und doch sollte er die ganze Zeit diese öminöse Macht in sich gehabt haben? Nein! Definitiv nicht! Soviel hätte anders laufen können. Soviel hätte besser laufen können. Niemand hätte ihn ausgebeutet. Niemand hätte ihn mit Füßen getreten. Man hätte ihn beachtet und geachtet.

„Du irrst dich. Ich glaube an diese Macht. Sonst hättest du mich nicht vor dem Tod bewahren können. Aber ich kann sie sicher nicht nutzen. Warum sonst bin ich in dieser Lage. Ich stehe mit nichts da und wurde mein Leben lang verachtet. Wenn ich die Macht nutzen könnte, hätte ich mir ein viel besseres Leben ermöglichen können.„

Er dachte an die Fähigkeiten, von denen er gehört hatte. Mit denen hätte er seine bisherigen Arbeitgeber ordentlich zur Vernunft gebracht. Normalerweise würde er so einen Weg verabscheuen, doch wenn man die Chance dazu hatte und diese Kraft nutzen konnte, warum sollte man es nicht tun?


„Was ist diese Macht überhaupt und wo kann ich lernen, sie für mich zu nutzen?“

Auch wenn er es für unmöglich hielt, so malte er sich doch aus, was wäre, wenn. Auch wenn er sich nie um großartigen Reichtum geschert hatte, dachte er an luxuriöse Wohnungen, riesen Buffets und jede Menge hübsche Frauen, die ihn begehrten. Es war verlockend...

**Coruscant – untere Ebene – Seitenstraßen – Gaiden, Vorin**
 
.:: Coruscant | Untere Ebenen | Gebäudeblock | Wohnung Nr. 2S11M | mit Mara, Sinoué, Arkon, Shana, Miley, Draugir, Atoras ::.


Markus stand immer noch lauschend an der Tür zum Badezimmer. Eine Weile war es ruhig, dann hörte man ein Geräusch, das sich sehr nach der Entriegelung der Tür anhörte. Kleinlaut erklang Maras Stimme: "Offen..."
Der Jedi-Meister holte tief Luft und öffnete langsam die Tür. Erst spähte er vorsichtig durch den Türspalt, wobei er die Ritterin am Boden liegend vorfand. Ihr Blick war ins Nichts gerichtet, schien irgendwie leer und verloren. Außerdem machte sie keine Anstalten aufzustehen oder auch nur ein weiteres Wort an Markus zu verschwenden.
Der Corellianer entschied sich, ganz einzutreten und die Tür hinter sich zu schließen. Die junge Frau brauchte Zeit, um zu sich selbst zu finden und die Fassung wieder zu erlangen. Es war irgendwie seltsam, denn sie war ja keine Schülerin mehr. Um genau zu sein, hätte sie doch eigentlich mit der Erschütterung der Macht umgehen können müssen oder sah er das zu eng? Vielleicht hatte sie eine persönliche Verbindung zu dem Ereignis gehabt? Er konnte es sich nicht erklären, nur Vermutungen anstellen und bei genauer Überlegung, war das die falsche Herangehensweise.


"Die Schüler ruhen sich aus..."

, brachte er schließlich hervor, worauf er in die Hocke ging und seinen Rucksack öffnete, um nach seinen Sachen zu sehen. Alles unversehrt! Zum Glück war das Material des Rucksacks wasserundurchlässig. Sorgfältig holte er seine Kleider heraus und stapelte sie auf einem Hocker, der in der Ecke des kleinen Badezimmers stand.

"Vorin ist nochmal weg, um Decken zu holen..."

, fuhr Markus fort, um die Ritterin auf dem Laufenden zu halten. Dass diese vielleicht gar kein Interesse an den Informationen hatte, überging er einfach mal.

"Ich werde duschen und dann lege ich mich auch ein paar Stunden hin."

Letztendlich zauberte er auch noch die gerettete Ausrüstung aus dem Sack, bis dieser leer zur Seite gelegt wurde. Er hatte ihm gute Dienste geleistet, aber jetzt würde er gemeinsam mit den verdreckten Klamotten, die Mark gerade noch am Leib trug, das Zeitliche segnen. Das ganze roch schwer nach Kloake und ob ein Waschgang noch viel helfen konnte, bezweifelte der junge Mann.
Nun wandte der Jedi den Blick an seine Kollegin und fügte einen gut gemeinten Ratschlag hinzu. Seine dunkle Stimme war ruhig und klang in diesem Moment sehr sanft:


"Du solltest auch versuchen zu schlafen! Es war ein langer Tag... Die Tage auf Coruscant sind überhaupt recht lang! Irgendwann sind auch wir Jedi mit unseren Kräften am Ende."


.:: Coruscant | Untere Ebenen | Gebäudeblock | Wohnung Nr. 2S11M | Badezimmer | mit Mara ::.
 
Verfolger am Markt

:: Coruscant :: Tiefere Ebenen :: ein Schwarzmarkt || Porro - Chad Whyte - Apus Soleda - dubiose Kerle ::

Chad Whyte hatte das Gespräch an der Bar gesucht, in halbwegs entspanntem Ambiente, bedachte man die heikle Gegend. Ein Schwarzmarkt in den rechtlosen Gebieten Corruscants. Porro war bisher weiter zurückhaltend gewesen, nachdem sowohl Apus Soleda als auch Chad ihm jeweils einen soliden Creditbetrag zugesteckt hatten. Scheinbar, so urteilte Apus mittlerweile, war Chad „sein Mann“ und Porro hatte fast beiläufig vermittelt.

Die Sache mit der Sonne – Black Sun – und das Auftreten von Chad beschäftigten Apus an der Bar weiterhin ziemlich intensiv. Er hatte soeben sein Anliegen nochmal auf den Punkt gebracht. Für Chad, für Porro aber irgendwie auch für sich selbst. Dabei fühlte er sich unwohl. Es gab soviele Unbekannte. Einer lehnte hinter der Theke am Regal und füllte sich grade einen zweiten Whiskey nach. Der Mann passte nicht ins Bild für Apus. Aber das wiederum, wunderte ihn nicht. Resigniert erwischte er sich, wie ihn die anhaltend herablassende Art des Kopfgeldjägers schon gar nicht mehr zum innerlichen Protest aufstachelte. Apus war hier der Grünschnabel. Das war Fakt.

In dem Moment als Chad seinen Blaster seelenruhig anlegte, als wäre es eine ordinäre Krawatte, stutzte Apus jedoch. Ihm fiehl wieder ein was er zu Anfang des Gesprächs verdrängt hatte. Dieser kurze Moment seltsamer Vorahnung. Da war was mit Chads Waffe im Achselholster gewesen. Wie war das noch? Am Rande der Erinnerung entglitt das Detail, als gäbe es eine dunkle Macht, die einen Schleier darüber warf. Und ein ganz ähnlicher Schleier legte sich auch über Apus selbst, bildlich gesprochen, als Chad eine unerwartete Frage stellte:

„Sind das Freunde von Dir?“

Der Mensch im braunen Mantel und der schwarz gekleidete Nautolaner hatten es an den Gamorreanerwachen vorbeigeschafft. Mit Argumenten?! Ganz sicher. Doch welcher Art? Einer der Schweinsgesichtigen verblieb im Eingang zum Treppenhaus und starrte den beiden Eindringlingen unentschlossen hinterher. Der zweite hatte sich eilig die Treppe hinunter gemacht. Was war da vorgefallen? Hartnäckige Fragezeichen schoben sich nun in die laufenden Gespräche aller Anwesenden. Die Sache verlangte nach Aufmerksamkeit.

Die gut zehn Meter vom Treppenhaus zur Bar, wo Apus mit dem Rücken zu den beiden Eindringlingen stand, waren frei von größeren Hindernissen. Nur zwei runde, mit Kram zugestellte, Tische und vier Plastikstühle. Die Schritte des Nautolaners und des Menschen klangen hohl auf dem farbigen, halbtransparenten Acrylglasboden des alten Restaurants. Nun waren auch zwei kleine Details deutlicher als zuvor zu erkennen, als sich die beiden gen Chad, Apus und Porro bewegten: der Nautolaner trug eine dezente Funkeinheit am rechten Handgelenk, in das er bei den Gamorreanern wahrscheinlich gesprochen hatte. Der Mensch hingegen führte unter dem Mantel eine Waffe mit langem Lauf mit. Das war für Chad zumindestens zu erahnen, dessen „Berufserfahrung“ die beiden Gäste in allen möglichen und unmöglichen Perspektiven abschätzte.

Grade als Apus sich auf die eindringlichen Worte von Chad hin umdrehen wollte, kam die Tänzerin im blau-grünem Plastik wieder herein, eiligen Fußes. Apus hielt in der Bewegung inne und starrte sie an – wie es irgendwie jeder im Raum zu tun schiehn. Der Rakata, der Advosze, Chad, Apus, Porro, der Nautolaner, der Fremde und ein gutes halbes Dutzend anderer dubioser Kerle am Umschlagplatz. Nur der Klasse-2-Droide war wortwörtlich inaktiv.

Es war der Nautolaner, der die Stille brach und beide Hände beschwichtigend hob.

„Wir suchen einen schwarzhaarigen Menschenjungen im dunklen Mantel, der ist geflohen und gefährlich. Keinen Grund für Ärger. Es gibt ein Kopfg...“

Da endlich, drehte sich Apus alarmiert weiter um zu den beiden Eindringlingen und Chad konnte nun etwas seltsames bemerken. Der Nautolaner machte förmlich große Augen und starrte Apus an, als hätte der vor einer Sekunde noch nicht an diesem betagten, altmodischen Thresen gestanden. Langer Mantel, schwarze Haare. War der Nautolaner blind gewesen? Jetzt jedenfalls, sah er klarer. Und auch sein Gefährte zeigte ein verbisseneres Gesicht. Die beiden fassten Apus und Chad unmittelbar ins Auge. Was immer sie nun geplant hatten, es wurde wahrscheinlich über den Haufen geworfen durch die helle und alarmierte Stimme der hübschen Yuma, die hastig Chad zurief:

„Chad, vorsicht! Draußen stimmt was nicht! Das ist eine Falle, die haben mich nach Dir...“

Der Satz wurde durch einen spitzen, kurzen Schreckensschrei unterbrochen, als der menschliche Gefährte des Nautolaners mit beachtlicher Geschwindigkeit unter seinen Mantel griff und ein modifiertes E-11 entblößte. Die Kompaktversion mit gefalteter Schulterstütze. Yuma warf die Arme hoch und rannte mit eiligen, kurzen Schritten auf die Theke zu.

Der Mann mit dem Blaster-Gewehr hatte scheinbar ein ganz klares Ziel. Er bewegte sich etwas seitwärts und richtete die Waffe in Richtung auf Chad und Apus, um seinem Nautolanerfreund Deckung zu geben. Der nämlich sprang – bisher unbewaffnet – hastig nach vorne um an Apus ranzukommen und ihn zu ergreifen.

„Was soll...? Verfluchte!!“,

war das einzige was Apus in völliger Überraschung rausbrachte. Dann warf er sich rücklings aus dem Stand kurzerhand über die Theke. Als wäre der heranrückende Nautolaner ein bissiger Hund. Die Bewegung kam aus der Angst des Augenblicks und war so ungeschickt wie man es sich nur ausmalen konnte. Der Mantel flatterte, Apus' Beine waren hoch in der Luft und so rutschte Apus mit dem Rücken und Kopf voran über die Bar. Direkt in Chad rein. Und der Nautolaner griff ins Leere.

Unsanft und seltsam derangiert landete Apus zu Chads Füssen. Die Augen voll hektischem Adrenalin. Ein Stöhnen quittierte die ungekonnte Akrobatik und die schmerzende Schulter. Er hatte einige Flaschen und Gläser mitgerissen und war vollauf beschäftigt sich ersteinmal zu orientieren:

Ein lauter, zischender Blasterschuss ging in die Wand über der Bar. Einen halben Meter neben Chad. Es roch nach geschmolzenem Plastik und Ozon. Der hatte wohl Apus im Sprung gegolten. Links sah man Yuma kreischend auf die Bar zuspringen und rechts, weiter entfernt, jenseits der Bar, überließen der Advosze und der Rakata den nutzlosen Droiden seinem eigen Schicksal und hasteten zum Ausgang hin. Mehr konnte Apus unmöglich am Boden hinter der Theke liegend ausmachen. Ach doch. Chad Whyte, der über ihm mit verbissenem Gesicht um festen Stand strauchelte. Apus konnte nicht umhin sich zu fragen, ob er die Brille mit Absicht abgenommen hatte.

:: Coruscant :: Tiefere Ebenen :: ein Schwarzmarkt || Porro - Chad Whyte - Apus Soleda - gewaltbereiter Nautolaner und Mensch - Umstehende ::
 
- Coruscant – Obere Ebenen – Raumhafengegend - Noas Wohnung – Mit Cris -

Dank der kalten Luft, die Noa aus der Kühleinheit entgegen strömte, hatte sie das Gefühl, dass das Blut aus ihrem Kopf zurück wich und sich ihre Gesichtsfarbe normalisierte. Sie ließ sich Zeit dabei, die Lebensmittel einzuräumen. Normalerweise warf sie immer alles ohne Ordnung und System in die verschiedenen Fächer, wobei sie sich zugegebenermaßen nicht einmal an das letzte Mal erinnern konnte, dass ihr Kühlschrank überhaupt so voll gewesen war. Ohne aufzusehen wusste Noa, das Cris Sheldon sich in ihre Richtung bewegt hatte und mehr oder weniger direkt vor ihr stehen musste. Die Journalistin rückte zwei Gläser eingekochter Suppen zurecht, die man lediglich würde aufwärmen müssen, und versuchte sich in dem Edelstahldeckel der Butterdose zu spiegeln.

“Wie es scheint sind Sie mein Patient.“

Antwortete Noa, nachdem Sheldon sie gebeten hatte sich keine Umstände zu machen. Lustig, dass sie das nun selbst sagte, obwohl sie es bei Cloé noch abgestritten hatte.

“Ich kann sie wohl schlecht verhungern lassen.“

Sie schob die Butterdose ganz nach hinten in die Kühleinheit, da sie schon seit Monaten nicht mehr unter den Deckel geschaut hatte. Alles, was noch an Butter übrig sein konnte, musste mittlerweile grün und pelzig sein. Damit würde sie sich ein andermal auseinandersetzen. Nachdem die Lebensmittel nun alle eingeräumt und die Einkaufstüte komlett leer war, gab es nicht mehr viele nachvollziehbare Gründe, sich auf Hoth zu verstecken. Noa schloss die Tür der Kühleinheit, richtete sich auf, wandte sich in Sheldons Richtung – und sah sich seinem nackten Oberkörper gegenüber. Oh! Ohhh.... hatte er nicht gerade gesagt, dass es ihm schon mal viel schlechter gegangen war? Das glaubte sie ihm sofort. So schlecht sah er nämlich gar nicht aus.

“Wie viel schlechter?“

Wollte sie wissen, musterte ihn einen Moment und wandte sich dann wieder um, um zwei (hoffentlich saubere) Teller aus dem Schrank zu nehmen. Der Spülautomat in ihrer Wohnung war schon etwas älter und schaffte es manchmal nicht, besonders hartnäckige Essensreste zu entfernen, was Noa nicht besonders viel ausmachte. Sie war da nicht so pingelig und außerdem war es ihr eigener Dreck. In der Regel hatte sie aber auch keine Gäste.

“Mögen sie Mousakas?“

Sich wieder in die Kühleinheit hinein beugend, holte Noa zwei eingeschweißte Packungen mit Fertiggerichten hervor, die sie nur noch in den Erhitzer zu legen brauchte.

“Da gibt es auch nicht viel zu helfen.“

Sie deutete ein Lächeln an und hoffte für sein eigenes Wohl, dass er nicht geglaubt hatte, sie würde ihm ein ganzes Menü aus frischen Zutaten kochen. Falls doch, musste er jetzt sehr enttäuscht sein. Noa Chanelle Cortina hatte noch keinen Mann bekocht. Sie konnte es nicht einmal. Sie hatte schon mit Männern zusammen gekocht und erinnerte sich an ein romantisches Candlelight-Dinner, das Andrei einmal für sie gezaubert hatte. Er hatte gekocht, Noa hatte ihm die Zutaten angereicht. Sie begann, die Verpackung beider Fertiggerichte aufzuschneiden. Die Teller waren sauber, so weit sie hatte sehen können und konnten guten Gewissens benutzt werden.

- Coruscant – Obere Ebenen – Raumhafengegend - Noas Wohnung – Mit Cris -
 
[Coruscant, Obere Ebenen, Raumhafengegend, Noas Wohnung]- Noa, Cris

Ihr Patient also. Mit einem – für Noa unhörbaren – Seufzer quittierte Cris die Einschätzung der Widerstandskämpferin seinen Status hier in ihrer Wohnung betreffend. Ein Patient war in den meisten Fällen etwas Lästiges – jemand, für den man Verantwortung übernahm, aber mehr aus einem allgemeinen Pflichtgefühl heraus. Nun, hatte er etwas anderes erwartet? Er würde ihr jedenfalls nicht lange zur Last fallen. Tatsächlich ging es seinem Kopf mittlerweile wieder besser und er meinte sogar, echten Appetit verspüren zu können. Ein Fortschritt.


„Überleben kann man auch mit Rationsriegeln…“
, wagte er dennoch auf ihre Feststellung hin zu antworten, sie könne ihn kaum verhungern lassen, wobei er auf jene widerlich schmeckenden Nahrungskonzentrate anspielte, wie sie wohl nicht nur von den Sturmtruppen, sondern auch der regulären imperialen Armee, der republikanischen Armee und in entsprechenden Situationen vom Geheimdienst eingesetzt wurden. Praktisch unverderblich, nahrhaft – aber bei Weitem kein Gaumenschmaus. Dann kam der Moment, an dem sie die Tür der Kühleinheit wieder schloss und ihr Blick das erste Mal auf ihn fiel, wobei ihr offenbar wieder bewusst wurde, dass sie ihm sein Hemd abgenommen hatte, ohne Ersatz beschaffen. So ruhte ihr Blick ein wenig zu lange auf ihm, lange genug, um ihm das Blut ins Gesicht schießen zu lassen. Sie sah zwar nichts, was sie nicht schon einmal gesehen hatte – aber am Abend zuvor war er vermutlich blutverschmiert gewesen und an die kleine Szene während seiner ersten Nacht bei den Defendern konnte sie sich nicht mehr erinnern. Dann suchte sie nach passendem Geschirr für die Mahlzeit, die sie scheinbar für sie beide auserkoren hatte, und gab ihm so die Gelegenheit, seine Gesichtsfärbung und –temperatur wieder unter Kontrolle zu bringen.

„Bedeutend schlechter. Ich war so gut wie tot, als Ihre Leute mich damals gefunden haben, erinnern Sie sich?“

Nein, tat sie nicht. Das war ja der Punkt. Aber sie sollte sich daran erinnern, wie er zu den Defendern gestoßen war – durch einen glücklichen Zufall, der sein Leben gerettet hatte.

„Ohne das Auftauchen der Jungs wäre ich da vermutlich gestorben… in irgendeinem Drecksloch zwischen toten Söldnern und Imperialen. Kein ruhmreiches Ende.“


Wieder in die Kühleinheit vertieft hatte Noa etwas aus deren Tiefen hervorgekramt, was offenbar portionsgerecht zubereitete Nahrungsmittel darstellte, die lediglich erhitzt werden mussten und dann gegessen werden konnten. Als sie ihn nach seinem Appetit auf diese Nahrung – deren Name ihm absolut nichts sagen wollte – beeilte Cris sich, eifrig mit dem Kopf zu nicken.

„Sehr gerne.“


Die Situation schien sich merklich zu erhellen – er meinte sogar, den Anflug eines Lächelns in Noas Zügen erblickt zu haben, als diese die zwei Packungen in die Erhitzungseinheit verbrachte, deren Leistung das Essen in Rekordschnelle in essbarer Temperatur zubereiten sollte. Kaum war dieser Vorgang abgeschlossen, beeilte er sich, die Portionen seinerseits auf die Teller umzufüllen und diese Teller in Richtung des Tisches zu tragen, fast so, als wollte er ihre Aussage widerlegen, dass es in diesem Fall nicht viel zu helfen gab. Nachdem er die SSK-7 mit vier schnellen Handgriffen wieder zusammengesetzt, im Holster verstaut und dieses neben sich auf die Couch gelegt hatte, gelang es ihm auch, die Teller etwas ordentlicher auf dem Tisch anzuordnen, bevor er sich setzte. So. Jetzt konnte Noa nicht behaupten, Cris Sheldon hätte nur großspurig in ihrer Wohnung herumgestanden und sich bedienen lassen.

„Im Vergleich zu einer imperialen Arrestzelle verhält sich eine Stichwunde an der Schulter doch relativ harmlos“, nahm er den durch ihre frühere Frage aufgeworfenen Faden wieder auf, bevor ihm bewusst wurde, dass diese Äußerung bei kritischer Betrachtung doch mehr als selbstgefällig klang.

„Ähm… ich meine… das ist das Risiko, mit dem wir leben, nicht wahr? Ich war bereits auf vielen verdeckten Missionen für die Republik… nicht jede davon war ein Erfolg.“

An vorderster Stelle fiel ihm dabei die Operation auf Esseles ein – er, Akemi und eine Gruppe Jedi hatten den Planeten infiltriert, waren aber von einer Doppelagentin hintergangen worden. Diese hatte Akemi einem der sadistischsten Offiziere der imperialen Flotte ausgeliefert, nachdem sich herausgestellt hatte, dass seine eigene Schmerztoleranz vermutlich nicht durch konventionelle Mittel zu brechen war.


„Oft gibt es auch schlimmeres, als selbst Schmerzen erleiden zu müssen…“, sagte er leise, ohne wirklich zu realisieren, dass er diese Worte nicht nur dachte. Erst, als er sich seiner Umgebung wieder bewusst wurde und den Erinnerungen entkam, blinzelte Cris angestrengt und konzentrierte sich auf das durchaus appetitlich wirkende Essen.

„Mmh! Sehr gut!", beeilte er sich dann auch nach einem ersten Bissen mit noch halb vollem Mund zu versichern.

Esseles war lange her… die meisten Erinnerungen an den Planeten und die Mission waren bereits wieder verblasst. Und auch Akemi war mittlerweile aus seinem Leben verschwunden…

[Coruscant, Obere Ebenen, Raumhafengegend, Noas Wohnung]- Noa, Cris
 
- Coruscant – Obere Ebenen – Raumhafengegend - Noas Wohnung – Mit Cris -

Das Essen heiß und Noa verbrannte sich fast die Zunge. Dafür schmeckte es gut, zumindest so gut, wie aufgewärmtes Fertigessen schmecken konnte. Wenn man nicht all zu wählerisch war, konnte man davon leben. Besser als Rationsriegel, die Sheldon ins Felde führte, war es allemal. Sie saßen nebeneinander auf dem Sofa. Noa zog die Beine an und war froh, endlich ihre Füße entlasten zu können. Jetzt täte wäre eine Massage genau das Richtige. Sie brauchte nur zwei starke Hände, die wohltuend ihre Fußballen massierten. Zwei starke, männliche Hände, die genau wussten, wo sie Druck ausüben mussten...mmhhh...

“Mmmhhh.“

Das tat gut. Beinahe war sie versucht, genießerisch die Augen zu schließen.

“Schmeckt wirklich gut, was?"

Sie hielt ihren Teller in der linken Hand. Er war heiß und sie nutzte den langen Ärmel ihres unifarbenen Pullovers, den sie sich über die Finger gestülpt hatte, als Handschuhersatz, um sich nicht zu verbrennen. Ähnliches war Sheldon nicht möglich, denn sein Hemd war nach dem Angriff der Zeltron nicht mehr zu gebrauchen gewesen. Noa hatte es noch am Vorabend entsorgt. Während sie mit Kauen beschäftigt war, sah sie unauffällig zu ihm hinüber. Er war schon ziiiiemlich gut gebaut. Wie eine Massage bei ihm wohl war? In diesen Armen steckte vermutlich genug Kraft um -

“Ughhh...aua! Heiß!“

Erschrocken ließ Noa die Gabel fallen. Dunkle Soßenflecken waren auf ihren Pullover gespritzt. Jetzt hatte sie sich doch die Zunge verbrannt! Vorsichtig schob sie das erhitzte Stück Fleisch, das sie sich zu schnell in den Mund geschoben hatte, von einer Wange in die andere, während sie mit einer Papierserviette erfolglos versuchte die Flecken aus ihrem Pullover zu reiben. Leider half es nichts, aber beim Waschen würden sie schon wieder raus gehen. Noa gab auf und beschloss, sich nach dem Essen darum zu kümmern. Auch dieses Problem hatte Sheldon nicht, fiel ihr auf. Er trug erst gar kein Shirt. Sollte er sich die blanke Brust mit Soße bespritzen, brauchte er sie nur mit den Fingern zu entfernen, um diese dann genüsslich...

“Tja, ähm, Sie haben wohl schon einiges durch gemacht, oder?“

Stellte Noa fest, bestrebt, ihre Aufmerksamkeit lediglich auf Sheldons Gesicht zu richten.

“Imperiale Arrestzellen, verdeckte Missionen, gefährliche Verletzungen.“

Sie zählte die imponierenden Dinge auf, die er selbst bereits erwähnt hatte und hob eine Augenbraue.

“Und dann das, was Sie davor gemacht haben... bevor Sie zum Geheimdienst kamen.“

Ihre Stimme und auch ihr Blick wurden ernster. Es war ihr gelungen, sich selbst abzulenken.

“An wie viel können Sie sich erinnern?“

Wollte sie wissen. Seine Zeit als Soldat der imperialen Sturmtruppen, das war sicherlich kein Thema, über das er gerne sprach. So ging es jedoch den meisten Leuten: die Geschichten, die sie nicht erzählen wollten, waren häufig die interessantesten. Als Journalistin hatte Noa ein Gespür dafür.

“Sie haben von Risiko gesprochen.“

Sagte sie.

“Sie sind freiwillig mehr Risiko eingegangen als alle anderen Männer. Warum?“

- Coruscant – Obere Ebenen – Raumhafengegend - Noas Wohnung – Mit Cris -
 
[Coruscant, Obere Ebenen, Raumhafengegend, Noas Wohnung]- Noa, Cris

Das Essen war tatsächlich schmackhaft, wenn auch – naturgemäß – recht heiß. Zunächst bemühte Cris sich darum, seine Portion möglichst schweigend zu vertilgen, davon überzeugt, das jedes Thema, das er zu einer Art Konversation beim Essen würde beisteuern können, das Potential hatte, die leicht gelöste Stimmung empfindlich einzutrüben. Noa jedenfalls hatte es sich mit angezogenen Beinen auf der Couch bequem gemacht, vermutlich der Tatsache geschuldet, dass ihre mit erhöhten Absätzen versehenen Schuhen nicht unbedingt zimperlich mit ihren zierlichen Füßen umgegangen waren. Was einmal mehr die Frage aufwarf, warum sie diese Schuhe überhaupt getragen hatte. Die Antwort musste offen bleiben – er würde sie nicht fragen und hatte selbst so viel Ahnung, um zu beurteilen, welche Sorte von Rüstung in welcher Sorte von Umgebung am erfolgversprechendsten war. Akemi hatte sich stets modisch gekleidet und sein Verständnis dessen hatte sich darauf beschränkt, dass sie in jedem ihrer Outfits atemberaubend ausgesehen hatte – so wie Noa jetzt selbst mit behelfsmäßig über die Finger gestülpten Pulloverärmeln atemberaubend aussah… Verhalten räusperte der ehemalige Sturmtruppler sich und schickte sich an, einen weiteren Bissen in seinen Mund zu schaufeln.

Dann ließ Noa so plötzlich ihre Gabel fallen und begann über die Hitze ihres Essens zu lamentieren, dass sein eigenes Besteck durch sein Zusammenzucken in unvorhergesehene Bewegung geriet und ein kleiner Teil den durch die Schwerkraft diktierten Weg antrat, direkt auf seinen ungeschützten Brustkorb. Mit leicht angespannter Mimik musste Cris anerkennen, dass das Essen tatsächlich sehr heiß war, bevor er sich in Ermangelung einer Alternative mühsam darum bemühte, das kleine Malheur mit seinen Fingern lediglich unter Zurücklassung eines Flecks leicht geröteter Haut zu beseitigen.

Während er sich die Finger ableckte schien Noa ein Gesprächsthema nach ihrem Geschmack gefunden zu haben und begann damit, ihn zu seinen Erlebnissen zu befragen – allerdings auch zu denen, die vor seiner Ankunft auf Coruscant – seiner ersten Ankunft auf Coruscant vor vielen Jahren – stattgefunden hatten. Rasch hatte er sich eine weitere Gabelportion in den Mund gestopft, um nicht sofort antworten zu müssen sondern in Gedanken beim Kauen an den Worten zu arbeiten… er scheiterte kläglich.


„Nun… ich hoffe Sie wollen keinen Artikel darüber schreiben“, erwiderte er mit einem mehr als schwachen Lächeln.

„Das würden meine Vorgesetzten kaum gestatten… fürchte ich.“


Seufzend stellte er den Teller zurück auf den Tisch. Es hatte keinen Sinn, um den heißen Brei herumzureden – er hatte sich vorgenommen, ehrlich mit Noa zu sein. Sie war über ihren Schatten gesprungen, ihm trotz seiner Vergangenheit zu vertrauen. Also konnte er ihr auch ihre Fragen beantworten – selbst wenn sie ihn an Orte zurückführten, die er am liebsten vollständig vergessen würde…


„Ich war Teil einer Kompanie, die unmittelbar einem lokalen imperialen Würdenträger zugeteilt war…“, begann er schließlich, ohne Noa dabei direkt anzusehen.

„Eine Art… persönliche Einsatztruppe. Nicht unüblich in einigen Teilen des Imperiums, insbesondere dann, wenn der äußere Feind nicht so sichtbar erscheint wie der Innere. Die Republik war in diesem Teil der Galaxis kaum präsent und so formten sich größtenteils lokale, unorganisierte Widerstandsgruppen gegen die imperialen Gouverneure und ihre Willkürherrschaft. Die Planeten waren wirtschaftlich und militärisch unbedeutend – ich bezweifle, dass Bastion seinen Statthaltern allzu sehr auf die Finger geschaut hat. Und immer, wenn eine dieser Widerstandsgruppen einen Anschlag durchführte, übte man... Vergeltung.“

Er stützte seinen Kopf in seine Handflächen und schloss für einen Moment die Augen. Die Erinnerungen kamen, wie erwartet… ein enger Truppentransporter im Anflug auf ein kleines, abgeschiedenes Dorf… ein letztes Mal die Waffen überprüfen… sie würden an diesem Tag viel Arbeit bekommen…


„Das war unsere Aufgabe. Vergeltung. Kein Kampf an der Front gegen republikanische Soldaten, keine Enteraktionen, keine Schläge gegen Schmuggler oder Piraten… nur Vergeltung. Nicht gegen die Attentäter selbst. Die lokalen Sicherheitskräfte hatten diese meist schnell gefunden, inhaftiert und später nach Verhören liquidiert. Gegen ihre Familien. Ihre Freunde. Gegen alle, die sie in ihrer Mitte versteckt und gebilligt hatten. Gegen alle, deren Tod ein abschreckendes Beispiel darstellen würde. Wir waren keine Soldaten mehr. Wir waren Scharfrichter. Mörder.“

Als er seine Augen wieder öffnete, schien sein Blickfeld vor seinen Augen zu verschwimmen und er spürte, wie ein Faden warmer Flüssigkeit an seiner Wange herunter lief. Nach all den Jahren konnte er immer noch spüren, die der behandschuhte Finger sich um den Abzug des E-11 spannte und abdrückte, wieder und wieder… In Panik flüchtende oder ängstlich an einer Wand kauernde Frauen und Kinder waren keine anspruchsvollen Ziele…

„Ich weiß nicht, ob meine Ausbildung typisch ist für die der Sturmtruppen… ich erinnere mich an nichts vor den Kasernen, vor dem täglichen Drill… wir sogen mit jedem Tag mehr Skrupellosigkeit in uns auf. Feinde des Imperiums waren keine schützenswerten Lebewesen mehr… sie waren Tiere, Tiere, die zur Strecke gebracht werden mussten. Und wir brachten sie zur Strecke. Ich weiß nicht, warum ich plötzlich aufhörte, diese Lüge zu akzeptieren. Doch als ich es tat, hätte ich meine Waffe gegen mich selbst richten und die einzig richtige Strafe erleiden müssen… aber ich konnte es nicht… bis heute…“


Dann war er endlich nicht mehr auf jenem namenlosen Planeten, sondern wieder auf Coruscant, in Noas Wohnung. Der er wieder einiges an Munition verschafft hatte, ihn zu hassen – auch wenn er nicht wusste, ob sie in Bezug auf Imperiale noch weiter differenzierte zwischen jenen, die meinten, ihre Heimat gegen das Chaos verteidigen zu müssen, und den mörderischen Bestien.

„Ich nannte es Risiko… aber eigentlich ist es das nicht. Wann immer ich für die Republik in den Kampf ziehe, riskiere ich nicht mein Leben, sondern suche Erlösung. Sich selbst zu richten wäre der einfache, der schnelle Weg… und für eine kurze Zeit hatte ich tatsächlich etwas… jemanden. Aber jetzt nicht mehr.“

Seine Hände sanken wie sterbende Vögel in seinen Schoß, während er das erste Mal seit er seine Geschichte begonnen hatte wieder Noa ansah.


„Ich bin nicht tapferer als all diese Männer, oder risikobereiter…tief in meinem Inneren warte ich auf den Tag, an dem ich meine Erlösung verdient habe. Und bis dahin kämpfe ich für jene, die noch alles verlieren können, was ich mir selbst vor langer Zeit genommen habe…“

[Coruscant, Obere Ebenen, Raumhafengegend, Noas Wohnung]- Noa, Cris
 
- Coruscant – Obere Ebenen – Raumhafengegend - Noas Wohnung – Mit Cris -

Den Teller leer, den Kopf voller Gedanken starrte Noa geradeaus auf den kniehohen Tisch, auf dem sie ihr benutztes Geschirr abgestellt hatte. Cris Sheldons Worte waren verklungen, doch in ihren Ohren hallte noch immer ihr Echo wider. Einem Mann zuzuhören, wie er Bericht erstattete über die Gräueltaten, derer er sich selbst versündigt hatte, war keine leichte Kost. Seine Stimme war belegt gewesen, jedes Wort voller Schuld. Für Noa Chanelle Cortina war es keine Frage, dass er ehrlich meinte, was er gesagt hatte: Cris Sheldon war auf der Suche nach Erlösung.

Angehörige waren immer in Gefahr. Die Familien der Aufständischen waren die erste Adresse um Vergeltung zu üben. Ramón wusste das. Es war auch, weil es allgemein immer gefährlicher wurde auf Coruscant zu bleiben, doch es war vor allem, weil er Thalia und die Kinder vor Vergeltung schützen wollte, dass er Cloé gebeten hatte einen Flug für sie zu buchen, der sie auf einen anderen Planeten bringen würde. Wie lange sollten sie dort bleiben, bis das hier alles vorbei war? Aber das konnte sich noch Wochen oder Monate hinziehen. Niemand wusste es.


“Scheint, als hätten Sie das Widerlichste und Schlimmste getan, wozu das Imperium fähig ist.“

Kommentierte Noa trocken, mit einem Anflug von Bitterkeit in der Stimme, während sie dagegen ankämpfte, sich den Mann, der neben ihr saß, bildlich dabei vorzustellen, wie er die Dinge tat, von denen er ihr gerade erzählt hatte. Einen Moment später bereits schüttelte sie den Kopf.

“Nein. Ich bin sicher, das Imperium ist noch zu weitaus schlimmeren Dingen fähig.“

Morde, Verstümmelungen. Folterungen, die über Noas Vorstellungskraft hinaus gingen. Manchmal war es keine Schande, wenn Fantasie an ihre Grenzen stieß.

“Ich war immer der Meinung, dass jeder vor dem Gesetz gleich behandelt werden muss.“

Sagte sie langsam und bereits ihre Formulierung ließ andeuten, dass sie längst nicht mehr sicher ob der Richtigkeit ihrer Einstellung war. Zweifel hatten sich eingeschlichen, Zweifel die nicht erst seit gestern wurzelten.

“Jemand wie Sie, der eine zweite Chance bekommt? Warum?“

Unverwandt sah sie ihn an und ihr Blick spiegelte ihre innere Zerrissenheit so deutlich wie ein offenes Buch, auf dessen Seiten jeder die schwungvolle Schrift ihrer Gedanken lesen konnte.

“Sie stehen auf meiner Seite.“

Gaben ihm nachdenkliche Worte deutlich zu verstehen.

“Und ich habe das Gefühl, dass Sie viel Gutes getan haben, seit Sie dort sind. Und trotzdem... die Realität ist nicht für alle gleich. Sie haben eine zweite Chance bekommen, die Gelegenheit auf Wiedergutmachung oder wie auch immer man es nennen möchte. Andere bekommen sie nicht. Warum sollte sie überhaupt jemand bekommen?“

Und war es überhaupt richtig? Hatten nicht jene, die zurück geblieben waren nach dem imperialen Schlag der Vergeltung wiederum das Recht auf Rache? Fast, nur fast, hätte Noa traurig augelacht. Sie kannte die Antwort selbst. Das Imperium war gründlich und nach einem Einsatz einer Spezialeinheit, deren Teil Sheldon gewesen war, hatte es ganz sicherlich niemals Überlebende gegeben. Und dennoch hatten auch diese Toten wiederum Angehörige. Das Bild eines Mannes legte sich über Cris Sheldons Gesicht. Dunkle Haare, die Nase lang und gerade, das Kinn kantig, der Mund zu einem überheblichen Grinsen verzogen. Exodus Wingston war ein Mann, der sich selbst eine zweite Chance gegeben und den niemand daran gehindert hatte, weil er zu sehr gefürchtet war. Natürlich lagen die Dinge bei ihm anders. Er lebte weiterhin innerhalb des Imperiums. Niemand in dessen Reihen hatte Grund ihn als einen Verbrecher zu betrachten, doch nicht einmal der Orden der Jedi schien der Meinung zu sein, etwas gegen ihn unternehmen zu müssen, wenn sie die Chance dazu bekamen. Dies waren Dinge, die zu verstehen sich Noa schwer tat. Ihr Blick ruhte noch immer auf Sheldon. War das eine Träne, die seine Wange hinunter lief? Dieser Mann wusste, ungleich zu Exodus Wingston, dass er ein Verbrecher war. Einer, den man eigentlich hätte hinrichten sollen. Wingston würde sich immer als den Helden betrachten, als der Mann, der nichts falsch gemacht hatte, sondern dem Unrecht angetan worden war. Sheldon hingegen wusste es besser. Er war klüger. Vielleicht war er klüger als alle anderen und vielleicht hatte er deshalb einen Neuanfang verdient – deshalb und weil er bereit gewesen war, diesen auf die einzige richtige Art und Weise zu nutzen. Für einen Mann wie ihn bedeutete ein Neuanfang, sein Leben in den Dienst anderer zu stellen und genau das hatte er getan.

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[Coruscant, Obere Ebenen, Raumhafengegend, Noas Wohnung]- Noa, Cris

Cris war an einem Punkt angelangt, an dem nicht einmal mehr Noas trockener Tonfall noch der von ihr gebrauchte Superlativ ihn zusammenzucken ließ. Die letzten Wochen und Monate auf Coruscant, der permanente Kampf ums Überleben hatte die Schuldgefühle und Erinnerungen fast so vollständig in den Hintergrund rücken lassen wie die Zeit mit Akemi, doch die schonungslosen Fragen der Widerstandskämpferin hatten ans Tageslicht gebracht, was er in das unterste Verließ seines Unterbewussteins geworfen hatte. Ganz gleich welche Abstufungen Noa noch in Bezug auf imperiale Gräueltaten machen mochte – es gab in der Tat kaum schändlichere Sünden als das Dahinschlachten Unschuldiger nach den Launen gieriger Lokaldespoten und im Namen der Galaktischen Ordnung. Nicht, dass diese offizielle Rechtfertigung des Imperiums für Cris jemals eine Rolle gespielt hatte. Bis zu jenem verhängnisvollen Tag hatte es keinerlei Rechtfertigung gebraucht, war die Ausführung der abscheulichsten Befehle nichts gewesen als Routine…

Die Fragen, die sie ihm stellte, konnte er nicht beantworten. Er musste seinen Blick abwenden, zu sehr traf ihn der Ausdruck in ihrem Gesicht, als sie ihn fragte, warum ausgerechnet er eine zweite Chance bekommen hatte. Es war nicht einmal Hass, der aus ihren braunen Augen sprach… keine Verachtung, oder wenn, dann nur im Widerstreit mit anderen Gefühlen, die deutlich machten, wie uneins sie sich selber darüber war, wie sie seine Geschichte zu bewerten hatte. Denn der Geist der Gerechtigkeit, wie sie ihn beschrieb, konnte für ihn nur eines bedeuten: den Tod. Keine guten Taten würden die Wagschale der Schuld je wieder zu seinen Gunsten neigen können, selbst dann nicht, wenn ihm Tausend Jahre zur Verfügung standen. Die Frage war: konnte sein Tod es? Er wusste es nicht.


„Ich weiß es nicht“, waren dann auch die ersten Worte, die seinen Mund verließen, während er leeren Blickes zwischen seinen Beinen hindurch auf den abgenutzten Fußboden der Wohnung starrte.

„Ich weiß es nicht…“


Mit fahriger Bewegung glitten seine Handflächen über sein Gesicht und seine Fingerkuppen gruben sich tief in seine Kopfhaut, fast, als wollten sie seine Haare bei den Wurzeln packen und mit einem gewaltigen Ruck herausreißen. Er hatte sich dieser Frage viel zu lange nicht mehr gestellt, sie erfolgreich verdrängt… war davongelaufen… Sah so Buße aus?

„Aber was ist die größere Strafe? Sich mit einem schnellen Schuss aus dem Leben zu verabschieden, oder weiterleben zu müssen, mit den Schreien der Toten für immer eingebrannt in das eigene Bewusstsein? Manchmal kann ich sie immer noch hören… sie sehen… dann bin ich wieder da, mit der Waffe in der Hand, und kann nichts tun, als immer wieder zu erleben, wie ich abdrücke… dann wünsche ich mir nichts sehnlicher, als meinem Leben ein Ende zu bereiten, doch auch dazu fehlt mir die Konsequenz, der Mut vielleicht…“

Seine Hände ließen ab von seinen Haaren, sanken wieder herab und fast automatisch schien die Rechte nach der vergessenen SSK-7 zu tasten, zog das kalte Metall aus dem Holster und hob sie empor, sodass er das sich höhnisch im glänzenden Material der Waffe spiegelnde Licht sehen konnte, die so selbstverständlich in seiner Hand lag wie ein Hydroschraubenschlüssel in den Händen eines Mechanikers. Die Kälte des Blasters schien durch seinen gesamten Körper zu Ziehen, als er ihn seitlich an seine Stirn presste und die Augen schloss, fast so, als würde dies all die Gedanken verstummen lassen.

„Habe ich das Leben verdient? Den Tod? Eine zweite Chance… oder Erlösung? Habe ich das Recht, über mich selbst zu richten?“

Er ließ die Waffe wieder sinken und suchte wieder den Blick Noas, die seinen Zusammenbruch bis zu diesem Zeitpunkt schweigend beobachtet hatte.

„Doch wer tut es dann? Der Geheimdienst… dort denkt man pragmatisch. Die Hälfte der Agenten besteht aus Überläufern, ihre vergangenen Taten werden vergessen, weil ihr zukünftiger Beitrag der Sache dient. Aber werden Sie auch vergeben?“

Dann hielt er die Waffe nicht mehr am Griff, sondern am Lauf.

„Ich kann es nicht sagen…“, flüsterte er, während er die SSK-7 langsam in Noas rechte Hand schob und ihre Finger sanft um den Griff schloss. Das Knacken, mit dem sein Daumen die Waffe entsicherte, hallte unnatürlich Laut in die plötzlich eingetretene Stille. Sein Blick war jetzt fest auf das Gesicht der Widerstandskämpferin gerichtet.

„Können Sie es?“

[Coruscant, Obere Ebenen, Raumhafengegend, Noas Wohnung]- Noa, Cris
 
- Coruscant – Obere Ebenen – Raumhafengegend - Noas Wohnung – Mit Cris -

Der Blaster lag in Noas Hand, wie schon viele Waffen zuvor. Die Waffe schmiegte sich in ihre Handfläche, das Gefühl ihres Fingers auf dem Abzug war vertraut. Noa Chanelle Cortina war es gewohnt mit Waffen dieses Kalibers umzugehen. In den mittleren und den unteren Ebenen Coruscants war es notwendig, dass man wusste, wie man sich schützte und als Mitglied des lokalen Widerstands zwingend erforderlich. Sie wusste, was sie tun musste, nicht nur um einen Schuss auszulösen, sondern auch um ihn präzise dorthin zu leiten, wo sie ihn haben wollte. Manchmal war es notwendig, manchmal ließ es sich vermeiden und manchmal war es absolut falsch, so falsch, wie einen schussbereiten Blaster auf eine Person zu richten, die man nicht verletzten wollte. Baes Hawot, neben ihrem Bruder Pablo der engste Vertraute von General Grant, hatte Noa das Schießen gelehrt und die erste und wichtigste Lektion, die er ihr erteilt hatte war gewesen, dass wann immer man seine Waffe erhob und auf jemanden richtete, man auch bereit sein musste abzudrücken. Ein Blaster war kein Spielzeug und er hatte nichts verloren in Händen, die zitterten.

Noas Hände zitterten nicht, dennoch fühlte sie sich nicht wohl. Was versuchte Cris Sheldon zu bezwecken? Was dachte er sich dabei, ihr seine Waffe in die Hand zu drücken und auf ihn zu richten? Sie hätte vermutet, dass er total übergeschnappt war, doch so wirkte er nicht. Sein Gesicht war vollkommen ernst, seine Augen... traurig. Aber was erwartete er von ihr? Dass sie abdrückte und diesen Albtraum, der sich Leben nannte, für ihn beendete? Wollte er ihr diese Bürde überlassen, die er selbst nicht manns genug war zu tragen?


“Was soll das Sheldon?“

Fuhr sie ihn an, sichtlich aufgebracht, und fuhr in die Höhe.

“Glauben Sie ernsthaft, ich würde jetzt abdrücken? Halten Sie mich für eine gefühlslose Killerin? Sie selbst haben nicht den Mut, also lassen wir's Noa machen? Die wird schon klar kommen?“

Mit einer geübten Bewegung sicherte sie den Blaster wieder und warf ihn auf die Polsterung des Sofas. Sie selbst war aufgesprungen.

“Sie sitzen hier nicht ohne Grund! Sie haben einen Job zu machen, etwas GUT zu machen! Wollen Sie sich vor dieser Verantwortung drücken? Schauen Sie sich an, wer Sie sind, was Sie für Fähigkeiten haben! Sie können so vielen Menschen helfen, alleine hier auf Coruscant. Wollen Sie das wirklich verschwenden? Ist DAS ihre Absicht?“

Noa prustete ungeduldig und begann, im Raum um den kleinen Tisch herum zu tigern. Dass sich Cris Sheldon schuldig fühlte, war gut und recht. Er sollte es sogar. Was er nicht sollte war, sich in Selbstmitleid zu ertränken und auf ein schnelles Ende zu hoffen. Diese zweite Chance, die er bekommen hatte um Wiedergutmachung zu leisten war etwas, auf das andere nur hoffen konnten, aber niemals erhielten. Sollte er nicht froh darüber sein, eine solche Möglichkeit zu haben?

“Ich kann nicht über Sie richten, Sheldon. Ich weiß nicht, wer es kann. Wahrscheinlich niemand. Ich stelle lediglich Fragen.“

Sagte Noa mit Nachdruck, ihre Augen stechend auf ihn gerichtet und sich in einer hinteren Ecke ihres Bewusstseins durchaus darüber im Klaren, dass es ihre Fragen gewesen waren, die sie überhaupt erst auf dieses Thema und an diesen Punkt gebracht hatten.

“Aber Sie sind nun einmal hier und Sie sollten sich überlegen, wozu. Sterben ist jedenfalls ein egoistischer Wunsch.“

Sie sah ihn an. Warum ausgerechnet er einen Neuanfang verdient hatte, hatte sie von ihm wissen wollen. Warum er, warum Exodus Wingston? Möglicherweise war es einfach nur Zufall. Einige schafften es, andere nicht. Wie im Krieg. Cris Sheldon jedenfalls wirkte nicht wie ein Mann, der darauf hin gearbeitet hatte, sondern eher wie ein Stück Treibholz, das besinnungslos dem Lauf der Strömung folgte. Noas Blick traf den seinen.

"Und ich glaube nicht, dass Sie so sind."

Fügte sie an, ruhiger diesmal, atmete tief durch und kehrte zum Sofa zurück. Noa nahm die Waffe, Sheldons SSK-7 und betrachtete sie für einen Moment. Schließlich setzte sie sich wieder neben ihn und hielt ihm den Blaster hin. Er sollte ihn benutzen, auf die einzige Art und Weise, die richtig war. Sie hoffte, er würde wissen wie.

- Coruscant – Obere Ebenen – Raumhafengegend - Noas Wohnung – Mit Cris -
 
[Coruscant, Obere Ebenen, Raumhafengegend, Noas Wohnung]- Noa, Cris

Es war, als würde er den Wind, den er gesät hatte, als Sturm ernsten – Cris prallte ein wenig in das Kissen des Sofas zurück, als es plötzlich aus Noa heraus brach und die Widerstandskämpferin sich mit wehenden Haaren aus der Sitzgelegenheit herauskatapultierte, um ihm mit blitzenden Augen und schneidender Stimme die Leviten zu lesen. Die wieder gesicherte Waffe wurde achtlos zurückgeworfen und sie begann ihm unruhig durch den Raum streifend zu predigen, wie verantwortungslos es von ihm war, den Tod auch nur in Erwägung zu ziehen, ganz zu schweigen davon, sie zur Vollstreckerin zu machen. Cris blinzelte mühsam. War sie es nicht gewesen, die dieses Thema überhaupt erst zurück an die Oberfläche geholt hatte? War sie es nicht gewesen, die ihn in den Minuten nach seiner Enthüllung vermutlich mit Freuden erschossen hätte und sich nur durch einen glücklichen Zufall mit einem Spritzer Soße zufrieden gegeben hatte?

Der Mund des ehemaligen Sturmtrupplers öffnete sich halb, doch Noa Chanelle Cortina war nicht aufzuhalten – sie stellte schließlich nur Fragen, eine Feststellung, die alleine ausreichte, um Cris die Hitze ins Gesicht steigen zu lassen, zum Teil aus Scham, aber zum Teil auch aus Frustration. Machte sie es sich dann nicht doch ein wenig zu einfach? Es mochte stimme, dass ein schnelles Ausscheiden aus dem Leben die feige, die egoistische Option gewesen wäre, aber er saß immer noch hier, oder nicht? Konnte sie sich überhaupt im Entferntesten vorstellen, wie der Weg aussah, der hinter ihm lag? Und doch… ihre Worte rückten auch einige Dinge wieder in Perspektive, die in den letzten Monaten auf Coruscant vielleicht in Vergessenheit geraten waren, als er mehr wie eine leere Hülle durch die Unteren Ebenen gestreift war, in Gesellschaft von Söldnern und ähnlichem Abschaum…

Mittlerweile saß sie wieder neben ihm und streckte ihm die gesicherte Pistole entgegen. Er griff danach, schenkte ihr ein mikroskopisches Nicken und verstaute das Tötungsinstrument wieder in seinem Holster, das er dann zunächst neben dem Sofa auf dem Bodern deponierte. Er hatte verstanden.


„Wissen Sie, dass Sie manchmal ziemlich anstrengend sein können?“, sagte er schließlich, doch bevor diese Worte seine Lippen ganz verlassen hatte, schüttelte er bereits wieder mit dem Kopf.

„Nein, das nicht… vielleicht führen Sie Menschen einfach nur an Orte, die sie ungern besuchen… auch wenn sie das müssen…“

Er presste seine Hände vors Gesicht und massierte langsam seine geschlossenen Augen. Über den Wortwechsel mit der Widerstandskämpferin hatte er seine körperlichen Gebrechen beinahe wieder vergessen – doch tatsächlich schien es ihm zumindest physisch besser zu gehen.

„Ich… es tut mir Leid, Noa. Ich… ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass ich Sie für eine gewissenlose Killerin halte.“


Er zwang sich dazu, ihrem auf ihn gerichteten Blick zu begegnen, diesen funkelnden Augen, die ihren Standpunkt so viel besser klarmachten als die ausdrucksvollsten Worte.

„Das tue ich nicht. Sie… Sie sind ein guter Mensch.“


Jetzt stieg ihm die Röte unweigerlich ins Gesicht, spätestens, als ihm klar wurde, dass er exakt dieselbe Formulierung bereits einmal verwendet hatte – und zwar in einem Kontext, in dem er – Fieberwahn oder nicht - auch noch sehr eindeutig auf ihre optischen Reize eingegangen war, ein Thema, das in Anbetracht ihres gerade erst vergangenen Gespräch unpassender nicht sein konnte. Dummerweise war es ebenso unmöglich, das Ruder jetzt wieder vollkommen herumzureißen.

„Ähm… was ich meine, ist… mir ist klar, dass Sie nicht über mich richten können. Oder wollen. Oder müssen.“

Was faselte er da für einen Stuss?

„Aber… Ihr Urteil über mich ist mir wichtig.“

Wo waren plötzliche verletzungsbedingte Ohnmachtsanfälle, wenn man sie brauchte?

„Sehr.“

[Coruscant, Obere Ebenen, Raumhafengegend, Noas Wohnung]- Noa, Cris
 
.:: Coruscant | Untere Ebenen | Gebäudeblock | Wohnung Nr. 2S11M | Badezimmer | Mara ::.

Langsam ging die Tür zum Bad auf, ein dunkelhaariger Jedi sah herein und obwohl Mara Markus erkannte als dieser durch die Türspalte blickte, so war sie selbst noch immer nicht in der Lage etwas zu tun oder sich gar zu bewegen. Ihr Blick blieb leer und Ausdruckslos, so als ob alles um sie herum an Bedeutung verloren hätte. Ihre innere Verzweiflung bestand noch immer.

Markus trat letztlich endlich ein, schloss die Tür hinter sich und sah sie einen Augenblick an. Dann wandte er sich ihr zu, sprach sie an und sagte ihr, dass die Schüler sich ausruhten. Dabei ging er in die Hocke, öffnete seinen Rucksack, um nach seinen Sachen zu sehen. Mara bekam dies nur unterschwellig mit. Ebenso klärte Markus sie darüber auf, dass Vorin noch einmal fort sei um Decken zu holen. Doch selbst diese Worte waren für die junge Ritterin nicht wirklich von Bedeutung. Was sie in ihren Visionen gesehen hatte, hatte sie getroffen. Toms Tod, welcher auf so tragische Weise hatte geschehen müssen, er war nicht Gerecht gewesen. In all der Zeit, in all der Zeit, in welcher sie gehofft hatte, dass es endlich ein Ende haben würde, musste sie nun erkennen, dass es nur ein Anfang war. Sie hatte sich geschworen ihre Gabe der Visionen, welche ihr aufgezwungen worden waren, zu erweitern, sie auszubauen, um dafür zu sorgen, dass sie endlich sich und anderen mit diesen Fähigkeiten helfen konnte. Gelungen war es ihr noch nicht, denn sie hatte noch nicht die Zeit gehabt endlich einmal Ruhe zu erhalten. Alles kam Schlag auf Schlag, drosch auf sie ein ohne jegliche Rücksicht und nun, nun hatte sie einen weiteren Freund verloren. Wer würde als nächstes folgen? Erst Charon, Sen, nun Tom…. Sollte sie die Liste weiterführen? Diese drei waren von Bedeutung gewesen, hatten ihr sehr sehr nahe gestanden. Was war mit Dean, Linea, Skatos und all den anderen!? Macht es überhaupt noch Sinn, sich all ihre Namen zu merken, zu wissen, dass sie diese Freunde verloren und nie widersehen würde!? Sie wollte nicht wissen, wer noch folgen, wer noch sein Leben würde lassen müssen und dennoch, dennoch wusste sie, dass sie es nicht würde vermeiden können zu sehen. Ihre Fähigkeiten waren stark, sehr stark und umso stärker sie in der Macht wurde, umso stärker wurden ihre Fähigkeiten.

Am Rande, wie aus weiter Ferne hörte sie, wie Markus sagte, dass er jetzt duschen werde, um sich dann ebenfalls für ein paar Stunden hinzulegen. Ebenso empfahl er auch ihr, sich auszuruhen, zu schlafen. Schlafen…, was bedeutete dieses Wort überhaupt? Ja, sie war müde, unendlich müde und dennoch hatte sie keinen Schlaf gefunden. Bilder, Ereignisse, Visionen, diese hatten ihr ihren Schlaf geraubt. Mara hatte das Gefühl erst wirklich Schlaf finden zu können, wenn sie fort von hier war. Coruscant hinter sich hatte lassen können. Bis es soweit war, würde sie kämpfen müssen, mit sich selbst um ihrer Schülerin und den anderen beistehen zu können.

Schweigend erhob sie sich. Langsam, sachte und trotz allem merkte man ihre Unisicherheit in den Beinen, welche ihr den Dienst versagen wollten. Die junge Frau, oder besser gesagt das junge Mädchen biss die Zähne zusammen, stütze sich von der Wand und schlich nach draußen, damit Markus würde duschen können.

Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, einen Blick auf die Gestalten im Raum erhaschen konnte, stellte sie fest, dass einige von ihnen wirklich schliefen. Bei anderen sah es wenigstens so aus, als ob diese es täten. Wie Markus zuvor kurz erwähnt hatte, war Vorin nicht da. Unschlüssig, was sie selbst tun sollte, blieb sie an der Wand stehen. Schlafen würde sie nicht können, dies wusste sie. Im Grunde blieb ihr nichts weiter übrig als darauf zu warten, dass ihr Freund zurückkehrte. Sie brauchte jemanden zum Reden, am besten Vorin, immerhin war er nicht nur ihr Freund, sondern er kannte sich ebenfalls mit ihr aus. Niemand sonst tat dies, nun ja, wenn man einmal von Joseline absah. Ihre Meisterin hatte jedoch nicht auf ihre letzte Nachricht reagiert. Sie wusste nicht einmal, ob Jo diese überhaupt erhalten hatte, noch wusste sie, wo sich diese befand. Vielleicht sollte sie diesen Moment dazu nutzen, sich endlich einmal bei ihrer Meisterin zu melden. Kurz zögerte sie, dann holte sie ihr Com aus der Tasche und verfasste eine Nachricht.


** Com Nachricht an Joseline **

*Verschlüsselt*
Hi Jo,
ich wollte mich bei dir melden, da du meine letzte Nachricht scheinbar nicht erhalten hast. Ich hoffe es geht dir gut, wo auch immer du dich befinden magst. In der Zeit wo du fort bist hat sich einiges ereignet, sowohl gutes wie auch schlechtes. Eines der guten Dinge ist, dass Vorin und ich uns widergefunden haben. Doch gleichzeitig wird dieses Glück von etwas überschattet, was ich noch immer nicht völlig einordnen kann. Als ich Coruscant verließ warnte ich euch, dass etwas geschehen würde. Die Zukunft, sie offenbart sich nur teilweise. Ich kann noch immer nicht wirklich sagen, was geschehen wird, aber ich weiß, dass etwas kommen wird, etwas schreckliches…
Oh Jo, gleichzeitig musste ich in einer Vision sehen wie Tom starb. Sein Tod war so grundlos! Ich habe geschworen an meine Fähigkeiten zu arbeiten, dafür Sorge zu tragen, dass ich sie beherrsche, um anderen zu helfen, die selbst davon betroffen sind. Doch bin ich noch kein Stück weiter. Es ist als ob ich mich im Kreise drehen würde. Es gibt Sekunden, in denen meine Verzweiflung groß ist, sehr groß. Ich habe einfach jemanden gebraucht, mit dem ich wenigstens in diesem Augenblick sprechen konnte, auch wenn deine Antwort noch brauchen wird. Ich hoffe jedenfalls von dir zu hören und darauf, dass wir uns bald widersehen.

Deine Mara

** Com Nachricht Ende **


Noch einmal ging Mara diese Zeilen durch, dann erst sandte sie jene ab, ließ sich an der Wand nach unten rutschen und krallte ihre Finge rum das kleine Gerät. Betend, dass Jo antworten würde und Vorin bald zurück sein würde.


.:: Coruscant | Untere Ebenen | Gebäudeblock | Wohnung Nr. 2S11M | Wohnraum | Mara, Sinouè, Shana, Arkon und alle anderen ::.
 
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Die Entschuldigung Sheldons kam überraschend. Nun, Noa hatte nicht wirklich angenommen, dass er sie für eine kaltblütige Killerin hielt. Warum sollte er auch? Bis jetzt hatte sie in seiner Gegenwart noch niemanden umgebracht, was man andersherum von ihm nicht behaupten konnte. Es hatte vor ein paar Minuten ganz gut gepasst, seine Worte entsprechend auszulegen und sich über ihn zu ärgern, auch wenn sie im Grunde gewusst hatte, dass er es gar nicht so gemeint hatte, wie sie es hatte auffassen wollen. Rückblickend betrachtet war das schon ein bisschen gemein gewesen, vor allem da er jetzt ehrliche Gewissensbisse zu haben schien. Um ihm diese zu nehmen, setzte Noa an, seine Entschuldigung anzunehmen und ihm mit einem lockeren Spruch zu verstehen zu geben, dass das Thema erledigt und für sie nicht mehr von Bedeutung war, doch er kam ihr zuvor und sprach ihr stattdessen ein Kompliment aus – ein Kompliment, von dem sie nicht sicher war, ob sie es gerade in diesem Moment verdiente, wo sie ihn in den letzten Minuten nicht gerade nett behandelt hatte. Cris Sheldon aber schien das so zu sehen. Er sagte, sie sei ein guter Mensch und es war nicht das erste Mal, dass er dies behauptete. Natürlich hatte er Recht. Noa war ein guter Mensch, zweifellos. Jeder hatte seine schwachen Momente, das konnte sie nicht abstreiten, doch auf lange Sicht betrachtet trug Noa Chanelle Cortina, davon war sie selbst überzeugt, ihr Herz am rechten Fleck. Sie trat für das Gute ein, sie kämpfte für die richtige Seite und sie bemühte sich, immer ehrlich zu sein. Gut, sie hatte schon mal Drogen genommen und sie schoss hin und wieder auf Leute, aber dieser Teil unterwog eindeutig. So lange man es aus den richtigen Gründen tat...

Liebend gerne hätte Noa sich für diese Einschätzung bedankt. In jeder anderen Situation hätte sie es getan. Captain Sheldon hatte etwas Nettes gesagt und ihre Aufgabe war es, sich darüber zu freuen. Theoretisch. Die Sache war, es war nicht das erste Mal, dass er ihr exakt dieses Kompliment gemacht hatte. Der Unterschied war, dass er heute bei klarem Verstand war und wenn Noa nicht alles täuschte, dann wurde ihm genau das ebenfalls gerade schändlich bewusst. Darauf deutete jedenfalls hin, dass er plötzlich Farbe in die Wangen bekam und begann, vor sich hin zu stammeln.


“Tja, ähm, danke.“

Versuchte Noa die Situation zu retten. Also hatte er sie gemeint. Jetzt bestand so gut wie kein Zweifel mehr. Cris Sheldon hielt sie für einen guten Menschen UND er hielt sie für schön. Ha! Ein kaum zu kontrollierendes Grinsen drohte sich in ihr Gesicht zu schleichen.

“Ich versuche jedenfalls es nicht zu tun.“

Um Seriösität bemüht sah Noa ihn an.

“Zu richten, meine ich.“

Okay, sie mussten dringend das Thema wechseln. Aber worüber konnten sie reden?? Cris Sheldon hielt sie für schön. Das bekam sie so schnell nicht aus ihrem Kopf heraus. Es musste an der neuen Tagescréme liegen, die Noa seit kurzem benutzte. Das Zeug war unverschämt teuer, machte dafür aber einen umwerfenden Teint. „Eine Investition in Ihre Jugend“ hatte auf der Packung gestanden. Volltreffer.

“Haben Sie eigentlich noch Hunger? Ich kann noch eine zweite Portion machen, wenn Sie möchten.“

Es war keine besonders gehaltvolle Frage, aber es war das Beste, was Noa einfiel. Fragend sah sie Sheldon an. Er trug noch immer kein Hemd. Wie auch? Er hatte ja keins. Ob ihm kalt war? Körperwärme sollte da ja angeblich am besten helfen. Hastig stand Noa auf. Nur keine Schnellschüsse!

“Ich mache Ihnen noch was.“

Sagte sie, ohne ihn selbst entscheiden zu lassen. Nur so kam man wieder zu Kräften. Sie nahm die beiden leeren Teller und schickte sich an sie hinüber in die Kochnische zu tragen, wandte sich auf dem Absatz dann aber doch noch einmal zu ihm um.

“Oh und übrigens, Sie sind natürlich auch ein guter Mensch.“

Gab sie sein Kompliment an ihn zurück, auch wenn es, in Anbetracht ihres gerade erst geführten Gesprächs, etwas seltsam klang. Aber das gehörte sich so. Es stimmte vielleicht nicht so hundertprozentig wie bei ihr, in Bezug auf seine Vergangenheit und so, aber für die konnte er schließlich nichts. Außerdem war sie sich sicher, dass er sich redlich bemühte und auch guter Wille und damit verbundene Anstrengungen mussten belohnt werden, nicht wahr? In diesem Falle mit einem Kompliment und einer zweiten Portion Fleischauflauf.

- Coruscant – Obere Ebenen – Raumhafengegend - Noas Wohnung – Mit Cris -
 
[Coruscant, Obere Ebenen, Raumhafengegend, Noas Wohnung]- Noa, Cris

Kam es ihm nur so vor, oder amüsierte sein wenig stringentes Herumdrucksen Noa königlich? Cris hatte fast den Eindruck, als kräuselten sich die Lippen der Widerstandskämpferin zu einem mühsam unterdrückten Grinsen – und trotz der Implikationen eines solchen sah sie immer noch wunderschön aus! – bevor sie schließlich das Thema hin zum Essen änderte und schließlich fast fluchtartig das Sofa in Richtung der Kochecke verließ. Vermutlich befürchtete sie, Cris würde auf seine unbedachten Worte noch weniger bedachte Taten folgen lassen… Schließlich war er der ehemalige Vollstrecker des Imperiums und über Leichen gehende Agent der Republik, gewohnt, sich das, was er wollte, zur Not mit Gewalt zu nehmen. Diesen Eindruck hatte er bedauerlicherweise mehr in Noa erweckt – er konnte sich an keines der Probleme erinnern, von Cert, über die geschlossene Tür des Wohnhauses bis hin zur Zeltron, das er am vergangenen Tag ohne Gewalt oder zumindest den Gebrauch seiner Waffe gelöst hätte. So klang Noas nachgeschobenes Kompliment in seine Richtung fast wie Hohn – ein guter Mensch, natürlich. Vor kurzer Zeit war er noch ein blutrünstiges Monstrum und eine potentielle Zeitbombe gewesen. Andererseits… vielleicht hatte er es in den letzten Tagen wirklich geschafft, Noas Bild von ihm nachhaltig zu beeinflussen?

„Machen Sie sich keine… ach, was soll’s…“

Es war ohnehin schon zu spät. Noa stand an ihrer Kochstelle und war bereits damit beschäftigt, eine weitere Portion des zugegebenermaßen sehr wohlschmeckenden Auflaufs für ihn vorzubereiten, was ihn exakt in die Lage versetzte, die er hatte vermeiden wollen: sie arbeitete und er saß untätig auf ihrer Couch, ließ sich von ihr nach Strich und Faden bedienen. Nun, ganz so schlimm war es nicht… außerdem bot sich ihm so die Gelegenheit, während Noa mit dem Essen beschäftigt war, das Spiel ihrer braunen Haare zu beobachten, die bei jeder leichten Bewegung in einer wellenartigen Verlagerung anders über ihre Schultern zu fallen schienen… und es fiel ihm gar nicht schwer, sich vorzustellen, wie sich ihre haselnussbraunen Augen auf ihre Arbeit konzentrierten und sie ihre ansehnlichen Lippen möglicherweise vor Konzentration leicht zusammenpresste. Nein, natürlich tat sie das nicht – das Aufwärmen eines Auflaufs war keine Astronavigation. Aber vorstellen konnte er es sich. So wie er sich an das Funkeln in ihren Augen erinnern konnte, als sie ihren Bruder zur Rede gestellt hatte. So ein lebendiges Feuer… Warum stand er nicht einfach auf, um einen besseren Blick auf sie zu erhaschen? Sie schien ihn ja höchstens amüsant zu finden, nicht unangenehm – und das war ein großer Fortschritt.

Als er sich tatsächlich aus dem Sofa erhob, klopfte sein Herz ihm seltsamerweise bis zum Hals. Dabei war alles ganz harmlos – er würde ihr die Teller abnehmen, zum Tisch bringen, artig seine zweite Portion essen und sich darum bemühen, das Gesprächsthema nicht wieder auf imperiale Kriegsverbrechen zu lenken. Irgendwann würden sie ihre Wohnung dann verlassen und wieder gemeinsam für die Sache der Defender arbeiten. Oder getrennt. Alles andere war wilde Fantasie, der Hitze des Augenblicks entspringen. Vermutlich Nachwirkungen seiner gefühlt hundertsten Nahtoderfahrung. Sonst nichts. Was konnte Noa Chanelle Cortina auch schon mit Cris Sheldon anfangen, außer ihn ihrer Widerstandsgruppe als wertvollen Aktivposten zuzuführen?

Wie ihr Haar wohl roch? Oder sich anfühlte, wenn er es wie zufällig von ihrer Schulter strich?


Noa, ich…“

Er hatte keine Ahnung, was er als nächstes hatte sagen wollen – mittlerweile stand er fast direkt neben ihr, ohne die Überbrückung der Distanz sonderlich registriert zu haben – sodass sein Mund für einen Moment untätig offen stand. Dann klopfte es an der Tür und der Mund klappte zu.


„Ähm… soll ich aufmachen?“

[Coruscant, Obere Ebenen, Raumhafengegend, Noas Wohnung]- Noa, Cris
 
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