Starship Troopers
"Noch etwas Musik, während ihr wartet?" Sie schaltete sie ein. "Zum ewigen Ruhm der Infantrie ..."
Das war es nun also, Heinleins wohl bekanntester Roman, auf den ich ohne Paul Verhoevens Verfilmung wohl kaum aufmerksam geworden wäre. Ich gebe gerne zu, der Streifen ist eine "guilty pleasure" meinerseits und ich gucke ihn immer wieder gerne, bin aber um die Vorlage (wie so oft) lange herumgeschlichen. Es gab auch Warnungen, der Roman sei eine einzige Verherrlichung von Militarismus und Verhoevens stellenweise parodierende Interpretation die "einzige" richtige Antwort und Möglichkeit, den Stoff zu adaptieren.
Worum geht es? In dem erstmals 1959 veröffentlichtem Roman „Starship Troopers“ von Robert A. Heinlein geht es um den jungen Juan „Johnny“ Rico und dessen militärische Laufbahn im Dienste der Terranischen Föderation, einem fiktiven Weltstaat der Zukunft, unter dessen Flagge sich die Menschheit im Weltraum ausbreitet und kolonisiert. Dabei trifft die Menschheit u.a. auf eine Alienrasse, die s.g. Arachniden (oder Bugs), mit denen sie sich in einem interstellaren, verlustreichen Krieg befindet.
Nach der Lektüre muss ich den warnenden Stimmen in vielen Punkten zustimmen. Hier manifestieren sich viele antidemokratische, militaristische und sogar bellizistische Ansichten, bei denen sich die Nackenhaare aufstellen und die Fußnägel aufrollen. Pädagogen und Kinderpsychologen sind "vorwissenschaftlich" mit einem "Hang zur Unordnung, Strafen müssen so richtig abschrecken und die demokratische Ordnung, wie wir sie kennen, wird der menschlichen Natur ja ohnehin nicht gerecht und ist damit zum Scheitern verurteilt. Es gibt da noch viele, viele Beispiele, an denen sich der Autor abarbeitet, für die er damals schon kritisiert wurde und für die er heute wahrscheinlich bei keinem renommierten Verlag unterkommen würde, geschweige denn mit Auszeichnungen wie dem Hugo Award (er gewann ihn sechsmal) rechnen dürfte. Heinlein argumentiert dabei mitnichten immer plump, denkt aber leider an vielen Stellen ein paar Meter zu kurz oder zieht andere Perspektiven gar nicht in Betracht. In der Terranischen Föderation dürfen z.B. nur Männer und Frauen das Wahlrecht ausüben, welche mindestens zwei Jahre im Militär gedient haben. Die Begründung ist nicht, dass man diesen eine höhere Intellgenz oder Disziplin zuschreibt (sogar im Gegenteil), sondern das man davon ausgeht, dass jeder Wähler bewiesen haben muss, dass er bereit ist, auch unter Inkaufnahme des eigenen Todes, Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen. Das ist m.E. ein reales Dilemma der Demokratie, denn auch im Jahre 2017 versuchen wir mit sicherlich kritikablen Restriktionen sicherzustellen, dass nur diejenigen wählen, welche auch die Kompetenz dazu haben (Volljährigkeit, Staatsbürgerschaft). Warum nicht einen Schritt weiter gehen und auch wirklich nur denen politische Partizipation ermöglichen, welche nicht bloß die Autorität (Wahlrecht), sondern auch wahre Verantwortung (Militärdienst) übernehmen? Heinlein kommt überhaupt nicht auf die Idee, dass es auch ganz andere Formen gleichwertiger Verantwortung geben kann und eine Zivilisation mehrere tragende Säulen hat. Das geht sogar so weit, dass die einzige Figur, welche mir noch wie ein Zugeständnis erschien, quasi der einzige Funken (mehr war es aber auch nicht) Kritik am System, am Ende als fehlgeleitet entlarvt und schließlich konvertiert wird. Zivilgesellschaft war für Heinlein zum damaligen Zeitpunkt wohl ein rotes Tuch. Als Zeitzeuge zweier Welt- und jeder Menge anderer blutiger Kriege, des Kalten Krieges und seiner Höhepunkte mit einer Medienwelt, die sehr viel stärker von Interessen kleiner Gruppen beeinflusst wurde, sind vielen Ansichten und Gedankengänge nachvollziehbar - auch wenn ich sie nicht teile und es andere gab, die schon damals Alternativen aufgezeigt haben. Ich werfe an der Stelle einfach mal Gene Roddenberry (Star Trek) ein, Anhänger des Humanismus, der zur gleichen Zeit lebte und eher darauf hoffte, dass es Einsicht, Verständnis und der Wunsch nach Frieden und Fortschritt sein würden, welche uns die die Zukunft führen. Heinlein baut zwar eine ähnliche Ausgangslage auf, indem er die globale, zivilisatorische Ordnung, wie es sie damals gab, zusammenbrechen lässt - macht aber im Vergleich zu Roddenberry bei der Ursachenanalyse und den Lösungen eine 180°-Wendung.
Ist Heinlein nun also ein Militarist und Faschist? Aus seiner Biografie lässt sich das jedenfalls nicht herauslesen, so sehr "Starship Troopers" einen das an vielen Stellen denken lässt. Der Mann war bekennender Anti-Kommunist und projiziert seine radikale Wahrnehmung des Paradigmen-Duells zwischen West (Kapitalismus) und Ost (Kommunismus) eindeutig auf die Geschichte, in der die Menschheit den Krieg gegen die Bugs (die lt. Heinlein den Kommunismus perfektioniert haben) entweder gewinnen muss oder ausradiert wird. Keinesfalls kann es eine Koexiszent geben. Er war aber auch bekennender Libertärer, zumindest im späteren Lebensabschnitt, und unterstützte in jungen Jahren die Sozialisten im Wahlkampf, kandidierte sogar selbst. Was also wollte Heinlein uns schlussendlich sagen? Ist das seine Zukunftsvision, sein Wunsch für die Generationen nach ihm oder einfach nur eine Einschätzung, wie der Kalte Krieg zu gewinnen ist? Wahrscheinlich eine Mischung als allem und eine Momentaufnahme von Heinleins Denken, dass so manchen Wandel durchlaufen hat.
Was ich noch erwähnen möchte: Es wird auch noch auf etliche Fragen des Selbstverständnisses als Soldat eingegangen, die ich mir spare, da mir wenig memorables im Gedächtnis geblieben ist. Jeder kämpft, absolute Disziplin und so weiter und sofort, hier dürfen gerne andere Heinleins Gedanken ausführlich sezieren und darlegen. Maßgeblichen Einfluss auf den Autor hatte hier sicherlich seine aus gesundheitlichen Gründen unerfüllte Sehnsucht, bei der US Navy Karriere zu machen.
Vergleich zwischen Film und Buch: Wer den Film kennt, wird bis hier womöglich schon selbst gemerkt haben, dass sich der Roman sehr viel intensiver mit der Sozialphilosophie der Föderation beschäftigt. Um das kurz zusammenzufassen, hat Verhoeven aus dem Roman einen Action-Streifen gebastelt, der sich zwar an den Figuren, Schlüsselmomenten und dem groben Handlungsverlauf orientiert, aber auch sehr viele Freiheiten nimmt. Die Vorlage hat nur wenige Action-Sequenzen, Romantik und Erotik sind quasi nicht vorhanden. Auch der leicht humoristische, überspitzende Ton, mit dem Verhoeven die Föderations aufs Korn nahm, ist im Roman so nicht existent.
Fazit: Es ist sicher kein Buch für Unbedarfte, da die Moralphilosophie der terranischen Förderation nicht kritisch hinterfragt, sondern eher noch bestätigt wird. Für jemanden ohne gefestigte Überzeugungen kann der Roman ein Einfluss sein, der in eine vielleicht suboptimale Richtung lenkt. Ich fand es einfach nur interessant, in Heinleins Welt einzutauchen, so radikal sie auch ist, und endlich die Lektüre der Filmvorlage, die ich jetzt auch besser verstehe, abgeschlossen zu haben.
Ohne diesen Kontext wäre die Bewertung sicher anders ausgefallen, ein "objektives" Urteil fällt mir schwer.