[Tiefenraum | Sammelpunkt „Rubin“ nach Denon | LTK Massive | Lift] Commander Bru-Th Agoch
Der Stoff kratzte. Er kratzte am Hals, an den Ärmeln, im Schritt, eigentlich überall. Doch warum kratzte er? Es war ein feiner Zwirn, gut gewoben, hatte genau die richtigen Maße und war garantiert tausendfach bewährt. Also was zur Hölle war der Grund für diesen unangenehmen, über alle Maße lästigen Juckreiz, der ihn fahrig werden ließ wie einen jungen Padawan im ersten Jahr? Bru-Th runzelte kaum merklich die Stirn, überrascht darüber, wie naheliegend doch die Antwort darauf war. Es war nicht seine ‚Uniform‘.
Fast fünfzehn Jahre seines Lebens hatte er als Jedi gelebt, nur als Jedi, d. h. gemäß dem Kodex des Ordens. Dazu zählte auch das Tragen einer Robe aus einfachem Stoff, die einen Jedi als solchen zu erkennen gab. Seine war braun gewesen. Doch dieses Stück Stoff hatte er ablegen müssen, um sich nun in einer frischen, eleganten Uniform der republikanischen Streitkräfte, Teilbereich Kommando wiederzufinden. Die Insignien auf seiner linken Brust verrieten, dass er den Offiziersgrad eines Commanders inne hatte. Ein recht unbedeutender Rang, wie Bru-Th wusste, doch selbst die Ernennung zum Commander war für ihn ein mehr als mühsamer Weg gewesen. Lediglich ein kleiner, zylindrischer Gegenstand, der an seinem Gürtel baumelte, und sein Alter verrieten interessierten Augen, dass dieser Commander alles andere als einen perfekten Lebenslauf im Sinne eines Militärs vorzuweisen hatte.
Bru-Th seufzte leise, als er gedanklich seine Entscheidung noch einmal durchspielte. Was hatte ihn dazu gebracht, ihn, einen erfahrenen Meister des Jedi Ordens, einen Eid auf die Republik und Gehorsam zu schwören. Hatte er damit nicht die Ideale, denen er als Jedi nachstrebte, nicht jene Unabhängigkeit vom Gesetz, die ihn im Sinne der Gerechtigkeit und des Friedens zu großen Taten befähigte, aufgegeben? Überhaupt, wie konnte ein Jedi gleichzeitig Offizier an Bord eines Sternenschiffes sein und nach dem Kodex leben? Den Schritt zu tun, gab es viele Gründe. Jene Gründe persönlicher Natur, politischer Natur, doch in erster Linie pragmatische, verknüpft mit einer gesunden Portion Eigeninitiative. Der Orden und das Militär, dies war Bru-Ths feste Überzeugung, mussten ihre alten Grabenkämpfe beilegen. Nur durch Kooperation war ein solider, langfristiger Frieden für die Galaxis zu erreichen und wenn ein verdienter Jedi Meister dafür seine Privilegien und seine ihm eigentlich zustehende Position aufgeben musste, so musste das eben geschehen.
Das schwere Feuerschott, das die Brücke im Notfall vor Gefahr aus dem Schiffsinneren schützen sollte, glitt lautlos auseinander und gewährte Bru-Th den Blick auf die Brücke. Einige Sekunden verharrte der Jedi Meister fast andächtig im Lift, dann betrat er seinen zukünftigen Wirkungsbereich. Niemand bemerkte ihn. Die acht Personen, die sich auf der Brücke aufhielten, arbeiteten konzentriert an ihren Stationen, indem sie routinierte Eingaben machten, Aufgaben koordinierten oder Meldungen seitens der Crew aufnahmen. Die Massive war entgegen ihres Namens ein kleines Schiff, mit nicht einmal dreihundert Mann Besatzung, was für kapitale Schiffe nicht besonders viel war, wie Bru-Th vor wenigen Wochen erst erfahren hatte. Überhaupt, gab es noch so einige Dinge, über die er Recht wenig wusste, doch das würde sich bald ändern bzw. geändert haben müssen, wollte er erfolgreich sein. In der Zwischenzeit würde er aber auf die Personen in seinem Umfeld angewiesen sein, also diese acht Personen hier auf der Brücke und in besonderem Maße jene Person, die sich just in diesem Moment umdrehte und fast erschrocken die großen, blauen Augen aufriss.
"Commander auf der Brücke,
tönte es Sekunden später von Seiten Kytana Saris, deren Dossier Bru-Th ebenfalls nur kurz überflogen hatte. Kytana Saris war sein Erster Offizier, seine rechte Hand, wie man im Flottenjargon wohl sagte. Die rothaarige Frau, die von irgendwo aus dem Outer Rim stammte, blickte den hochgewachsenen Corellianer erwartungsvoll an, ebenso wie die übrigen Brückenoffiziere. Zweifelsohne hatten sie gehört, dass heute ihr Commander an Bord gekommen war, doch der Umstand, dass er ein erfahrener Jedi Ritter war, machte die Situation wohl noch um ein Vielfaches spannender.
Bru-Th räusperte sich verhalten, während er die anwesenden Offiziere in Augenschein nahm. Sie standen um drei holographische Projektoren verteilt, die bereits das aktuelle Lagebild der Schlacht bei Denon zeigten. Mit der Selbstsicherheit seines Alters entgegenete Bru-Th schließlich:
"Stehen Sie bequem, meine Damen und Herren. Mein Name ist Bru-Th Agoch und ich bin hier als ihr neuer Commander."
Die Worte, die da seinen Mund verließen, spulte Bru-Th mit einer gewissen Beredsamkeit herunter, jedoch war es komisch zu wissen, dass nicht seine Authorität als Jedi in diesem Moment den Ausschlag gab, sondern die kleine Ranginsignie, die ihn als Commander auswies. Bru-Th schritt zum ersten der drei Projektoren und legte demonstrativ die Hand auf sein Lichtschwert. Er sprach nun leiser, was seinen folgenden Worten eine persönliche Note gab:
"Ich gehe davon aus, dass viel über mich geredet wurde. Dass ich ein Jedi war und immer sein werde, dürfte also den meisten von ihnen bekannt sein."
Der weibliche XO sog bestätigend die Luft scharf ein.
"So zu tun, als wäre dies ein Teil meines vergangenen Lebens, mit dem ich abgeschlossen hätte, wäre nicht richtig und als Jedi kann ich dies auch nicht tun. Ich bin ein Meister des Jedi Ordens. ... Doch, und darauf kommt es an, ... ich habe auch den Eid auf die Verfassung der Neuen Republik geleistet, habe die Akademie besucht und gelobt mich entsprechend an die gleichen Regeln zu halten, wie alle. Auch ich habe meine Befehle! Doch ich bin auch hier, weil ich eine Brücke schlagen will und all jene Spötter, die einen Keil zwischen die Jedi und die Republik zu treiben suchen, durch meine Anwesenheit hier und das tragen dieser Uniform zu wiederlegen."
Er wollte eigentlich keine großen Reden schwingen, aber jetzt tat er es doch. Ob es dieser herausfordernde Blick von Lieutenant Commander Saris war, der ihn seine Absicht hatte ändern lassen oder war die Entscheidung unterbewusst schon lange gefallen?
"Es steht eine wichtige Schlacht bevor und ich will nicht die dringend vor uns liegenden Aufgaben mit unnützen Worten in die Länge ziehen. Ich bin neu und ich bin ein Jedi, das denken Sie über mich. Beides kann ich nicht ändern. ... Bitten möchte ich Sie nur um Eines, und zwar, dass Sie mich nach dem beurteilen, was ich tue und nicht, was sie über mich gehört haben oder meinen über meine Person im Holonet gelesen zu haben. Gerade weil ich neu bin, bin ich auf ihre Zusammenarbeit angewiesen und auch nicht verlegen, hier und dort um Rat zu fragen. Also stellen Sie sich darauf ein, meine Damen und Herren. ... Weggetreten!"
Seine erste Amtshandlung war es im folgenden, offiziell an Bord der Massive das Kommando zu übernehmen, was auch unmittelbar geschah, indem die durchaus attraktive Kytana Saris ihm ein entsprechendes Datapad hin hielt. Noch immer äußerte sie sich nicht, doch die Stimmung, welche die Frau ihm entgegen brachte, offenbarte zukünftige Konflikte. Dass Bru-Ths Rede nicht viel mehr als Wasser auf einem heißen Stein darstellte, verlangte keine prophetischen Veranlagungen. Dass ausgerechnet sein Erster Offizier zu den Hartliner an Bord gehörte, bereitete dem corellianischen Jedi und frischgebackenen Commander jedoch Sorgen.
Im selben Moment deaktivierte der Navigationscomputer den Hyperraumantrieb der Massive und der schwere Eskortträger sackte zurück in den Normalraum, um sich bei Sammelpunkt "Rubin" mit einem Teil der republikanischen Streitmacht zu treffen. Bru-Th war nervös, denn für sein eigenes Leben und das eines Padawans Verantwortung zu übernehmen, war etwas Anderes, als für eine gesamte Crew verantwortlich zu sein. In diesem Moment zweifelte er daran, ob es klug war, direkt ein eigenes Kommando zu übernehmen. Ein Scheitern seinerseits hätte nicht nur rein biologische und materielle Konsequenzen, sondern würde all seinen Gegnern nur in die Hände spielen. Bru-Th richtete seinen Blick angestrengt auf das bläuliche Holobild, in der Hoffnung seine akuten Zweifel beiseite schieben zu können, denn was er brauchte, war sein üblich klarer Verstand.
[Tiefenraum | Sammelpunkt „Rubin“ nach Denon | LTK Massive | Brücke] Cmdr. Bru-Th Agoch, Lt.-Cmdr. Kytana Saris