Für mich ist Luke zerrissen und nicht gebrochen, also eher zweifelnd als verzweifelt.
Was meine ich damit?
Nachdem man in E9 sieht, dass er die Bücher nicht nur gelesen, sondern in Bezug auf die Sith auch bearbeitet hat, erscheint mir der Luke, der auf Ahch-To angekommen ist, noch ein Jedi gewesen zu sein, der auf der Suche nach Antworten war. Eventuell hatte er gehofft Exegol zu finden und ergründen zu können, wie schon wieder jemand wie Snoke sich erheben konnte. Das hat offensichtlich nicht geklappt.
Luke ist im Anschluss auf der Insel wohl dann rational zum Schluss gekommen, dass die helle Seite der Macht die Jedi eigentlich nicht braucht. Das Gute wird weiterbestehen und nicht verschwinden. Und dieser progressive Luke hat daraus eben den maximal radikalsten Ansatz der Reform gewählt: einen kompletten Systemwechsel. Ist vergleichbar mit Kapitalismuskritikern: manche wollen (weitreichende) Reformen, andere sind der Meinung, dass das ganze System wegmuss, um Platz zu schaffen, für eine andere, bessere Form des menschlichen Strebens nach Wohlstand. Und so braucht die helle Seite in Lukes Augen wohl komplett neue, unbelastete Nutzer, weswegen die Jedi besiseite treten müssen. Warum er die Jedi dermaßen kritisch sieht, wird von ihm angerissen, er nennt ihr Versagen Palpatine gegenüber. Und natürlich sein Scheitern an Ben Solo.
Letztlich kann ich ihn schon verstehen; jeder Jedi, den er kannte (Yoda, Obi-Wan und er selbst) hat letztenendes einen Sith produziert – alle innerhalb einer Ordensstruktur.
Viele werden jetzt sagen, dass er hier Einzelfälle überinterpretiert. Das ist gut möglich: aber im neuen Kanon wissen wir nichts über die Jahrtausende vor der tausendjährigen Zeit, in der die Sith im Untergrund ihr Unwesen trieben. Luke dürfte auch diese Zeit studiert haben. Und es dürfte nicht unwahrscheinlich sein, dass er da über viele Konflikte gestolpert ist, in denen die Jedi unter hohen Verlusten das Böse bekämpften, das sie zuvor selber erschufen.
Ein wichtiger Punkt über den man – leider – nichts weiß, wenn es darum geht, warum Luke nicht sanfter reformiert ist natürlich auch die Lehre, nach der er seine eigene Akademie betrieben hat. Was hat er vom alten Orden übernommen? Was hat er weggelassen? Hat Luke also nicht vielleicht einen sanfteren Reformansatz gewählt und ist mit diesem ebenso gescheitert wie der alte Orden mit seinen ursprünglichen Regeln?
Aber auch wenn Luke (Rey gegenüber) behauptet, dass das seine Überzeugung ist (dass die Jedi untergehen müssten): Seine Taten sprechen z.T. eine andere Sprache. Er erwartet sie (als er noch nicht weiß, wer da zu Besuch kommt) in voller Jedi-Montur (abgesehen vom Lichtschwert), lässt zu, das sie die Bücher findet und auch als er den Baum niederbrennen will, wirft er sich wieder in Schale. Aber: er bringt es nicht fertig, den Baum und die Bücher zu verbrennen, so wenig, wie er es in den sechs Jahren zuvor geschafft hat. Er hat eben doch nicht abgeschlossen. So wenig, wie er mit seinen Freunden abgeschlossen hat. Er freut sich als er Chewie und R2 sieht und lässt sich von letzterem doch recht schnell überzeugen, Rey ein paar Lektionen zu gewähren.
Den verzweifelten und gebrochenen Luke, den viele – so hört es sich zumindest für mich an – in TLJ ausschließlich wahrgenommen haben, sieht man eigentlich nur an zwei Stellen. Als er Rey die Wahrheit über Bens Fall erzählt und als er im Falken sitzt und um Han trauert.
Eine weitere Facette ist dann sein Umgang mit Rey. Auch hier wirkt Luke nicht gebrochen, eher genervt. Er, der sich zwar eigentlich entschieden hat, aber diese Entscheidung wie oben dargelegt eben doch anzweifelt, wird von jemandem ausgesucht, der weder das sein will, was Luke für die Zukunft sich als richtig dargelegt hat, noch sucht sie jemanden, der so ist, wie Luke einen Jedi eben vielleicht doch noch akzeptieren könnte. Nein, sie sucht das in Lukes Augen schlechteste Modell eines Jedi: den Heldenjedi… (so wie er ihn einst bei Yoda gesucht hat) kombiniert mit der Vorstellung, dass die Macht eine Fähigkeit der Jedi sei.
Die Art und Weise, wie er Rey auflaufen lässt und sie von ihrem in seinen Augen falschen Bild kurieren will (Schwert wegwerfen, Milch trinken, Strohhalm über die Hand) zeigt für mich außerdem eine Andeutung dessen, wie Luke als Lehrer gewesen war. Direkter, zupackender, ironischer als es die doch eher elitären Yoda und Obi-Wan waren. Auch hieraus kann man eventuell herauslesen, dass er seine Akademie schon anders geführt hatte, als es im alten Orden der Fall war und dass er deshalb glaubt, dass nur der ganz radikale Ansatz noch sinnvoll ist, um die Fehler nicht zu wiederholen.
Wenn man sich mal die Diskussionen hier anschaut: auch hier gibt es recht unterschiedliche Meinungen darüber, inwieweit es die Lehre der Jedi ist, die die Fehler produziert oder ob die Fehler unvermeidbar sind, ein Gesetz der Macht sozusagen. Luke hat – so sieht es für mich aus - nachdem er selbst die Lehren der Jedi modifiziert hat und dennoch gescheitert ist, die Ursache bei der Tatsache gesehen, dass das grundsätzliche Problem darin besteht, dass jemand die helle Seite in eine Lehre pressen will und er scheint zu glauben, dass ein (ein anderes Wort fällt mir nicht ein) anarchischerer Zugang zur Macht den Fall von hell zu dunkel eher verhindern würde.
Und Yoda zeigt ihm dann, dass er zwar auf dem richtigen Weg ist, indem er Luke glauben lässt, dass die Bücher verbrannt sind. Es macht deutlich, dass das Drumherum tatsächlich nicht entscheidend ist, nicht der Kern ist. Indem er aber auch sagt, dass es nichts in den Büchern gibt, was Rey nicht schon weiß, macht er außerdem deutlich, dass eben wirklich diese universellen Wahrheiten gibt, die nicht den Jedi gehören, sondern die sie lediglich anwenden. (Sprich: es gibt Regeln, die der Orden festgeschrieben hat, nachdem die ersten Machtnutzer den Orden gegründet haben UND es gibt die Regeln und Gesetze der Macht, die schon da waren, bevor sie jemand angewandt hat und die den Anwender leiten.)
Jetzt kann man sich überlegen, was Rey über die macht weiß und das ist nicht viel: es gibt die dunkle Seite, es gibt die helle Seite. Die Macht ist universell. Sie erfährt von Luke, wie man sie erspürt, UND: wer die Macht nutzen kann, hat die Wahl: hell oder dunkel. Und das ist der Knackpunkt.
Verstehe ich Yoda richtig, braucht es tatsächlich keinen Orden, keine „Zwangsrekrutierung“ und Karteien mit machtsensitiven Kindern, keine Bücher, keine Dogmen und institutionalisierte Akademien. Was es aber tatsächlich braucht, sind Meister oder eher Begleiter, die diejenigen, in denen die Macht erwacht ist, auf ihrem individuellen Weg aber eben in Richtung der hellen Seite bestärken, bis sie gefestigt genug sind, um sie dann in die Welt (das Universum) zu entlassen. DAS sind die Jedi.
Das bedeutet aber eben auch – wie Yoda klarstellt- dass man auf diesem Weg als Jedi immer noch versagen kann, indem man einen Zögling an die dunkle Seite verliert, was möglicherweise der Grund ist, warum Luke das ganze noch radikaler will: weil seine größte Angst sich in Ben Solo bewahrheitet hat und er diese Wiederholung ausschließen will. Der Jedi-Teil in Luke weiß jedoch, dass das nicht möglich ist und hält ihn zurück. Und während dieses inneren Kampfes erscheint eben Rey auf der Bildfläche und Yoda nutzt die Gelegenheit, um Luke in die Richtung zu schubsen, vor der ihn seine Angst zurückgehalten hat.
So sehe ich das mit Lukes Haltung zu Macht, Jedi-Orden usw.